Pause bis zum 23. März 2024

6. März 2024

Schlichtheit muss kein Makel sein. Es gibt Klänge, die 350 Jahre alt, ohne raffinierte Technik zustande gekommen und immer noch für ein Remake gut sind. Und durch die Arbeit des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften weiß man jetzt auch: Es ist schon in Ordnung, wenn man das gut findet.
aus: deutschlandfunk.de/eine-oper-schreiben-heisst-keinen-anderen-ausweg-wissen-100.html

3. März 2024

Das Karikaturisten-Duo Achim Greser und Heribert Lenz wurde bereits mehrfach für seine über 25-jährige satirische Arbeit ausgezeichnet. Ihre scharfen politischen Karikaturen und der dabei oft unbequeme Blick auf die zeitgenössische Gesellschaft haben den Künstlern u. a. den Deutschen Karikaturenpreis und den Karikaturenpreis der deutschen Zeitungen eingetragen. Seit heute nun sind Greser und Lenz auch Preisträger des Göttinger Elchs, Deutschlands einzigem Satirepreis. Die Auszeichnung fand am Vormittag im Deutschen Theater Göttingen statt. Die Laudatio hielt Fernsehmoderator und Entertainer Harald Schmidt. Seine etwa 40-minütige Performance war launig, frech und pointenreich – ein sehr vergnüglicher Vormittag auf hohem kabarettistischem Niveau!

1. März 2024

März

Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Dass von den Blümlein allen,
Dass von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.

Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein.

Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.
Johann Wolfgang von Goethe

27. Februar 2024

Mit insgesamt vierzig Teilnehmenden ging es am letzten Wochenende auf Opernreise nach Berlin. Auf dem Programm stand die Aufführung von Madama Butterfly von Giacomo Puccini in der Staatsoper Unter den Linden mit Sonya Yoncheva als Cio-Cio-San („Butterfly“) und Stefan Pop als Marineleutnant Pinkerton in den Hauptrollen. Die Vorstellung stand unter der souveränen musikalischen Leitung von Domingo Hindoyan, der die Staatskapelle zu intensivsten, aufregendsten Klangfarben animierte und somit zum eigentlichen Star des Abends machte.

Auch für weitere Aktivitäten war Zeit, so z. B. für ein gemeinsames Abendessen im „Machiavelli“ (Albrechtstraße, sehr zu empfehlen!) und eine dreistündige Rundfahrt durch die Hauptstadt. Das Foto zeigt die Gruppe, die sich aus Teilnehmenden meiner Kurse und Seminare der UDL Göttingen sowie der VHS Wetzlar zusammensetzte, auf den Treppenstufen des Berliner Doms.

21. Februar 2024

Orden sind mir wurscht, aber haben will ich sie.
Johannes Brahms

18. Februar 2024

Ältere Menschen, die in regelmäßigen Abständen ins Theater gehen, Ausstellungen oder Konzerte besuchen, leben länger als Gleichaltrige, die dieses Hobby nicht teilen. Dieses Ergebnis ihrer Studie veröffentlichten Wissenschaftler in ihrem Fachblatt British Medical Journal (BMJ). Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass dieser Zusammenhang nicht allein dadurch zu erklären ist, dass Kulturinteressierte sich generell besserer geistiger und körperlicher Gesundheit erfreuen würden. Vielmehr sei das Interesse an kulturellen Veranstaltungen wie Konzerten von lebensverlängernder Wirkung.

15. Februar 2024

Zur Vorbereitung auf die Opernreise nach Berlin und meinen einführenden Vortrag zu Madama Butterfly habe ich noch einmal das herrliche Buch von Michael Klonovsky über Puccini herausgesucht. Wer es nicht kennt, sollte es sich auch anderthalb Jahrzehnte nach seinem Erscheinen unbedingt zulegen. Eckard Henscheids Lob war und ist zu Recht überschwänglich: „Schwärmerischer, verschwärmter und zugleich kenntnisreicher, präziser und vorurteilsfreier hat bisher keiner über Puccini geschrieben.“ Ein fabulöses Lesevergnügen!


Michael Klonovsky, Der Schmerz der Schönheit. Über Giacomo Puccini
302 Seiten, Berlin Verlag 2008

14. Februar 2024

Zum Start des neuen Semesters an der VHS Wetzlar beschäftigen wir uns in allen drei Kursen mit der Wiener Klassik. In Mozart war ein Krokodil sehen wir den ersten Teil des Films „In search of Mozart“ von Phil Grabsky (2006), in Von Händel bis Henze beschäftigen wir uns mit Beethovens 8. Sinfonie, und in Als ich in Gedanken komponierte, vergoss ich gelegentlich Tränen geht es um Haydns Sinfonie Nr. 88. Wir sehen dazu eine Dokumentation der Probenarbeit von Christoph von Dohnanyi mit dem Philharmonia Orchestra London.

9. Februar 2024

Zum Abschluss des Händel-Seminars an der UDL habe ich, sozusagen als Bonus, die weniger bekannte Arie „Tune your harps“ aus Esther aufgelegt. Mark Padmore singt diese wunderbare Arie begleitet von The English Concert unter Andrew Manze (CD „As steals the morn…“, harmonia mundi 2007) so sensibel und feinnervig, dass man sich dem betörenden Charme der Musik einfach nicht entziehen kann. Schon als Jugendlicher war ich von Händel begeistert, und dieses Gefühl ist mir über all die Jahre erhalten geblieben. Durch das UDL-Seminar habe ich mich noch einmal neu und intensiv mit Händels Opern befasst und habe dabei einen so nicht erwarteten Schub erlebt. Bis jetzt habe ich immer „Monteverdi, Mozart und Verdi“ geantwortet, wenn nach den drei größten Opernkomponisten gefragt wurde. Das würde ich mir jetzt schwer überlegen und vermutlich sagen: „Die Frage ist falsch gestellt, denn es sind vier.“

5. Februar 2024

Alles, was wir am Menschen bewundern, Edelmut, Güte, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Anstand, Mitgefühl, Herz, führt in unserem Gesellschaftssystem nur zu Fehlschlägen. Während alle Eigenschaften, die wir angeblich verachten, Härte, Raffsucht, Selbstsucht und Charakterlosigkeit, zum Erfolg beitragen. Jenen guten Eigenschaften gilt die Bewunderung der Menschen, doch was sie mit Vorliebe produzieren, sind diese grundschlechten.
aus: John Steinbeck, Straße der Ölsardinen (1945)

3. Februar 2024

Richard Tuff, Harbour Boats

31. Januar 2024

Als Schriftstellerin interessiert mich kollektives Unterbewusstes sehr viel mehr als die eigene Biografie. Warum steht gerade eine ganze Generation mit einem Bein in der Klapse? Das sind keine individualpsychologischen Probleme, das ist ein gesellschaftliches Phänomen.
Helene Hegemann

29. Januar 2024

Im Helbling Verlag ist soeben die CD the flutefancier’s delight erschienen – eine aparte Zusammenstellung von hoch- und spätbarocker Blockflötenkunst in England, interpretiert von Solistin Magdalena Spielmann und dem Ensemble Acanthus Baroque. Es ist, um es gleich vorweg zu sagen, eine grandiose Einspielung hinsichtlich der ausgewählten Werke und deren Interpretation.

Die CD enthält in England zur Barockzeit gespielte Stücke und zeigt dabei den Hauptgrund für ihre musikalische Vielfalt auf, nämlich die Verquickung von britischer Tradition mit Stilelementen aus Frankreich, Italien und Deutschland. Suiten und Sonaten von Babell, Matteis, Bononcini, Händel und Paisible werden durch Stücke anonymer Komponisten ergänzt, die vom Ensemble kunstvoll arrangiert wurden.

Die europaweit konzertierende Magdalena Spielmann und das 2021 gegründete Ensemble Acanthus Baroque präsentieren sich als technisch brillante Interpreten mit ausgeprägtem Sinn für musikalische Rhetorik. Überraschende Schlüsse ohne Ritardando, halsbrecherische Figurationen und kunstvolle Ornamentik wechseln ab mit versonnenen und klangverliebten Passagen, mehr erfühlt als gespielt, ohne Taktstriche, sozusagen „zeitlos“ – wunderbar!

Besondere Erwähnung verdient die Bearbeitung der Arie „Ah! Mio Cor!“ aus dem zweiten Akt von Händels Oper „Alcina“. Mit Geschmack und Stilkenntnis übernimmt Magdalena Spielmann hier die originale Sopranpartie und trifft die musikalisch artikulierten Affekte punktgenau – in der Opernszene wird Alcina von ihrem Geliebten Ruggiero verlassen und ist zwischen Liebe und Rache hin- und hergerissen.

Last but not least macht neben dem hohen Repertoirewert auch das detaillierte und instruktive Booklet the flutefancier’s delight nicht nur für Barockfans zum veritablen Geschenk.

25. Januar 2024

Ernste Musik hat eine wichtige innere Aufgabe. Sie stellt die notwendige Distanz zur Außenwelt her. Ich persönlich leide unter der Außenwelt. Das Leben ist sehr interessant, aber oberflächlich.
Sofia Gubaidulina (* 1931), Komponistin

23. Januar 2024

Zur Vorbereitung unserer Opernreise nach Berlin habe ich am letzten Samstag einen kleinen Ausflug in die Hauptstadt unternommen. Auf dem Programm stand u. a. das Aussuchen eines Restaurants für den Ankunftstag (wir werden im Machiavelli in der Albrechtstraße sein), das Ablaufen von Fußwegen (vom Hotel Leonardo Berlin Mitte bis zur Staatsoper sind es 14 Minuten) und ein Bummel in der Bergmannstraße. Wie sagt mein Sohn: „Ein schöner Beruf – man fährt nach Berlin, geht schön essen und trinken und spaziert durch die Stadt.“ Nun, ganz so ist es zwar nicht, doch ich will nicht groß widersprechen.

19. Januar 2024

Regierungen sind Segel, das Volk ist Wind,
der Staat ist Schiff, die Zeit ist See.
Ludwig Börne (1786 – 1837)

17. Januar 2024

Endlich bringt die ZEIT heute den Artikel, auf den ich so lange gewartet habe. Unter der Überschrift „Eine Ehrenrettung der Ampel“ analysiert der promovierte Politik- und Kommunikationswissenschaftler Sasan Abdi-Herrle das, was er in wenigen Sätzen zu Beginn wie folgt zusammenfasst: „Immer kräftig drauf: Ampelkritik ist in Mode, quer durch alle Milieus. Dabei ist Regieren in diesen Zeiten ein irres Geschäft. Zeit für etwas Demut.“

Ein wichtiger, richtiger, sehr lesenswerter, dazu absolut überfälliger Text. Und beinahe ausnahmslos Zustimmung im Forum. Dass ich das noch erleben darf…

14. Januar 2024

Bisweilen ist es mir ganz angenehm, wenn ich bei Vorträgen über herausragende Künstlerpersönlichkeiten emotional nicht zu sehr involviert bin. Gestern zum Beispiel, beim nachgeholten Vortrag zum 100. Geburtstag von Maria Callas, konnte ich problemlos Sequenzen aus Interviews zeigen, bei denen die Diva einen ziemlichen Schmarrn von sich gegeben hat. Zu sagen, ein Künstler müsse immer den Komponisten wiedergeben, dürfe dessen Notentext im Bedarfsfall aber auch kürzen oder korrigieren, ist kaum diskutabel. Ebenso wenig nachvollziehbar ist ihre Feststellung, Puccini habe zwar der Seele viel Gutes, der Stimme jedoch viel Schlechtes gebracht. Ich hatte nicht das Bedürfnis, diese Ansichten aus einer Art Bewunderungshaltung heraus rechtfertigen oder schönreden zu müssen, im Gegenteil. Wie viele von uns ihre Hausheiligen haben, so habe ich die meinen. Maria Callas gehört nicht dazu, und das war gestern ganz hilfreich.

10. Januar 2024

„Die Schweden sind keine Holländer.“ Von allen Zitaten, die in diesen Tagen Franz Beckenbauer zugeschrieben werden, ist dies das schönste. Bei den vielen Rückblicken auf sein Leben wurden natürlich auch andere hübsche Bonmots Beckenbauers wiedergegeben, z. B. dass es nur eine Möglichkeit gebe, nämlich Sieg, Unentschieden oder Niederlage.

Besonders gefreut hat mich bei der Zusammenstellung unvergessener Spielszenen, dass neben eleganten Pässen, Freistößen und Toren auch sein Foul an Stan Libuda („An Gott kommt keiner vorbei – außer Libuda“) im Spiel gegen Schalke 04 gezeigt wurde. Sehr sympathisch: Selbst der Kaiser konnte den König des Dribblings nur mit unerlaubten Mitteln stoppen.

Leider nicht zu sehen – ich weiß nicht mehr, in welchem Spiel es passierte – war der Moment, in dem Beckenbauer im Mittelfeld den Ball führt, keine Anspielstation findet, daraufhin den Ball einfach liegen lässt und sich auf den Weg zurück in die eigene Abwehr macht. Ein Freund sagte mir heute, übertragen auf die Musik könnte so ein Einfall nur von Mozart sein.

22. Dezember 2023

Allen Leserinnen und Lesern frohe Festtage und für 2024 alles Gute, vor allem Gesundheit und Zufriedenheit!
Ihr und Euer
Thomas Sander

20. Dezember 2023

Heute und morgen in den VHS-Kursen steht ausschließlich Advents- und Weihnachtsmusik auf dem Programm. Wir hören Musik aus verschiedensten Regionen und Epochen:

Maciej Wronowicz (ca. 1645 – ca. 1700), „In dulci jubilo“
Erwin Horn (* 1940) Intonation, Meditation und Nachspiel über „O Heiland, reiß die Himmel auf“
Camille Saint-Saëns (1835 – 1921) Oratorio de Noël (Auszüge)
Igor Strawinsky (1882 – 1971), Choral-Variationen über „Vom Himmel hoch“
Marc-Antoine Charpentier (1643 – 1704), Antiennes „O“ de l’Avent (Auszüge)
Otto Nicolai (1810 – 1849), Weihnachtsouvertüre
Benjamin Britten (1913 – 1976), „Men of Goodwill“, Variations on a Christmas Carol for orchestra
Olivier Messiaen (1908 – 1992), Vingt regards sur L’Enfant Jésus, Nr. 18 „Regard de l’onction terrible“

17. Dezember 2023

wochenende

du kamst freitagnachmittag
als ich grade
lotto spielen gehn wollte
wir blieben zuhause
und hatten sechs richtige

aus: Betteln und Hausin verboten!
Epigramme von Manfred Hausin (* 1951)

13. Dezember 2023

Gestern habe ich im Seminar einen der schönsten Chorsätze des frühen 17. Jahrhunderts vorgestellt: „Nu bede vi den Helligånd“ von Mogens Pedersøn (1585 – 1623), der als Stipendiat des dänischen Königs Christian IV. bei Giovanni Gabrieli in Venedig studierte und dort Kommilitone von Heinrich Schütz (1585 – 1672) war. Zwischen Pedersøn und Schütz bestand lebenslanger Kontakt.

„Nu bede vi den Helligånd“ besticht durch elegante Stimmführung in einer aparten Kombination von Homophonie und Polyphonie, was die Gleichzeitigkeit von Ruhe und Bewegung erzeugt. In der Aufnahme mit dem Ensemble Ars Nova unter Leitung von Bo Holten verströmt der Satz einen zarten, betörenden Duft, dem sich kaum jemand entziehen kann.

11. Dezember 2023

Gestern nach der Vorstellung: Max (?) und Moritz (v. l.)

9. Dezember 2023

08.55 Uhr, ICE nach Augsburg. Heute Christkindlesmarkt, morgen Besuch der Fuggerei und danach „Max und Moritz“ im Staatstheater (Moritz: John Sander). Allen einen schönen 2. Advent!

6. Dezember 2023

Nikolaus der Gute kommt mit einer Rute,
greift in seinen vollen Sack – dir ein Päckchen – mir ein Pack.
Ruth Maria kriegt ein Buch und ein Baumwolltaschentuch,
Noske einen Ehrensäbel und ein Buch vom alten Bebel,
sozusagen zur Erheiterung, zur Gelehrsamkeitserweiterung.

Marloh kriegt ein Kaiserbild und nen blanken Ehrenschild.
Oberst Reinhard kriegt zum Hohn die gesetzliche Pension.
Tante Lo, die, wie ihr wisst, immer, immer müde ist,
kriegt von mir ein dickes Kissen. Und auch hinter die Kulissen
kommt der gute Weihnachtsmann, nimmt sich mancher Leute an,
schenkt da einen ganzen Sack guten alten Kunstgeschmack.

Schenkt der Orska alle Rollen Wedekinder, kesse Bollen –
(Hosenrollen mag sie nicht: dabei sieht man nur Gesicht…).
Der kriegt eine Bauerntruhe, Fräulein Hippel neue Schuhe,
jener hält die liebste Hand. Und das Land? Und das Land?
Bitt ich dich, so sehr ich kann: Schenk ihm Ruhe – lieber Weihnachtsmann!
Kurt Tucholsky (1890 -1935)

4. Dezember 2023

Yver, vous n’estes qu’un villain;
Esté est plaisant et gentil,
En tesmoing de may et d’avril
Qui l’accompaignent soir et main.

Esté revest champs, bois et fleurs,
De sa livrée de verdure
Et de maintes autres couleurs,
Par l’ordonnance de nature.

Mais vous, yver, trop estes plain
De nège, vent, pluye et grézil;
On vous deust banir en éxil.
Sans point flater, je parle plain.

Die Verse stammen von Charles d’Orléans (1394 – 1465), einem der prominentesten französischen Lyriker des Mittelalters. Über vier Jahrhunderte später hat Claude Debussy (1862 -1918) den Text, der mir aus der Seele spricht, in hinreißender Weise für vierstimmigen gemischten Chor vertont.

29. November 2023

Von einem Arzt kann man nicht erwarten, dass er Gesunde sympathisch findet.
Michel de Montaigne (1533 – 1592), Philosoph und Essayist

27. November 2023


Abendspaziergang, Rockensüß (oberes Sontratal)

23. November 2023

Heute befassen wir uns in der VHS Wetzlar mit der Oper „Das Labyrinth – Der Zauberflöte zweyter Theil“ von Peter von Winter. 1798, also sieben Jahre nach dem Erscheinen der bekannten und sehr erfolgreichen „Zauberflöte“, versuchte sich Textdichter Emanuel Schikaneder gemeinsam mit Komponist Peter von Winter an einer Fortsetzung der Handlung. Ein vergleichbarer Triumph wie ein paar Jahre zuvor stellte sich jedoch nicht ein. Nur wenige Versuche, dem Stück zum Erfolg zu verhelfen, sind dokumentiert. Bei den Salzburger Festspielen 2012 wurde es dann im Residenzhof wieder aufgeführt. Namhafte Solisten standen zur Verfügung, darunter Michael Schade und Christof Fischesser. Ivor Bolton, ausgewiesener Experte, dirigierte das Mozarteumorchester Salzburg. Die Musik ist schön, gefällig und wohlklingend. Doch sie ist, und das ist deutlich zu hören, leider nicht von Mozart.

22. November 2023

Nachdem ich in den letzten drei Tagen auf schach.de jede Blitzpartie verloren habe, konnte ich gerade beim Wissenstest des Tages auf ZEIT ONLINE sechs der acht Fragen richtig beantworten (Durchschnitt fünf). Ich entspanne mich und denke an einen der Lieblingssätze von Huub Stevens: „Man musse zufriede sein.“

19. November 2023

Das „Hope Café“ in Göttingen heißt jetzt „Café Hoffnung“. Über den Namenswechsel war ich anfangs leicht irritiert, ehrlich gesagt, doch ein Blick ins Internet beruhigte mich: Das „House of Hope“ betreibt nach wie vor sein „Hope Center“, den „KidsClub“ und die „Gronergirls“. Und es ist auf zwei weiteren Gebieten tätig: Dem „Disaster Relief“ und dem „Social Entrepreneurship“. Das alles gibt womöglich Help und Support, doch für Hoffnung muss man ins Café.

17. November 2023

Man soll seinen Plänen nicht zu viel vertrauen, hat doch das Geschick seine eigene Vernunft.
Petronius Gajus Arbiter (10 – 66), römischer Dichter

16. November 2023

Als bekennender Freund guter Wirtshäuser und Gaststuben habe ich mit Freude das Buch Das Gasthaus: Ein Heimatort von Erwin Seitz entdeckt. Die einschlägigen Rezensionen loben die Bandbreite der Gasthaus-Historie, ja der Gastrosophie insgesamt. Seitz, gelernter Metzger und Koch, zudem studierter Germanist, Kunsthistoriker und Philosoph, beschreibt Formen der Gastlichkeit in Klöstern und Altstadtstuben, in Hotels, in Brauhäusern und Dorfgasthöfen sowie in zahlreichen weiteren gastronomischen Einrichtungen mit deutscher Küche. Nicht zu kurz kommt die Würdigung des sozialen Faktors wirtshäuslicher Gemütlichkeit. Insel-Verlag 2021, geb., 136 Seiten, 14 Euro.

12. November 2023

Im Flugzeug, zehntausend Meter
Über der Erde, verfluch ich den Geist
Der Erfinder, den ich doch lob
Hat mich erst wieder die Erde zurück
Volker von Törne (1934 – 1980), Epigramm 

9. November 2023


Talacre Lighthouse, Flintshire (Wales)

7. November 2023

Gabriel Faurés Kammermusik sei gekennzeichnet durch „parfümfreien Charme“, meint der renommierte Buchautor Volker Hagedorn. Selbst Musiker, somit vom Fach, charakterisiert Hagedorn Faurés Musik auf eine Weise, die er für dessen Requiem wohl kaum gewählt hätte. Die von sanfter Melancholie und milder Trauer, gleichwohl von Vertrauen und Zuversicht durchwirkte Totenmesse hat eben dieses französische „Parfüm“, dem sich kaum eine Zuhörerschaft entziehen kann. So auch heute Vormittag beim UDL-Seminar mit geistlicher Musik, wo wir die von Fauré erstellte zweite, erweiterte Fassung gehört haben. Kein Klangrausch, kein Schwelgen in Orchesterfarben – stattdessen eine ruhige, friedvolle Musik mit dem Bild eines Todes ohne Stachel. Komponiert 1887, und zwar, wie er selbst sagte, „zum Vergnügen“.

4. November 2023

Arnon Grünberg ist einer meiner Lieblingsautoren. Seine Bücher, zumeist Romane, wurden vielfach ausgezeichnet und mittlerweile in über 40 Sprachen übersetzt. Ich bewundere seine Erzählkunst, insbesondere den lakonischen Humor, die zuweilen absurd-groteske Komik in der Schilderung des Alltäglichen und den tiefen Ernst, mit dem er das scheinbar Leichte spielerisch verbindet. Beim diesjährigen Göttinger Literatur Herbst hatte ich Gelegenheit, Arnon Grünberg persönlich zu begegnen und mit ihm zu sprechen – ein für mich sehr besonderer Moment.

1. November 2023

Frage: Was sollten Graffiti-Sprayer möglichst nicht haben?
Antwort: Lackdose-Intoleranz
Dr. Manuel Hobiger gestern in „Gefragt – Gejagt“

30. Oktober 2023

Während der letzten zehn Tage hatte ich Gelegenheit, in mehreren Städten und unterschiedlichen Bildungseinrichtungen Vorträge, Seminare und Kurse anzubieten. Nach dem Auftakt in der UDL Göttingen zum Thema „Flüsse und Meere, Regen und Eis. Über das Wasser in der Musik“ am 20. Oktober in der Universität mit 140 Hörer/-innen begannen in der letzten Woche die Seminare „… und alsbald krähte der Hahn“ sowie „Händel-Opern“.

Auftaktveranstaltung der UDL (UDL – Universität des Dritten Lebensalters Göttingen e.V.) am 20.10.2023 im ZHG der Universität Göttingen mit einem Vortrag zum Thema „Flüsse und Meere, Regen und Eis. Über das Wasser in der Musik.“ Foto: Peter Heller

Die Veranstaltungen in der VHS Gütersloh mit „Rhapsody in Music – George Gershwin zum 125. Geburtstag“ (Kultur um halb vier) und „Operette sich, wer kann!“ (Senioren-Uni) waren gut besucht, ebenso der Crash-Kurs Oper an der Bayerischen Musikakademie Hammelburg am letzten Samstag. Kleine Belohnung: 2021er Silvaner und Riesling direkt vom Weinhandel Müller vor Ort.

25. Oktober 2023

Im Aufbruch zur VHS nach Gütersloh. Am Nachmittag halte ich den Vortrag „Rhapsody in Music – George Gershwin zum 125. Geburtstag“, morgen dann das Seminar „Operette sich, wer kann!“ in der Senioren-Uni. Seit mittlerweile über 20 Jahren bin ich für die Gütersloher VHS im Einsatz, in der Regel mit Seminaren und Vorträgen. Es macht immer noch Spaß – nicht zuletzt, da den Verantwortlichen im Hause an Kultur wirklich gelegen ist und man sich ernsthaft für entsprechende Inhalte interessiert. Darüber hinaus kennt mich der Großteil der Zuhörerschaft aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit. So ist es für mich immer wieder eine Art Heimspiel. Wie schön!

22. Oktober 2023


Imbiss „Moto 59“ Zeche Ewald, Herten

19. Oktober 2023

Mein Vortrag morgen Vormittag zur Semestereröffnung der UDL ist eine komprimierte Fassung des Tagesseminars, das zum selben Thema vor ein paar Wochen an der VHS in Wetzlar bereits stattgefunden hat. Auf dem Programm stehen Werke von Telemann, Ravel, Takemitsu, Rautavaara und Smetana. Verzichten werde ich auf Händel (seine „Wassermusik“ würde ganz anders heißen, wäre sie nicht auf Schiffen zur Fahrt auf der Themse gespielt worden), Schubert (die „Forelle“ hat mit dem Wasser nichts zu tun, außer dass sie darin schwimmt) und Johann Strauß (die „schöne blaue Donau“ ist eine hübsche Walzerfolge, das Wasser spielt in ihr keine Rolle). Auch „Yellow Submarine“ und „Singin‘ in the Rain“ haben morgen keinen Platz.

Besonders freue ich mich auf Rain Coming von Takemitsu. Das etwa siebenminütige Stück beschreibt die eigenartige Stimmung, die man wahrnimmt, wenn ein Regenschauer in der Luft liegt, dieser aber noch nicht begonnen hat. Das Werk ist geschrieben für ein kammermusikalisches Ensemble. Es bietet eine Art Stilmixtur und legt sich dabei nicht endgültig fest. „Mal erinnert es an weichen Jazz, mal an die Klangsprache von Claude Debussy, mal ist es expressiv atonal. Dennoch tritt Rain Coming als geschlossenes Ganzes auf und schließt in einem warmen Schlussakkord.“ (Schott-Music)

17. Oktober 2023

14. Oktober 2023

9.02 Uhr, ICE nach Nürnberg. Morgen im Staatstheater meine Lieblingsoper: La Calisto von Francesco Cavalli.

11. Oktober 2023

Wenn du vor einer Schildkröte stehst, und es sagt dir einer, die ist jetzt 260 Jahre alt, dann hast du schon einen Respekt. Du kannst allerdings auch sagen: 260 Jahre lang bloß Salat fressen, das ist die andere Seite der Medaille.
Gerhard Polt

10. Oktober 2023

Im VHS-Opernkurs habe ich gestern zwei Einspielungen von Mozarts Entführung aus dem Serail dabei, die eine von 2011 aus dem Liceu in Barcelona (Leitung Ivor Bolton, Regie Christoph Loy), die andere von 2013 aus dem Hangar-7 in Salzburg (Leitung Hans Graf, Regie Adrian Marthaler). Über Geschmack lässt sich streiten, oder eben auch nicht. Dass sich die ausgefeilte Personenführung von Christoph Loy nicht jedem sofort erschließt, ist nicht verwunderlich. Auch dass ungeübtere Ohren für die Entdeckung von Mozarts Geniestreichen im Finale des 2. Aktes mehrere Hörhilfen benötigen, ist verständlich. Dafür und für anderes mehr ist der Kurs ja da. Bleibe ich bei der Musik und spreche über Tonarten, Halbschlüsse, Arien und Strophenlieder, wechselnde Tempi etc., gibt es keine Geschmacksretouren oder Reklamationen. Bei den Bildern stellt sich das ganz anders dar. Unsereins muss sich immer wieder daran gewöhnen (wenn das überhaupt möglich ist), dass Vorbehalte und Aversionen gegenüber modernen Transfers bisweilen tief verwurzelt und für so manche Teilnehmer nur schwer zu überwinden sind. Eine Oper auf dem Flughafen, ja, wo gibt’s denn sowas? Worin soll denn da der Nutzen bestehen? Wenn ich einen Flieger sehen will, fahre ich zum Flughafen…

Was Oper heute für uns bedeuten kann, in einer gegenüber der Zeit der Uraufführung so völlig veränderten Welt, mit anderen Mitteln und Formen von Kommunikation, verfügbarem Wissen bis hin zu KI, Technik, Handel, Verkehr und vielem mehr, dabei gleichwohl mit zeitlosen, immerwährenden, uns allzu bekannten Emotionen, Obsessionen und Träumen – sich diesem Gedanken zu öffnen, ist für viele oft schwer. Herbert Lachmayer spricht – übrigens nicht zufällig in Zusammenhang mit Mozart – von der „Bühne unserer möblierten Psyche“. Unsere Psyche können wir nicht einfach rausschmeißen, die Möblierung schon.

5. Oktober 2023

Da ich Brauhäuser schätze, war mir der Besuch im „Konrads“ in Oberbiel gestern ein Vergnügen. Es gab Rösti mit Speck und Spiegelei, dazu ein Helles vom Fass. Die Alternative wäre ein türkisch geführtes Restaurant in Wetzlar gewesen. Das Essen dort ist gut, doch es gibt aus Glaubensgründen kein Bier. Das gefällt mir weniger. Für mich hat Gastronomie mit Genuss zu tun, nicht mit Religion. Nun könnte man ketzerisch sagen, auch bayerische Brauhäuser seien auf ihre Art eine Religion, aber lassen wir das. Nach anstrengenden Arbeitstagen schmeckt mir ein frisches Bier, und ich bin dann gerne dort, wo es das auch gibt.

3. Oktober 2023

Zurück von einem schönen, langen und erfolgreichen Wochenende. Am letzten Freitag mein erster Kurs an der Akademie für Ältere in Heidelberg mit einem Vortrag zum Thema „Oper von den Anfängen bis Mozart“. Ein interessierter Kreis von Opernfreunden zeigte sich angetan und wünscht sich ein Wiedersehen – sehr gerne! Am Samstag dann der Heidelberger Herbst mit Musik, Kleinkunst, Flohmarkt und dem Besuch einschlägiger Gastronomie. Bei herrlichem Wetter war der Bummel durch die Altstadt eine wunderbare Entspannung!

Heute dann ein Ausflug nach Ebergötzen ins Wilhelm-Busch-Museum und anschließend Zwetschgenstreusel und Kaffee in der „Auszeit“. Morgen wieder Alltag, alles gut.

26. September 2023

Liebe erblüht im Staunen einer Seele, die nichts erwartet. Und sie stirbt an der Enttäuschung des Ichs, das alles fordert.
Gustave Flaubert (1821 – 1880)

21. September 2023

18. September 2023

Bei meinem letzten Kinobesuch gab’s Barbie, das war im Nachhinein unnötig, jedenfalls für mich. Gestern nun habe ich Fallende Blätter (2023) von Aki Kaurismäki gesehen. Ansa und Holappa, zwei einsame Großstadtseelen, suchen immer noch die große Liebe und finden sie vielleicht. Melancholisch, mit lakonischem Humor, sehr aufmerksam und detailreich fotografiert. Sehenswert! Unfreiwillig komisch ist dagegen der Hinweis auf filmstarts.de, Fallende Blätter sei nach Schatten im Paradies (1986), Abgebrannt in Helsinki (1988) und Das Mädchen aus der Streichholzfabrik (1990) „der vierte Teil der Proletarier-Trilogie von Aki Kaurismäki.“ Irgendwie erinnert mich das an den Spruch des legendären Fußballtrainers Fritz Langner: „Ihr fünf spielt jetzt vier gegen drei.“

13. September 2023

Noch vor dem erwähnten Vortrag zu Komponisten in und aus Wetzlar im Oktober steht schon in der nächsten Woche ein besonderer Termin an. Die Phantastische Bibliothek Wetzlar hat dazu folgenden Text herausgegeben:

Donnerstag, 21. September 2023 und weitere Donnerstage
Phantastische Bibliothek Wetzlar
Märchen der Romantik

Zu einem märchenhaften Abend laden am 21. September 2023 um 19.30 Uhr die Phantastische Bibliothek Wetzlar und der Kulturförderring Wetzlar e.V.: Mit einem musikalischen und schauspielerischen Highlight eröffnen sie so die Ausstellung „Romantische Märchen“ der Berliner Künstlerin Renate von Charlottenburg. Dazu werden Thomas und John Armin Sander auf der Grundlage des Grimm’schen Märchens „Die zertanzten Schuhe“ eine musikalisch interpretierte szenische Lesung halten. Thomas Sander zählt musikalisch zum Wetzlarer Urgestein, hat er doch von 2004 bis 2021 die Musikschule Wetzlar geleitet und in dieser Zeit auch mit unvergesslichen musikalischen Auftritten sein Publikum begeistert. Sein Sohn John Armin Sander ist nach seinem Schauspiel-Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt bereits an verschiedenen Schauspielhäusern aufgetreten und wird mit der kommenden Spielzeit ans Staatstheater Augsburg wechseln. Bei ihren gemeinsamen Auftritten bringt das gut aufeinander eingespielte Duo Text und Musik in einen harmonischen und dabei doch spannungsgeladenen Einklang.

Renate von Charlottenburg begeistert seit 2012 die Kunst- und Märchenwelt mit ihren feinen und symbolhaften Zeichnungen, die eine wunderbare Möglichkeit bieten, das Wesen der Dinge hinter dem scheinbar Trivialen zu entdecken und sich daran zu erfreuen. Ihre Bilder werden den gesamten Lesezyklus „Märchen der Romantik“ begleiten, der bis in den November 2023 die bekanntesen Märchen von Tieck über Brentano bis Hauff zu neuem Leben erweckt. Die Künstlerin selbst wird ihre eigenen Märchen am 2. November vorlesen.

Die Lesungen können gegen einen Eintritt von 8,- € (ermäßigt 5,- €) einzeln oder im Abonnement gegen 40,- € (vergünstigt 35,- €) besucht werden. Außerdem gibt es ein kleines Kontingent an Freikarten für Menschen, denen der Besuch der Veranstaltungsreihe aus Kostengründen nicht möglich ist. Anmeldungen sind unter mail@phantastik.eu oder telefonisch unter 06441-4001-0 möglich.

11. September 2023

Heute von hier aus nur eine kurze Erinnerung an 9/11, darüber hinaus ein Gruß an Franz Beckenbauer zum 78. Geburtstag mit besten Genesungswünschen!

Jetzt ein paar Informationen in eigener Sache, zum Termin am 12. Oktober. Auf Einladung des Wetzlarer Geschichtsvereins e.V. spreche ich zum Thema Musik und Musiker in und aus Wetzlar – Beispiele aus drei Jahrhunderten in der Alten Aula, Obertorstraße 20 in 35578 Wetzlar. Beginn ist um 19.30 Uhr. Es gibt Portraits von Theodor von Schacht (1748 – 1823), Gustav Adolf Schlemm (1902 – 1987) und Karl-Wieland Kurz (*1961). Herzliche Einladung!

6. September 2023

Heute sind die Jeux d’eau von Maurice Ravel gekommen, ein Baustein für mein Seminar „Flüsse und Meere, Regen und Eis. Über das Wasser in der Musik“. In einer Aufnahme von 1977 spielt Martha Argerich dieses etwa fünfminütige Klavierstück, über das Ravel selbst äußerte, es sei „inspiriert vom Geräusch des Wassers und den musikalischen Lauten, die bei Springbrunnen, Kaskaden und Bächen zu hören sind.“ 1901 komponiert und nur ein Jahr später uraufgeführt, war die Komposition von Anfang an ein rauschender Erfolg. Ravel wurde damit auf einen Schlag einer der führenden Komponisten Frankreichs. Es ist schön, dass die Aufnahme als DVD erschienen ist, was uns Gelegenheit gibt, die enormen technischen Herausforderungen wie z. B. das Spielen zweier Tasten mit einem Daumen, das Ineinandergreifen der Hände, Glissandi, Akkordtriller und manches mehr nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen.

5. September 2023

Beide schaden sich selbst: Der zuviel verspricht und der zuviel erwartet.
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)

4. September 2023


En souvenir d’Ault, en fin de journèe

29. August 2023


Jean-Philippe Rameau (Büste von Jean-Jacques Caffieri)

Das Opernhaus Zürich zeigt im Dezember dieses Jahres und im Januar 2024 eine Neuproduktion von Rameaus Oper Platée. In der Inszenierung der niederländischen Regisseurin Jetske Mijnssen leitet die französische Barockspezialistin Emmanuelle Haïm ein hochkarätiges Ensemble von Instrumentalisten, Sängern und Tänzern. Das Opernhaus schreibt völlig zu Recht auf seiner Webseite, Rameaus Musik sei „schlichtweg hinreißend, vielschimmernd und ungeheuer plastisch.“ Und dann sinngemäß, jedoch nicht weniger zutreffend: Gute Kunst, ja das Leben selbst, braucht immer auch den Wahnsinn.

Apropos: Leider gießen die Zürcher mit Ihren Ticketpreisen ordentlich Wasser in den Wein der Vorfreude. Für einen Platz, wo man nicht nur hören, sondern auch uneingeschränkt sehen kann, zahlt man ab 168 CHF, in der besten Kategorie 230 CHF.

26. August 2023

Trauern ist wie ein großer Felsbrocken. Wegrollen kann man ihn nicht. Zuerst versucht man, nicht darunter zu ersticken, dann hackt man ihn klein, Stück für Stück. Den letzten Brocken steckt man in die Hosentasche und trägt ihn ein Leben lang mit sich herum.
Mechthild Schroeter-Rupieper

22. August 2023

„Man kann musikalisch alles ausdrücken, was ein feines Ohr im Rhythmus der Welt, die es umgibt, wahrnimmt. Gewisse Leute wollen sich zuallererst nach Regeln richten. Ich für meinen Teil will nur das wiedergeben, was ich höre.“ Diese Sätze stammen von Claude Debussy, dessen 161. Geburtstag wir heute feiern. Sein heute beliebtestes und meistgespieltes Werk, La Mer, wurde 1905 uraufgeführt und nicht gerade begeistert aufgenommen. Das Stück sei zu wenig tonmalerisch, nicht realistisch, man höre das Meer nicht rauschen, meinten Kritiker in Verkennung der Tatsache, dass ein simples Abbilden des Meeres nicht in Debussys Absicht lag. Vielmehr wollte er, ähnlich wie Claude Monet in der Malerei, stimmungsvolle Bilder erschaffen, die Platz und Raum für eigene Empfindungen lassen.

Debussy war fasziniert von der See. Schon als junger Mensch war er viel am Atlantik und am Ärmelkanal. „Ich liebe das Meer, ich habe ihm zugehört mit dem leidenschaftlichen Respekt, den man ihm schuldet“, hat er einmal gesagt. In La Mer bildet er das Element Wasser in seiner ständigen Verwandlung ab. Es erklingen kurze musikalische Motive, die sich, wie Wassertropfen und Wellen, ständig verändern.  So entsteht „eine klangliche Repräsentation der unzähligen Gedanken, Stimmungen und tief verwurzelter, instinktiver Reaktionen, die das Meer in einer einzelnen menschlichen Seele erweckt.“ (Blair Johnston)

21. August 2023

Ehemalige Bäckerei, Weißenfels 2023

18. August 2023

Vorgestern wurde Madonna (Madonna Louise Ciccone) 65 Jahre alt. Ihr Geburtstag fand allenthalben insofern berechtigte Aufmerksamkeit, als der Popstar nunmehr zwar das klassische Rentenalter erreicht hat, ein berufliches Kürzertreten oder gar ein Ende der Karriere jedoch nicht abzusehen ist. Madonna hat, wie zahlreiche andere Stars auch, ihre treue Fangemeinde, die durch zahlreiche Eskapaden, Provokationen und Skandale nicht zu erschüttern ist. Bezüglich des künstlerischen Wertes ihrer Darbietungen gibt es allerdings verschiedene Ansichten. Schon vor Jahren meinte ein Kritiker, Madonna sei der lebende Beweis, dass man es mit durchschnittlichem Äußeren und ebenso durchschnittlichem musikalischen Talent zur Weltkarriere bringen kann. Madonna hat von kaum einem Song so profitiert wie von „Who’s That Girl“ (1987), wobei weniger ihre Gesangskunst im Vordergrund stand als vielmehr ihre Begabung zur Inszenierung, die als Markenzeichen über Jahrzehnte ihre Fortsetzung fand. Und über Äußeres lässt sich kaum streiten. Außerdem kann nicht jeder Bühnenstar aussehen wie Uta von Naumburg oder Eva Schulz.

14. August 2023

Vom diesjährigen Sommerurlaub bleibt vieles in Erinnerung – die Anreise über Gent, diese grandiose alte flämische Hafen- und Handelsstadt, die Weiterreise über Pas-de-Calais mit den hübschen Orten Audresselle und Ambleteuse, schließlich die Picardie. Hier das Wiedersehen mit Emmanuelle und David und ihr St. Pierre, Benoît mit seiner Galerie d’Art, die Klippen von Ault, Boulogne-sur-Mer, Muscheln und Makrelen, Chardonnay, Picon Bière und und und. Hin und wieder etwas Regen, hin und wieder die Sonne, und immer wieder das beste Urlaubsgefühl überhaupt, nämlich keinen Ort nennen zu können, an dem man jetzt lieber wäre.


im Nausicaá (Boulogne-sur-Mer), dem größten Meeres-Aquarium Europas

Schon im letzten Jahr hatte ich in Ault das Gefühl, für einen erholsamen Urlaub wenig zu brauchen. Wenn man es soweit gebracht hat, kann man zufrieden sein. Der Ort ist klein, unaufgeregt und im besten Sinn gemütlich. Gäbe es den Blick auf die Klippen nicht, wäre er gänzlich unspektakulär. Am Samstag ist Markt, im Sommer gibt es an den Wochenenden Live-Musik. In diesem Jahr sogar ein wirkliches Ereignis: das Festival Côte à Côte – Konzerte, Tanz, Theater und manches mehr. Herausragend: The Attic Family (The Wood Sisters), mit einer großartigen Performance aus Gesang, darstellendem Spiel und Choreografie – eine Stunde lang vor dem Casino, direkt am Meer. Unwiderstehlich!


The Attic Family (The Wood Sisters) in der Grande Rue, Ault

Dieser Blog wird ja nicht von allzu vielen gelesen. Das ist in diesem Fall ganz gut, sonst wollen alle an diesen Sehnsuchtsort. Das wäre mir nicht recht.

Pause bis zum 7. August 2023

12. Juli 2023

Ein Leben ohne Wirtshaus ist keins, kein ordentlich erfülltes Leben, und auf jeden Fall keines, das die Welt voranbringt. Die Suche nach dem richtigen Wirtshaus hat durchaus die Tragweite einer Partnerwahl.
Jost auf der Maur (*1953), Schweizer Journalist und Buchautor

10. Juli 2023

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach empfiehlt, bei großer Hitze ausreichend zu trinken – „zwei bis drei Liter pro Tag sollten es sein“ – am besten Wasser und auch ungesüßte Tees. Jüngere sollten darüber hinaus darauf achten, dass ältere Angehörige genug Flüssigkeit zu sich nehmen: „Bei älteren Menschen wird oft kein Durst verspürt, obwohl der Körper Flüssigkeit braucht.“ Von körperlichen Anstrengungen wird speziell in der Mittagszeit und am frühen Nachmittag abgeraten. Draußen werden dringend UV-Schutz und Aufenthalt im Schatten empfohlen. Wohnungen sollen nach Möglichkeit kühl gehalten werden. Das Ministerium betont: „Verschlossene und verschattete Fenster verhindern, dass sich Räume ungehindert erhitzen. Erst wenn es draußen kühler ist als in der Wohnung, ist Lüften zu empfehlen. Auch aktives Kühlen mit feuchten Tüchern hilft.“

Den letzten Satz kritisiert „Wetterexperte“ Jörg Kachelmann und nennt die Empfehlung „aktive Sterbehilfe“. Die Ratschläge kämen von Menschen, „die keine Ahnung haben, dass Temperatur und Ozon abends am schlimmsten sind, und die in Palästen wohnen, wo man tagsüber so viel Raumvolumen hat, dass man nicht stirbt, wenn man alles zumacht und atmet.“

Zur Erinnerung: Lauterbach ist Arzt und Gesundheitsökonom, Kachelmann TV-Moderator und Journalist. Mir fällt dazu folgender Bibelvers ein (Römer I,22): „Sie bildeten sich etwas auf ihre Klugheit ein, in Wirklichkeit wurden sie zu Narren.“

6. Juli 2023

Im kommenden Wintersemester biete ich an der UDL Göttingen ein Seminar über Händel-Opern an. Von den insgesamt 42 Opern Händels behandelt das Seminar eine Auswahl, darunter Rinaldo, Tamerlano, Xerxes, Giulio Cesare, Alcina und Ariodante. Schwerpunkte sind neben der Analyse von Rezitativen, Arien, Duetten, Chören und Ballettmusiken die musikalischen Zeichnungen der jeweiligen Bühnenfiguren. Händels über Jahrzehnte sich entwickelnder Stil des Zusammenschmelzens italienischer, deutscher und englischer Einflüsse wird ebenso herausgearbeitet wie seine Meisterschaft des musikalischen Transfers von Affekten. Ein weiterer Aspekt ist Händels Virtuosität und Biegsamkeit bezüglich der Wünsche und Vorlieben von Veranstaltern und Geldgebern einerseits, von Star-Kastraten und Primadonnen andererseits und notabene des Publikums. Darüber hinaus werden durch den Vergleich von Inszenierungen verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, Barockoper heutzutage auf die Bühne zu bringen. Ob traditionell oder modern, opulent oder reduziert, historisierend oder zeitaktuell – allen unterschiedlichsten Ansätzen ist eines gemein: Sie befassen sich mit einem der spannendsten Abschnitte der Operngeschichte.

5. Juli 2023

Vorschlag zum Thema „Mal was anderes auf den Teller bringen“

2. Juli 2023

Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, in meinen Kursen mit Musik von Arthur Honegger und Philip Glass mehr punkten zu können als mit Stücken von Maurice Ravel und Anton Bruckner. In der letzten Woche habe ich Ravels Klavierkonzert für die linke Hand und La Valse vorgestellt, ebenso Bruckners Messe in f-Moll (Ausschnitte aus Probe und Aufführung unter Leitung von Celibidache). Die Reaktionen waren zwar positiv, manche Teilnehmer/-innen zeigten sich durchaus beeindruckt. Doch die Veranstaltungen mit Honeggers Jeanne d’Arc und Glass‘ Aknathen brachten andere, neue Hörerlebnisse mit entsprechenden Kommentaren: unglaublich, tief bewegend, fantastisch. Nicht wenige haben die DVDs bzw. ihre Hüllen fotografiert, was auf eine Kaufabsicht schließen lässt. Toll!

29. Juni 2023

Das Leben besteht aus seltenen einzelnen Momenten von höchster Bedeutsamkeit und unzählig vielen Intervallen, in denen uns besten Falls die Schattenbilder jener Momente umschweben. Die Liebe, der Frühling, jede schöne Melodie, das Gebirge, der Mond, das Meer – alles redet nur einmal ganz zum Herzen: wenn es überhaupt je ganz zu Worte kommt. Denn viele Menschen haben jene Momente gar nicht und sind selber Intervalle und Pausen in der Symphonie des wirklichen Lebens.
Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)

25. Juni 2023

In unserem Kurs „… und abermals krähte der Hahn“ werden wir uns demnächst mit Musik von Arvo Pärt (*1935) befassen. Seine Musik wird oft als minimalistisch, spirituell oder archaisch bezeichnet. Als Komponist nimmt Pärt unter zeitgenössischen Tonsetzern nach wie vor eine Sonderstellung ein. Er schafft mit seinen Werken ein Universum, das nicht nur klassische Musiker fasziniert, sondern auch Choreographen wie Jirí Kylián und Filmemacher wie Alain Gomis. Die allermeisten, die zum ersten Mal Musik von Pärt hören, sind berührt, bewegt, zumindest überrascht wegen der Besonderheit der Klänge. Wir werden seine „Johannes-Passion“ besprechen, aber auch andere Stücke.

22. Juni 2023

21. Juni 2023

Tafel an der Schlosskirche in Weißenfels

So einfach ist das: Bach war der „bedeutendste Musiker des 18. Jahrhunderts“, Händel verfügte über eine „hohe musikalische Begabung“ (deswegen kann man sein Geburts- und Sterbejahr ja auch weglassen). Vielleicht hätte Beethovens Einschätzung hier weitergeholfen: „Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat.“

15. Juni 2023

Fallen gibt es, damit jemand hinein tappt. Bei sprachlichen Fallen sind dem Opfer Spott oder Mitgefühl sicher, je nachdem. Dem Fallensteller fliegen dementsprechend Respekt oder Verärgerung zu.

Zu meiner Jugendzeit spielte in meiner Heimatgemeinde an Sonntagen ein gutwilliger Autodidakt die Orgel, zuweilen, das war bekannt, auch mit dem einen oder anderen falschen Ton oder sonstigen unfreiwilligen klanglichen Überraschungen. Eines Sonntags begrüßt ihn ein örtlicher Handwerksmeister nach dem Gottesdienst mit den Worten: „Guten Morgen, Herr Kollege!“ Der Organist tappt in die aufgestellte Falle und sagt überrascht: „Kollege? Wieso Kollege? Du kannst doch gar nicht Orgel spielen!“ Darauf die Antwort: „Na, du doch auch nicht!“

Wie sagt James Bond in Ein Quantum Trost: Galant war das nicht. Das Opfer schweigt und erhält dafür die Anerkennung der Umstehenden, der Fallensteller genießt seine Pointe und verliert dafür Sympathien. Das ist, Gott sei’s geklagt, nicht immer so.

12. Juni 2023

Ein Schnappschuss, aufgenommen vor der Marienkirche in Weißenfels. Das Bild zeigt mich zwischen Heinrich Schütz und Novalis. Es war zwar nur ein Tagesbesuch, doch allein der Aufenthalt im Heinrich-Schütz-Haus war die Reise wert! Ich werde in Bälde nochmal hinfahren, vor allem, um an der Hörtafel die berührende Komposition „Gott der Vater steh uns bei“ von Georg Weber (1538 – 1599) zu hören.

9. Juni 2023

Ehemalige Gaststätte (Seitenansicht), Wilhelmshaven 2023

5. Juni 2023

Die Touristikwebsite Tripadvisor schreibt über das Restaurant „Schwarzer Bär“ in Weißenburg/Bayern: „Zum Mitnehmen, Sitzplätze im Freien, Parken an der Straße, Hochstühle verfügbar, serviert Alkohol, Wein und Bier, akzeptiert Mastercard, Kreditkarten akzeptiert, Service am Tisch, hundefreundlich, familiär.“ Die Berücksichtigung des bayerischen Verständnisses bzw. der Definition von Alkohol, Wein und Bier ist doch augenzwinkernd gemeint, oder etwa nicht?

4. Juni 2023

Im Wetzlarer FORUM läuft noch bis zum 10. Juni die Wissensausstellung „Mathe Magie“. Ich habe an mehreren Stationen verweilt, z. B. an der, wo sich 50.000 weiße Kugeln zusammen mit einer einzigen schwarzen in einer Box befinden. Durch Drehen an der Seite der Box werden die Kugeln vermischt, und die Aufgabe besteht darin, die schwarze Kugel während der Rotation zu entdecken, was mir trotz mehrerer Versuche nicht gelang.

An einer weiteren Station wurde das sogenannte Geburtstagsparadoxon erklärt, wieder spielerisch anhand eines drehbaren Zufallsgenerators. „Befinden sich in einem Raum mindestens 23 Personen, dann ist die Chance, dass zwei oder mehr dieser Personen am gleichen Tag (ohne Beachtung des Jahrganges) Geburtstag haben, größer als 50 %.“ Meine Drehversuche haben das bestätigt. Wow!

Die Chance, dass wir morgen im Opernkurs „Lady Macbeth von Mzensk“ von Schostakowitsch besprechen werden, liegt bei 100 %.

30. Mai 2023

Es war ein schöner dreitägiger Pfingstausflug nach Wilhelmshaven. Eine Stadt am Meer, nicht groß und mit einer Reihe von vielfältigen kulturellen Angeboten: Landesbühne, Deutsches Marinemuseum, Kunsthalle, Küstenmuseum, Rosarium, mehrere Parks und manches mehr. Dazu ein gutes gastronomisches Angebot (sehr zu empfehlen: Fischrestaurant „Banter Ruine“, Jadeallee) und der Südstrand mit Strandkörben auf der Wiese, Meeresrauschen und Möwen. Ich bin zurück mit Sonne in Herz und Gesicht, und das nach nur drei Tagen. Alles bestens!

20. Mai 2023

Trüffeln und Austern, sagte mir ein berühmter Philosoph, schmeckten deshalb so gut, weil sie auf der letzten Grenze beider Naturreiche stehen. Trüffeln auf der letzten Stufe der Vegetabilien zum Übergang in das Mineralreich, und Austern als Übergang der Mineralien zu den Animalien. Ich bemerkte, dass nach diesem Grundsatze auch wohl Fledermäuse gut sein müssten. Das sind sie auch, belehrte er mich, und die Römer mästeten sie, wie sehr bekannt ist.
Eugen von Vaerst, Gastrosophie (1851)

17. Mai 2023

Gestern in der UDL haben wir uns mit César Francks Sinfonie d-Moll beschäftigt, einem hierzulande recht selten aufgeführten Werk. Franck komponierte die Sinfonie zwischen 1886 und 1888, die Uraufführung erfolgte ein Jahr später. Es ist ein großes, reifes Werk, mit ausgefeilter Technik und kunstvoller Verarbeitung der Themen. Schade, dass es auch das restliche Œuvre, von ein paar Orgelwerken abgesehen, nur in Ausnahmefällen auf die Spielpläne von Theatern und Konzerthäusern schafft. Von seinen vier Opern, vier Oratorien sowie zahlreichen Klavierstücken und Liedern ist so gut wie nie etwas zu sehen und zu hören. Dabei gäbe es viel zu entdecken! Vielleicht gibt es ja doch ein paar musikalische Trüffelschweine, die das eine oder andere Stück aufstöbern und der Vergessenheit entreißen. Lohnen würde es sich allemal!

13. Mai 2023

Demnächst im Opernkurs: Lady Macbeth von Mzensk von Dmitri Schostakowitsch

12. Mai 2023

Don’t waste your time striving for perfection; instead, strive for excellence – doing your best.
Laurence Olivier (1907 – 1989)

8. Mai 2023

Wohl kaum käme ein Regisseur auf die Idee, seinen Film über ein Mathematik-Genie mit jemandem zu besetzen, der die Grundrechenarten nicht voneinander unterscheiden kann, oder bei einem Film über einen Starkoch mit jemandem, der ständig Essig und Öl miteinander verwechselt. Bei Filmen über Dirigenten sind Selbstverständlichkeiten dieser Art offenbar komplett négligeable, vor ein paar Tagen wieder beeindruckend zu sehen in „Die Unschuldsvermutung“. Ulrich Tukur, eigentlich ein musikalischer Mime, pinselt an Takt, Rhythmus und Tempo genauso vorbei wie Laura de Boer, der man fassungslos zuschaut, an der Grenze zum Fremdschämen. August Zirner spielt auch mit, dirigiert aber gottseidank nicht. In einem früheren Streifen („Der Hochzeitswalzer“) ist er in der Rolle des Maestros hoffnungslos überfordert, leider war es den Verantwortlichen in Regie und Produktion herzlich egal. Immerhin hat John Cassavetes schon vor fünfzig Jahren bei „Columbo“ vorgemacht, wie es auf keinen Fall geht und trotzdem passiert. Der einzige, der einen Dirigenten wirklich überzeugend gespielt hat, ohne auch nur Noten lesen zu können, war Oskar Werner. Für „Interlude“ hatte er wochenlang Dirigierunterricht genommen, weil er, von seiner Berufsauffassung mal ganz abgesehen, einfach können wollte, was er da tat. Das Royal Philharmonic Orchestra bot ihm daraufhin eine Tournee mit acht Konzerten an, weil es glaubte, Werner sei ein „richtiger“ Dirigent. Die zuvor genannten Akteure haben so etwas nicht zu erwarten, hoffentlich.

5. Mai 2023


Kaiser-Wilhelm-Brücke, offen

Ein Kurzurlaub über Pfingsten geht nach Wilhelmshaven, mit Nordseeluft, Strand und Fischbrötchen. Wie heißt es: Leben kurz, also Meer.

3. Mai 2023

Es wird so getan, als ob wir Kunst machen als Hobby. Das Rumgetrampel darauf, dass wir uncool seien, wenn wir darauf beharren, dass wir diese Werke geschaffen haben, ist im Grunde nichts anderes, als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: „Euer Kram ist nichts wert. Wir wollen das umsonst haben.“ Eine Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.
Sven Regener

28. April 2023

Habe wieder die CD „La Belle Epoque“, Lieder von Reynaldo Hahn hervorgeholt. Wenn’s mir mal nicht so gut geht (ich bin ziemlich erkältet), hilft das ganz gut. Und das Rezept von Lienhard Lötscher: Heiße Milch mit Honig und Whisky. Wenn es besonders schlimm ist, lässt man die Milch und den Honig weg.

26. April 2023

Am letzten Sonntag habe ich mir die in der Presse hochgelobte Produktion von Dvořáks Rusalka im Staatstheater Hannover angeschaut. Vielleicht ist ja die Inszenierung wirklich fantasievoll und obendrein schlüssig, und vielleicht, nein, ganz sicher ist die musikalische Leistung fast aller Mitwirkenden überdurchschnittlich gut. Auch der Einführungsvortrag war in Ordnung, auch wenn die Frage unbehandelt blieb, warum sich der Komponist für seine zweitletzte Oper einen solchen Stoff ausgesucht hat.

Während der drei Stunden wurde ich den Eindruck nicht los, dass Dvořák weit mehr Sinfoniker als Bühnenkomponist war. Bei allen Anklängen an melodiöse Verläufe und ariose Strukturen dominiert doch seine Fähigkeit, differenzierte, sorgsam ausbalancierte orchestrale Klangmixturen zu schaffen. Nicht von ungefähr ist Rusalka seine einzige Oper, die auf unseren Bühnen überlebt hat. Von den insgesamt zehn Opern, die Dvořák komponiert hat, kann man nicht mal so einfach einige aufzählen, wie zum Beispiel bei Mozart oder Verdi. Das hat ohne Frage den Grund, dass seine übrigen Werke das gesamte Œuvre leuchtend dominieren, sei es durch Sinfonien, Kammermusik oder Klavierstücke. Was mich zu der Frage bringt, warum Rusalka beim Publikum so beliebt ist. Eine traurige Nixengeschichte, ziemlich romantisch, um nicht zu sagen versponnen. Ohne Neunaugen, aber mit „Lied an den Mond“.

17. April 2023

Ich wollte in Salome den braven Jochanaan mehr oder minder als Hanswursten komponieren. Für mich hat so ein Prediger in der Wüste, der sich noch dazu von Heuschrecken nährt, etwas unbeschreiblich Komisches.
Richard Strauss (1864 – 1949)

Heute beginnt ein neuer Opernkurs, und wir werden mit Salome beginnen. Das Stück wurde 1905 in Dresden uraufgeführt und war damals ein Schock für das Publikum. Strauss fügt Exotik und Erotik, Begierde und Bedrohung, Last, Lust und Liebe zusammen und schreibt ein Musikdrama mit brutaler, gleißender und faszinierend emotional-hysterischer Musik. Ich bin gespannt auf die Reaktionen der Zuhörerschaft.

14. April 2023

Sadio Mané, Fußballer in Diensten des FC Bayern München, hat nach dem letzten Spiel (0:3 gegen Manchester City) seinem Teamkollegen Leroy Sané nach kurzem Disput aus Verärgerung ins Gesicht geschlagen. Für dieses wenig sportliche Verhalten hat der Verein ihn jetzt für das nächste Spiel gesperrt. Eine „empfindliche“ Geldstrafe droht, so wird berichtet.

Was wir unter empfindlich zu verstehen haben, zumal bei einem mehrfachen Fußball-Millionär, wird uns nicht näher erläutert. Das macht nichts, denn für die Tragweite des Vorfalls ist es unerheblich. Viel interessanter ist die Frage, ob es beim FC Bayern seit geraumer Zeit statt „Mia san mia“ nicht eher „So san mia“ oder „Nicht mit mia“ heißen müsste. Ganz offensichtlich muss der Verein sein Selbstverständnis seinen Angestellten nochmal besser erklären. Vielleicht mit „Elf Freunde müsst ihr sein“ oder so. Hat ja früher schon mal geklappt.

10. April 2023

7. April 2023

Soester Anzeiger, 04. April 2023

4. April 2023

Der Altersdurchschnitt im Provinztheater wurde von mir stark gedrückt, und das will was heißen, denn ich kann mich mühelos an Schwarzweißfernsehen und Telegramme erinnern. Noch ehe der Vorhang ganz oben war, beugte sich eine grauköpfige, gutgekleidete Person in der Reihe vor mir zu ihrer Nachbarin und sagte laut: „Ich hatte ja neulich eine Darmspiegelung.“ Erst dachte ich, das gehört zum Stück, aber Don Quichote hatte, glaube ich, niemals eine Darmspiegelung, und falls doch, hätte er sie für das Ungeheuer von Loch Ness gehalten und niedergesäbelt.
Susanne Fischer, Norddeutsche Nebentischreportagen

3. April 2023

Ich habe kaum etwas dagegen, wenn in Bereichen wie Politik, Soziologie oder Pädagogik Möglichkeiten von Einbeziehung und Mitsprache bei Entscheidungsprozessen geprüft oder erwogen werden. In dem Moment, wo der Begriff der Partizipation auf die Kunst eine Form der Anwendung findet, in der professionelles Theater durch nicht-professionelle Mitwirkende bestimmt wird, reagiere ich weniger konziliant. Für mich fallen Lachen, Beifall oder Buhrufe des Publikums während einer Aufführung nicht unter die Idee des partizipativen Theaters, wenngleich auch das für manche schon als Mitmachen oder Eingreifen in eine Aufführungssituation gesehen wird. Dass ich nicht der Meinung anhänge, ein Publikum müsse in der Oper die Reihenfolge der Arien, Ensembles und Chöre bestimmen können, kann man altmodisch finden. Dass ich ebensowenig der Ansicht bin, die Wahl der Kostüme und Bühnenbilder sollte den Abonnenten obliegen, ist meinethalben gleichfalls vorgestrig. Gleichwohl bin ich noch immer der Ansicht, dass „richtiges“ Theater von den richtigen Leuten (Achtung, semantische Falle!) gemacht werden sollte, und das wird sich auch nicht mehr ändern.

31. März 2023

Ruine Hochburg bei Emmendingen

29. März 2023

Zurück von einer Reise nach Straßburg mit dem Besuch von Monteverdis Poppea in meinem Lieblingsopernhaus. Wie immer sind Barockopern in der Opéra national du Rhin von erlesener Qualität, so auch diesmal. Raphaël Pichon hat sehr berührende Momente entstehen lassen, extrem sensibel, mit viel Zeit und geradezu unglaublicher Piano-Kultur. Viele Stellen habe ich so noch nie gehört (und ich kenne das Stück gut); ich hoffe sehr, dass es die Produktion bald in digitaler Fassung geben wird. Einstweilen kann man nur hinfahren (sollte es noch Karten geben), staunen und genießen.

22. März 2023

Heidenspaß mit Haydn

Text: M. Schnöbel / Bild: Wikipedia / 18. März 2023
veröffentlicht auf der Webseite der Freiherr-vom-Stein-Schule Wetzlar

Auf ebenso unterhaltsame wie informative Weise stellte Thomas Sander am 17. März das Leben und Werk des Komponisten Joseph Haydn vor. Der ehemalige Leiter der Wetzlarer Musikschule machte bei seinem launigen Vortrag im voll besetzen Musikzentrum der Freiherr-vom-Stein-Schule vor rund 80 Gästen deutlich, dass Haydn zwar ein wenig im Schatten von Mozart und Beethoven steht, aber ein ausgesprochen umfangreiches und vielseitiges Werk hinterlassen hat. Die sehr gut besuchte Veranstaltung steht in der Tradition einer ganzen Vortragsreihe zu verschiedenen Wiener Komponisten und fand auf Einladung der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar statt. Die Freiherr-vom-Stein-Schule freut sich über das große Publikumsinteresse und positioniert sich mit solchen Abendveranstaltungen erneut als Profilschule Musik und als ein Ort kultureller Bildung in Wetzlar.

Pause bis zum 20. März 2023

Silvester 2022

Ich wünsche Ihnen und euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr! Mögen viele Wünsche und Träume in Erfüllung gehen! Und weiter gilt: Was du mit dem Herzen nicht siehst, bleibt dir auch mit den Augen verborgen. Im neuen Jahr ändert sich vieles – das nicht.

Ihr/Euer
Thomas Sander

28. Dezember 2022

Das Versenden von E-Mails ist umweltschädlich, berichtet das ARD-Magazin BRISANT. Eine einzige E-Mail (ohne Anhang!) ist ungefähr so schädlich wie eine Plastiktüte, heißt es. Durch das Verschicken einer E-Mail entstehen etwa 10 g CO2,  ein 1 MB großes Urlaubsfoto an zehn Freunde zu schicken entspricht einer Autofahrt von 500 Metern (mit Verbrennungsmotor). Im Jahr 2022 wurden durchschnittlich täglich über 333 Milliarden E-Mails weltweit versendet. Hauptgrund für den Schaden bezüglich der Klimabilanz ist, dass die Daten einer Mail an Rechenzentren geschickt werden, die sich oft sehr weit entfernt befinden. Die digitalen Nachrichten durchlaufen dort eine Unzahl von Routern, Servern und anderen Computern, die alle enorm viel Energie verbrauchen, um zu funktionieren. Wäre das Internet ein Land, so heißt es, würde es beim CO2-Ranking Platz drei hinter China und den USA belegen.

Schon lange frage ich mich, wann das unlimitierte Versenden von E-Mails ein Ende haben wird. Nicht etwa aus den o. g. Gründen, sondern um von staatlicher Seite eine zusätzliche lukrative Einnahmequelle zu generieren. Dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen immer gleich viel kostet, egal ob jemand zwei oder zehn Stunden am Tag schaut, kommt mir gleichfalls erstaunlich vor. Hier müsste eigentlich der Gesetzgeber längst auf die Idee von Premiumzeiten, rabattierten Stundenangeboten, Flatrates, Happy Hours etc. gekommen sein.

Die Moderatorin des o. g. Beitrags meinte übrigens, man solle lieber anrufen als Mails verschicken. Ein persönliches, gesprochenes „Frohes neues Jahr“ sei auch viel netter als ein versendeter Text. Was E-Mails angeht, stimme ich ihr grundsätzlich zu. Etwas ganz anderes sind natürlich Briefe und Karten, sonderlich handgeschriebene. Sehr schade, dass diese schöne Tradition nur noch von ganz wenigen gepflegt wird.

24. Dezember 2022

Ich wünsche Ihnen und Euch allen ein friedvolles Weihnachtsfest! Nutzen wir die Zeit zur inneren Einkehr und zur Besinnung auf Wesentliches!
Ihr/Euer
Thomas Sander

22. Dezember 2022

21. Dezember 2022

Ein hoher Herr vom Rathaus hat mich einmal gefragt, warum ich als Wiener nicht nach Wien zurückkehre; und da antwortete ich ihm mit einem Vergleich von Paris und Wien. In Paris gibt es ebenfalls eine große Rivalität: Schreibt dort einer ein Buch, so schreibt der andere eines dagegen. In Wien schüttet man Salzsäure über das Bild des anderen oder hält ein Streichholz an das Manuskript des anderen. In Paris hat man zwei Bilder und zwei Bücher, in Wien hat man kein Bild und kein Buch – das ist das Destruktive an Wien. In diesem Punkt ist Österreich zu klein.
Oskar Werner (1922 – 1984) 

19. Dezember 2022

Hier der Wein für die Feiertage: Paul Mas Vignes de Nicole Blanc 2021, eine Cuvée aus Viognier und im Eichenfass gereiftem Chardonnay. Herrlich samtig, rund und von körperreicher Textur, mit Aromen von Mango, Karamell, Vanille und dezenten Holznoten. Passt hervorragend zu Meeresfrüchten oder Geflügel, ebenso zu exotischen Currys und Tandoori-Chicken.

13. Dezember 2022

Letzte Blüten

Noch eine Ros‘ am kahlen Strauch
Fand im Advent ich aufgeblüht,
Noch eines Liedes zarter Hauch
Klang mir verstohlen im Gemüt.

Der Rose Blätter taumeln hin,
Da ich sie kaum berührt, ins Beet,
Das Liedchen schwand mir aus dem Sinn –
Für Sommerkinder ist’s zu spät!
Paul Heyse (1830 – 1914)

29. November 2022

Das Abenteuer der Liebe ist Sehnsucht, nicht Erfüllung. Das wollen die Menschen nicht glauben. Weil sie Verbraucher sind.
Aus: Edgar Selge, Hast du uns endlich gefunden

Ein weiteres mögliches Weihnachtsgeschenk für Leute, die noch suchen, sei es für sich selbst oder für andere. Ein sehr lebenskluges Buch mit Erinnerungen an Kindheit und alles Nachfolgende. Komisch, traurig, drastisch, sensibel, wütend, zärtlich. Mit vielem, was wir so oder ähnlich auch schon gedacht, gefühlt oder erlebt haben. Das o. g. Zitat ist nur eines von unzähligen, ebenso entwaffnenden und pointierten anderen. Im letzten Jahr bei Rowohlt erschienen, in diesem Jahr ausgezeichnet mit dem Literaturpreis der Stadt Fulda. Spiegel-Bestseller, 24 Euro.

Hast du uns endlich gefunden

23. November 2022

Wer noch nach einem Weihnachtsgeschenk sucht, dem empfehle ich Cavallis Oper Ercole amante (Bonitatibus, Adam, Visse u. a.; Chor und Orchester Pygmalion, Pichon; Naxos 2021). Es ist weniger die Inszenierung, die betört (gleichwohl sie mit ein paar hübschen Ideen aufwartet), als vielmehr die herausragende Qualität der Musik und ihrer noblen Darbietung. Schon der Prolog ist hinreißend gesungen und gespielt, in dem das Ensemble Pygmalion seine Visitenkarte mit beeindruckender Klangschönheit, Charme und musikalischer Intelligenz abgibt. Dieses Versprechen wird über die gesamte Spielzeit eingehalten, vor allem die grandiosen Chöre in den beiden Schlussakten sind absolut spektakulär. Besser kann man nicht singen und spielen.

Cavalli Ercole amante

21. November 2022

Hohlspiegel 032

aus dem „Göttinger Tageblatt“

15. November 2022

Zerreiß deine Pläne. Sei klug und halte dich an Wunder.
Mascha Kaléko (1907 – 1975)

11. November 2022

„Über die Alte Rheinbrücke in Düsseldorf ging am Rosenmontag des Jahres 1854 ein Mensch, der im strömenden Regen mit seinem geblümten Schlafrock unter den vielen Maskierten nicht auffiel.“ So beschreibt Barbara Meier in ihrem Buch über Robert Schumann die Situation kurz vor dessen Selbstmordversuch. Schiffer konnten den Komponisten damals retten.

Heute, am 11.11. beginnt die neue Karnevalssaison. Seit Jahrzehnten bin ich nicht in entsprechender Feierlaune, also ganz anders als z. B. Mozart, der sich zusammen mit seinem Vater gern in den Münchner Fasching gestürzt hat. Ich werde mich jedoch diesmal um karnevaleske Themen in der Musik kümmern. Von Mozart und Schumann angefangen über Saint-Saëns und Respighi bis hin zu Berlioz und Verdi gibt es reichlich viel zu studieren. Der nächste Rosenmontag mit dem passenden Kurs-oder Vortragsthema kann also kommen!

9. November 2022

Das Salzburg Festival 2011 hatte damals u. a. Arnold Schönbergs Pierrot lunaire auf dem Programm, aufgeführt von einem erlesenen Kreis von Musikerinnen und Musikern um die Pianistin Mitsuko Uchida und der Schauspielerin und Diseuse Barbara Sukowa. Wir haben die DVD-Aufnahme jetzt im Kurs gehört und besprochen, dazu die Dokumentation (mehr als nur ein „Making of“) von Matthias Leutzendorff und Christian Meyer. Gerade diese Dokumentation hilft enorm, die Emotionalität und Ausdruckskraft dieses 1912 komponierten Meisterwerks zu verstehen. Die damalige Aufführung im Haus für Mozart war eine wirkliche Sternstunde, die uns glücklicherweise digital erhalten geblieben ist. Wer Lust hat, sich der Musik des 20. Jahrhunderts zu nähern, sollte sich die DVD unbedingt beschaffen.

Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt.
Arnold Schönberg

4. November 2022

Wer auf frischen Wind wartet, darf nicht verschnupft sein, wenn er kommt.
Helmut Qualtinger (1928 – 1986)

2. November 2022

Zurzeit lese ich mit großem Genuss Ernst Lothars Roman „Der Engel mit der Posaune“ (dt. 1947), die über drei Generationen sich erstreckende Geschichte der Wiener Patrizier- und Klavierbauerfamilie Alt, den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie und die Umstürze von 1888 bis 1938. Das Buch wurde 1948 mit Paula Wessely, Attila Hörbiger, Hans Holt, Maria Schell, Oskar Werner u. a. verfilmt. Eine restaurierte Fassung ist jetzt auf Blu-ray erhältlich. Wer noch für Weihnachten nach einem Geschenk sucht, liegt mit Roman und/oder Film auf jeden Fall richtig.

Der Engel mit der Posaune

30. Oktober 2022

Am letzten Dienstag bin ich aus Wien zurückgekommen, wo ich für ein paar Tage war – mit viel Kultur, doch ohne Musik! Die Ausstellung „100 Jahre Oskar Werner – Mensch Kunst Mythos“ im METRO Kulturhaus (Johannesgasse) war sozusagen Pflicht und diente u. a. der Vorbereitung meines Vortrags am 13. November in der VHS Wetzlar. Die Ausstellung ist auf drei Ebenen eingerichtet und absolut sehenswert! Auch die Marchettigasse 1A habe ich angeschaut, Oskar Werners Geburtshaus. Ich hatte sogar das Glück, hineingehen zu können und Treppen- und Hinterhaus zu sehen. Das alte Waschbecken im Erdgeschoss gibt es noch!

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Ein Besuch im Kunsthistorischen Museum lohnt sich immer, ebenso eine Vorstellung im Burgtheater, wo ich eine spektakuläre Aufführung des „Faust“ mit Werner Wölbern und Bibiana Beglau in den Hauptrollen erlebt habe. Ansonsten: Ein Besuch im Café Ritter in der Mariahilfer Straße (eigentlich sagt man nur „im Ritter“), ein typisches Wiener Kaffeehaus, ein Abendessen im „Schillings“ (Altwiener Gastwirtschaft in der Burggasse), ein Bummel über den Naschmarkt, ebenso durch die Neubaugasse, Stöbern in Buchhandlungen, Antiquariaten und manches andere. Für den Prater hat die Zeit nicht gereicht, das Riesenrad muss bis zum nächsten Mal warten. Immerhin habe ich die entsprechende Schokolade gekauft.

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Pause bis zum 29. Oktober 2022

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Remagen, Herbstabend am Rhein

21. September 2022

Richard David Precht und Harald Welzer befassen sich in ihrem ersten gemeinsamen Buch „Die vierte Gewalt“ mit den Massenmedien in Deutschland. In Erläuterung des Untertitels „Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“ heißt es in der Buchbeschreibung u. a.: „Sie (die Massenmedien) sind die Vollzugsorgane ihrer eigenen Meinungsmache: mit immer stärkerem Hang zum Einseitigen, Simplifizierenden, Moralisierenden, Empörenden und Diffamierenden.“ Diese Ansicht teile ich seit Langem und finde wie die Autoren, dass „Maßlosigkeit und Einseitigkeit des Urteils den wohlmeinenden Streit, das demokratische Ringen um gute Lösungen zerstören.“ Das Buch ist im Fischer-Verlag erschienen und kostet 22,00 Euro (288 S., geb.).

19. September 2022

Wenn man jung ist, glaubt man noch, dass es normale Leute gibt und man nur das Pech hat, sie nicht zu kennen. Später erkennt man, dass das Unsinn ist, dass es keine normalen Menschen gibt. Es gibt nur Patienten. Manche Patienten können sich auf Kosten anderer über Wasser halten, und dann nennen wir sie nicht Patienten. Dann nennen wir sie erfolgreich.
aus: Arnon Grünberg, Gnadenfrist

16. September 2022

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Auf manchen Partnerschaftsbörsen sind Profile auszufüllen, die den übrigen Suchenden Hinweise auf Interessen, Charakterzüge etc. geben sollen. Einer der Anbieter stellt auf seinem Portal die Frage, welche Person man – vom Partner fürs Leben mal abgesehen – gerne einmal treffen würde. Ich habe damals „Prinz Charles“ angegeben, woraufhin eine Interessentin um den Grund fragte. Meine Antwort würde heute ähnlich ausfallen wie ehedem: Weil er ein ökologischer Konservativer, ein kunstinteressierter, geschichtsbewusster Impulsgeber ist, der sich vor allem auch sozialen Fragen nicht verschließt. König Charles III. hat Kopf und Herz, und er ist ein großartiger Redner. Ich würde ihn gerne einmal treffen, nach wie vor, wird aber schwer.

13. September 2022

Heute lese ich, dass Deutschland bei den erneuerbaren Energien mehr Gas geben will. Ein hübsches Wortspiel! Fast so lustig wie der Kalauer, warum der Löwe Löwe heißt: Weil er durch die Wüste löwt. Und warum heißt der Tiger Tiger? Richtig, weil er heftiger löwt.

10. September 2022

Gold crown isolated on white background

Nach dem Tode von Queen Elizabeth II. flammt hierzulande die Diskussion über die Einführung der Monarchie wieder auf. Nach wie vor wünschen sich die Deutschen mehrheitlich einen König (von einer Königin ist eher selten die Rede). Als Grund wird weniger das Ergötzen an Prunk und Zeremonien angegeben, sondern die Sehnsucht nach einer überparteilichen, integrativen und Vertrauen wie Zuversicht einflößenden Instanz. Frank-Walter I. ist ausweislich entsprechender Umfragen nicht der Favorit.

8. September 2022

Boot auf dem See (2)

7. September 2022

Borussia Mönchengladbachs Spielführer Lars Stindl hat die sozialen Netzwerke kritisiert. Es sei „ja gerade heutzutage die Problematik, [ ] dass jeder Mensch seine Meinung kundtun darf ohne persönlichen Kontakt, ohne Know-How, ohne Wissen.“

Diese Einschätzung ist ohne weiteres auf die politische Berichterstattung großer Teile der Medien übertragbar. Was zurzeit in Radio- und Fernsehsendungen, ebenso in Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen zum Besten gegeben wird, ist eine Mischung aus Besserwisserei, Häme und dystopischer Prophetie. Meine persönlichen Einschalt- und Lesequoten sind seit Wochen rückläufig, da sich große Teile der politischen Journaille zunehmend reißerisch, empört und skandalverliebt geben. Es gibt Ausnahmen, zugestanden. Doch selbst die gute alte Tagesschau gehört nicht mehr wie selbstverständlich dazu.

6. September 2022

Im nächsten Monat will ich nach Wien, um dort die Ausstellung des Film Archivs Austria zum 100. Geburtstag von Oskar Werner anzuschauen (https://www.filmarchiv.at/program/exhibition/100-jahre-oskar-werner). Einmal in Wien, werde ich wohl auch in die Staatsoper gehen. Es kommen L’Orfeo von Monteverdi, Jenůfa von Janáček und Dornröschen von Tschaikowsky in Frage. Im Moment geht meine Tendenz zu Jenůfa, nicht zuletzt wegen Asmik Grigorian, die die Titelpartie singen wird.

30. August 2022

Die Aufführung von “Achille et Polixène” von Lully am letzten Samstag in Göttingen war wirklich großartig. Das Göttinger Barockorchester musizierte unter der Leitung von Antonius Adamske variantenreich, leidenschaftlich und stilistisch versiert. Eine ganze Reihe von Gesangssolisten zeigte sich auf der Höhe des musikalischen Geschehens (herausragend: Tenor Martin Platz), das Tanzensemble „Athen an der Leine“ steuerte höfische Tanzfiguren bei. Ein großer Wurf, ein großer Abend! Starker Beifall in der leider nicht ganz ausverkauften Aula am Wilhelmsplatz belohnte die Mitwirkenden. Wer nicht dabei sein konnte, aber kurzentschlossen ist: Am Donnerstag, 1. September um 17 Uhr gibt’s alles nochmal im Schlosstheater Neues Palais Potsdam.

27. August 2022

„Kannst du nicht zubereiten Spieß, wenn Hase ist noch im Wald.“
Dragoslav Stepanović

Von Stepanović gibt es viele bemerkenswerte Sätze, dies ist einer der schönsten. Vor allem ist ihm nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen.

26. August 2022

Zurzeit lese ich „Der Vogel ist krank“ von Arnon Grünberg, einem meiner Lieblingsautoren aus der Sparte „Zeitgenössische Literatur“. Das Buch ist im niederländischen Original vor neunzehn Jahren in Amsterdam erschienen. Es hat im Erzählton den für Grünberg typischen skurillen Humor und besticht mit verstörend detaillierten Beobachtungen des Alltags wie mit lakonischen Antworten auf die großen Fragen des Lebens.

Morgen Abend höre ich in der Aula der Göttinger Universität eine konzertante Fassung von „Achille et Polixène“, Jean-Baptiste Lullys sagenumwobener letzten Oper. Das Göttinger Barockorchester bringt das lange in Archiven unbeachtet gebliebene Werk nun zur Aufführung. Ob der Komponist tatsächlich zur Tilgung seiner Sünden kurz vor seinem Tod das Werk vor Zeugen verbrannt hat, eine Kopie noch in seiner Schublade wissend, wird dabei wohl auch morgen nicht geklärt werden.

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Chateau d’Eu (Seine-Maritime)

7. Juli 2022

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Be not afraid of greatness. Some are born great, some achieve greatness, and others have greatness thrust upon them.
Shakespeare

Pause bis zum 25. August 2022

30. Juni 2022

Die meisten Dinge kommen zu spät. Wahrscheinlich für sehr viele Leute.
The Chase (dt. Ein Mann wird gejagt), USA 1966 (R.: Arthur Penn; Brando, Redford, Fonda, Dickinson u. a.)

28. Juni 2022

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Atelier Müller-Hilsdorf, Joseph Gabriel Rheinberger
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik / Gemälde (G-57/220.94)

Mein Vortrag über Josef Gabriel Rheinberger (1839 – 1901) wird auf den 29. September verschoben. Die Wetzlarer Kulturgemeinschaft, welche die Veranstaltung gemeinsam mit dem Deutsch-Liechtensteinischen Freundeskreis anbietet, hat die Verlegung in den Herbst angeregt, um dann ein größeres Publikum ansprechen zu können. Zudem kann der Wetzlarer Bürgerhof zurzeit wegen personeller Engpässe das angedachte Catering mit liechtensteinischen Weinen nicht zusagen. Musik und Wein aus Liechtenstein – nun erst in drei Monaten!

21. Juni 2022

Nachdem ich mich während einiger der letzten Wochen nicht anstrengungslos durch Joseph Roths Radetzkymarsch gearbeitet habe, freue ich mich nun auf einen großen Kontrast: Am Hang von Markus Werner. Der Roman war das letzte Buch Werners. „Auf eine seltsam sanfte Weise grimmige, innerlich radikale, aber doch zögerliche und liebenswerte ältere Männer bevölkern die Bücher des Schweizer Schriftstellers“, heißt es im Nachruf auf Markus Werner in der Süddeutschen Zeitung. Nichts geschieht ohne Grund, heißt es bekanntlich. Für die Wahl der Lektüre gilt es allemal.

19. Juni 2022

Trotz meiner Anstrengungen, aus jedem, der mir begegnete, einen Helden zu machen, weigerten sich diese Leute entschieden, die ihnen zugedachte Rolle zu erfüllen. Wenn niemand dazu bereit ist, werde ich den Part wohl selber übernehmen müssen.
Martha Gellhorn (1908 – 1998), Schriftstellerin und Journalistin, in ihren Zwanzigern

16. Juni 2022

Vor ein paar Tagen habe ich hier von einer zufälligen Begegnung mit einem jungen Mann berichtet, der mich in der Stadt angesprochen hatte. Nun hat er sich per E-Mail noch einmal gemeldet. Er habe sich nicht nur über unser Gespräch gefreut, schreibt er, sondern auch darüber, dass er den Mut aufgebracht hatte, mich anzusprechen. Er sei sich nicht sicher gewesen, ob ich es sein könnte und habe zunächst an Heinz Rudolf Kunze gedacht. Na, das ist doch mal was! Doch der Vergleich bezieht sich leider nur auf das Äußere – eine Verwechslungsgefahr mit Kunzes Musikalität und vor allem seiner virtuosen Sprachverliebtheit hätte mir besser gefallen. Nun, offensichtlich ist eine Diät angesagt. Oder ich trage wieder eine randlose Brille, das wäre ein erster Schritt.

12. Juni 2022

Last night I dreamt I went to Manderley again.
Daphne du Maurier (1907 – 1989), „Rebecca“

14. Juni 2022

Oft sucht man...

9. Juni 2022

Van Gogh Self-Portrait 1887

„Ich hasse es, wenn Leute so tun, als wären sie total intellektuell und über van Gogh sprechen, aber noch nie eine Oper von ihm gehört haben.“ Auf dieses Zitat, das im Netz ohne Quellenangabe bleibt, antwortet jemand: „Noch schlimmer sind die, die schon mal eine Oper von ihm gehört haben.“ Und: „Die sind super von ihm, braucht man auch nur mit einem Ohr zuzuhören.“

8. Juni 2022

„Die Oper ist als Musik des Volkes geboren worden, und durch eine Laune des Schicksals ist sie zur Elitemusik geworden“, soll der italienische Sänger Andrea Bocelli angeblich gesagt haben. Wie auch immer, falscher könnte der Satz nicht sein. Umgekehrt wird es richtig: Die Oper ist um 1600 als „Elitemusik“ entstanden, nämlich durch einen Kreis von Adligen, der sogenannten Florentiner Camerata. Dieser durchaus elitäre Zirkel hatte sich zum Ziel gesetzt, eine neue, musikalische Auseinandersetzung mit antiken griechischen Dramen zu betreiben. Für das erste halbe Jahrhundert ihrer Existenz behandelten Opern daher nur mythologische Stoffe. Oper als „Musik des Volkes“, wenn dieser Ausdruck hier überhaupt seine Berechtigung hat, entstand erst viel später – insbesondere durch politische, gesellschaftliche und soziale Veränderungen, den Bau kommerzieller Opernhäuser und damit einhergehende pekuniäre Interessen, Repräsentationszwecke, neue künstlerische Herausforderungen sowie einen sich stetig verändernden Publikumsgeschmack bis hin zu einer bisweilen unverhohlenen Sympathie für volkstümliche Melodien.

7. Juni 2022

Durch Zufall treffe ich heute Nachmittag in der Stadt einen jungen Mann, der mich fragt, ob ich Herr Sander bin. Ich bejahe, und er erzählt mir, dass er vor ein paar Jahren eins meiner Chorprojekt-Konzerte besucht hat. Damals, so sagt er, sei eine Chaconne von Purcell aufgeführt worden. Die Komposition habe auf einem, sagt man Variationsprinzip? beruht. Ein schönes Stück, sehr interessant! Außerdem ist nicht restlos zu klären, ob „Purcell“ auf der ersten oder auf der zweiten Silbe betont wird. Was machen Sie heute so? Konzertpädagogik, Musikgeschichte, Exkursionen. Ah ja. War ein schönes Konzert damals, ich habe viel gelernt, danke! Er schaut in den offenen Bücherschrank, vor dem wir stehen. Viel Belletristik, sagt er. Ich denke oft an Piroschka, sehen Sie mal. Und hier, Hildegard Knef, Der geschenkte Gaul. Emily Brontë, Sturmhöhe, kenne ich nicht. Ich muss los.

2. Juni 2022

Nach zwei enttäuschenden Opernbesuchen – Kassel, „Die Stumme von Portici“ von Auber und Wiesbaden, „L’Ormindo“ von Cavalli – wünsche ich mir beim nächsten Opernabend eine Vorstellung, bei der die Produktion nicht von unzähligen gesellschaftskritischen, politischen und künstlerischen Botschaften überfrachtet ist (Kassel), die Mehrzahl der Sänger sich nicht überfordert zeigt (Kassel und Wiesbaden) und der Dirigent sich nicht hauptsächlich aufs Taktschlagen konzentriert und man sich als Zuhörer fragt, ob ihm die Musik, die er da leitet, überhaupt gefällt (Wiesbaden). Oper kann so begeisternd, so packend sein! Beide angesprochenen Vorstellungen waren es nicht. Sehr schade.

10. Mai 2022

Modern kann klassisch sein. Und klassisch, das nicht modern ist, ist langweilig. Wenn jemand klassisch inszeniert, nur um zu sehen, wie es vor 100 Jahren war, und du willst das verstehen, dann musst du die gleiche Kleidung tragen wie die Menschen vor 100 Jahren, wenn du zu dem Konzert gehst. Du musst auf den gleichen Stühlen sitzen, du musst die gleichen Speisen essen. Du musst auf die gleiche Weise schlafen, wie sie es getan haben. Und du darfst nicht Radio hören und fernsehen. Heute ist Musik überall, früher musstest du in ein Theater gehen, um Musik zu hören. Auch die Sängerinnen und Sänger singen nicht auf die gleiche Weise wie vor 100 Jahren. Sie waren kleiner und haben nicht gut gegessen. Sie hatten mehr Krankheiten und mehr Probleme. Ich möchte also kein Museum pflegen.
George Petrou, Künstlerischer Leiter der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen, in einem Interview mit dem Göttinger Tageblatt

Die diesjährigen Göttinger Händel-Festspiele finden vom 12. – 22. Mai statt. Im Zentrum des Programms steht die Oper „Giulio Cesare in Egitto“.

Pause bis zum 29. Mai 2022

5. Mai 2022

There are four questions of value in life… What is sacred? Of what is the spirit made? What is worth living for, and what is worth dying for? The answer to each is same. Only love.
Lord Byron (1788 – 1824)

30. April 2022

Ludwig XIV. tanzt (2)

Ein Tipp für den Tanz in den Mai: Höfisch-barock, nach dem Vorbild Ludwigs XIV. mit Musik von Lully. Im Internet finde ich tatsächlich: „Die Barockzeit war gekennzeichnet durch steife Förmlichkeit, polierte Beherrschung und eine Vorliebe für Fettleibigkeit.“ Die Quelle wird hier höflichkeitshalber verschwiegen.

29. April 2022

Haus Friedwart II (2)

In dieser Woche habe ich in Haus Friedwart, dem ehemaligen Wohnhaus der Unternehmerfamilie Leitz in Wetzlar, neue Aufnahmen für meinen YouTube Kanal eingespielt. Zu den Mozart-Opern Die Zauberflöte und Don Giovanni sowie zu Verdis Otello gibt es in Kürze neue Beiträge. Die repräsentativen Räumlichkeiten von Haus Friedwart sind absolut inspirierend – ich bin sehr gespannt, was die Gießener Social Media Agentur Unverzichtbar aus dem Material machen wird. Noch ein bisschen Geduld! Hier zur Erinnerung nochmal der Link zum Channel:

https://youtu.be/i7kMXuqn6qo

26. April 2022

https://www.tagesspiegel.de/politik/wer-war-noch-mal-16-jahre-kanzlerin-vor-lauter-spd-bashing-wird-merkel-ganz-vergessen/28276896.html

Danke, Herr Casdorff, Sie sprechen mir aus der Seele – und das nicht zum ersten Mal.

24. April 2022

Ault (Catharina)
(Foto: Catharina Scharf)

Er gehe nicht ins Meer, sagte Joseph Roth gerne, schließlich gingen die Fische ja auch nicht ins Caféhaus. Für den Sommer haben Elisabeth und ich unsere Reisepläne geändert: Statt in die Lombardei geht es in die Picardie, in den kleinen Küstenort Ault. Wir werden die Kreidefelsen bestaunen, Sonne und Wind genießen, durch Wälder und Wiesen laufen, Kirchen und Museen besuchen, ebenso Cafés und Restaurants. Das alte und einstmals berühmte Hotel Le Saint Pierre, in dem wir wohnen werden, liegt nur 50 Meter vom Strand entfernt. Wahrscheinlich, im Gegensatz zu Joseph Roth, gehen wir auch ins Meer.

16. April 2022


Easter background with Easter eggs and spring flowers. Top view

Allen Leserinnen und Lesern erholsame Feiertage und ein frohes Osterfest!

13. April 2022

Henoch Förster aus Hamburg hat mir über XING den nachfolgenden Text plus Foto zukommen lassen. Ich bin inhaltlich völlig d’accord und freue mich über die Autorisierung zur Veröffentlichung auf meiner Webseite. Danke!

Anhand dieses Fotos erkenne ich die gesellschaftliche Veränderung sehr gut. Es entstand 2016 und als es das erste mal gepostet wurde, feierten es die Leute hier einfach nur ab. Nicht ein negativer Kommentar. So ungefähr alle 1,5 Jahre holte ich dann wieder aus dem Archiv und baute es in den Feed ein. Nach und nach kamen Kommentare wie „sexistisch“ oder „passt so gar nicht zu euch“. Ich erhielt Vorwürfe, sowas zu posten. Geändert hatte sich am Foto nie etwas. Nur die Betrachtung. Und genau hier sehe ich die Entwicklung der letzten Jahre im Social Web. Stellvertretend. Die Leute sind empfindlicher geworden. Man sucht das Negative, den Skandal. Man bauscht viele Dinge auf. Die Welt werde „immer schlimmer“, die Menschen „immer skandalöser“. Oder ist es vielleicht einfach der Umgang mit all dem? Sind die Dinge eigentlich gleich geblieben und man dramatisiert es nur gerne, um sich wichtig zu machen, Aufmerksamkeit zu bekommen? Man sieht hier eine leicht bekleidete Frau in Bikini mit einer Cap. So, wie man sie auch am Strand sieht. Gehen die Menschen dort hin und beschweren sich? Und wenn ja, bei wem? Ich bin der Überzeugung, dass diese Entwicklung uns als Gesellschaft schadet. Dem Sender solcher Botschaften tut es nicht gut, weil er den Fokus verliert und dem Empfänger tut es nicht gut, weil er sich mit der negativen Energie beschäftigen muss. Man sieht hier einfach eine Frau, die vermutlich, so zeigte es auch der erste Post damals, einige Menschen attraktiv finden. So wie Männer als auch Frauen. Man kann das Bild gut oder schlecht finden. Oder neutral. Doch mittlerweile sind wir dort angekommen, dass die frustrierten Leute so laut sind, dass sie die positiven bei der Ausübung ihrer Emotionen stören. Das wissen die meisten Autoren vermutlich auch. Und genau das schenkt ihnen ein Gefühl der Macht. Wir werden diese Menschen nicht aufhalten können. Doch wir können sie entlarven und ihnen damit die Macht nehmen. Fragt euch immer, warum jemand etwas sagt oder schreibt. Die Antwort führt dich oft zu seinem Problem, nicht zu deinem. Menschen tun Dinge immer aus zwei Gründen, entweder aus Angst oder aus Liebe. Die Angst nimmt zu in der Gesellschaft. Also liebt mehr. ❤️‍

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11. April 2022

Bettina Schausten wird neue ZDF-Chefredakteurin. Das passt zum letzten Eintrag. Und Markus Söder diskutiert in der ZEIT darüber, ob bei den Öffentlich-Rechtlichen zuweilen Haltung vor Handwerk geht. Alles klar.

7. April 2022

Zum Thema „Empörungsgesellschaft“, zu welcher sich unser Gemeinwesen entwickelt zu haben scheint, gibt es zahlreiche Bücher, Essays, Aufsätze und sonstige Textbeiträge. Im Wesentlichen gehen diese der Frage nach, wie Kommunikation, Moderation und Vermittlung von politischen Prozessen, Entscheidungsfindungen sowie Beschaffung und Transport von Informationen hierzulande organisiert sind. Unbestritten ist, dass neben den politisch Verantwortlichen einerseits und den Konsumenten bzw. Wählerinnen und Wählern andererseits den Medien eine wesentliche Verantwortung zukommt. Leider ist zu konstatieren, dass deren politische Berichterstattungen, das Angebot an Hintergrundinformationen und ihre Diskussionsformate überwiegend subjektiv, tendenziös und manipulativ ausfallen, namentlich im Fernsehen, doch nicht nur dort.

Die bedeutungsschwangere Intonation von Meldungen, welche schon die Begrüßung verspätet nachreicht, um eine besondere Aktualität zu insinuieren, dabei pathosgetränkt und begleitet von unheilvoll-besorgter Mimik (Christian Sievers), ist dabei mittlerweile ebenso etabliert wie ein nach Nachhilfe in Sprecherziehung schreiender Mangel an Sprachmelodie und syntaktischem Rhythmus (Marietta Slomka). Hinzu kommen die Besserwisser/-innen, die selbsternannten Auguren, deren Prophetien zwar zumeist nicht durch Fakten belastbar, dafür aber schneidig vorgetragen sind (Tina Hassel, Robin Alexander, Wolfram Weimer). Nicht zu reden von den selbstgefälligen, ihre vermeintliche institutionelle Unangreifbarkeit wie eine Monstranz vor sich hertragenden Talkshow-Diven mit der Lizenz zur Herablassung und Provokation (Anne Will, Maybrit Illner).

Diskursive Klimaschützer und Wertebewahrer befleißigen sich dagegen argumentativer Redlichkeit und intellektueller Fairness (Heribert Prantl, Ulrike Herrmann) und sind dabei gleichwohl pointiert, kenntnisreich und obendrein sehr unterhaltsam (Hajo Schumacher, Stephan-Andreas Castorff). Derer mehr wären im Sinne einer nachlassenden Empörung und im Interesse wiedererwachender Lust auf politische Informationsvermittlung dringend vonnöten.

5. April 2022

Wenn dir ein Russe sagt: „Es ist trocken“, schlag den Kragen hoch.
Ukrainisches Sprichwort

1. April 2022

Gummistiefel II
Fürchte nichts. Genieße. Für Reue ist später Zeit genug.
Igor Strawinsky, The Rake’s Progress 

29. März 2022

Bartók II

Competitions are for horses, not artists.
Béla Bartók (1881 -1945)

27. März 2022

Nach meinem Vortrag über Johann Strauß vorgestern für die DÖG Wetzlar genieße ich das freie Wochenende. Gestern war Zeit für ein ausgiebiges Bistro-Frühstück an der Lahn, einen kleinen Stadtbummel mit Kauf einer nicht mehr funktionierenden Junghans-Küchenuhr aus den 50er oder 60er Jahren (wer repariert sowas?) und den nachmittäglichen Genuss von Kaffee und eines Stücks Donauwelle. Letzteres war sicher noch Johann Strauß geschuldet, wenngleich ich auch sonst dieser Spezialität gern zuspreche. Heute nun habe ich fünf Christusdorne umgetopft, auf ZEIT online Gero von Randows Verteidigung der Leidenschaft gelesen („mit Wein etwa kann man viel Freude am Leben haben, verdammt viel sogar“) und nach DVDs von Pagliacci gestöbert. Heute Nachmittag geht es zu einem Waldspaziergang raus, am Abend gibt’s schottischen Lachs mit Spinat und Kartoffeln. Ein freies Wochenende, wie gesagt. Wie schön.

23. März 2022

Die Sünde ist interessant, aber das Böse ist es nicht. Sünde ist ein letzter Rest von individueller Wahl, doch hat das Böse damit nichts zu tun.
Flannery O’Connor (1925 – 1964)

20. März 2022

Frühlingsanfang und Weltglückstag. Dazu passt der Erwerb einer Eintrittskarte für L’Ormindo von Francesco Cavalli am 24. Mai in Wiesbaden.

18. März 2022

In einem unserer aktuellen Opernkurse befassen wir uns mit Robert le diable (Robert der Teufel), einer Grand Opéra von Giacomo Meyerbeer (1791 – 1864), die dieser nach einem Libretto von Eugène Scribe für die Pariser Oper schrieb. Das Stück wurde zu einer der erfolgreichsten Opern nicht nur des 19. Jahrhunderts, sondern der Operngeschichte überhaupt. Die Rezeptionsgeschichte von Robert le diable belegt Aufführungen auf allen Kontinenten, dazu zahlreiche Bearbeitungen, Adaptionen und Parodien.

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Das Plakat zur Uraufführung am 21. November 1831 erwähnt übrigens weder den Komponisten, noch macht es Angaben zur musikalischen Leitung oder Regie – damals durchaus üblich, heute unvorstellbar.

16. März 2022

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Bekanntlich bin ich immer gern in Halle (Saale), so auch wieder am letzten Wochenende. Ich habe dort eine bemerkenswerte Produktion von Rigoletto gesehen (Regie Louisa Proske), mit packenden Bildern und überdurchschnittlichen sängerischen Darbietungen, insbesondere von Scott Hendricks in der Titelrolle und Alina Adamski als Gilda. Danken muss man dem Haus für das außerordentlich informative Programmheft, dessen Lektüre das Verständnis des Stückes sowie seiner Deutung seitens der Regie sehr erleichtert.

Tipp für Besucher/-innen: Übernachten im the niu Ridge*** (Riebeckplatz), Essen in der Altdeutschen Bauernschänke zum Groben Gottlieb (Große Märkerstraße 20), alternativ – im doppelten Sinne – bei Mitte Ende Mai (Universitätsring 23, direkt neben der Oper).

11. März 2022

Wer einen Sieg über sich selbst errungen hat, ist stark. Wer einen Sieg über sein Weib errungen hat, lügt.
Li Bai (chinesisch 李白, Pinyin Li Bái; 701−762)

9. März 2022

Ein Freund der Familie hat einmal gesagt, die schönste Mozart-Oper sei die, aus welcher man gerade kommt. So ähnlich geht es mir mit Francesco Cavallis La Calisto. Ich war siebzehn, als ich das Stück zum ersten Mal gehört habe, und seitdem hat mich diese Oper nicht mehr losgelassen. Es war damals wie ein Schock, wie eine Bluttransfusion, wie ein Überfall auf Seele und Gemüt. Immer, wenn ich seitdem La Calisto höre, ist es für mich die schönste Musik, die jemals geschrieben wurde. Erst nach ein paar Tagen Karenzzeit haben Rameau und Mozart wieder eine Chance.

Renè Jacobs, dessen Einspielung wir heute hören werden, bescheinigt La Calisto eine unübertroffene Vollkommenheit in der venezianischen Oper zwischen 1638 und 1660 („musikdramatisch gesehen die interessanteste Zeit“). Das Libretto sei, so Jacobs, „in seiner Qualität den Operntexten vergleichbar, die Da Ponte für Mozart schrieb“ und fragt rhetorisch, in welcher Oper vor Mozart die Personen derart genau charakterisiert werden. Heute Abend im Kurs also La Calisto – „Un strano misto d’allegro e tristo“, wie Jacobs sagt. Und, wie ich hinzufüge, con musica meravigliosa.

7. März 2022

Soest, Germany - December 27. 2017: Ball with logo FC Schalke 04

Zur Abwechslung mal wieder Fußball. Schalke hat den Trainer entlassen. Spät, aber immerhin. Wer übernimmt? Ich bin nach wie vor für Rangnick. Der fühlt sich in Manchester nicht so richtig wohl und könnte sich ein Engagement auf Schalke wahrscheinlich immer noch vorstellen. Also: In diesem Jahr andere aufsteigen lassen, Kader optimieren und dann mit jemandem in die 1. Liga gehen, der wirklich was von Fußball versteht.

6. März 2022

In der aktuellen Ausgabe des orpheus zitiert Riccardo Muti in einem Interview den italienischen Regisseur Giorgio Strehler (1921 – 1997), der seinerzeit meinte, ein Regisseur sollte jederzeit in der Lage sein, eine Oper zu dirigieren. Hintergrund dieser Ansicht wie des Zitats selbst ist die Frage, wodurch eine Regie den musikalischen Erfordernissen und Zusammenhängen zuwider läuft. Wann also werden Sprache und Intention des Komponisten einerseits und die Arbeit der ausführenden Musiker/-innen unverständlich bzw. konterkariert? Strehler wollte sagen, dass das gegenseitige Verständnis und der konstruktive Austausch von Regie und musikalischer Leitung unverzichtbar sind. Ob er auch der Meinung war, dass ein Dirigent jederzeit in der Lage sein sollte, die Regie zu übernehmen, ist nicht bekannt. Wohl aber – doch dies ist ein anderes, wenngleich verwandtes Thema – beginnen Sänger irgendwann zu dirigieren, mit Vorliebe im Alter resp. gegen Ende der aktiven Vokalkarriere. In einigen Fällen hätte man hier nachträglich gern Zurückhaltung empfohlen.

1. März 2022

Download

25. Februar 2022

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„Der Besuch von Opern- und Balletthäusern erfordert keine Sprachkenntnisse, weil diese Kunst auch ohne Kenntnis der jeweiligen Sprache einen Zugang zu den Herzen des Publikums findet.“
Gefunden auf der Seite lemberg-lviv.com; das Bild zeigt die Nationaloper Lwiw (Ukraine) bei Nacht.

23. Februar 2022

Enteignung

Während der letzten zwei Tage und Nächte habe ich den Roman Enteignung von Reinhard Kaiser-Mühlecker gelesen, nein, besser gesagt verschlungen. Mein erster Kaiser-Mühlecker, und was für einer! Wer bereit ist, vor allem dem nicht Gesagten, dem nicht Ausformulierten nachzuspüren, wer sich auf Eigenwilligkeiten von Sprache und Semiotik, auf Lakonie, auf eine insgesamt vielschichtige Komposition aus Trauer, Desillusion, Alltagstauglichkeit, Naturverbundenheit, Überlebenswillen und Zweckoptimismus einlassen kann, der wird reich beschenkt. Enteignung: Wem diese gilt und in welcher Hinsicht – emotional, finanziell, sozial, intellektuell – bleibt interpretationsoffen. Die Pointe des Romans wird hier nicht verraten, sie ist einfach grandios! Unbedingt lesen!

21. Februar 2022

Alle Opernliebhaber werden bejahen, dass die Geschichte, das narrative Element, oft eine absurde Note hat; nichtsdestotrotz ist die Handlung unverzichtbar. Es fällt uns offensichtlich schwer, mit ihr klarzukommen, aber es geht auch nicht ohne sie. Opern und die Geschichten, die sie erzählen, sind einander offenbar in einer unauflöslichen, wenn auch wenig harmonischen Symbiose verbunden. Keine Seite will die Trennung, aber ein konfliktfreies Zusammenwirken scheint so gut wie unmöglich zu sein. In diesem Sinn ähnelt die narrative Dimension offenbar der textlichen Dimension als Ganzer. Beide liefern uns anschauliche Belege dafür, dass die Oper die Fähigkeit besitzt, uns Dinge vergessen zu machen. Sie lässt uns vergessen, dass wir die Sprache, in der gesungen wird, nicht verstehen, dass das physische Äußere eines Sängers, der eigentlich einen glühenden und athletischen jungen Troubadour darstellen soll, aber mehr Ähnlichkeit mit einem 62-Jährigen als mit einem 26-Jährigen hat, überhaupt nicht zur Rolle passt; dass wir vielleicht nur eine vage Vorstellung davon haben, was sich auf der Bühne zuträgt. Opern kommunizieren mit uns auf eine seltsame, unvorhersehbare Art und Weise; sie sprechen etwas in uns an, das außerhalb unserer kognitiven Sphäre liegt.
aus: Carolyn Abbate und Roger Parker, Eine Geschichte der Oper – Die letzten 400 Jahre

18. Februar 2022

Händel Giulio Cesare

Besser geht’s nicht – Händels Giulio Cesare auf musikalisch höchstem Niveau, in moderner und tagesaktueller Inszenierung. Dazu ironisch, witzig und pointensicher. Die Salzburger Produktion ist mittlerweile zehn Jahre alt und hat gleichwohl nichts von ihrem Charme und ihrer virtuosen Gestaltungsfantasie eingebüßt. Wer es museal und etwas angestaubt liebt, ist hier falsch. Wer indes hinreißende Gesangskunst sucht (mit Scholl, Bartoli, von Otter und Jaroussky), dazu Geschmack und Stilkenntnis (Il Giardino Armonico, Giovanni Antonini) sowie die Relevanz der Erzählung fürs Heute (Moshe Leiser & Patrice Caurier), für den ist diese Produktion ein unbedingtes Muss.

15. Februar 2022

„Lieber ein erkannter Fehler als eine eingebildete Begabung“, sagt der Volksmund, und Andrea de Carlo erwähnt diesen Satz in seinem Buch Sie und Er, das ich letzte Nacht zu Ende gelesen habe. Clare, die Sie im Roman, mag diesen Satz, den sie ihre Großmutter einmal hat sagen hören, überhaupt nicht. Denn sie findet, „dieser Spruch schließe alle Überraschungen aus, die das Leben bereithalten mochte, er brachte das Gegenteil all dessen zum Ausdruck, was sie glauben und hoffen wollte, doch wenn sie es heute bedenkt, lässt sich kaum leugnen, dass er stimmt.“

13. Februar 2022

Hodie mihi, cras tibi 009

Hodie mihi, cras tibi
Eingang zum Alten Friedhof Gelsenkirchen-Resse

11. Februar 2022

Dream big. Start small. Act now. Picasso didn’t wait until he was Picasso to perform like Picasso. Don’t live the same year 75 times and call it a life.
Robin Sharma

8. Februar 2022

Pisani Tagebuch der Signora

Bereits 2007 schrieb die italienische Autorin Liaty Pisani ihren Krimi „Das Tagebuch der Signora“. Nach Veröffentlichung des Buches bescheinigte der Journalist Peter Kümmel, der bei der ZEIT eigentlich für das Theater zuständig ist, aber „gelegentlich auch über Fußball, Fernsehen, Werbung und anderen Unfug“ schreibt (alles im Übrigen immer sehr lesenswert!), der Autorin, einen hervorragenden Kriminalroman geschrieben zu haben. Das Buch sei nicht nur eine Warnung vor rechtsextremistischen Gruppierungen, sondern biete dazu gute Unterhaltung, Spannung und reichlich Stoff zum Nachdenken.

Für mich aber ist das Besondere, dass der von mir seit vielen Jahren zutiefst verehrte Oskar Werner über mehrere Kapitel in die Handlung des Romans integriert ist. Ich wusste das bis heute nicht, bin gerade durch Recherche darauf gestoßen und habe das Buch vor einer halben Stunde bestellt. Da ich zurzeit einen Vortrag zum 100. Geburtstag des Schauspielers am 13. November 2022 vorbereite, kann die Lektüre vielleicht den einen oder anderen Gedanken zusätzlich beisteuern. Bisher war mir nur bekannt, dass Oskar Werner in Steve Tesichs Roman „Ein letzter Sommer“ (2005) von der Hauptprotagonistin bewundernd erwähnt wird. Das Buch habe ich damals verschlungen und mehrfach verschenkt, nicht nur aus diesem einen Grund. Jetzt also Liaty Pisani – ich bin sehr, sehr gespannt!

7. Februar 2022

Im Eintrag vom 21. Januar habe ich auf die Produktion bereits hingewiesen – hier ist meine Eintrittskarte! Große Vorfreude!

Orpheus in der Unterwelt 008

3. Februar 2022

In dieser Woche beginnen die neuen Opernkurse in der VHS Wetzlar. Gestern haben wir uns mit Monteverdis L’Orfeo befasst, heute vergleichen wir drei Inszenierungen von Rossinis Il Barbiere di Siviglia, mit Aufnahmen von 1972, 1988 und 2009. Die Unterschiede zwischen Film- bzw. Studioaufnahmen einerseits und Livemitschnitten aus Opernhäusern andererseits sind naturgemäß groß. Die immer wieder spannende Frage ist, inwieweit einige Inszenierungen im Wesentlichen Ausdruck ihrer Zeit waren und trotzdem bis heute mehr als nur vorzeigbar geblieben sind. Haben dagegen manch ehemalige Kultereignisse doch mittlerweile Patina angesetzt, und hören und sehen wir sie heute begleitet von wohlmeinend-nostalgischen Seufzern? Was ist den Interpretationen gemeinsam, wo unterscheiden sie sich? Was spricht uns an, und was provoziert unseren Widerspruch? Ich freue mich auf lebhafte, spannende Diskussionen!

1. Februar 2022

Hammelburg 002

Die Bayerische Musikakademie Hammelburg, in der ich gestern zu Gast war, verfügt in ihren beeindruckenden Räumlichkeiten u. a. über ein Harmonium des Herstellers Estey Organ Company aus dem Jahr 1888. Das imposante Instrument hat die Bezeichnung Grand Salon Style 910. Von diesem Typ sind weltweit nur ca. 20 Instrumente vorhanden, dabei nur fünf vom Style 910 mit 23 (!) Registern. Allen Instrumenten vom Typ Grand Salon ist ein typischer Aufsatz zu eigen, der beim Instrument der Musikakademie fehlte. Die zunächst verwendete einfache Abdeckplatte wurde durch die Rekonstruktion des originalen Gehäuseaufsatzes aus Kirschbaumholz ersetzt. Das Instrument ist voll funktionstüchtig und hat – zumal in der Bässen – einen voluminösen Klang. Das Harmonium kann sowohl vom Spieler selbst über die Pumptritte oder von einem Kalkanten (Bälgetreter) mittels der rekonstruierten Schöpfbälge am Pumpgriff mit Wind versorgt werden.

30. Januar 2022

Four-Volt, Two-Watt
It’s communication, stupid!

27. Januar 2022

An Mozarts Geburtstag sich an Wolfgang Amadeus und sein Lieblingsgetränk zu erinnern, ist das eine. Sozusagen punschlos glücklich, wird es am Nachmittag guten Kaffee geben. Auf Kuchen wegen der an Neujahr selbst auferlegten Süßigkeiten-Abstinenz weiter zu verzichten, ist das andere.

Innerhalb weniger Tage sind Hardy Krüger und Ernst Stankovski gestorben, beide im Alter von jeweils 93 Jahren. Von Kindheit und Jugend an habe ich sie bewundert, und beide durfte ich „live“ erleben – Hardy Krüger bei einer Lesung in Recklinghausen in den 1970er Jahren, Ernst Stankovski mit einem seiner Soloprogramme in der Wittener „Werkstadt“ in den späten 1990ern. Krüger habe ich vor allem in „Der Flug des Phoenix“ bestaunt, auch für seine Auftritte in „Hatari!“ und „Einer kam durch“. Stankovski liebte ich für seine elegante, ironisch-wienerische Moderation von „Erkennen Sie die Melodie?“. Die ZDF-Sendung war für mich eine der ersten Kennenlern-Stationen für Musiktheater – spielerisch im Quizformat, dabei mit biografischen, historischen und werkbezogenen Inhalten. Und natürlich habe ich immer auf die hinreißende Ouvertüre zu „Donna Diana“ von Emil Nikolaus von Reznicek gewartet! Ernst Stankovski, ausgebildet am renommierten Reinhardt-Seminar in Wien, stand auf so ziemlich allen bedeutenden Bühnen der deutschsprachigen Theater. Außer Schauspieler und Quizmaster war er Regisseur, Chansonnier und Kabarettist. Das Sprechtheater blieb dabei für ihn immer Herzensangelegenheit.

25. Januar 2022

Den „Kaiserwalzer“, „An der schönen blauen Donau“ oder „Die Fledermaus“ im Ohr, kann sich kaum jemand vorstellen, dass ihr Schöpfer Johann Strauß (Sohn) in den letzten Jahren seines Lebens ein kauziger Zeitgenosse, ein „typisch wienerischer Raunzer“ (Hans Joachim Moser) war, den Klaustrophobie und Burnout-Symptome plagten, der Tarock spielte, an seinem Schnurrbart kaute und ängstlich auf die nächste Krankheit wartete. Diese ereilte ihn schließlich in Form einer Lungenentzündung, an deren Folgen er 1899 im Alter von 74 Jahren in seinem Haus in der Igelgasse in Wien starb. Das Begräbnis des „musikalischsten Schädels des Jahrhunderts“ (Richard Wagner) dauerte inklusive des Trauerzuges zum Wiener Zentralfriedhof mehrere Stunden. Während der öffentlichen Aufbahrung waren zuvor 161 Kränze niedergelegt worden. Die Wiener – und nicht nur sie – hatten Strauß zu Lebzeiten mit unzähligen Ehrungen bedacht. Der Gustav Mahler zugeschriebene Ausspruch, wonach die Wiener einen erst leben lassen, wenn man gestorben ist, trifft jedenfalls auf Strauß nicht zu. Bis heute dauert die enorme Wertschätzung an, nicht nur in Wien.

“Musikalischster Schädel des Jahrhunderts”
Johann Strauß (Vortrag)
Gast: John Sander
25.03.2022, 18.00 Uhr
In Kooperation mit der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar
Wetzlarer Musikschule, Schillerplatz 8, 35578 Wetzlar

24. Januar 2022

2022 Berlin 161

Komische Oper Berlin, Foyer (Suchbild)

21. Januar 2022

Die Deutsche Oper am Rhein zeigt erneut Barrie Koskys Inszenierung von Orpheus in der Unterwelt, eine Koproduktion des Hauses mit den Salzburger Festspielen und der Komischen Oper Berlin. Der Newsletter zitiert aus Rezensionen: „Mutig, unverschämt – und herrlich komisch!“ (Tagesspiegel), ein „höllischer Spaß in der Unterwelt“ (BR Klassik), „witzig, klug, grell und gay“(FAZ) sei diese geniale Operettenrevue, ein Riesenspaß und cleveres Spektakel. Das Opernhaus empfiehlt eine baldige Buchung, da die Kapazitäten bekanntermaßen begrenzt sind. Freuen darf sich das Publikum auf eine glanzvolle, rasante Revue mit einem – im Sinne des Wortes – schwungvollen Ensemble und TV-Star Max Hopp als John Styx.

Termine: 19., 23., 26. und 27. Februar; 6., 9., 11., 13., 15., 17. und 20. März

18. Januar 2022

Bis vor ein paar Jahren hatte es die Operette schwer, jedenfalls hierzulande. Sie galt als zu oberflächlich, zu kitschig, zu banal – mit dem Vorurteil oder besser Missverständnis, ausschließlich Unterhaltendes in ihr zu sehen. Dass sie auch Zeit- und Gesellschaftskritisches thematisiert, spielte in Wahrnehmung und Bewertung häufig kaum eine Rolle. In den letzten Jahren kommt es vermehrt zu einer Korrektur dieser Einschätzung. Operetten werden intellektueller, durchlässiger, gespiegelter. Tobias Bonn, Sänger und Schauspieler, formuliert es so: „Bei aller Sentimentalität, vor der man sich in der Operette nicht scheuen darf, bei allem Klischee und Kitsch, dem man sich hingeben muss, ist die Überhöhung und Künstlichkeit wichtig, genau wie das Zitieren.“

Verena Unbehaun, Schauspielerin, Sprecherin und Sängerin, geht in ihrem „Plädoyer für die pro-emotionale Operettung“ in dieselbe Richtung. Ihr Ton ist offensiver, draufgängerischer: „Das Augenzwinkern der Operette – trotz allem! – das Durchsingen aller möglichen Katastrophen, der Humor, der doppelte Boden, begleitet von hüpfenden, beschwingt erhebenden und liebenden Operettenmelodien – und Opas Charme: All das verhalf mir zu einem humoristischen, leichten Blick auf die Realität. Die Operette half mir, die alltägliche Leere wieder mit Liebe und Wärme anzufüllen – ein Antidepressivum gegen den ganzen Mist von „heute journal“ und uns selbst! Ich setze mich ein für die „pro-emotionale Operettung“! Stehen Sie wieder zur Operette, holen Sie sie zurück in Ihre Gegenwart. Holen Sie sie von der Bühne herunter und hinein in Ihren ganz persönlichen Alltag, und Sie werden mehr lachen, mehr fühlen, und mehr leben! Leben Sie Operette! Ich plädiere für die pro-emotionale Operettung: für die Rettung durch Operette. Gegen Depression, Langeweile, Stress, Frust, Schlaflosigkeit, Überforderung! Operettung für alle!“

Kurstitel: Operette sich, wer kann! (in Vorbereitung)

16. Januar 2022

2022 Januar 007

Tafel vor dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund

13. Januar 2022

Gestern Abend im Kurs „Tanz oder gar nicht“ sahen wir den zweiten Teil von Robert Altmans Film „The Company“ (2003) einschließlich zweier Interviews mit dem Regisseur und seiner Hauptakteurin Neve Campbell. Im Abspann lief wunderbare Musik für Streichquartett, und ich konnte die Frage nach dem Komponisten nicht beantworten. „Irgendwo zwischen Broadway und Schostakowitsch“, vermutete ich und habe deswegen heute Vormittag recherchiert. And the winner is: Richard Rodgers (1902 – 1979), Theater-, Musical- und Jazzkomponist u. a. am Broadway (!), Schöpfer zahlreicher Schlager und Evergreens, darunter „Oklahoma“. Die besagte Musik im Abspann des Films trägt den Titel „My Funny Valentine“.

11. Januar 2022

Warum scheitern so viele von uns an dieser Aufgabe, die doch offensichtlich die wichtigste im Leben zu sein scheint – zu werden, wer wir sind?
aus: Bas Kast, Das Buch eines Sommers

Und: Zu viel Vernunft macht genauso dumm wie zu wenig.

9. Januar 2022

Barrie Koskys Inszenierung von Mozarts Zauberflöte, gemeinsam mit dem britischen Künstlerkollektiv „1927“ (Suzanne Andrade) entwickelt, genießt mittlerweile Kultstatus. Eine multimediale Erzählung, bestehend aus Live-Performance und Animation, mit Elementen aus Stummfilm (z. B. Musik vom Hammerklavier), Comic und Videoclip berührt und begeistert jedes Publikum. Ich hatte das große Vergnügen, am zweiten Tag des neuen Jahres eine dieser Vorstellungen in der Komischen Oper Berlin mitzuerleben. Es ist eine Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein. Für Februar und Anfang März gibt es noch Karten! – Berlin, nach drei Jahren Pause. Wieder dort, habe ich erst gemerkt, wie sehr ich es vermisst habe. So habe ich also ein paar meiner Lieblingsorte ausgesucht: Die Kastanie in Charlottenburg, das Café BilderBuch und I due Emigranti in Schöneberg. Die Staatsoper und ein paar Museen rufen nach weiteren Besuchen, für die dann hoffentlich mehr Zeit sein wird als nur zwei Tage.

Gestern habe ich übrigens meinen ersten Roman von Christoph Ransmayr zu Ende gelesen, nicht ohne eine gewisse Anstrengung: Cox oder Der Lauf der Zeit. Ein lesenswertes, dabei sprachlich extrem elaboriertes Buch. Viele lange Sätze, verwoben, verschlungen, dabei mit erlesenem Vokabular. Für literarische Feinschmecker mit Sinn für außergewöhnliche Erzählkunst und noble Sprachkultur!

Leichte Überleitung: Nachdem Elke Heidenreich vor ein paar Wochen mitgeteilt hatte, für Gendersternchen wenig übrig zu haben, von „verlogenem Scheißdreck“ sprach und sagte, sie werde „diese Sprachverhunzung nicht mitmachen“, hat sich jetzt auch Jürgen von der Lippe positioniert. Für ihn ist es „ein Skandal, dass Universitäten verlangen, dass Arbeiten von den Studenten gegendert und so in einem falschen Deutsch eingereicht werden.“ Besonders die „sinnfreien Partizipien“ erregen seinen Unmut: „Der Bäcker ist ein Backender, wenn er in der Backstube steht. Wenn er auf dem Klo sitzt, dann nicht mehr.“

Der Opernflüsterer auf YouTube

Liebe Leserinnen und Leser,
hier der Link zum Video – bitte anschauen, weiterleiten, empfehlen …

youtube opernflüsterer screen 

https://youtu.be/i7kMXuqn6qo

In den kommenden Wochen und Monaten wird es weitere Videos geben, dazu Kurse, Workshops und Vorträge mit neuen Themen, zum Teil in erweiterten Formaten. Auch der Blog wird wieder aktiv. Ich freue mich!

Mehr Informationen auf www.opernfluesterer.de

Ihnen und Euch allen ein gutes und gesundes Neues Jahr!

Herzlich,
Ihr/Euer
Thomas Sander

Pause bis zum 31. Dezember 2021

22. Juni 2021

In seiner Oper Greek überträgt der britische Komponist Mark-Anthony Turnage (* 1960) den antiken Mythos von Ödipus, der unwissend seinen Vater erschlägt und sich in seine Mutter verliebt, in das brutale Londoner East End der 1980er Jahre. Als zeitgenössische Ödipus-Figur steht der junge Eddy im Zentrum des Stückes: Er führt das Publikum in einer dystopischen Erzählung durch groteske Situationen und absurde Traumsequenzen. Turnage schrieb das Werk 1988 für die Münchner Biennale und zeigt seine volle kompositorische Bandbreite mit Anleihen aus verschiedenen Genres und sozialen Milieus. Fußball-Gesänge von Fans des Arsenal London treffen dabei auf Elemente aus Hip-Hop und Jazz.

Das Staatstheater Hannover zeigt das Stück zurzeit in einer Inszenierung von Joe Hill-Gibbins. Die Hannoversche Allgemeine ist begeistert und schreibt, „Greek beschert Hannover einen so erstaunlichen, lebendigen und unterhaltsamen Opernabend, dass man fast bedauern könnte, dass dies die möglicherweise letzte Corona-Ausnahmeproduktion war.“ In dieser Spielzeit ist Greek noch am 26. und 30. Juni zu sehen. Empfehlung!

19. Juni 2021

Der Portugiese an sich will den Ball haben.
Christoph Kramer, Fußballspieler

17. Juni 2021

Und nochmal Fußball, schließlich ist Europameisterschaft. Und nochmal Kommentatoren, schließlich guckt und hört man viel. Damit sind wir schon am Punkt: Claudia Neumann vom ZDF ist so ziemlich das Anstrengendste, was man sich als Zuschauer antun kann. Grund dafür ist dieser permanent aufgeregte, hysterische Tonfall, der eigentlich nie angebracht ist, und wenn überhaupt, dann im Radio, dieser Tonfall, der uns glauben machen soll, dass sich in jedem Moment etwas Unerwartetes, Sensationelles, noch nie Dagewesenes, Atemberaubendes, Unerhörtes zuträgt, von dem wir uns kaum erholen werden, der uns indes verdeutlicht, dass Frau Neumann selbst der Grund für unser Erholungsbedürfnis ist. Soforthilfe: Ton aus und nur gucken.

16. Juni 2021

Gestern, bei der Live-Übertragung des Fußballspiels Frankreich gegen Deutschland im ZDF, erlebte ich den ehemaligen Fußballprofi Sandro Wagner zum ersten Mal als Co-Kommentator. Im Gegensatz zu Béla Réthy, über den alles gesagt ist, auch von mir, zeigte sich Wagner kenntnisreich, versiert und vor allem in der Lage zu erklären, warum die deutsche Mannschaft spielerisch im Defizit und nicht fähig war, ein Tor zu erzielen. Wagner konnte die Gründe für die Unterlegenheit der Deutschen auf den Punkt benennen und beließ es nicht bei „Frankreich ist schließlich Weltmeister“. Wagner kennt sich aus. Er hat jahrelang selbst gespielt, war bei unzähligen Taktik- und Strategiesitzungen dabei. Ihm ist jede Spielsituation bekannt, jede Spielanlage vertraut. Dazu kommt Wagners sprachliche Qualifikation, die man als leidgeprüfter Fernsehzuschauer nur wohltuend nennen kann. Mein Vorschlag: Réthy hat künftig frei, Wagner macht’s allein.

15. Juni 2021

Cornwall 2008 003
Portloe, Cornwall

9. Juni 2021

Ob Gendersternchen oder Binnen-I – das mache ich bekanntlich nicht mit und bin da ganz bei Elke Heidenreich: „Grauenhaft, wenn ich das schon höre, diese Sprache“, sagt die Autorin und Literaturkritikerin. „Das ist alles ein verlogener Scheißdreck.“ Und weiter: „Wenn ich sage Menschen, meine ich Menschen. Wenn ich Künstler sage, meine ich alle Künstler, die Künstler sind, auch die Frauen. Dieses feministische Getue in der Sprache geht mir furchtbar gegen den Strich.“ Sie fragt, ob die Frauen nur weibliche Künstler sein wollen und liefert die Antwort gleich mit: „Die wollen auch Künstler sein – Künst-ler.“

Mit tut es ausgesprochen gut, so etwas zu lesen. Ich spreche mich seit Langem (früher: seit langem) gegen die Verhunzung und Entstellung von Sprache aus. Was ist denn so schwer daran, „Journalistinnen und Journalisten“ oder „Ärztinnen und Ärzte“ zu sagen und zu schreiben statt Sternchen, große I, Unterstriche, Kunstpausen und anderen faulen Zauber einzupflegen? Haben wir keine Zeit mehr? Sind wir derart unter Strom und in Zeitnot? Wollen wir in der eingesparten Zeit vielleicht noch einen unnötigen Tweet absetzen? Geht es wirklich um Gleichberechtigung? „Mit Nichten“, wie ich heute lese. Das ist wenigstens unfreiwillig komisch, oder – im besseren Fall – herrlich selbstironisch. Der desillusionierte Sprachler (auch die Sprachlerin, jaja) glaubt aus Erfahrung an das erstere.

6. Juni 2021

Im Internet-Auftritt eines von mir sehr geschätzten Gasthauses heißt es gegen Ende: „Wir wünschen Ihnen viel Gesundheit und würden uns freuen Sie dennoch als Gäste begrüßen zu dürfen.“ Wie ist das zu verstehen? Man ist vielleicht gesund – wenn das Wünschen denn hilft – und darf trotzdem kommen? Oder man kommt trotz der Wünsche? Deutsche Sprache, schwere Sprache. Eigentlich kann es mir egal sein, denn das Gasthaus macht die besten Schnitzel weit und breit. Hauptsache, ich bekomme eins und bin dabei gesund und willkommen.

1. Juni 2021

Zum 95. Geburtstag von Marilyn Monroe haben wir heute Niagara gesehen, einen meiner Lieblingsfilme. Eigentlich stand ja, wie immer dienstags, Ballett und Modernes Tanztheater auf dem Programm, und ich hatte beim Verlassen der Wohnung „Coppelia“ schon in der Hand, habe es mir aber dann anders überlegt. Niagara besticht durch seine monothematische Musik, die immer wieder anders orchestriert und bearbeitet erscheint, vom Sinfonieorchester über Jazz-Combo bis hin zum Glockenspiel des Rainbow Tower.

Natürlich kommen noch die Niagarafälle selbst und Marilyn Monroe hinzu. Wie schrieb damals die New York Times so schön: 20th Century Fox schert sich offenbar nicht darum, dass es nur sieben Weltwunder gibt, denn sie hat zwei weitere entdeckt und stellt diese in Technicolor in dem Film Niagara vor. Die Produzenten machen nämlich von der Pracht der Wasserfälle und der umliegenden Landschaft als auch von der Pracht des Namens Marilyn Monroe optimalen Gebrauch. Die Aussicht ist in beiden Fällen atemberaubend.

26. Mai 2021

Seit gestern ist meine neue Homepage online: www.opernfluesterer.de

Thomas MD 20

Einfach mal reinschauen – in den kommenden Wochen wird es Videos mit Opernthemen auf youtube geben, dazu einen Account bei Facebook, Trailer inklusive. Sobald es Neuigkeiten dazu gibt, kann man sie auch hier nachlesen. Neue Zeiten, neue Ziele!

22. Mai 2021

Das klassische Wirtshaus, wo Karten gespielt wird, findest du ja fast nicht mehr. Früher bot ein solches Wirtshaus den Menschen, die wenig Geld hatten, eine Möglichkeit, sich aufzuhalten. Es gab mehr Wirtsfamilien, die hatten weniger Umsatzdruck als heute. Ins Café Neumaier am Münchner Viktualienmarkt, da sind sie sogar mit Hehna und sonstigem Geflügel nei, das war eine andere Welt. Man kann sagen, ich bin ein Nostalgiker, aber mir fehlt das schon manchmal, dieses Leben.
Gerhard Polt (79) in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung

Ich schließe mich diesem Verlustvortrag in vollem Umfang an – wo ich doch Wirthäuser und Gasthöfe so liebe! Doch die Klage ist weiter gefasst. Natürlich haben wir heute eBooks, und wir können beim Fernsehen mit seinen unzähligen Programmen einfach den Film anhalten, wenn das Telefon mit einer lustigen Melodie klingelt und wir wissen, es ist Tante Ilse aus Iserlohn. Wir haben digitale Waagen und Fieberthermometer, ja sogar das Flaschenpfand, gelbe Tonnen und bunte Klobrillen. Doch was häufig fehlt, sind emotionale und soziale Verlässlichkeiten. Die heutige Dominanz betriebswirtschaftlicher Sichtweisen, die von allem den Preis, aber von nichts den Wert kennen, haben kaum mehr den langen Atem, der uns früher, ohne dass es uns immer bewusst gewesen wäre, existenzielle Sicherheit und Entspannung gegeben hat. Wie sagt Gerhard Polt: Mir fehlt das schon manchmal, dieses Leben.

17. Mai 2021

Dummheiten können reizend sein, Dummheit nicht.
Alberto Moravia (1907 – 1990)

12. Mai 2021

Die Geschichte ist die von „La fanciulla del West“, eine Oper von Giacomo Puccini (Libretto von Guelfo Civinini und Carlo Zangarini nach der literarischen Vorlage „The Girl of the Golden West“ von David Belasco). Die Hauptpartien sind die der Minnie (Bardame), Jack Rance (Sheriff) und Dick Johnson (Räuber).

Was ganz anderes: Heute hätte Joseph Beuys seinen 100. Geburtstag gefeiert. Dazu einer seiner schönsten Sprüche: „Es ist egal, in welchem Beruf man sich verschleißt. Aber verschleißen muss man sich.“

11. Mai 2021

Das heutige Rätsel für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an meinen Kursen (Opernfans sind im Vorteil):

Eine Goldgräberstadt. Sheriff, Räuber, Bardame. Der Sheriff, nennen wir ihn JR (nicht etwa, weil er Ewing hieße), würde für die von ihm Verehrte sogar seine Familie verlassen. Doch er kommt bei ihr nicht zum Zuge, da sie ihrerseits den Räuber liebt, dessen Bande es auf das geschürfte Gold abgesehen hat. Die Schöne weiß einerseits mit Männern und der Waffe umzugehen, ist aber andererseits auch das unschuldige junge Ding, das den Goldgräbern Bibelunterricht erteilt und noch nie einen Mann geküsst hat. Sie schlägt JR im Pokerspiel mit gezinkten Karten und rettet ihren Liebsten aus den Fängen der Gerechtigkeit. Als der Böse (übrigens ein echter DJ) erneut gefasst wird und gehängt werden soll, tritt sie mit gezückter Pistole dazwischen und erinnert die Männer an die Lehren der Bibel, dass auch dem schlimmsten Sünder vergeben werden könne. Unter dem wütenden Protest des Sheriffs bricht sie zusammen mit dem Ganoven auf in die Weiten der Prärie. (Quelle: Silke Leopold und Robert Maschka, Who’s who in der Oper, dtv/Bärenreiter).

Wie heißen die Protagonisten, und wie heißt das Stück? Und wer hat’s geschrieben?

6. Mai 2021

Endlich fasse dir ein Herz
Und begreif’s geschwinder:
Lachen, Weinen, Lust und Schmerz
Sind Geschwisterkinder.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Sándor Ferenczi, engster Mitarbeiter und persönlicher Freund Sigmund Freuds, ist da in einem Notizbucheintrag von 1913 deutlich weniger poetisch: „Lachen ist Erbrechen von Luft aus der Lunge, Weinen ist Saufen von Luft.“

5. Mai 2021

Roman coin

Die Bedeutung von „janusköpfig“ wird üblicherweise mit Adjektiven wie ambivalent, doppeldeutig oder doppelwertig wiedergegeben. Janusköpfige Menschen sind solche, die als doppelgesichtig, zwielichtig oder uneindeutig gelten. „Dieser Mensch hat zwei Gesichter“ – wer hätte diesen Satz nicht schon einmal gehört? Die Frage ist nur, ob diese zwei Gesichter sich voneinander unterscheiden oder eben nicht. Es gibt durchaus Leute, die, egal mit welchem Gesicht, immer gleich blöd aussehen.

29. April 2021

Aus gegebenem und im Grunde stets aktuellem Anlass:
„Die Menschen sind grob in drei Kategorien zu unterteilen: Die Wenigen, die dafür sorgen, dass etwas geschieht, die Vielen, die zuschauen, wie etwas geschieht, und die überwältigende Mehrheit, die keine Ahnung hat, was überhaupt geschieht.“
Karl Weinhofer (*1942), deutscher Politiker

1. Mai 2021

Schlüsselblume

Die Luft ist blau, das Tal ist grün,
die kleinen Maienglocken blühn
und Schlüsselblumen drunter.
Der Wiesengrund ist schon so bunt
und malt sich täglich bunter.

Drum komme, wem der Mai gefällt,
und freue sich der schönen Welt
und Gottes Vatergüte,
die diese Pracht hervorgebracht,
den Baum und seine Blüte.
Ludwig Hölty (1748 – 1776)

28. April 2021

Im Roman Wir drei von Andrea de Carlo begeht die geliebte Großmutter des Ich-Erzählers Selbstmord. Am Totenbett findet der Hinterbliebene eine gekritzelte Lebensweisheit, die an Schlichtheit und profaner Größe nicht zu übertreffen ist: „Versuche, ein interessantes Leben zu führen, denn glaub‘ mir, diese Reise geht unglaublich schnell zu Ende.” So macht sich Livio, der Ich-Erzähler, auf in ein Leben voller Turbulenzen. Er liebt Misia, doch diese fühlt sich zu Marco hingezogen. Ein Jüngling liebt ein Mädchen … Was Livio erlebt, ist eine abenteuerliche Reise inklusive des An- und Ausprobierens verschiedener Identitäten, des sozialen Scheiterns und des Zusammenbruchs sämtlicher Erwartungen. „Ich frage mich, ob es immer so ist, wenn ein Künstler das Glück hat, für seine Arbeit bewundert zu werden, ob es unvermeidlich ist, dass er irgendwann aufhört, Neues zu erfinden und Risiken einzugehen, und er sich nur noch den Formen widmet, die ihm so gut gelingen.” Misia sagt: „Mit dreiundzwanzig sollte man allmählich das tun, was man wirklich will.“ Nicht nur mit dreiundzwanzig, fügen wir hinzu. Wann und wie gelingt ein Werk, eine Biografie?

27. April 2021

Mein Maskenbildner hat mir gesagt: „Du siehst immer gleich aus. Nur dauert es jetzt etwas länger, bis es soweit ist.“
Hans-Joachim Kulenkampff (1921 – 1998), der heute vor 100 Jahren geboren wurde

20. April 2021

CD Rebirth Yoncheva

Starsopranistin Sonya Yoncheva hat ein neues Album herausgegeben, das sie zusammen mit dem Dirigenten García Alarcón und seiner Cappella Mediterranea aufgenommen hat: „Rebirth“ heißt die CD, die schwerpunktmäßig Alte Musik enthält, aber auch Brücken in neuere Zeiten baut, bis hin zu einem Song von ABBA. Yoncheva erklärt dazu, dass es sich um ein Experiment handelt, das zeigt, wie zeitlos und global Musik ist. Musik verschiedener Länder – Spanien, England, Italien und Yonchevas Heimatland Bulgarien – stehen nebeneinander und machen deutlich, dass der Titel „Rebirth“ menschlich wie künstlerisch aufzufassen ist. Yoncheva: „Und da sprechen wir wieder von etwas, das heute wichtiger scheint denn je: Musik verbindet – gestern wie heute!“

17. April 2021

„Kein Hygienekonzept und keine noch so beruhigende Statistik ist in der Lage, unsere Theater vor dem Endlos-Shutdown zu retten“, schreibt das orpheus-magazin zu seiner März/April-Ausgabe, die erneut nur digital veröffentlicht ist. Chefredakteurin Iris Steiner beklagt völlig zu Recht, dass Spaßbäder, Fitnessstudios und Opernhäuser in einen Topf geworfen und somit zu bloßer Freizeitgestaltung demontiert werden. Die Pandemie-Krise legt den Finger in die Wunde, stellt sie fest und fragt: „Welchen Stellenwert geben wir unserer Kultur, welche Funktion? Ein Armutszeugnis …“

Der Magazintitel hat es diesmal sogar zum Aufkleber geschafft: #opergehtbaden. Für alle, so heißt es, die ihrem Ärger Luft machen möchten – frei nach Wilhelm Busch: „Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“ …

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Mit freundlicher Genehmigung von www.orpheus-magazin.de

14. April 2021

Im Friedberger „Crashkurs Oper“ haben wir nun zwei Drittel hinter uns (vier von sechs Terminen). Die Erfahrungen sind ähnlich denen, die wir in vergleichbaren Kursen machen konnten: Das Schlussduett aus Monteverdis „Poppea“ ist kaum zu schlagen (vor allem, wenn man es sechsmal hintereinander in verschiedenen Inszenierungen sieht und hört), das Finale des 2. Aktes aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ holt dramatisch wie musikalisch jedes Publikum ab, und dass Verbote übertreten werden müssen, wissen wir sowieso: Orpheus dreht sich nach Eurydike um, Judith schaut in Blaubarts siebtes Zimmer, und Elsa fragt Lohengrin nach seinem Namen. Alles wie im richtigen Leben.

Wir haben Händels eifersüchtigen „Xerxes“ gehört, Webers „Freischütz“ als Scharnier zwischen Mozart und Wagner verstanden, uns von Verdis „La Traviata“ betören lassen und Puccinis „Tosca“ bis hin zur Bregenzer Seebühnen-Sequenz aus James Bonds „Ein Quantum Trost“ erlebt. In der nächsten Woche folgen Ausschnitte aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“, Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“, Bizets „Carmen“ und Saint-Saëns‘ „Samson et Dalila“. Den Abschluss machen Strauss‘ „Salome“, Korngolds „Die tote Stadt“, Henzes „Boulevard Solitude“ und Reimanns „Medea“.

12. April 2021

Am Strand werden Liegen gestapelt und Schirme verschnürt. Die letzten Kinder kommen aus dem Wasser und werden in bunte Handtücher oder Bademäntel gehüllt. Du stellst dir vor, wie die Erinnerung daran diese Kinder begleitet – am Abend aus dem Meer kommen und mit einem von der Sonne gewärmten Frotteemantel empfangen werden. Eine lebenslang anhaltende Impfung gegen erste Verluste, spätere Rückschläge und bittere Enttäuschungen. Vielleicht.
aus: Edgar Rai, Etwas bleibt immer

Pause bis Ostern 2021

15. Februar 2021

Gänseliesel 2 (2)

Gänseliesel, Göttingen

12. Februar 2021

Gute Ansichten sind wertlos. Es kommt darauf an, wer sie hat.
Karl Kraus (1874 – 1936)

9. Februar 2021

Fahrräder im Schnee

Jetzt, wo nach dem Wintereinbruch die Sonne scheint, reden einige vom „herrlichen Winterwetter“, weil ja verschneite Landschaften so schön aussehen. Dazu wollen wir mal festhalten, dass der Schnee nur die Tristesse der Natur verhüllt. Kahle Bäume, graues Gras, keine Blumen – so sieht es eigentlich aus. Schnee hat etwas Verlogenes, Unehrliches. Außerdem muss man ihn beiseite räumen, wegschaufeln und wegfegen, wenn Straßen und Wege passierbar bleiben sollen. Seit dem Ende meiner Kindheit hege ich für Schnee und Winter keinerlei Sympathien mehr. Bei Minusgraden frieren Türschlösser ein (ich komme zurzeit nicht in mein Auto), Busse und Bahnen kommen zu spät oder fallen komplett aus. In keiner anderen Jahreszeit gibt es ein so hohes Risiko für Knochenbrüche. Man muss mehr heizen oder mehr anziehen. Es wird zu früh dunkel. Schnee, Wind, Regen und Graupel. Kälte und Nässe. Das taugt alles nichts. Bei Debussy heißt es: „Yver, vous n’estes qu’un villain!“ Sehr richtig.

7. Februar 2021

Boot auf dem See

Nur eine einzige Wolke zieht am Abendhimmel hin;
Nur eine Barke schwimmt im Fluss,- ich bin allein darin.

Nun kommt der junge Mond herauf, ein runder Silberschild;
Im Flusse, geisterhaft bewegt, seh‘ ich sein Spiegelbild.

Da wird die dunkle Wolke hell und schwebt in süßer Ruh‘,-
Da fühl‘ ich weichen allen Schmerz,- o Mond, das tatest du!
Hans Bethge (1876 – 1946)

4. Februar 2021

Constantine, Algerien

Blick auf die Altstadt von Constantine, Algerien (Quelle: wikipedia)

2. Februar 2021

In einem Leserforum der FAZ bescheinigt ein Diskutant unserer Demokratie, für die Bewältigung der Corona-Krise zu schwerfällig zu sein. Er empfiehlt daher, einen Wohlfahrtsausschuss von nur drei Personen einzusetzen. Dieser solle unbegrenzte Verfügungsgewalt haben, um das Virus in die Knie zu zwingen. In Frage kämen dafür nur Personen „mit absolutem Durchblick und erwiesenem Einsatz für das Wohl der Menschheit“, weshalb sein Vorschlag für den Ausschuss wäre: Prof. Drosten, Jan Böhmermann und Luisa Neubauer. Alternativ: Carola Rackete, Boris Becker und Bischöfin Käßmann.

Da ich bei der einen oder anderen der genannten Personen deren Eignung für den Ausschuss bezweifle, hier weitere Vorschläge: Marcel Reif, Claus Peymann und Caren Miosga. Alternativ: Daniel Cohn-Bendit, Petra Schmidt-Schaller und Carla Reemtsma.

1. Februar 2021

Hertha BSC Berlin feiert seinen „Big City Coup“, so ist zu lesen, weil jetzt Sami Khedira für den Hauptstadt-Club seine Fußballschuhe schnürt. Großartig! Khedira, Weltmeister von 2014, spielt wieder für einen deutschen Verein. Natürlich, weil die Alte Dame Hertha so unwiderstehlich ist und die bekannte „neue Herausforderung“ darstellt. Nicht etwa, weil es nach über einer Dekade im europäischen Ausland bei Real Madrid und Juventus Turin dortselbst keine Chance mehr auf sportliche Einsätze gibt. Khedira, nur zum besseren Verständnis, ist 33 Jahre alt und stand bei Juventus zuletzt vor mehr als vierzehn Monaten auf dem Platz. Nun soll er der Berliner Hertha mit seiner Erfahrung helfen. Nun gut, wie man sich durch Verletzungspausen, Reha-Maßnahmen und Wiederaufbautraining quält, wird er ohne Probleme wiedergeben können. Und dass der Blick auf den Kontostand die Mühen erträglich macht, ebenso.

27. Januar 2021

An Mozarts Geburtstag, trotzdem oder gerade deswegen:

Das schönste und zugleich wichtigste Wort ist „Nein“. Wenn kleine Kinder es erwerben, haben sie plötzlich ein Mittel, ihre Eltern zur Weißglut zu treiben, und verwenden es fortan mit großer Begeisterung. Diese Begeisterung sollte man sich ins Erwachsenenalter erhalten.
Leo Fischer in „Das Magazin“

26. Januar 2021

Wenn man einem Menschen trauen kann, erübrigt sich ein Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann, ist ein Vertrag nutzlos.
Jean Paul Getty (1892 – 1976) 

23. Januar 2021

Berlin Sommer 2018 087

Genau! Und kürzlich war auf ZEIT online zu lesen, dass man Alkohol trinken und viel mehr Süßes essen soll. Weg mit falschen Vorsätzen! Corona ist anstrengend, da haben blöde Ziele keinen Platz. Also, du ausbalancierte Diät, wo bist du?

21. Januar 2021

Ballons

Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Machen wir uns von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
Christian Morgenstern (1871 – 1914)

18. Januar 2021

Seit ein paar Tagen lese ich „Cal“, den 1983 erschienenen Roman von Bernard MacLaverty. Das Buch gibt einen Einblick in den Nordirland-Konflikt und den Jahrhunderte alten Streit zwischen Katholiken und Protestanten. Am Schicksal des gleichnamigen Titelhelden beschreibt „Cal“ den brutal geführten Krieg, die alltägliche Gewalt und ihre Auswirkungen auf die Menschen. Obwohl das Thema Nordirland vor allem in den 70er und 80er Jahren in den Medien sehr präsent war, wissen heute die wenigsten, was in der Unruheprovinz vor sich ging, und wie und warum die Gewalt so eskalieren konnte. Abgesehen von seiner erzählerischen Klasse hilft die Lektüre, die Gründe und Hintergründe der Gewalt besser zu verstehen.

Zur Handlung: Cal ist Katholik und lebt zusammen mit seinem Vater – die Mutter ist tot – im protestantischen Nordirland. Gelegentlich fungiert Cal widerwillig als Fahrer bei terroristischen Anschlägen, zu denen er von seinen Freunden gezwungen wird. Eines Tages trifft er auf die Bücherhändlerin Marcella, die er nach einem Jahr des tödlichen Attentats auf ihren Ehemann wiedererkennt. Bald verliebt er sich in sie … Leseempfehlung!

13. Januar 2021

Bus stop on a winter snowy day

Geld im Alter ist wie Schnee im Juni (Sprichwort). Und Sicherheit ist ein relativer Begriff.

10. Januar 2021

Die Autorin Sara Tomšić geht auf ZEIT online unter dem Titel „Erfahrungen machen ärmer“ im weiteren Sinne der Frage nach, ob das Älterwerden wirklich gelassener macht oder eher desillusioniert. Sie stellt sich und uns die Frage, ob wir im fortgeschritteneren Erwachsenenalter abgeklärter und ruhiger werden, oder ob wir nicht vielmehr an Spontanität und Empfindungsintensität einbüßen. Tomšić sagt, dass man in jungen Jahren Ereignisse und Zustände unmittelbarer, so „ganz oder gar nicht“ wahrnimmt und beurteilt. Jetzt, nach Jahren, so sagt sie, erleben wir die Dinge nicht mehr so „marianengrabentief“. Ein hübsches Wort (wird auch gleich von der Autokorrektur rot unterlegt), das uns sagen will, dass wir heute nicht mehr so zu erschüttern, nicht mehr so aus dem Gleichgewicht zu bringen sind wie ehedem. Das vermeintlich Gute daran vermag sie nicht zu erkennen, denn es lähmt, wie sie findet, unsere Lust, unsere Begeisterungsfähigkeit, unsere Risikobereitschaft. Wir haben verlernt, Dinge aus dem Moment heraus zu tun, ohne Gewissheiten. Stattdessen schauen wir auf das zu erwartende Ergebnis und wägen ab. Wir kommen mit allem zurecht, immerhin sind wir abgekämpft genug. Wie schade! Wäre es nicht viel schöner, wenn wir uns den jugendlichen Überschwang, das Unberechnete, das Fehlen jedes doppelten Bodens wieder zurückholen würden? Es wäre ein guter Vorsatz fürs Neue Jahr, auch wenn wir ein paar Wochen ohne Alkohol und weniger Fernsehen nicht geringschätzen wollen.

6. Januar 2021

nativity play

Hier sind sie: Caspar, David, Friedrich … äh, natürlich Caspar, Melchior und Balthasar.

Pause bis zum 5. Januar 2021

24. Dezember 2020

Weihnachtssterne

22. Dezember 2020

Das ist der Traum
Das ist der Traum, den wir tragen,
dass etwas Wunderbares geschieht,
geschehen muss –
dass die Zeit sich öffnet,
dass Türen sich öffnen,
dass der Berg sich öffnet,
dass Quellen springen –
dass der Traum sich öffnet,
dass wir in einer Morgenstunde gleiten
in eine Bucht, um die wir nicht wussten.
Olav H. Hauge (1908 – 1994)

Frohe Festtage!

21. Dezember 2020

Christmas on line

Christmas on line

20. Dezember 2020

Alles, was gespaltene Klauen hat, ganz durchgespalten, und wiederkäut unter den Tieren, das dürft ihr essen.
Nur diese dürft ihr nicht essen von dem, was wiederkäut und gespaltene Klauen hat:
das Kamel, denn es ist zwar ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen, darum soll es euch unrein sein; den Klippdachs, denn er ist zwar ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen; darum soll er euch unrein sein; den Hasen, denn er ist auch ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen; darum soll er euch unrein sein; das Schwein, denn es hat wohl durchgespaltene Klauen, ist aber kein Wiederkäuer; darum soll es euch unrein sein.
3. Mose 11, 3 – 7

17. Dezember 2020

Gotthilf-Fischer
Foto: Ingelore Bernasconi (2006)

Für seinen eigenen Tod wünschte sich Gotthilf Fischer einmal, „eines Tages dirigierend in die Kiste zu fallen“.
Ganz so ist es nicht gekommen, denn er ist, wie sein Management bekannt gab, am letzten Freitag „einfach eingeschlafen“. Fischer wurde 92 Jahre alt.

Es ist jahrzehntelang viel, sehr viel geschrieben worden über Deutschlands bekanntesten Chorleiter. Nicht immer respektvoll und anerkennend, dafür häufig herablassend, ja geringschätzig. Er konnte damit leben, von vielen selbsternannten Gralshütern der Kunst nicht ernstgenommen zu werden. Sein Lebensinhalt war, Menschen zum Singen zu bringen – aufmunternd, nachsichtig, liebenswürdig. Seine „Fischer-Chöre“ traten bei zahlreichen Großveranstaltungen auf, im Fernsehen, bei Festivals, auf Konzertreisen im In- und Ausland. „Wenn einer singt, ist er fröhlich“, sagte der Schwabe zu seinem 90. Geburtstag.

Ich traf Gotthilf Fischer vor einigen Jahren, als er an einem Nachmittag im Wetzlarer Forum zu Gast war. Ich stellte mich ihm als Leiter der Wetzlarer Musikschule vor, woraufhin er sich nach Projekten, nach Schülerzahlen und Jahreswochenstunden erkundigte. Sein Interesse war nicht gespielt. Er war neugierig, etwas über meine Arbeit zu erfahren – und er kannte sich aus! Es war ein Gespräch, an das ich mich gerne erinnere. Ruhe in Frieden, Gotthilf Fischer!

13. Dezember 2020

Am Ziel deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel.
Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)

9. Dezember 2020

Reading IKEA Catalogue

Nach 70 Jahren verzichtet IKEA auf seinen gedruckten Katalog und will seine Produkte in Zukunft vor allem auf digitalem Wege bewerben. Die Entscheidung, so lässt das Management verlautbaren, sei „eine Folge des veränderten Medienkonsums und Verbaucherverhaltens.“

Auch wenn somit jährlich mehr als 100.000 Tonnen Farbe und Papier eingespart werden, von den Kosten der Distribution ganz zu schweigen, werden vor allem Nostalgiker den Katalog vermissen. Und dennoch: Gelbe Seiten, Telefonbücher, VHS-Hefte, Gemeindebriefe – all das wird irgendwann, wie der IKEA-Katalog, komplett ausgestorben sein und gleichwohl nicht nur von denen vermisst werden, die keinen Internetzugang haben. Nicht alles, was vernünftig ist, muss gefallen. Und nicht alles, was als vernünftig gilt, ist es auch.

6. Dezember 2020

RentierNikolaustag

Nikolaus der Gute
kommt mit einer Rute,
greift in seinen vollen Sack –
dir ein Päckchen – mir ein Pack.

Ruth Maria kriegt ein Buch
und ein Baumwolltaschentuch,

Noske einen Ehrensäbel
und ein Buch vom alten Bebel,
sozusagen zur Erheiterung,
zur Gelehrsamkeitserweiterung.

Marloh kriegt ein Kaiserbild
und nen blanken Ehrenschild.

Oberst Reinhard kriegt zum Hohn
die gesetzliche Pension.

Tante Lo, die, wie ihr wisst,
immer, immer müde ist,
kriegt von mir ein dickes Kissen.

Und auch hinter die Kulissen
kommt der gute Weihnachtsmann,
nimmt sich mancher Leute an,
schenkt da einen ganzen Sack guten alten Kunstgeschmack.

Schenkt der Orska alle Rollen
Wedekinder, kesse Bollen –
(Hosenrollen mag sie nicht:
dabei sieht man nur Gesicht…).

Der kriegt eine Bauerntruhe,
Fräulein Hippel neue Schuhe,
jener hält die liebste Hand –

Und das Land? Und das Land?

Bitt ich dich, so sehr ich kann:
Schenk ihm Ruhe – lieber Weihnachtsmann!
Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

1. Dezember 2020

Viele Menschen suchen nach einem Job, der ihnen in erster Linie Spaß macht. Damit meinen sie, wenn man genauer nachfragt: entweder Flow-Erlebnisse – oder Identifikation, also den Wunsch, in einer Tätigkeit als Mensch vollständig aufzugehen und sich gerade durch die Arbeit weiterzuentwickeln. Dabei gibt es viele weitere Bereiche, über die wir uns definieren könnten: etwa Freizeit­beschäftigungen oder die Familie und das soziale Netz.
Marie-Luise Goldmann, Philosophin und Literaturwissenschaftlerin

29. November 2020

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Im Advent, da kommt das Licht –
Nur die Erleuchtung folgt meist nicht.
Bernd Sieberichs

25. November 2020

Carmen

„Lebe wild und gefährlich“, soll Arthur Schnitzler seinem Freund Rimbaud geraten haben. Davon, dass er dazu eine Begegnung mit Carmen empfohlen hätte, ist nichts bekannt.

23. November 2020

„Grün ist das neue Grau“, lautet die Artikel-Überschrift zum Thema Städte-Umbau auf ZEIT online, und ich habe keine Lust, den Text zu lesen. Vor ein paar Wochen oder Monaten wurde ich belehrt, dass 60 das neue 40 ist. Oder umgekehrt, egal. Jedenfalls ging es ums Älterwerden, um Schönheit, Wohlfühlen, Lebenslust oder Kosmetik. Irgendwas Altes gibt’s jetzt neu, oder irgendwas Neues war mal alt. Schwachsinn ist das neue Genie. Mannomann.

19. November 2020

Wie ich höre, erkennt Bundestrainer Joachim Löw das Ergebnis des letzten Spiels der Fußball-Nationalmannschaft (0:6 gegen Spanien) nicht an und verlangt eine Neuauszählung der Tore.

17. November 2020

Bayerische Staatsoper Don Giovanni Plakat

Das Plakat der Bayerischen Staatsoper zur Produktion von Don Giovanni aus der Spielzeit 1994/95 ist ein Geniestreich, der es in sich hat – nach wie vor. Vielleicht hätte man eher, sozusagen spontan-assoziativ, auf Lucia di Lammermoor oder Les Huguenots getippt. Doch Don Giovanni ist die perfekte Wahl: Im Spektrum von Verlangen, Körperlichkeit und Sexualität einerseits und empfundenen wie verloren gegangenen Überzeugungen und Glaubensgrundsätzen andererseits sind sämtliche Akteure gefangen. Singspiel und Sittengemälde, heitere Oper und Mysteriendrama – alles auf einem einzigen, knappen Plakat. Chapeau!

13. November 2020

Alt ist man erst, wenn man keine Dummheiten mehr macht.
Sprichwort

12. November 2020

„Wäre, wäre, Fahrradkette“, sagt Lothar Mattäus. Und wir können uns nur wundern und staunen. Oder, um es mit Lukas Podolski zu sagen: „Es überwiegt eigentlich beides.“

11. November 2020

Mal angenommen, wir begännen tatsächlich zu hinken, wenn wir mit einem Lahmen lebten. Was könnten die Gründe sein? Und wäre es ein beruhigender Umstand, weil wir uns damit als verständnisvoll, mitfühlend und zugewandt ansehen könnten? Vielleicht wäre das eine mögliche Perspektive – wir passen uns dem Lahmen an, gehen sein Tempo mit, sorgen dafür, dass er sich verstanden und integriert fühlt. Wir bieten ihm Chancen, eröffnen ihm Möglichkeiten. Wir zeigen Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe.

Wir können aber auch das von Plutarch zitierte Sprichwort ganz anders verstehen. Ist der Lahme nicht nur selbst behindert, sondern behindert er obendrein auch uns? Bremst er nicht unsere Möglichkeiten aus? Lenkt er uns, ob absichtlich oder nicht, in Richtung politische Korrektheit und Zwangsempathie? Steckt er uns nicht an mit seinem Hinken? Ein Lahmer hält doch unseren täglichen Staffellauf nur auf, wir kommen ohne ihn schneller ans Ziel. Beruhigen wir also unser schlechtes Gewissen, soweit vorhanden, und kaufen ihm bessere Gehhilfen oder einen neuen Rollstuhl. Wir sind doch nicht etwa zu mehr verpflichtet?

Gute Sprichwörter sind immer gleichzeitig Zuspruch und Mahnung, beinhalten Affirmation und Zweifel. Sie erinnern uns an Stärken und Schwächen, an Mögliches und Unmögliches. Wie schön!

10. November 2020

Das Sprichwort ist wahr, das besagt, dass du anfangen wirst zu hinken, wenn du mit einem Lahmen lebst.
Plutarch von Chäronea (45 – 120), griechischer Philosoph, Historiker und Konsul von Griechenland

7. November 2020

Isolated yellow toupee

Wie es aussieht, braucht er es wohl nicht mehr.

3. November 2020

Am letzten Samstag wollte ich nochmal zum Essen raus, schließlich geht das jetzt für die nächsten vier Wochen nicht mehr. Ich erinnerte mich an einen Besuch im „Da Severino“ in Frankfurt-Rödelheim, wo ich vor ein paar Monaten mal mittags ein hervorragendes Risotto bekommen hatte. Also dorthin! Und wieder war das Essen ausgezeichnet: Pizzabrot mit Pesto, Vorspeisenteller mit Vitello Tonnato vom Kalb mit Thunfischsauce, Bresaola vom luftgetrockneten Rinderschinken und Tomate-Mozzarella, Risotto mit Pfifferlingen, Pistazien und Parmesan, Vanille-Karamell-Eis mit Sahne, Espresso. Alles super lecker und im angenehmen Gegensatz zu vielen Anbietern, die sich keine große Mühe mehr machen und über uninspirierte Durchschnittskost nicht hinauskommen. Und, ganz wichtig: Ein freundlicher, zugewandter Chef, der sich Zeit nimmt für seine Gäste. So stimmt einfach alles!

Da Severino

Westerbachstr. 5, 60489 Frankfurt-Rödelheim, Tel. 069-785163

31. Oktober 2020

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29. Oktober 2020

„Es ist nicht nachvollziehbar, dass man in Deutschland ohne Platzreservierung Zug fahren kann, aber die Theater nicht mehr bespielt werden dürfen“, sagt Thomas Bockelmann, Intendant des Staatstheaters Kassel, zur neuerlichen Schließung von Theatern wegen der Corona-Pandemie. Das Gesundheitsamt der Stadt Kassel habe das Hygienekonzept des Staatstheaters als „vorbildlich“ bezeichnet. Außerdem gebe es in ganz Deutschland nicht einen einzigen nachgewiesenen Fall, dass jemand sich beim Besuch eines Theaters mit dem Coronavirus infiziert habe. Die Theater zu schließen, sei „unsinnig“, so Bockelmann.

Was Bockelmann zum Ausdruck bringt, dürfte den allermeisten Kulturschaffenden sowie Gästen und Besuchern aus der Seele sprechen. Die Gastronomen übrigens könnten das gleiche Lied singen, mit mehreren Strophen. Seitens der politisch Verantwortlichen bekommen sie Lob für ihre „unglaublichen Anstrengungen“, für die „große Mühe“, die sie sich während der letzten Monate gemacht hätten. Doch nun müsse man eben „einfach mal“ schließen (Armin Laschet gestern Abend in den ARD-Tagesthemen), um „Luft“ zu bekommen. Dass man denjenigen, die um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen, dabei die besagte Luft abschnürt, trotz aller versprochenen Ausgleichsleistungen, ist geradezu zynisch.

Die Regierung handelt jetzt, das ist wahr. Leider sehr spät und unausgewogen – während der Sommermonate hätte man ein nachhaltiges Konzept erabeiten müssen, in dem u. a. Theater und Gastronomie zu Partnern geworden wären, mit denen gemeinsam man Antworten auf die Pandemie hätte finden können. Waren die Infektionszahlen zu gut, der Sommer zu schön? Oder gelten hierzulande Kunst und Kultur einfach nicht mehr genug?

26. Oktober 2020

Social distancing in public society. COVID-19 coronavirus outbre

„Maske statt Popcorn“ (D 2020, Genre: Drama; FSK: ab 12; Länge: nicht absehbar)

24. Oktober 2020

Den Menschen in Corona-Zeiten Mut machen zu wollen mit dem Zuruf „Seid positiv!“ hat im Wortsinne etwas Komisches. Wenn nur gute Laune und Lachen ansteckend sind, ist ja alles gut.

23. Oktober 2020

Ein paar Tage zwischen Elbe und Weser, im Kehdinger Land, im Landkreis Stade. Mit Marsch und Moor, mit Wind und Wasser. Eine wunderbare Natur, mit vielen unter Naturschutz stehenden Bereichen. Für Zugvögel ist das Gebiet nach wie vor ein bedeutender Rastort.

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Ein paar Touristen sind unterwegs, erkunden die Gegend auf eigene Faust oder warten auf die Führungen mit dem Vogelkieker oder Moorkieker. Ein Wohnmobil parkt direkt am Ostesperrwerk, mit Blick auf das Natureum Niederelbe. „Ich bin oft hier“, sagt der Besitzer, der aus dem Ruhrgebiet kommt. „Eine herrliche Ruhe. Und kein Corona.“

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Wir wohnen auf Gut Hörne, einem alten Rittergut, das seit fünfhundert Jahren in Familienbesitz ist. Es gibt den Nachbau eines mittelalterlichen Dorfes, einen schönen Park, ein hübsches Café. Ein Wohlfühlort. Auf dem Heimweg halten wir kurz am Nationalparkhaus an der Wurster Nordseeküste, südwestlich von Cuxhaven. Noch einmal die Vögel sehen, direkt am Strand. Einatmen und, vor allem, ausatmen.

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Pause bis zum 20. Oktober 2020

4. Oktober 2020

Das Leben ist wie ein Fahrrad mit Gangschaltung. Die meisten von uns haben Gänge, die sie niemals benutzen.
Charles M. Schulz (1922 – 2000)

30. September 2020

Pegasus

Die Pegasusse fliegen tief: Es wird Anerkennung regnen.
Wieslaw Brudzinski (1920 – 1996)

28. September 2020

Ticket The Medium

Nachdem sich Arturo Toscanini als großer Fan des Werks entpuppte, gelang Menotti mit The Medium der internationale Durchbruch. Allein in New York wurde das Werk im Jahr 1947 rund 200 Mal gespielt. Kurz darauf kam aus Rom der Auftrag zu einer Verfilmung, die der Theaterenthusiast Menotti selbst realisierte und die bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1952 ausgezeichnet wurde. Kritische Stimmen bezeichneten die musikalische Sprache Menottis immer wieder als “banal” oder “oberflächlich”. Die immense Popularität des Komponisten sowie seine Verwurzelung in der Tradition schienen ihnen in die Hände zu spielen. Dem hielt Menotti gelassen entgegen: “Die Tonalität mag vielleicht nicht notwendig sein, aber ihre dramatische Funktion ist bisher durch kein äquivalentes Mittel ersetzt worden. Wie die Schriftsteller und Lyriker der Gegenwart bediene ich mich lieber einer gesprochenen Sprache.”
aus: oper-frankfurt.de

23. September 2020

Einmal im Leben zur rechten Zeit sollte man an Unmögliches geglaubt haben.
Christa Wolf (1929 – 2011)

21. September 2020

Otto Ubbelohde, Frau Holle lässt es schneien

Otto Ubbelohde (1867 – 1922), Frau Holle lässt es schneien. Ein wenig wird sie damit noch warten, doch bald wird die schöne Stieftochter wieder fleißig das Bett der Alten schütteln, und es wird schneien in der Welt. Holen wir also beizeiten das Brot aus dem Ofen, ernten wir die Äpfel von den Bäumen, und freuen wir uns am Goldregen. Denken wir nicht an Pech und nicht an Janosch, bei dem die gute Schwester mit dem Konditor durchbrennt, und schon gar nicht an Kerstin Hensels „Seifenmärchen“, in dem Goldmarie entführt und zu Seife verkocht wird. Dann lieber Wagner, der seinen jungen Hirten im „Tannhäuser“ die Ankunft des Frühlings besingen lässt: „Frau Holda kam aus dem Berg hervor, zu zieh’n durch Fluren und Auen.“ Den nächsten Winter, der doch binsenweisheitlich bestimmt kommt, erwähnt der Hirte nicht.

17. September 2020

Karl der Große

Ahnenforschung ist kein Wunschkonzert – oder doch? Jedenfalls glaubt die Familie von Armin Laschet an ihre Abstammung von Karl dem Großen, wie zu hören und zu lesen ist. Nun gut, sich als Nachfahre des großen Karl zu fühlen macht vielleicht mehr Spaß als sich vorzustellen, Abkömmling von, sagen wir, Walther von der Vogelweide oder Hildegard von Bingen zu sein. Mir persönlich würde Letzteres besser gefallen, aber jede Jeck is anders (Kölsches Grundgesetz, leider nicht aus Aachen).

16. September 2020

Rows of plastic chairs

Krisen sind Angebote des Lebens, sich zu wandeln. Man braucht noch gar nicht zu wissen, was neu werden soll. Man muss nur bereit und zuversichtlich sein.
Luise Rinser (1911 – 2002)

15. September 2020

Bariton Matthias Goerne, ein von mir hochgeschätzter Sänger, Interpret und Bühnenakteur, kritisierte jüngst in einem Interview mit der WELT die seiner Ansicht nach übermäßig strengen Auflagen für Konzerte und andere Kulturveranstaltungen. Es würden, so Goerne, im öffentlichen Nahverkehr, in der Bahn oder im Flugzeug nirgendwo Mindestabstände eingehalten. In den Kultureinrichtungen hingegen, die nur zu einem lächerlich geringen Teil mit Publikum besetzt werden dürfen, komme er sich vor wie auf einer Intensivstation. Würde die Autoindustrie so behandelt werden wie die Kultur, so Goerne weiter, dann würde längst schon kein einziger Wagen mehr vom Band rollen.

Wie passend Bezugnahmen und Vergleiche hier auch immer sein mögen – fest steht, dass Veranstalter und Organisatoren alles stattfinden lassen sollten, was überhaupt möglich ist. Um Fragen der Wirtschaftlichkeit geht es, will man als Theater, als Ensemble oder als Solist überhaupt wieder im Fokus sein, ohnehin nur, wenn man keine anderen Sorgen hat. In diesen Zeiten ist jedes Engagement, jede Aufmerksamkeit, jedes Konzert und jeder Besuch einer Veranstaltung wichtig und von Bedeutung. Verschieben und Vertagen sind keine Option. Wer der Kultur helfen will, verschiebt und vertagt nicht, sondern veranstaltet, tritt auf oder kauft Karten.

6. September 2020

Im Deutschlandfunk höre ich, dass die Zahl derjenigen steigt, die beim Betrachten eines Kunstwerkes, das sie nicht verstehen, dafür das Kunstwerk verantwortlich machen. „Kunst wird erst dann interessant, wenn wir vor irgend etwas stehen, das wir nicht gleich restlos erklären können“, sagte einst Regisseur Christoph Schlingensief (1960 – 2010). Da das auch heute noch gilt, helfen nur drei Dinge: Bildung, Bildung, Bildung.

5. September 2020

Regieren ist kein Ding für Leute von Charakter und Erziehung.
Aristophanes (um 450 – 385 v. Chr.), griechischer Dichter

4. September 2020

Nach achtmonatiger Pause endlich wieder Oper! Am Sonntagnachmittag sehe ich Bellinis I Puritani in Frankfurt. In gekürzter Fassung und ohne Pause, dafür mit Vorfreude! Und der übernächste Besuch steht auch schon fest: Trionfo nach einem Oratorium von Händel in der Staatsoper Hannover. Und wieder fällt mir der Satz des großen Pianisten Edwin Fischer ein: „Kunst und Leben sind nichts Getrenntes, sondern eine Einheit.“ Anders gesagt: Fehlt die Kunst, ist das Leben nicht vollständig. Über die Einschränkungen in den Theatern in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sollten wir nicht klagen. Freuen wir uns, dass es Veranstaltungen überhaupt wieder gibt!

1. September 2020

Auf ZEIT online lese ich, dass in der Bolognese traditionell zwar Hackfleisch drin ist, doch habe das Ragù alla bolognese schon viele Neuinterpretationen erfahren, unter anderem eine vegane Variante, die auf Sojageschnetzeltes setzt. Nun gut, Gastronomie und insbesondere Küchen müssen kreativ sein, das sieht jeder ein. Auch andere Bereiche haben es mal mit Neukreationen versucht und dabei Herkömmliches, zuweilen auch Unverzichtbares weggelassen. So hat John Cage in seinem 4’33“ auf das Erklingen jeglicher Töne verzichtet. Alles, was während der Spielzeit passiert, gehört zum Stück. Mein Hausarzt übrigens, nach meiner Kenntnis ein Könner, aber kein Künstler, vergibt keine Termine mehr. Man geht einfach hin und kommt entweder sofort dran oder nicht. Blättert man im Wartezimmer in ein paar Zeitschriften oder spielt während des Wartens mit dem Handy, so gehört das alles zum Arztbesuch. Die Deutsche Bahn hat hier Pioniergeist gezeigt und ihren Fahrplänen schon seit Jahren ein nicht näher erläutertes, aleatorisches Element hinzugefügt – Verspätungen, verpasste Anschlusszüge etc. gehören zur Reise und sind nur integral zu beurteilen. Die Restaurantkette Vapiano ist übrigens am Ende, schon seit ein paar Monaten. Dort gab es zwar ordentliches, bisweilen leckeres Essen, doch hatte man den Servicegedanken neu entworfen und die Kundschaft arbeiten lassen. Sich für viel Geld das Essen selber holen zu müssen, auch wenn dieser Übung ein gewisser Erlebnischarakter nicht abzusprechen ist, hat dann doch zu viele Gäste an den Besuch einer Kantine oder Mensa erinnert, was dem Zeitgeist einfach nicht mehr entspricht. Womöglich liegen die Gründe für die Zahlungsunfähigkeit auch ganz woanders. Vielleicht hat die Bolognese einfach kein Hackfleisch enthalten.

31. August 2020

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28. August 2020

Vom Finale der Champions League habe ich nur die zweite Halbzeit gesehen. Erst musste ich die Wiederholung einer Tatort-Folge auf einem anderen Sender zu Ende gucken, erst danach habe ich umgeschaltet. Wegen Béla Réthy sowieso ohne Ton, habe ich das langweilige Taktik-Gekicke halbherzig angeschaut und mich nach Turmspringen, Curling oder einem 3000-Meter-Hindernislauf gesehnt. Schon Minuten vor dem Abpfiff (immerhin wollte ich wissen, wie es ausgeht) hatte ich die Fernbedienung in der Hand und habe im Moment des Spielendes abgeschaltet, einen Schluck Pale Ale genommen und meinen Grünberg-Roman weitergelesen.

18. August 2020

Zum Reisen gehört Geduld, Mut, guter Humor, und dass man sich durch Schwierigkeiten, böses Wetter, schlechte Kost nicht niederschlagen lasse.
Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge (1752 – 1796)

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Sommerflieder mit Schmetterling

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Spieltisch der alten Dinse-Orgel von 1920, Evangelische Kirche Dannenwalde

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Magdeburg, Dom

16. August 2020

Gleichermaßen erholsame wie interessante Ferienwochen liegen hinter mir. Zunächst war ich im tiefsten Brandenburg, sehr ländlich, ruhig und idyllisch, in der Nähe von Kyritz an der Knatter. Tagesausflüge haben mich nach Perleberg geführt (Rolandstadt, mit schönem Stadtpark), Wittstock/Dosse (Besuch der Alten Bischofsburg mit Museum Dreißigjähriger Krieg), Havelberg (liegt schon in Sachsen-Anhalt, sehr romantisch mit alten Häusern, Gärten und Hausbooten auf der Havel, mit einem imposanten Dom oberhalb des Bischofsbergs), Neuruppin (gilt als die preußischste aller preußischen Städte, nichts geht ohne Fontane, herrlich großzügige Gehwege und Plätze), Wusterhausen (sehenswert sind vor allem das Wegemuseum und die Stadtkirche St. Peter und Paul), ins Storchendorf Rühstädt und ins Rambower Moor (fünfstündige Wanderung im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg, unbedingt zu empfehlen).

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Die letzten vier Tage des Urlaubs habe ich dann in Magdeburg verbracht, wo ich zuvor noch nicht war. So mancher hat etwas verständnislos geschaut, wenn ich vorher erzählt habe, dass die Reise nach Magdeburg geht (leider wird immer wieder gestreut, die Stadt sei unattraktiv). Nun kann ich sagen, dass diese Stadt – vom herzlosen und betonlastigen Bahnhofsvorplatz mal abgesehen – sehr viel Schönes, Sehenswertes und Beeindruckendes bietet. Es gibt mehrere Museen, darunter das Kulturhistorische Museum (die Abteilung für Stadtgeschichte wird gerade renoviert), einen beeindruckenden Dom, einen großflächigen, mehrteiligen Stadtpark, lebendige Einkaufsmeilen ebenso wie ruhige Stadtviertel mit großartigen Häuserfassaden, das Hundertwasserhaus (Grüne Zitadelle), ein gutes gastronomisches Angebot (für Eisfans: Danz 11), und natürlich die Elbe. Und noch ganz viel mehr: Opernhaus, Schauspielhaus, Promenaden, Denkmäler, Gassen, Informationszentren und Geschichte, wo man geht und steht. Übrigens: Georg Philipp Telemann wurde hier geboren. Das örtliche Konservatorium trägt seinen Namen und ist mit über 2.900 Schülerinnen und Schülern die größte Musikschule des Landes Sachsen-Anhalt. Magdeburg – eine Stadt zum Entdecken, zum Wiederkommen.

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Pause bis zum 15. August 2020

9. Juli 2020

Schloss Demerthin

Das 1604 erbaute Renaissanceschloss Demerthin in Gumtow (Brandenburg) ist eins meiner Reiseziele in diesem Sommer. Daneben freue mich ich auf Besuche Besuche in Havelberg (da war ich schon mal), Neuruppin und Magdeburg (da war ich noch nicht). An erster Stelle steht allerdings Ausatmen. Ich wünsche Euch und Ihnen erholsame Sommerwochen!

6. Juni 2020

Urlaub zu Hause ist auch eine gute Gelegenheit zu überprüfen, ob wir verreisen, um wegzufahren – oder um wiederzukommen. Mögen wir unseren Garten oder unseren Balkon und unsere Wohnung so, wie sie sind? Sind wir da, wo wir sind, weil wir dort sein müssen, etwa aufgrund des Jobs? Oder sind wir dort, weil es unser Zuhause ist? Sollten wir was ändern, wollen wir was ändern? Und wann fangen wir damit an? Wann, wenn nicht jetzt?
aus: Bert Strebe, Balkon statt Balkan – Was machen wir nun mit diesem Sommer?

2. Juli 2020

Vorankündigung

Paul Hindemith

Paul Hindemith zum 125. Geburtstag
Musik – Texte – Dokumentationen

Thomas Sander, Moderation
Wigbert Traxler, Klavier
Daniel Kladt, Violine
Montag, 16. November 2020, 19.30 Uhr
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule
Schillerplatz 8
35578 Wetzlar

1. Juli 2020

Schalke 04 Logo

Mit Anstand und ohne finanzielle Sorgen in die Oberliga, das wär’s. Und seriöse Leute mit Sachverstand für den langen Weg zurück. Glückauf!

30. Juni 2020

Uncle Ben’s wird es mit dem bisherigen Logo bzw. diesem Namen nicht mehr lange geben. Der Mars-Konzern, dem Uncle Ben’s gehört, will vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte „rassistischen Vorurteilen und Ungerechtigkeiten“ ein Ende setzen und die Marke „einschließlich ihrer visuellen Markenidentität“ weiterentwickeln. Richtig ist in der Tat, dass einst in den Südstaaten die Anreden „Onkel“ oder „Tante“ von Sklavenhaltern und ihren Nachfahren für ältere Afroamerikaner im Allgemeinen und Dienstpersonal im Besonderen verwendet wurden. Ob das für eine „Weiterentwicklung“ der Marke als hinreichend anzusehen ist, wollen wir dahingestellt sein lassen. Gespannt darf man sein, ob „Uncle Ben“ künftig „Mister Ben“ heißen und buchstäblich ein anderes Gesicht bekommen wird. Vielleicht treibt Mars ja einen waschechten schwarzen Farmer auf, der tatsächlich Ben heißt. Ein Weißer dürfte es kaum auf die Verpackung schaffen – bei Mars wird man sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen wollen, Schwarze ausgegrenzt zu haben.

Die Frage ist, inwieweit der Zeitgeist unser kulturelles Bewusstsein beeinflusst, in diesem Fall die Wahrnehmung historisch belasteter Bilder und Bezeichnungen sowie deren Ursprünge. 2004 ersetzte die Stollwerck GmbH den Sarotti-Mohren durch einen Sarotti-Magier mit goldener Hautfarbe. Auch das Unternehmen Julius Meinl AG änderte vor ein paar Jahren sein Logo und zeigt dieses jetzt streng reduziert in einfarbigem Rot. Andere, wie die Machwitz Kaffee GmbH Hannover, sehen da bis heute offenkundig keinen Handlungsbedarf.

27. Juni 2020

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26. Juni 2020

Gefragt – Gejagt, die beliebte Quizsendung in der ARD. Moderator Alexander Bommes hat als Kandidaten unter anderem Markus aus Gelsenkirchen zu Gast, der bekennender Schalke-Fan ist. Eine der Quizfragen lautet „Welches ist der einzige börsennotierte Fußballverein der Bundesliga?“ Markus gibt die richtige Antwort „Borussia Dortmund“ mit erkennbarem Widerwillen, worauf er anschließend vom Moderator angesprochen wird. Schließlich weiß jeder Fußball-Fan, dass ein Schalker das D-Wort normalerweise nicht ausspricht. „Hast du jetzt für 500 Euro deine Ehre verkauft?“, will Bommes wissen. Markus antwortet, dass er kurz überlegt hatte, die Frage mit „Lüdenscheid-Nord“ zu beantworten. „Ich hätte es gelten lassen“, sagt Bommes, und für einen kurzen Moment hat man als Fußballromantiker das Gefühl, dass das Seelenleben der Fans zuweilen noch eine Rolle spielt, und sei es in einer Quizsendung.

23. Juni 2020

„Schalke ist kein Schlachthof! Gegen die Zerlegung unseres Vereins“ lautet das Motto der Protestaktion, zu der die Fans des FC Schalke 04 für kommenden Samstag aufgerufen haben. Sportlich und wirtschaftlich kriegen sie im Moment auf Schalke zwar nicht den Senf auf die Wurst, aber wenigstens sprachlich sind sie top.

21. Juni 2020

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Wird kein Prinz mehr draus …

18. Juni 2020

Bei Vorbildern ist es unwichtig, ob es sich dabei um einen großen toten Dichter, um Mahatma Gandhi oder um Onkel Fritz aus Braunschweig handelt, wenn es nur ein Mensch ist, der im gegebenen Augenblick ohne Wimpernzucken gesagt oder getan hat, wovor wir zögern.
Erich Kästner (1899 – 1974)

17. Juni 2020

Puccini

Die richtige Antwort ist Giacomo Puccini (1858 – 1924). Er komponierte zwischen 1884 und 1924 fast ausnahmslos Opern, insgesamt zwölf, darunter so populäre Werke wie Manon Lescaut, La Bohème, Tosca, Madama Butterfly und Turandot. Die geringe Zahl an Werken ist seinem frühen Erfolg und dem damit begründeten Wohlstand geschuldet, der ihn in die Lage versetzte, seinen Vorlieben für Reisen und schnelle Autos ausgiebig nachzugehen. Der enorme Erfolg der Werke Puccinis, der noch zu Lebzeiten des Komponisten begann, hält bis heute an.

11. Juni 2020

Heinrich Mann empfand ihn „von jeher als den Urheber nicht nur des leidenschaftlichsten Gesanges, auch des gehobenen Gefühles seiner Mitwelt.“ Er selbst wollte „die kleinen Dinge“ behandeln, wenn sie nur „wahr, leidenschaftlich und menschlich sind und zu Herzen gehen.“ Er versetzte die vom Alltag strapazierten Gefühle in den Stand der Kunst, in einer hoch emotionalen, passionierten Tonsprache. „Wer, außer vielleicht Mozart,“ fragt der Schriftsteller und Journalist Michael Klonovsky, „hätte mehr musikalische Zärtlichkeit in die Welt gebracht als er?“

Sein in der Musik spürbares Temperament findet sich in seiner Lebensweise wieder, in seinen intensiven Beziehungen zu Frauen, seiner Leidenschaft für die Jagd, für Motorboote, für Autos – den abgebildeten Fiat Zero, produziert von 1912 bis 1915, hat er vielleicht selbst gefahren.

Fiat Zero

Zum Schluss eine Anekdote: Im Hause des Komponisten klingelt das Telefon, während er übt, doch er will nicht gestört werden. Sein Diener Francesco nimmt das Gespräch entgegen. Eine Frau fragt nach dem Maestro. „Der ist gerade ausgegangen.“ – „Aber ich hörte ihn doch Klavier spielen“, protestiert die Anruferin. Darauf Francesco: „Gnädigste irren, ich staube gerade die Tasten ab!“

Wer war’s? Einsendeschluss ist Dienstag, 16. Juni 2020.

9. Juni 2020

In schlechten Zeiten müsst ihr Schalker sein. In guten haben wir genug davon.
Karl-Heinz „Charly“ Neumann (1931 – 2008), langjähriger Mannschaftsbetreuer des FC Schalke 04

8. Juni 2020

Konzerte sind mir persönlich auch wichtig, aber wir werden wahrscheinlich schnell einig sein in unserer Gesellschaft, dass die nicht ganz so integral zum öffentlichen Leben dazugehören und dass man darüber in der Regel auch nicht so sehr seine Meinung ausdrückt.
Kevin Kühnert, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD

Mit diesen Worten reagierte Kevin Kühnert auf Forderungen, man müsse auch wieder Konzerte ermöglichen, wenn jetzt Demos mit Zehntausenden Teilnehmern stattfinden können wie zurzeit bei den Anti-Rassismus-Demonstrationen. Beim Demonstrationsrecht gehe es um ein Grundrecht, so Kühnert. Teile des gesellschaftlichen Lebens, so führte er weiter aus, müssten zurückstehen, um so etwas wie Demonstrationen zu ermöglichen. Dies scheine ihm „Gebot der Stunde“ zu sein.

Nicht ganz so integral scheint der SPD-Vize Kunst und Kultur insgesamt im Blick zu haben, sind doch die angesprochenen Konzerte nur ein Beispiel für die mannigfachen Formate von Veranstaltungen in Theatern, Schauspielhäusern, Kulturzentren, Kinos etc. Diese als „nicht ganz so integral zum öffentlichen Leben“ gehörend zu bezeichnen, lässt auf ein verkümmertes, erschreckend reliktäres Kulturverständnis schließen. Dass sich sämtliche Kultureinrichtungen mit ihren Veranstaltungen als veritable Demonstrationsstätten ausweisen, hat sich dem Juso-Vorsitzenden augenscheinlich bisher nicht erschlossen.

5. Juni 2020

SW Schachbrettmuster

Denkmuster, provokationstauglich, argument- und vernunftresistent, mit altersgemäßen Gebrauchsspuren.
Probediskussion nach Vereinbarung, Expertise auf Anfrage, Preis VB. Nur Chiffre.

4. Juni 2020

Man träumt nicht mehr so schön, wenn man erwachsen ist.
Knut Hamsun (1859 – 1952)

3. Juni 2020

Seit gut zwei Wochen laufen meine Kurse der Musikalischen Erwachsenenbildung wieder, und fast alle Teilnehmenden sind zurückgekehrt. Das ist nicht selbstverständlich, da doch der Großteil der Gruppe altersbedingt und wegen diverser Vorerkrankungen zur Risikogruppe zählt. Umso schöner, dass sich die meisten halbwegs unerschrocken wieder mit musikalischer Formenlehre, Ballett und Modernem Tanztheater, Programmmusik oder Oper beschäftigen wollen.

So haben wir also gestern den 4. Akt von Rameaus Les Indes Galantes gesehen, heute lassen wir Fortners Bluthochzeit an uns heran. Morgen Vormittag dann die Alpensinfonie von Strauss, nachmittags die Fortsetzung von Mozarts Don Giovanni. In der nächsten Woche folgen Beispiele zum Rondo in den Finalsätzen der Klavierkonzerte von Beethoven und erste Eindrücke zu Inszenierungen moderner Ballette von Hans van Manen und Jiří Kylián.

30. Mai 2020

DIGITAL CAMERASehnsuchtsort: Broad Haven, Pembrokeshire, Wales

29. Mai 2020

Nach einer gründlichen Bestandsaufnahme, der Reflexion, woher ihre Führungsmüdigkeit rührt, kommen einige zu der Erkenntnis, dass sie weniger ihre Leaderrolle, sondern vielmehr die Bedingungen, unter denen sie diese ausführen, satt haben. Es gibt aber auch jene, die wirklich nicht mehr Chef sein wollen.
Gudrun Happich (Diplom-Biologin, Unternehmerin und Führungskräfte-Coach)

27. Mai 2020

BOL 17

Glücklich, die wissen, daß hinter allen
Sprachen das Unsägliche steht;
dass, von dort her, ins Wohlgefallen
Größe zu uns übergeht!

Unabhängig von diesen Brücken
die wir mit Verschiedenem baun:
so dass wir immer, aus jedem Entzücken
in ein heiter Gemeinsames schaun.
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

25. Mai 2020

Ist es nur närrisch oder schon genial, dass Tesla-Chef Elon Musk und seine Lebensgefährtin, die kanadische Musikerin Grimes, ihren gemeinsamen Sohn X Æ A-12 nennen wollten und nun damit am kalifornischen Gesetz gescheitert sind? Die Erklärungen der Sängerin konnten die Verantwortlichen nicht überzeugen: X stehe für die unbekannte Variable, Æ für künstliche Intelligenz in der Elfensprache, und A 12 sei der Name ihres Lieblingsmilitärflugzeugs. Nach der Ablehnung durch die Behörden war Grimes bereit, A-12 durch die römische Variante A-XII zu ersetzen, doch ohne Erfolg.

Laut Expertenmeinung besteht die Musik von Grimes, die mit bürgerlichem Namen Claire Boucher heißt, aus „Pop für die Müdigkeitsgesellschaft“, „Spiritualismusballaden“ und „Backenhörnchenchorälen für die Spotify-Charts“. Wie auch immer, zuviel kiffen ist einfach nicht gut.

24. Mai 2020

Small boy in pajamas stands in front of his home

Mach deine Pläne fürs Jahr im Frühling und die für den Tag frühmorgens.
(Original: 一年之计在于春, 一日之计在于晨。- Yīnián zhī jì zàiyú chūn, yī rì zhī jì zàiyú chén.)
Chinesisches Sprichwort

23. Mai 2020

Es gibt eine Zeit für die Arbeit, und es gibt eine Zeit für die Liebe. Mehr Zeit haben wir nicht.
Coco Chanel (1883 – 1971)

Langes Wochenende, und ich arbeite nicht.

21. Mai 2020

Wenn du einen verhungernden Hund aufliest und machst ihn satt, dann wird er dich nicht beißen. Das ist der Grundunterschied zwischen Hund und Mensch.
Mark Twain (1835 – 1910)

20. Mai 2020

Girl plus size

Dass Corona dick macht, lässt sich so pauschal nicht behaupten. Im Zuge der Corona-Pandemie machen sich allerdings viele Menschen Sorgen, und die Versuchung, sich bei Problemen mit Essen zu trösten, ist groß. Das hinterlässt sichtbare Spuren (auch unsichtbare, aber davon soll heute hier nicht die Rede sein). Bei seelischem Kummer und Zukunftsängsten wird man eher verleitet sich zu überessen, um ein drastischeres Wort zu vermeiden. Und wer sich bei Hamsterkäufen mit verderblichen Lebensmitteln eingedeckt hat, fühlt sich jetzt zum Aufessen verpflichtet … Darüber hinaus halten es manche Zeitgenossen, von Corona ganz unabhängig, mit Winston Churchill: „Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“

18. Mai 2020

Fußball zerstört

Endlich wieder Bundesliga!

17. Mai 2020

Hähnchenoberschenkel mit Kartoffeln und Möhren (ganz einfach)
für 2 Personen

4 Hähnchenoberschenkel mit Knochen und Haut
2 Schalotten
1 Knoblauchzehe
1/2 Tasse Hühnerbrühe
5 – 6 Kartoffeln
2 – 3 Möhren
Olivenöl, Salz, Pfeffer, etwas flüssige Sahne

Die Hähnchenoberschenkel waschen und trocken putzen. Mit Olivenöl, Salz und Pfeffer gut einreiben und in eine Auflaufform legen. Die Schalotten kleinschneiden und zusammen mit dem gehackten Knoblauch dazugeben. Alles mit der Hühnerbrühe beträufeln. Im Backofen bei etwa 170 °C eine gute Stunde garen, auch etwas länger. Während der Garzeit Kartoffeln und Möhren schälen, in nicht zu kleine Stücke schneiden und ca. 5 Minuten in Salzwasser blanchieren. Das Gemüse etwa 15 Minuten vor Ende der Garzeit in die Auflaufform legen und die Sahne darüber geben. Dazu passt Bier, Weißwein oder Cidre.

13. Mai 2020

Mai 2020-35

Abendstimmung, heiter

12. Mai 2020

Die richtige Antwort auf die Gewinnspielfrage vom letzten Freitag ist „Senta“ aus dem Fliegenden Holländer von Richard Wagner. Es gibt sechs Einsendungen, davon sind fünf richtig. Chapeau! Sehr interessant sind die Gedanken eines Lesers, der nach der rhetorischen Frage, ob sich Richard Wagner Senta tatsächlich so vorgestellt hat, fortfährt: „Das Bild wirft viele Rätsel auf. Soll das Bild uns Männer bzw. die Männer kritisieren, die von einer Frau erwarten, dass sie gut aussieht, Wäsche waschen kann und einen Segeltörn mitmacht, oder auf einem Segeltörn kocht und wäscht?“ Vielen Dank an alle fürs Mitmachen!

Nicht vergessen: Wir sind immer am Anfang.

10. Mai 2020

„Ganz oben auf der Prioritätenliste“ stehe umfangreiche Hilfe für Kulturschaffende, versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern per Video. „Ich weiß, was wir alles vermissen und wie viele Bürgerinnen und Bürger darauf warten, endlich wieder live Ihre kulturellen Angebote erleben zu können“, sagte sie. Die Corona-Krise sei eine sehr schwere Zeit für Künstlerinnen und Künstler, und die Unterstützungsmaßnahmen würden auch während der nächsten Monate von Notwendigkeit sein. Ziel sei, dass die „kulturelle Landschaft auch nach der Überwindung der Pandemie, nach der Überwindung dieses tiefen Einschnitts weiterexistieren kann.“

Wir wollen die guten Absichten der Regierungschefin keineswegs in Zweifel ziehen. Aber da wir nicht in Frankreich leben, wie der Herrgott dortselbst schon gar nicht, wollen wir auf eine wirksame und entsprechende Durchlässigkeit unseres föderalen Systems setzen. Die Zusage Merkels für die Unterstützung der Kultur ist ein wichtiges Signal. Trotzdem sollten wir weiter auf das Schlimmste gefasst sein und das Beste hoffen.

8. Mai 2020

Die Frist ist um
Und abermals verstrichen sind sieben Jahr‘
Voll Überdruß wirft mich das Meer ans Land …
Ha, Stolzer Ozean!
In kurzer Frist sollst du mich wieder tragen!

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Gewinnspiel
Wer ist die Frau auf dem Bild? Nur so viel sei verraten: Sie wird am Ende umkommen.
Einsendeschluss ist Montag, 11. Mai 2020.

7. Mai 2020

Ebenso wie in Deutschland steht auch in Frankreich das Kulturleben weitgehend still. Kinos, Konzertsäle und Theater sind geschlossen. In einem offenen Brief haben sich vergangene Woche Hunderte von Künstlerinnen und Künstlern, darunter Stars wie Catherine Deneuve und Juliette Binoche, in einem dramatischen Appell an Staatspräsident Emmanuel Macron gewandt. Sie haben sich als die „Vergessenen der Pandemie“ bezeichnet und vom Präsidenten verlangt, er solle das wieder gutmachen.

Nun hat Macron seine Pläne für die Rettung der Kultur vorgestellt. Mit hochgekrempelten Hemdärmeln und mit der für ihn typischen Dynamik wurde er dabei erstaunlich konkret. So sagte er den freien Künstlerinnen und Künstlern die Fortsetzung ihrer Arbeitslosenversicherung zu, auch wenn sie die Mindeststundenzahl an geleisteter Arbeit nicht erreichen. Selbständige Autoren und Autorinnen müssen für vier Monate keine Sozialabgaben leisten, und für wegen der Krise nicht realisierte Filmproduktionen wird ein Nothilfefonds gegründet. Macron appellierte aber auch an die gesamte Branche, sie solle sich „neu erfinden“ und schlug u. a. vor, dass arbeitslose Künstlerinnen und Künstler in den kommenden Wochen bei der schrittweisen Wiederaufnahme des Schulunterrichts eingesetzt werden könnten. Erste Reaktionen aus der Kulturszene bescheinigen Macron, Kultur glaubhaft zur Chefsache gemacht zu haben.

Hierzulande fragt man sich, wann die Kulturschaffenden endlich ihren Termin im Kanzleramt oder wenigstens im Schloss Bellevue, und – Kultur ist ja Sache der Länder – in den Landeshauptstädten bekommen. Wo ist die große konzertierte „Aktion Kultur“ in gemeinsamer Anstrengung, als Reaktion auf die unmittelbare Gefahr, dass zahlreiche Kultureinrichtungen die Krise ohne staatliche Hilfe nicht überleben werden? Der Schauspieler Ulrich Matthes hat letzten Montag bei „Hart aber fair“ zu Recht eine Bestandsgarantie für Theater gefordert, leidenschaftlich und beinahe mit dem Mute der Verzweiflung. Auf diese Weise müssten sich viel, sehr viel mehr Kulturschaffende zu Wort melden! Wo bleibt der Sternmarsch Richtung Berlin und in sämtliche Landeshauptstädte? Wir dürfen unter keinen Umständen zulassen, dass es im Kunst- und Kulturleben zu irreparablen Folgeschäden bis hin zum Exitus zahlreicher Anbieter kommt! Es geht um die Erhaltung von Kulturorten und darum, dass Künstlerinnen und Künstler weiter ihren Beruf ausüben können, am besten mit einem breit angelegten, zukunftssichernden Förderfonds. Auch in Deutschland muss Kultur endlich zur Chefsache werden!

6. Mai 2020

Noch immer gibt es Schulen, die abwarten, ob es im Herbst wieder normale Schule gibt. So verliert man wichtige Zeit. Die Sommerferien müssen genutzt werden, modernes Unterrichtsmaterial und die Technik vorzubereiten. Die jetzige Versorgung der Schüler ist katastrophal. Oft werden nur Aufgaben kopiert oder verschickt. Können die Eltern den Unterricht nicht selbst geben, kapieren die Kinder nichts und sind frustriert. Aufgaben kontrollieren den Erfolg des Unterrichts. Sie ersetzen ihn nicht.

Für Kinder muss die Möglichkeit bestehen, miteinander über den Unterrichtsstoff zu sprechen und dem Lehrpersonal Fragen zu stellen. Dazu muss es Präsenzangebote und auch eine technische Vernetzung geben. Wir brauchen ein Paket, welches Familien mit Kindern dies garantiert. Dafür muss allen Familien mit Kindern schnelle Netzgeschwindigkeit und Hardware garantiert werden. Lehrer müssen in der Technik im Sommer geschult werden. Diese Investition ist wichtiger als z. B. Kaufprämien für Autos.
Prof. Dr. Karl Lauterbach, MdB (SPD), Arzt und Gesundheitswissenschaftler

4. Mai 2020

Angeblich, so ist gelegentlich zu hören oder zu lesen, bringt Corona „das Beste in uns“ zum Vorschein. Damit ist wohl nicht gemeint, dass wir jetzt wieder Bücher lesen, viel spazieren gehen und mehr Sex haben. Es ist zu befürchten, dass sich „das Beste“ als pathetischer Sammelbegriff von Eigenschaften wie Rücksichtnahme, Solidarität, Verständnis etc. verstehen soll. Ohne Frage wäre es wunderbar, wenn sich Hoffnungen auf ein dauerhaftes, engeres Zusammenwachsen der Gesellschaft erfüllen würden. Doch unsere Erfahrungen mit Wünschen und Sehnsüchten in schweren Zeiten sind nicht gerade ermutigend. „Es ist sehr traurig, bemerken zu müssen, wie uns der Egoismus allenthalben nachschleicht und uns oft da am nächsten ist, wo wir ihn am fernsten von uns glauben“, befand Karoline von Günderrode (1780 – 1806). Ganz so, als habe sie zu Corona-Zeiten gelebt und gewusst, dass Menschen oft erst Katastrophen benötigen, um „das Beste“ aus sich herauszuholen, in wohlständigen Zeiten sich gleichwohl an diese Gabe nicht erinnern.

1. Mai 2020

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30. April 2020

Weg zum Bahnhof

Noch schweigt die Fabrik,
verödet im Mondschein.
Das Frösteln des Morgens
wollt ich gewohnt sein!

Rechts in der Jacke
die Kaffeeflasche,
die frierende Hand
in der Hosentasche,

so ging ich halb schlafend
zum Sechsuhrzug,
mich griffe kein Trauern,
ich war mir genug.

Nun aber rührt der warme Hauch
aus den Bäckerein
mein Herz wie eine Zärtlichkeit
und ich kann nicht gelassen sein.
Günter Eich (1907 – 1972)

28. April 2020

Laschet by Jochen N Kopie
Bild: Jochen N (mit freundlicher Genehmigung)

Die Virologen ändern alle paar Tage ihre Meinung, da hat man es als Politiker schwer, so Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, am letzten Sonntag bei Anne Will. Was ist wichtig? Bettenkapazitäten, Verdoppelungszahl, R-Faktor, Neuinfektionen? Virologen hängen da nicht so an ihrer Meinung, findet Laschet. Und klar, man kann gegebenenfalls auch Maßnahmen wieder zurücknehmen, wenn das mit den Lockerungsübungen doch nicht so klappen sollte. Aber heute so, morgen so, das versteht kein Mensch. Laschet, mit seiner Contenance schon in Kurzarbeit, versteht eine Entscheidung nicht als Frage von dafür oder dagegen, warum auch. Und wie funktioniert eigentlich Wissenschaft?

26. April 2020

Von den Mitgliedern der WG meines Sohnes kennt, wie er mir erzählt, nur ein einziger Graupen. Dass die kleinen polierten Gerstenkörnchen obendrein nicht nur als sättigende Einlage für Suppen und Eintöpfe verwendet werden können, entzieht sich der Kenntnis vieler, insbesondere junger Leute. In der Nachkriegszeit wurden Graupen auf den deutschen Speiseplänen bald durch Nudeln abgelöst, die sich bekanntlich bis heute großer Beliebtheit erfreuen, nicht nur bei Freunden der italienischen Küche. Graupen sind dagegen chancenlos, allerdings mit Ausnahmen. Heute gibt es Graupenrisotto mit Pilzen, nach einem Rezept aus dem Wochenmarkt von Elisabeth Raether.

1 Zwiebel, etwas Olivenöl, 200 g Perlgraupen, 150 ml Weißwein, Salz und Pfeffer, ca. 500 ml Gemüsebrühe, 300 g gemischte Pilze (Champignons, Shitake, Steinpilze oder andere), ca. 100 g Parmesan, etwas Butter, gehackte Petersilie.
für 2 – 3 Personen

Die gehackte Zwiebel in Öl glasig dünsten. Graupen waschen, abtropfen lassen und dazugeben. Kurz andünsten, dann mit Weißwein ablöschen, salzen und pfeffern. Etwas Gemüsebrühe dazugeben, so dass die Graupen gerade mit Flüssigkeit bedeckt sind. Wenn die Brühe verdampft ist, etwas Brühe nachgießen. Diesen Vorgang wiederholen, bis die Graupen gar sind, was etwa 25 Minuten dauert. In der Zwischenzeit die Pilze zerkleinern. Diese in einer beschichteten Pfanne mit etwas Olivenöl gar dünsten. Zusammen mit geriebenem Parmesan und Butter zu den Graupen geben. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und vor dem Servieren mit gehackter Petersilie bestreuen.

25. April 2020

Vor wenigen Tagen verstarb der britische Opernintendant und Kulturmanager Sir Peter Jonas im Alter von 73 Jahren. Er erlag einer langjährigen Krebserkrankung.

Schon während seiner Zeit als Generaldirektor der English National Opera setzte sich der Sohn eines Deutschen und einer Engländerin dafür ein, bekannte Stücke einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und darüber hinaus das Repertoire mit neuen Werken zu bereichern. Vor allem aber als Intendant der Bayerischen Staatsoper, die er von 1993 – 2006 leitete, engagierte er sich leidenschaftlich für das Projekt „Oper für alle“ und für die Aufnahme zeitgenössischer Werke in die Spielpläne. Gleichzeitig brachte er zahlreiche Barockopern auf die Bühne und arbeitete dabei mit herausragenden Regisseuren, Dirigenten und Solisten zusammen.

Für die Opernwelt ist der Tod von Sir Peter Jonas ein immenser Verlust. Mehrere große Magazine, Wochen- und Tageszeitungen haben lesenswerte Nachrufe veröffentlicht. Leider kamen dagegen die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender über eine kurze Nachricht nicht hinaus, wenn überhaupt.

13. April 2020

Ein Kleinkind hat sich am Montagabend live im Fernsehen in einen Anfall voller Selbstmitleid hineingesteigert. Leider war es 73 Jahre alt, trug eine lange rote Krawatte und regiert das mächtigste Land der Erde.
David Smith, Washington-Korrespondent des „Guardian“

Pause bis zum 24. April 2020

10. April 2020

Corrosion occurring on a metal door.

Der Karfreitag geht zu Ende.
Ostern dauert an.
Ernst R. Hauschka (1926 – 2012)

9. April 2020

Die Corona-Krise macht viele selbständige Künstler nicht nur arm, sondern auch erfinderisch. Das Junge Theater Göttingen hat sich vor dem Hintergrund, dass Aufführungen vor zahlendem Publikum derzeit nicht stattfinden dürfen, etwas Besonderes ausgedacht: Am 1. Mai gibt es eine Benefizgala, die nicht stattfinden wird.

Mit der fiktiven Gala werden durch den Verkauf von ebenso fiktiven Eintrittskarten Spendengelder generiert, die den Künstlern zukommen sollen. Das JT (Junges Theater Göttingen) teilt dazu mit, dass die unterstützenden Gelder von Bund und Ländern nicht ausreichen. Aus den eingehenden Spenden wird ein Sonderfonds geschaffen, mit dem Regisseure, Bühnenbildner und Darsteller laufender und geplanter Produktionen unterstützt werden. Das Theater erhofft sich mit der fiktiven Gala eine wirksame und spürbare finanzielle Hilfe durch seine Zuschauer.

„Eintrittskarten“ sind auf der Website des JT unter www.junges-theater.de buchbar, telefonisch auch unter 0551-49 50 15 (dienstags, donnerstags und sonnabends von 11 – 14 Uhr). Spender erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

6. April 2020

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Wenn der Wind der Veränderung weht, suchen manche im Hafen Schutz, während andere die Segel setzen.
unbekannt

Man kann keine neuen Ozeane entdecken, hat man nicht den Mut, die Küste aus den Augen zu verlieren.
André Gide

In 20 Jahren wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume.
Mark Twain

Auch für diejenigen, die mit solchen nautisch-metaphorischen Empfehlungen eher fremdeln, gibt es Zuspruch:

Wie glücklich man am Lande war, merkt man erst, wenn das Schiff untergeht.
Seneca

3. April 2020

Bedenklich wird es für mich bei absoluten Ausgangssperren und bei Maßnahmen, die in Richtung Überwachungsstaat gehen. Die Demokratie darf nicht in Quarantäne gehen.
Gerd Gigerenzer, Risikoforscher

2. April 2020

In letzter Zeit, bedingt durch Corona, hört man Leute von „Entschleunigung“ reden. Sie meinen damit, dass sie ihr Leben, ihren Tagesablauf oder was auch immer jetzt als verlangsamt empfinden. Das ist insofern interessant, als ihre Tage genauso lang, kurz, schmal oder breit sind wie vorher auch – der Tag hat nach wie vor 24 Stunden, und keine Uhr geht jetzt langsamer. Richtig ist allerdings ebenso, dass sich die Inhalte der Tage verändert haben, zumeist durch den Wegfall von Betriebsamkeiten. Viele der gewohnten Aktivitäten sind gegenwärtig nicht durchführbar, und an ihre Stelle tritt nichts anderes, jedenfalls kaum Geschäftiges, und dieser Leerraum erzeugt ein Gefühl von Verlangsamung. Um ein musikalisches Bild zu verwenden: Ein Stück, das hundert Takte hat und in gleichbleibendem Tempo zu spielen ist, wird nicht dadurch langsamer, dass statt vierhundert Viertelnoten jetzt hundert ganze Noten gespielt werden. Im zweiten Fall ensteht durch den veränderten Rhythmus das subjektive Gefühl von besagter Entschleunigung, das Tempo jedoch bleibt dasselbe. Von einem Ton bis zum nächsten vergeht in der zweiten Variante mehr Zeit, das ist alles.

30. März 2020

Wegen des Corona-Virus fällt unsere Opernfahrt nach Gent, die wir für Ende April geplant hatten, leider aus. Es wäre eine schöne Reise geworden – mit einem erstklassigen Opernhaus, einer tollen Oper in einer spannenden Inszenierung und einem historischen, originellen Hotel. Von Gents Gastronomie gar nicht zu reden. So verzichten wir also jetzt neben den genannten Annehmlichkeiten auch auf belgische Pommes Frites, Bier, Waffeln und Schokolade.

Rauischholzhausen

Apropos verzichten. Am Wochenende war ich in Rauischholzhausen und habe einen schönen Spaziergang durch den Schlosspark gemacht. Das Schloss bleibt wegen Corona bis zum 30. April geschlossen, bis dahin fallen alle Veranstaltungen aus. Viel unangenehmer ist allerdings, dass schon vor anderthalb Jahren die normalen Öffnungszeiten des Sonntags-Cafés weggefallen sind. „Grund ist die starke Auslastung an Sonntagen durch vermehrte Buchungen von Tagungen & Privatfeiern!“, so heißt es im Aushang am Schloss wie auch auf der entsprechenden Webseite. Großzügigerweise gibt es noch die Möglichkeit, Kaffeenachmittage mit Familie und Freunden ab 20 Personen zu buchen oder die monatlich stattfindenden Afternoon Teas zu besuchen. Die „vermehrten Buchungen von Tagungen und Privatfeiern“ sorgen also dafür, dass für Otto Normalbürger kein Platz mehr ist – es sei denn, er ist kapitalkräftig genug, um noch mindestens zwanzig weitere Gäste mitzubringen, dann will man mal nicht so sein. Geld und Profit schlagen Gemeinwohl und Teilhabe. Es wäre ehrlicher gewesen, das genau so zu sagen.

25. März 2020

Herz im Baum II

März

Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Dass von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.

Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein.

Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.
Goethe 

24. März 2020

Natur 13

Oberbiel, Richtung Waldkindergarten

23. März 2020

Und David Schütter! Der Enkel von Schauspieler und Synchronsprecher Friedrich Schütter (den ich noch in Hauptmanns „Fuhrmann Henschel“ auf der Bühne erlebt habe) ist im genannten Mehrteiler in der Rolle des Tommy zu sehen, der großen Liebe von Ulla Wolf, gespielt von Elisa Schlott. Über viereinhalb Stunden ist das zwischen den beiden ein einziges Hin und Her, und wie immer in guten Geschichten wissen wir Zuschauer mehr als die handelnden Personen selbst. Uns ist also klar, dass beide füreinander bestimmt sind, während die Liebenden sich selbst und einander das Leben schwer machen. Drehbuch und Regie lassen das Ganze gut ausgehen, was unserer romantischen Ader sehr entgegenkommt. Und Schütter kann den großen Jungen spielen, der mit Herzensklugheit und unverstellter Aufrichtigkeit für seine Überzeugungen eintritt. Das gelingt sehr überzeugend, in ganz unterschiedlichen Stimmungen, mit wohldosierten stilistischen Mitteln. Ja, und Tommy und Ulla, eigentlich Schütter und Schlott, sind ein schönes Filmpaar, wie gemacht für uns Unverbesserliche.

19. März 2020

In der deutschen Fernsehserie „Unsere wunderbaren Jahre“, die zurzeit in der ARD zu sehen ist, spielt neben bekannten Größen des deutschen Films auch Elisa Schlott mit, wie schön. Ich hatte sie bisher in der Tatort-Folge „Borowski und der Himmel über Kiel“ und in dem Mehrteiler „Das Verschwinden“ gesehen und schon dabei das besondere Parfum ihrer Schauspielkunst wahrgenommen. Sie, die in einigen Einstellungen wirkt wie die junge Joan Fontaine, hat ein erstaunliches Gespür für Tempo und Sprachmelodie, oft in Kombination mit Nuancen abgründiger Fragilität. Schlott ist jetzt 26 Jahre alt. Schon nach ihren ersten Kinofilmen erhielt sie 2009 für ihre Hauptrolle in „Draußen am See“ den „Förderpreis Deutscher Film“, 2015 dann den „Günter-Strack-Fernsehpreis“ und 2018 den „Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste“. Es werden wohl kaum die einzigen Preise bleiben.

17. März 2020

Heute im Morgenmagazin der ARD ging es in Zusammenhang mit Corona um „Erfolgreiches Home-Office“. Moderator Sven Lorig hatte Petra Jagow, Diplom-Psychologin und Coach, zu Gast. Nachdem binnen Sekunden von beiden darüber spekuliert wurde, ob man beim „Home-Office“ vielleicht das gewohnte „Surrounding“ vermissen oder der „Team Spirit“ fehlen könnte, habe ich abgeschaltet.

Ach ja, und BILD verrät, wer die zehn „bestbezahltesten“ Fußballtrainer sind. Die werden so gut bezahlt, dass sie schon bezahltest sind. Sie können auf meistbestiegenste Berge klettern und auf schnellstbefahrendsten Strecken unterwegs sein. Wie besoffen, ja besoffenst kann man werden, sei es durch meistgetrunkenstes Gebräu oder sonstwie verzapftesten Unsinn!

13. März 2020

Martha Holmes, Towards St. Anthony's Head

Martha Holmes, Towards St. Anthony’s Head

11. März 2020

Kot und Köter – die Zeitschrift für den deutschen Hundefeind gibt auf. Zum 31. März des Jahres ist endgültig Schluss. Nachdem Herausgeber Wulf Beleites im letzten November verstarb, werden künftig keine Hefte mehr erscheinen. Allerdings wird die Webseite bis auf weiteres von treuen Weggefährten (keine Hunde) fortgeführt. Die sehen das Ende ziemlich entspannt. Scheiß der Hund drauf. Das hat selbiger ohnehin schon immer getan und wird es auch fortan tun.

9. März 2020

Filmtipp: Das letzte Geschenk (El último traje) von Pablo Solarz (Argentininen/Spanien 2017). Der Film – in der spanischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln – läuft seit letzten Donnerstag bundesweit, natürlich nur in Programmkinos. Das letzte Geschenk erzählt die Geschichte des kauzigen Abraham, einem 88-jährigen Schneider, der von Buenos Aires nach Łódź reist, um dort seinen Jugendfreund zu suchen, der ihm während des Holocaust das Leben rettete. Im Gepäck hat er den letzten von ihm handgefertigten Anzug. Die Reise führt Abraham nicht nur quer durch Europa, sondern auch immer weiter in seine Erinnerungen und gleichzeitig in Begegnungen mit besonderen Menschen.

Der Flyer zum Film verspricht „eine anrührende Balance zwischen Melancholie und Heiterkeit“ und trifft den Ton der Erzählung damit genau. Der Film gewann auf den Festivals im  Miami und Philadelphia jeweils den Publikumspreis.

6. März 2020

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The weight of this sad time we must obey,
speak what we feel, not what we ought to say.
The oldest hath borne most: we that are young
shall never see so much, nor live so long.
Shakespeare, King Lear

5. März 2020

Der Kinostart des neuen James-Bond-Filmes wird erneut verschoben, diesmal wegen Corona. Der Titel des Films lautet übrigens „No Time To Die“ (Keine Zeit zu sterben) …

4. März 2020

Schallplatte Beatles

Beim Surfen durch die Untiefen des Internets lerne ich, dass die Beatles – gemessen an den Verkaufszahlen – immer noch die erfolgreichste Band aller Zeiten sind. Schon erstaunlich! Mit ca. 1 Milliarde verkaufter Tonträger stehen sie damit in der “Ewigen Bestenliste” unangefochten auf Platz eins. Auf Platz zwei folgt ABBA, auf Platz drei Led Zeppelin.

Von den fünfzehn erfolgreichsten Bands kommen allein acht aus Großbritannien. Die erfolgreichste deutsche Band sind übrigens die Scorpions. Was ich auch nicht wusste: Viele heutige Weltstars traten zu Beginn ihrer Karrieren als Vorbands der Scorpions auf, darunter Bon Jovi, Metallica und Iron Maiden. Interessant – auch für jemanden wie mich, der zeit seines Lebens mit Rock und Pop gefremdelt hat.

1. März 2020

Wahrscheinlich ist die Ergänzung unnötig, doch trotzdem: Es ist klar, dass es in einer immer komplexer werdenden Welt auf Fragen zu schwierigsten Konflikten und Interessenlagen keine einfachen Antworten geben kann. Die meisten Menschen sind sich dessen bewusst, wie zahlreiche Untersuchungen und Erhebungen zeigen. Trotzdem gibt es eine Sehnsucht nach klaren Haltungen, nach dezidierten Positionierungen. Sätzen wie „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen“, „Wir müssen die Menschen mitnehmen“ (oder „abholen“) und „Deutschland ist ein starkes Land“ schenkt kaum jemand mehr Beachtung, zu Recht. Kontur, Zielsetzung und ethischer Kompass, Urteilsvermögen, Integrität und Entschlusskraft sind vonnöten. Nur wer darüber verfügt, kann ernstzunehmende Politik betreiben und sich gegebenenfalls um eine Führungsposition bewerben.

28. Februar 2020

Die Grünen seien nicht in Regierungsverantwortung, müssten nicht konkret handeln und könnten sich so „zu jedem Thema, das sie besetzen wollen, betont gefühlig äußern“, meint Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Bewerber um den CDU-Vorsitz in einem Interview mit dem Spiegel. „Besonders beliebt sind ja die philosophischen Betrachtungen eines Poeten aus dem Norden“, so Laschet über den Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck. Dazu kann man nur sagen: Lieber ein philosophierender Poet als eine rheinische Frohnatur, die mit ihrer bräsigen Gemütlichkeit das Land nicht voranbringen wird.

27. Februar 2020

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis.
Max Frisch (1911 – 1991)

21. Februar 2020

Die Countertenöre Lawrence Zazzo und Philippe Jaroussky konnten gestern Abend meine Kursteilnehmer begeistern. Die Händel-Arien „Va tacito“ aus Giulio Cesare (Zazzo) und „Stà nell‘ Ircana“ aus Alcina (Jaroussky) haben für Staunen und entsprechende Reaktionen gesorgt. „Ich werde noch zum Countertenor-Fan“, zeigte sich eine Teilnehmerin beeindruckt. Darüber hinaus haben wir über die Da-Capo-Arie, Verzierungsregeln, barocke Aufführungspraxis und noch ein paar andere Dinge gesprochen. Interesse, Neugier, Austausch – schön!

20. Februar 2020

Lion head

Letzte Woche Monteverdi, heute Händel. Im Crashkurs Oper geht es heute wieder um vergleichende Interpretationen. Während wir beim letzten Mal ausschließlich das Schlussduett aus L’Incoronazione di Poppea in fünf verschiedenen Einspielungen gesehen haben, werden wir uns heute mit drei prominenten Händel-Opern befassen: Serse, Giulio Cesare und Alcina. Besonders interessant dürfte der Vergleich einer Arie aus Giulio Cesare sein: „Va tacito“ gleich dreimal – gesungen von Mezzosopran, Bariton und Countertenor. Dazu natürlich wieder ein Austausch über Inszenierungen, Kostüme, Bühnenbilder und vieles mehr. Nächste Woche Mozart.

18. Februar 2020

Raupe

Raupe müsste man sein: Fressen, schlafen, fressen, schlafen, fressen, schlafen.
Und zack: Schön!

Schmetterling

17. Februar 2020

Zum Thema „Üben und Musizieren in Mietwohnungen“ gibt es mittlerweile zahlreiche Gerichtsurteile, die in Teilen bemerkenswerte Differenzierungen aufweisen. Natürlich ist einleuchtend, dass bei widerstreitenden Interessen – Übende und Musizierende hier, genervte Nachbarn dort – Regelungen gefunden werden müssen, die alle Beteiligten halbwegs zufriedenstellen. Auch ist klar, dass die Qualität der Hausmusik keine Rolle spielen darf bei der Frage, ob und wann musiziert werden darf – schließlich kann auch hochwertige, professionell ausgeführte Musik als störend empfunden werden.

Wenn zu Beurteilungen der Zimmerlautstärke (Singen und Musizieren ist hier immer erlaubt, etwaige Verbote in Mietverträgen sind unzulässig) auch Fragen zur Mittags- und Nachtruhe, zu Wochenend-Regelungen oder zum Instrument hinzukommen, werden Einschätzungen schnell subjektiv und Regeln unscharf. So sollen Instrumente, welche die Zimmerlautstärke überschreiten, nicht länger als 2 Stunden am Tag gespielt werden. Zudem ist, wie ein paar Urteile zeigen, der Zeitpunkt des Musizierens ebenso maßgebend wie die Wahl des Instruments. Klarinette und Saxofon dürfen 2 Stunden täglich gespielt werden, sonntags nur 1 Stunde (OLG Karlsruhe 6 U 30/87). Für Schlagzeug gibt es weniger Zeit: 45 bis 90 Minuten täglich, außer sonntags (LG Nürnberg-Fürth 13 S 5296/90). Wer Klavier spielt, hat sprichwörtlich nicht nur Glück bei den Frauen, sondern auch bei Vermietern: Maximal 3 Stunden täglich, am Wochenende weniger (BayObLG 2 Z BR 55/95). Überdies gilt der juristische Grundsatz: Wenn die Parteien sich nicht einigen können, sollen sie versuchen sich zu einigen.

Pause bis zum 16. Februar 2020

31. Januar 2020

Ich habe nie jemanden getroffen, der sich mit ihm in der Beherrschung der englischen Sprache hätte messen können. Sätze quollen in honigsüßen Wortfügungen aus ihm heraus, kompliziert genug die Intelligenz des Zuhörers zu testen und ihn gleichzeitig versteinern zu lassen ob der Virtuosität des Rhetors.
Henry Kissinger über den israelischen Politiker und Diplomaten Abba Eban (1915 – 2002)

Sprache kann ja so schön sein …

28. Januar 2020

Wetzlarer Neue Zeitung, 28. Januar 2020

Weltpremiere bei den fünften „Wetzlarer Improvisationstagen“

70 Interessierte verfolgen das Zusammenspiel von Eva Zöllner (Akkordeon) und Anja Karina Petry (Kalligrafie)

Von Andreas E. Müller

WETZLAR – „Keine Ahnung, was hier gleich passieren wird“, sagte Thomas Sander, Leiter der Wetzlarer Musikschule als Ideengeber und Organisator der „Wetzlarer Improvisationstage“ vor der Veranstaltung „Die Oktave oder ein Alphabet in Unordnung“. Die beiden Frauen sind sich vor einer Woche zum ersten Mal begegnet und haben ihr gemeinsames Programm speziell für diesen Abend entwickelt. So kamen die Besucher in den Genuss einer Weltpremiere. „Bei den Improvisationstagen wollen wir Musik in den Mittelpunkt stellen, aber mit anderen Künsten vernetzen“, sagte Sander. Das Publikum lud er ein, gerne aufzustehen und näher an das Geschehen zu kommen.

Zöllner Petry 2020

„Ihre Erwartungen an den Klang meines Akkordeons werden wahrscheinlich nicht erfüllt“, meinte Zöllner und machte die Gemeinsamkeiten von Klang und Bildern deutlich: „Es gibt Linien, Rhythmen, Flächen und Klangfarben“. Ihre Musik werde gleich mal im Vordergrund stehen, dann wieder in den Hintergrund treten, kündigte sie an. Im Foyer des Rathauses standen zwei Staffeleien, eine mit einer weißen, die andere mit einer schwarzen Leinwand. Petry zog feine Linien auf die weiße Leinwand. Zöllner veränderte dazu die Töne einer Oktave auf ihrem Akkordeon. Mit schwarzer Farbe schrieb oder besser malte Petry die Buchstaben des Alphabetes. Zöllner wählte dazu überwiegend tiefe Töne. Zu roten Verzierungen erklangen danach hohe Töne. Zöllner behielt Petry ständig im Auge, reagierte auf alles, was auf der Leinwand geschah.

Als das Bild fertig war, erzeugte sie Luftgeräusche mit ihrem Akkordeon. Dann wurde die Musik wilder und hektischer, Zöllner ließ die Knöpfe ihres Instrumentes klackern oder schabte mit ihren Fingernägeln über die Balgfalten. Aufmerksam verfolgten die Menschen, was geschah. Mit goldener Farbe malte Petry mehrmals den Buchstaben „m“ auf die schwarze Leinwand. Zöllner folgte mit ihrem Akkordeon ihren Bewegungen. Petry arbeitete mit Pinseln, einer Farbrolle und kratzte auch mit einer Faltfeder Farbe in ihre Bilder. In ihrer Laudatio stellte Stadträtin Sigrid Kornmann (FDP) die beiden Künstlerinnen vor und zeigte sich begeistert von den Eindrücken. Die Kalligrafie sei entstanden, als der Buchdruck aufkam, um handschriftliche Aufzeichnungen künstlerischer zu gestalten, berichtete sie. Über das Gesehene und Gehörte sagte sie: „Das hier war mehr als Schönschrift, das war Kunst.“

Die Veranstaltung bei den Improvisationstagen war gleichzeitig die Vernissage der Kalligrafie-Ausstellung von Anja Karina Petry. Ihre Bilder sind während der Öffnungszeiten des Rathauses, Montag bis Mittwoch von 7.30 Uhr bis 16 Uhr, Donnerstag von 7.30 Uhr bis 17 Uhr und Freitag von 7.30 Uhr bis 13 Uhr zu sehen.

24. Januar 2020

Grashüpfer, Ausgabe Februar/März 2020

Musizieren – Wunderwaffe für Körper, Geist und Seele
Der Musikwissenschaftler und -psychologe Heiner Gembris hat einmal auf die Frage, ob Musizieren schlau mache, geantwortet: „Ich würde eher sagen: Wer schlau ist, macht Musik.“

Musizieren ist mit seiner unglaublichen Zahl an positiven Nebenwirkungen mittlerweile als eines der besten Rezepte für körperliches und seelisches Wohlbefinden anerkannt. Musizieren hat nachweislich positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und die Gehirnaktivität des Menschen, regt die Atmung und das Herz-Kreislauf-System an, intensiviert die Körperwahrnehmung, unterstützt die Konzentrationsfähigkeit und hält geistig jung. Musizieren dient der selbstbestimmten Freizeitgestaltung, fördert die Allgemeinbildung, stärkt Intelligenz, Kreativität, Selbstbewusstsein und Sozialverhalten … und macht vor allem eines: Spaß!

Generationsübergreifend Musizieren
Wäre es nicht schön, gemeinsam mit den Enkeln ein Instrument zu erlernen? Das Musizieren als eine wahre Wunderwaffe für Körper, Geist und Seele steht jeder Altersklasse offen, auch den „älteren Semestern“. Das überkommene Sprichwort »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr« ist längst überholt.

So kann man auch im fortgeschrittenen Alter im Chor singen, in grauer Vorzeit erworbene Instrumentalkenntnisse auffrischen oder gar ein Instrument von der Pike auf neu erlernen! Denn es gibt nichts Besseres, als sich mit schönen Dingen zu beschäftigen und dabei zugleich noch etwas für seine Gesundheit und geistige Fitness zu tun.

Zahlreiche Angebote
„Mit Musik geht alles besser“, sang Rudi Schuricke einst. Klingt einfach, ist es auch. Man könnte auch sagen: Mit Musizieren kommt man einfach besser durchs Leben.

Mitgliedsschulen im VdM (Verband deutscher Musikschulen) bieten oftmals zahlreiche Förderprogramme für Klein- und Vorschulkinder, Instrumentalunterricht, Kammermusikgruppen, Spielkreise, Ensembles, Orchester, Bigband, Rockbands und Gesangsgruppen. Lassen Sie sich beraten.

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Thomas Sander, Schulleiter der Wetzlarer Musikschule, spielt selbst Klavier und leitet Chöre.

21. Januar 2020

Schafe im Ruhrgebiet

So wie die Schafe einzeln nicht leicht gehorchen, aber zusammen miteinander dem Hirten gerne folgen, ebenso lasst ihr euch, wenn ihr zusammenkommt, von Leuten, die ihr gewiss nicht in euren Angelegenheiten zu Rate ziehen würdet, willig leiten.
Plutarch (um 45 – um 125), griechischer Schriftsteller

19. Januar 2020

Man sollte nur Fragen stellen, deren Antworten man auch aushalten kann.
Roland Demian, früher Wirtschaftsingenieur, jetzt Coach für Affären

Das Zitat ist einem Kurzportrait in der letzten Ausgabe des Magazins der Deutschen Bahn entnommen, in welchem ich am Wochenende reisebedingt geblättert habe. Es steht, wenn man so will, unbeabsichtigt in Zusammenhang mit meinem letzten Eintrag zu Mozarts Così fan tutte. Wobei man sich in Liebesdingen natürlich immer fragt, was nicht in Zusammenhang mit Così fan tutte steht.

17. Januar 2020

Unsere Reise nach Gent zur Opera Ballet Vlaanderen (24. – 26. April 2020) ist mit 30 Teilnehmenden ausgebucht. Wir werden Mozarts Così fan tutte in einer spektakulären Inszenierung von Anna Teresa De Keersmaeker sehen. Die musikalische Leitung hat die junge Dirigentin Marie Jacquot.

Ehrlich gesagt, habe ich den Zuschnitt der Konzeption meinen Opernfreunden bisher verschwiegen. Für Traditionalisten und Liebhaber üppiger Ausstattung scheint zu verwegen, zu verstörend zu sein, was uns erwartet. Auf der Webseite heißt es, dass der aufgeklärte Philosoph Don Alfonso die beiden jungen Liebespaare behandelt wie Meerschweinchen in einem Tierversuch. Will er doch wie in einem Experiment eines Alchemisten beweisen, dass es keine Treue in der Liebe gibt. Zu diesem Zweck nimmt er die Vernunft als Kompass und untergräbt alle Klischees über Beziehungen.

Das Experiment wird auf einer leeren, weißen Bühne durchgeführt. Ein Studium der Chemie zwischen Gesang und Bewegung – jeder Gesangssolist wird von einer Tänzerin begleitet, vielleicht gar beschattet, die die Spannung zwischen Worten und Musik verkörpert. De Keersmaeker macht aus einer banalen Boulevard-Komödie eine Kontemplation von fast religiöser Austrahlung, eine melancholische Meditation über Begehren und Tod und die Komplexität der menschlichen Seele.

15. Januar 2020

Wenn, ohne falsch zu sein,
man nicht alles schreibt, was man tut,
dann, ohne inkonsequent zu sein,
tut man auch nicht alles, was man schreibt.
Denis Diderot (1713 – 1784)

14. Januar 2020

Die Göttinger Händel-Festspiele feiern in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum. Seit es die Festspiele gibt, so schreiben die Verantwortlichen auf ihrer Webseite, wird dem Publikum Händels Werk, das voller Emotionen und scharfer Kontraste steckt, den Menschen nahe gebracht – in verschiedensten Projekten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Das Programm für das Jubiläumsjahr 2020 bietet etwas sehr Besonderes: Alle 42 Operntitel werden in den unterschiedlichsten Formaten präsentiert: szenisch, konzertant, als Jazz-Arrangement, Puppentheater, Film oder Lesung. Das alles in großartigen Spielstätten in der Stadt und der ganzen Region, überdacht und open air, mit den großen Stars der Barockszene und großartigen Nachwuchstalenten. Das Jubiläumsprogramm beginnt am 14. Februar.

Logo Händel-Festspiele Göttingen
Kontakt:
Internationale Händel-Festspiele Göttingen GmbH
Hainholzweg 3
D-37085 Göttingen
Telefon: +49 (0)551 384813-0
www.haendel-festspiele.de

13. Januar 2020

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Gesehen in Bergisch-Gladbach, Stadtteil Sand

10. Januar 2020

Richard und Ida Dehmel

Zum 100. Todestag Richard Dehmels und zum 150. Geburstag Ida Dehmels zeigt die Staats- und Universitäts-bibliothek Hamburg vom 16. Januar bis zum 22. März 2020 die Ausstellung „Zwei Menschen. Richard und Ida Dehmel in Hamburg“. Am 8. Februar 2020 findet ein Konzert in der Hochschule für Musik und Theater statt.

Das Dehmelhaus in Hamburg-Blankenese ist kein öffentliches Museum, sondern ein privates Wohnhaus, das ehrenamtlich betreut und privat finanziert wird. Im Sommerhalbjahr bietet die Dehmelhaus Stiftung Führungen an. Der Besuch dauert etwa eine Stunde. Nach einem Rundgang durch den Garten sind die historischen Räume im Hochparterre des Künstlerhauses zu sehen: Dichterzimmer, Wohnzimmer und Speisezimmer in der originalen Ausstattung von 1912. Im Untergeschoss informiert eine kleine Ausstellung über Leben und Werk von Richard und Ida Dehmel und über ihre europäischen Künstlerkreise. Ein Besuch ist nur auf Anmeldung in geführten Kleingruppen zu festen Terminen möglich.

8. Januar 2020

Wenn die stille Zeit vorbei ist, wird es auch wieder ruhiger.
Karl Valentin

6. Januar 2020

Christmas Nativity Scene Of Three Wise Men Magi Going To Meet Ba

3. Januar 2020

Es gibt in dieser Spielzeit nur noch zwei Gelegenheiten, die Produktion des Staatstheaters Nürnberg von Cavallis La Calisto zu sehen, nämlich am 12. und 25. Januar. Eine der Dezember-Vorstellungen habe ich miterlebt und kann einen Besuch nur ausdrücklich empfehlen. Die Realisierung ist modern und enthält aktuelle Zeit- und Gesellschaftsbezüge, spielt aber gleichzeitig mit zeitlosen Allegorien – komisch, selbstironisch und mit sehr menschlich anmutenden Transfers. Die Inszenierung von Jens-Daniel Herzog ist heiter bis böse, leicht bis gemein. Wolfgang Katschner hat dazu eine entschlackte, temporeiche musikalische Fassung erstellt – hier und da mit ein paar Kürzungen, dafür an anderer Stelle mit Entlehnungen und Einschüben von Cavallis Zeitgenossen. Julia Grüter als Calisto und Jochen Kupfer als Giove ragen sängerisch heraus, gleichwohl ist das Niveau ausgewogen und stimmig. Die Bayerische Staatszeitung lobt eine „herrliche Mischung aus Komik und tiefen Gefühlen, Realität und Travestie, Kabarett und Mythos, die bestens unterhält und berührt.“ So muss Barockoper sein. Chapeau!

28. Dezember 2019

Wenn das Notwendigste getan
und das Überflüssige verworfen,
wenn das Zuviel verschenkt
und das Zuwenig verschmerzt ist,
wenn alle Irrtümer aufgebraucht sind,
kann das Fest des Lebens beginnen.

Begleitet von guten Wünschen zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr erhielt ich von einer Freundin diese Zeilen (Text von Wolfgang Poeplau). Ob Weihnachten das „Fest des Lebens“ ist, soll nicht die Frage sein. Bedeutsamer ist, dass der Text in seiner Kürze gleichsam von einer Art seelischer Reinigung spricht, von Entlastung, Befreiung. Es lohnt sich, dem Gedanken Raum zu geben – nicht zuletzt am Vorabend der Jahreswende, zu welcher wir gute Vorsätze ersinnen, die nicht selten schon nach ein paar Tagen oder Wochen vergessen sind. Verwerfen, verschenken, verschmerzen, aufbrauchen, beginnen – das genügt.

24. Dezember 2019

Stille Nacht

Frohe Weihnachten und ein glückliches, vor allem gesundes Neues Jahr!
Ihr und Euer
Thomas Sander

17. Dezember 2019

Borussia Mönchengladbachs Sportchef Max Eberl hat in einem Interview seine Profis in die Pflicht genommen und betont: „Es gibt keine Garantie für niemanden.“ Da kann man nur sagen: Einfach gar nicht ignorieren.

15. Dezember 2019

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Es gehöre viel Erfahrung dazu, um wie ein Anfänger zu küssen, meinte Zsa Zsa Gabor einmal. Der englische Starkoch Jamie Oliver hat nun während einer Kochsendung zum Besten gegeben, dass seine erste Freundin die Beziehung nach nur drei Tagen beendete, da er, wie sie es empfand, „wie eine Waschanlage“ geküsst habe. Der gute Jamie war eben Anfänger, und die brauchen Erfahrung, jedenfalls beim Küssen. Mark Twain hätte vielleicht helfen können, wusste er doch, dass man beim Küssen beide Hände braucht. Und dass kein ehrlicher Mann einen geraubten Kuss für sich behalten, sondern sofort zurückgeben würde. Andernfalls greift ein libanesisches Sprichwort: Besser eine ehrliche Ohrfeige als ein falscher Kuss.

11. Dezember 2019

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Das wortreich in Bad Hersfeld ist eine Wissens- und Erlebniswelt für Sprache und Kommunikation. Die Kombination aus Wissensvermittlung und Unterhaltung ist auf diesem Gebiet wohl einzigartig. Auf über 1200 m² Ausstellungsfläche und mit beinahe 100 Mitmachexponaten kann Sprache und Kommunikation erlebt und trainiert werden. Mit Buchstaben Basketball spielen, in die Rolle eines Theater-Stars schlüpfen, mit den Augen schreiben, einen Ball nur mit Gedanken bewegen – das Angebot ist großartig und ein Besuch absolut empfehlenswert.

Benno-Schilde-Platz 1, 36251 Bad Hersfeld.
Geöffnet Dienstag – Freitag 9.00 – 17.00 Uhr, Wochenende 11.00 – 18.00 Uhr
Telefon: 06621-794890
Fax: 06621-7948929
E-Mail: info@wortreich-badhersfeld.de
www.wortreich-badhersfeld.de

10. Dezember 2019

Die Welt ist vertrocknet und muss befruchtet werden: Genau die richtige Aufgabe für Göttervater Jupiter, dem sowieso mal wieder der Sinn nach etwas Jüngerem steht. Objekt seines Interesses ist die schöne Nymphe Calisto. Für die Reize älterer Herren, so göttlich sie auch sein mögen, ist sie allerdings nicht empfänglich. Jupiter muss sich in die Gestalt von Calistos angehimmelter Chefin Diana verwandeln, um Calisto mit seinem alles erquickenden Samen zu erfreuen. So blüht die Welt auf, aber Calisto geht unter, bis sie ehrenhalber zu einem Sternbild erhoben wird – in dieser feinen und gemeinen Oper des barocken venezianischen Meisters Francesco Cavalli.

Soweit die Beschreibung des Staatstheaters Nürnberg für seine aktuelle Produktion von La Calisto. Es ist eine der schönsten Barockopern überhaupt, und meine Erwartungen sind hoch, zugegeben. Doch die Kritiken zur Premiere fielen durchweg positiv aus, also bin ich optimistisch und sehr gespannt. Sonntag, 29. Dezember 2019, Staatstheater Nürnberg, 19.00 Uhr. Parkett rechts Reihe 6, Plätze 180 und 181.

9. Dezember 2019

Ich war noch nie in Marokko, Mauretanien oder Mali. Doch in meinen nächtlichen Träumen bin ich manchmal dort unterwegs. Ich kenne keine Menschenseele, Straßen und Plätze sind mir fremd. Es ist hell, die Häuser sind weiß. Moscheen, Geschäfte, Cafés. Hitze, Staub. Himmel über der Wüste, vielleicht spiele ich ja bei Bertolucci mit. Being John Malkovich… Für den Film wurden damals zwei Millionen Fliegen aus Italien eingeführt, für ein paar spezielle Szenen. Die Tiere überlebten nicht, das Klima war zu anspruchsvoll.

6. Dezember 2019

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5. Dezember 2019

Die Aufführung von Hector Berlioz‘ L‘ Enfance du Christ (Die Kindheit Christi) in der Wetzlarer St. Walburgis-Kirche war zweifellos ein Gewinn für an Repertoire-Erweiterung interessierte Hörerinnen und Hörer, denn allzu häufig steht das Werk hierzulande nicht auf dem Programm.

In der Ankündigung hieß es, dass „opernhafte Dramatik, einfühlsame Pastoralklänge und romantische Klangpracht“ zu erwarten seien. Doch nur allzu selten war all dies zu hören, was keineswegs an den Ausführenden lag. Das Philharmonische Orchester Gießen sowie Solisten, Chor und Extrachor des Stadttheaters, der Gießener Konzertverein sowie die Wetzlarer Singakademie unter der Leitung von Jan Hoffmann gaben ihr Bestes. Doch Berlioz hat bei seinem Oratorium Mühe, über eine fragmentarische Struktur hinauszukommen. Der erste einigermaßen entwickelte musikalische Gedanke erklingt nach einer halben Stunde, einen stringenten musikdramatischen Faden sucht man lange vergeblich. Modale Klänge, rezitativische Einschübe, Aufwallungen, Abbrüche, Neuanfänge. Das ist nicht derselbe Berlioz, dem wir „Les Troyens“, „La damnation de Faust“ oder die „Symphonie fantastique“ verdanken.

Das Werk war zu Lebzeiten Berlioz‘ ein großer Erfolg, sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern. Diese meinten allerdings schon damals, beim Komponisten einen veränderten Stil ausmachen zu können, was Berlioz entschieden zurückwies. „Nichts wäre unberechtigter als diese Ansicht“, meinte er. „Der Stoff verlangt ganz von selbst eine naive, sanfte Vertonung und ist daher ihrem [der Kritiker] Geschmack und ihrer Intelligenz zugänglicher.“ Na dann…

3. Dezember 2019

Alles, was du loslässt, alles, was du verlierst, macht Platz für etwas Neues, vielleicht sogar Besseres. Melancholie beruht oft auf unreflektierter Verherrlichung einer Vergangenheit, die diese Verherrlichung überhaupt nicht verdient. Nur weil die Vergangenheit uns so vertraut vorkommt, wünschen wir uns so intensiv dorthin.
Arnon Grünberg, Muttermale

28. November 2019

Auf Nachfrage: Die anderen Bücher waren Muttermale von Arnon Grünberg, Leere Herzen von Juli Zeh, Der Schwimmer von Zsuzsa Bánk und Lila, Lila von Martin Suter. Im Moment lese ich Abbitte von Ian McEwan, endlich.

26. November 2019

Während der letzten sechs Wochen habe ich unter anderem fünf Romane gelesen, darunter Leinsee von Anne Reinecke. Ein außergewöhnliches Werk, das eine Liebesgeschichte der besonderen Art auf sehr berührende Weise erzählt und nach der Lektüre noch lange in Erinnerung bleibt. Schon lange nicht mehr habe ich ein so grandios geschriebenes Buch gelesen.

Leinsee

Pause, verlängert bis zum 26. November 2019

13. Oktober 2019

Overview of the Roman theater of Ostia Antica located in the hom

Ostia Antica, Römisches Theater

11. Oktober 2019

Wer die Gelegenheit hat, Puccinis Manon Lescaut in der Oper Frankfurt zu sehen – unbedingt wahrnehmen! Was hier geboten wird, ist ganz große Kunst – so muss Oper sein! Eine packende, intensive und berührende Erzählung aus einer plausiblen und in sich stimmigen, wenn auch nicht unbedingt nahe liegenden Perspektive. In der Inszenierung von Àlex Ollé sorgen Asmik Grigorian als Manon und Joshua Guerrero als Des Grieux für Gesangsleistungen der Extraklasse, das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung von Lorenzo Viotti zaubert, der jeweiligen Situation und Szene entsprechend, zarte, glutvolle und gleißende Klänge aus dem Graben. Die Liebe mit allen Hoffnungen, Schimären und Enttäuschungen, die Reduzierung auf das Äußere, das Körperliche, das Sexuelle, daneben das Aufbegehren und die verzweifelte Suche nach Befreiung und Rettung – all das wird virtuos ausgeleuchtet und illustriert. Übergroß steht LOVE über allem, von Anfang bis Ende. Erstens brauchen wir nicht mehr zum Leben, so die Botschaft, und zweitens nehmen wir Menschenkinder uns gegen diese Größe doch sehr armselig aus. Wie war das noch: Die Liebe betrügt uns nie – wir sind es, die die Liebe betrügen.

9. Oktober 2019

VHS Gütersloh

Im Rahmen der Veranstaltungen zur Reihe „100 Jahre Volkshochschule“ halte ich heute Abend einen Vortrag zum Thema Musikgeschichte von den Anfängen bis Bach an der VHS Gütersloh. Für dieses Thema, das in ähnlicher Weise an eben jener Volkshochschule bereits vor 100 Jahren behandelt wurde, ist normalerweise eine Veranstaltungsreihe über mehrere Wochen oder Monate vonnöten. Ich habe heute 90 Minuten und werde bei Hildegard von Bingen anfangen, dann über Machault und Dufay zu Lasso und Palestrina kommen, endlich über Dowland und Monteverdi sprechen und wunschgemäß bei Bach aufhören. Ganz nebenbei wird es um Melodie und Harmonie gehen, um Takt und Rhythmus, um Klangfarbe und Symmetrie. Vielleicht geht es auch um Formen, um Gestaltung, um Satztechnik, um Ausdruck. Um Konsonanz und Dissonanz, um schön und gar nicht schön, und dass es draußen nur Kännchen gibt. Das weiß man vorher nie so genau, und das ist ja auch ganz richtig so.

8. Oktober 2019

Vorfreude: Am Donnerstagabend Puccinis Manon Lescaut in der Oper Frankfurt. Die knappe Zusammenfassung des Hauses könnte präziser nicht sein: „Kein Ankommen. Ein Leben in immenser Leidenschaft und Verausgabung, im permanenten Transitzustand, dem erst der Tod den ersehnten Hafen bietet.“ Ja, und das in einer mutigen, aktualisierten und erotikaffinen Fassung mit schrillen, sexy Nightclub-Outfits in verruchtem Ambiente. Nichts für romantische Schwärmer. Oder doch?

4. Oktober 2019

Überlebensgroße Dinge geschehen im Leben öfter als in Büchern.
Isabel Allende (* 1942)

3. Oktober 2019

Zum Tode von Jessye Norman hat die WELT gestern auf der ersten Seite, ganz oben, an prominentester Stelle, ein Schwarzweiß-Foto dieser großartigen Künstlerin abgedruckt, noch vor sämtlichen Meldungen aus Politik, Wirtschaft oder Sport. Sozusagen über allem stand die „Hohepriesterin des Gesangs“, wie die Redaktion sich entschieden hatte zu titeln. Ich habe das als sehr wohltuend empfunden. Diese immense und nur allzu angemessene Würdigung und Wertschätzung dieser großartigen Sängerin und Interpretin wird von Fachleuten und Musikkritikern ebenso geteilt wie von Jessye Normans Zuhörerschaft auf der ganzen Welt. Sie war auf der Opernbühne ebenso präsent wie auf dem Konzertpodium, viele ihrer Auftritte und Einspielungen bleiben unvergessen. Ihre Vier letzten Lieder von Richard Strauss zusammen mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur gehören zum Besten, was jemals aufgenommen wurde.

Doch auch außerhalb der Musikszene wurde Jessye Normans Stimme gehört. Ihr Einsatz für die Bekämpfung von Hunger und Obdachlosigkeit und ihr Engagement gegen Rassismus, auch im Opernbetrieb, waren leidenschaftlich und entschieden. Jessye Norman ist tot, aber in ihrer Stimme wird sie weiter bei uns sein.

Nun der Tag mich müd gemacht,
soll mein sehnliches Verlangen
freundlich die gestirnte Nacht
wie ein müdes Kind empfangen.

Hände, lasst von allem Tun,
Stirn, vergiss du alles Denken,
Alle meine Sinne nun
wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele, unbewacht,
will in freien Flügen schweben,
um im Zauberkreis der Nacht
tief und tausendfach zu leben.
Hermann Hesse, Beim Schlafengehen

30. September 2019

Was wir in uns nähren, das wächst; das ist ein ewiges Naturgesetz.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

26. September 2019

Coeur de pirate

Hörtipp – für den Fall, dass es regnet, schwierige Gespräche anstehen, die Müdigkeit nicht verfliegen will oder der Tag dir auf sonstige Weise Verdruss bereitet: Cœur de pirate, „Printemps“.

24. September 2019

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23. September 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 23. September 2019

Projektchor der Wetzlarer Musikschule gibt anspruchsvolles Abschlusskonzert

Von Werner Volkmar

Chorprojekt 2019 (2)
Begleitet von einem Instrumentalensemble und der Solistin Simone Hild begeisterte der Projektchor über 80 Besucher

WETZLAR . Seit Februar hatten sich die 32 Sänger unter der Leitung von Thomas Sander in Rahmen eines Chorprojektes der Wetzlarer Musikschule auf das Abschlusskonzert vorbereitet. Begleitet von einem Instrumentalensemble und der Solistin Simone Hild begeisterte der Chor nun über 80 Besucher.

Das in jeder Beziehung anspruchsvolle Programm „Lieder aus Barock-Opern“ des Engländers Henry Purcell (1659-1695) und des Parisers Jean-Philippe Rameau (1683-1764) in der jeweiligen Landessprache vorgestellt, stellten an den Projektchor besondere Ansprüche, dabei waren ihnen die Instrumentalisten eine sichere Stütze. Eingangs erläuterte Thomas Sander, dass die Barock-Opern im 17. Jahrhundert nach heutigen Verständnis formal keine Opern waren. Wie auch bei Purcells „King Arthur“, bei dem die Hauptfiguren von Sprechern dargestellt wurden, die Gesangspartien waren dabei als Nebenrollen vorgesehen.

Mit dem Lied „How blessed are sheperds“ aus dem zweiten Akt von „King Arthur“, eine Komposition für Soli, Chor und Orchester, eröffneten die Akteure die Programmfolge. Schon hier wurden die stimmlichen Qualitäten des Chores hörbar. Dabei stand die Solistin Simone Hild mit ihrem Sopransolo erstmals im Vordergrund. Mit einem „Prelude“ leitete das spielfreudige Ensemble zum nächsten Stück aus dem dritten Akt „Tis love that has warmed us“ über. Eine Komposition, die durch den Text und die Schönheit der Musik zu einem Höhepunkt des Abends werden sollte. Die begeisterten Besucher bedankten sich mit Szenenapplaus. „Fairest isle“, eine Arie aus dem letzten Akt, brachte die Sopranistin mit ihrer warmen Stimme wunderbar zum Leuchten.

Danach wechselte der Projektchor zu dem französischen Komponisten Jean-Philippe Rameau und seiner Oper „Les Indes Galantes“ die 1735 in Paris uraufgeführt wurde. Aus diesem Werk stammt das Liebeslied „Tendre Amour“, das der Chor wie die meisten Werke vierstimmig vorstellte. Begleitet von den Instrumentalisten entwickelten sie eine wunderbare Melodienfolge, von der die Besucher begeistert waren. Zum Abschluss stellte der Projektchor mit „Revenez“ und „Que le ciel“ zwei Werke aus der Oper „Castor et Pollux“ von Rameau vor. Als nach über einer Stunde der musikalische Leiter Thomas Sander den Taktstock senkte, bedankten sich die Besucher mit stürmischem Beifall, der kein Ende nehmen wollte.

22. September 2019

Herbert Knebel
(Foto: Stefan Rittershaus)

„Boh glaubse, der Herbert Knebel is gezz Rentner, aber in echt!“ Gemeint ist natürlich der Kabarettist und Komiker Uwe Lyko, der heute 65 Jahre alt wird. Herzlichen Glückwunsch! In vielen Biografien wird die von Lyko geschaffene Kunstfigur Herbert Knebel, der seine Sicht der Dinge auf Ruhrdeutsch vorträgt, als nörgelnder Ruhrpott-Rentner charakterisiert. Lyko selbst widerspricht: „Wenn der Knebel nur am Meckern und Nörgeln wäre, wäre er nicht so beliebt geworden. Der Knebel hat nichts Spießiges, sondern der macht sich über die Spießer lustig. Er hat eher eine leicht anarchische Ader, ohne dass er das selber weiß. Im Ruhrpott sprechen wir von Trinkhallenphilosophen.“

19. September 2019

„In einer Leitungsposition geht es heute um Sinnstiftung und Überzeugungsarbeit, nicht um Befehl und Anordnung“, sagt Nikolaus Bachler, derzeitiger Intendant der Bayerischen Staatsoper und ab 2022 Intendant der Salzburger Osterfestspiele. Bachler spielt damit auf den Konflikt mit Christian Thielemann an, dessen Vertrag als künstlerischer Leiter der Festspiele über 2022 hinaus nicht verlängert wird. Gewissermaßen als nichtpekuniäre Abfindung darf Thielemann sich mit Wagners „Lohengrin“ verabschieden. Bachler hatte den „Fliegenden Holländer“ favorisiert. Ihn „interessiert, wie man in zehn Tagen eine Hitze, einen Sinn, eine Identität erreichen kann.“

Die Frage, ob Diven nicht mehr zeitgemäß sind, wird allenthalben weiter diskutiert, auch und gerade in Salzburg. Das Publikum der Osterfestspiele war lange ein riesiger Karajan-Fanclub, der seinem Liebling zuweilen kritiklos huldigte. Thielemann ist sicher nicht frei von Allüren und Eitelkeiten, auch im Dirigentischen nicht. Doch die Frage ist, ob nicht ganz im Sinne von Bachler gerade Thielemann, der von Karajan so vieles gelernt hat, ziemlich genau weiß, welche Osterfestspiele in Salzburg gewünscht sind und welche nicht. Haben hier vielleicht zwei Diven einfach nicht zueinander gefunden, und zwar ganz ohne Sinnstiftung?

16. September 2019

„Wenn du willst, bin ich gar nicht deine Freundin, sondern Manuel Neuer.“ Vor ungefähr fünf Jahren haben wir diesen Satz zum ersten Mal gehört. Ein flotter Spruch in einer Werbung für ein zuckerfreies Softgetränk. Der Satz erreichte Kultstatus. Alles Mögliche konnte mit dem Zusatz „… sondern Manuel Neuer“ versehen werden, wirklich fast alles.

An Manuel Neuers Stelle würde nun gerne sein Konkurrent, Marc-André ter Stegen, im deutschen Fußballtor stehen. Für die Werbung ist das eher ungünstig. Marc-André ter Stegen – ist das nun französisch, niederländisch oder flämisch? Egal, jedenfalls ist es zu lang, und man kann es nicht richtig lesen oder schreiben. „Vielleicht bin ich gar nicht deine Freundin, sondern Marc-André ter Stegen“ – wie klingt das? Genau! Das spricht man sich einmal laut vor und weiß, dass man es damit nicht schafft. Mit so einem Namen will keiner Werbung machen, weshalb man auch ewig auf der Bank sitzen wird. Vielleicht ist es ja auch gar nicht die Bank, sondern Manuel Neuer.

13. September 2019

Es gibt Politiker, die schlechte Dinge über Politiker sagen, die Latte Macchiato trinken. Ich zähle nicht dazu. Aber ich möchte, dass der, der in einem Café sitzt und eine Latte Macchiato trinkt, sich nicht für etwas Besseres hält als der, der die Latte Macchiato bringt oder zubereitet.
Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister

14. September 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 13. September 2019

Wetzlarer Musikschule schlägt Alarm

Von Tanja Freudenmann

WETZLAR – Die Nachfrage wächst, die Kursangebote sind beliebt: 35 Lehrer unterrichten 1350 Schüler an der Musikschule am Wetzlarer Schillerplatz. Doch es gibt Probleme: „Wir kommen mit dem uns zur Verfügung gestellten Geld nicht hin, wir brauchen eine Erhöhung der Zuschüsse, sonst finden wir kein qualifiziertes Personal mehr“, sagte Schulleiter Thomas Sander in der jüngsten Sitzung des Wetzlarer Kulturausschusses. Auch bei der Innenausstattung des Gebäudes „zwickt es an vielen Stellen gewaltig“.

Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Dieter Grebe informierte Sander die Ausschussmitglieder am Mittwochabend über Projekte, Angebote – vom Lahn-Dill-Jugendorchester über Chöre und Rockbands bis hin zu Babykonzerten -, thematisierte aber auch aktuelle Sorgen des Vereins.

Die Musikschule, die Mitglied im Verband deutscher Musikschulen (VdM) ist (siehe Infokasten), schlägt Alarm: 2019 schultern laut Grebe die Gebührenzahler zu nahezu zwei Dritteln (733 000 Euro) die Gesamteinnahmen der Musikschule (1,185 Millionen Euro). 20 Prozent Zuschüsse gibt’s von der Stadt (242 520 Euro). Gerade mal vier Prozent (47 000 Euro) komme vom Land Hessen. Was die Landeszuschüsse für VdM-Schulen angeht, stehe Hessen im bundesweiten Vergleich an zweitletzter Stelle. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Sander, der „verhalten optimistisch“ nach Wiesbaden blickt. Die heimischen Landtagsabgeordneten wisse man hierbei auf der Seite der Schule, die sich aktuell mit neuer Homepage und in den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram präsentiert.

Wetzlarer Musikschule

Die Wetzlarer Musikschule wurde 1957 vom Musikpädagogen Edgar Hobinka und Hugo Lotz gegründet und hat seit 1967 ihren Sitz im Gebäude der ehemaligen Franziskanerkirche am Schillerplatz.

Die zertifizierte Musikschule ist Mitglied im Verband deutscher Musikschulen (VdM) und entspricht den „Richtlinien der hessischen Landesregierung zur Förderung von Musikschulen“. Sie fördert über den Unterricht hinaus mit Veranstaltungen das Kulturleben der Stadt. Zudem ist die Musikschule Veranstaltungsort für Ausstellungen, Lesungen und Vorträge. Auch die letzte Zuschusserhöhung der Stadt liege über zehn Jahre zurück. „Bis 2025 werden altersbedingt etliche Lehrer ausscheiden und so wird es sehr schwer werden, attraktiv für neues, qualifiziertes Personal zu sein“, so Grebe. „Die Zuschuss-Situation muss verbessert werden, sonst werden wir perspektivisch keine gut ausgebildeten Lehrer mehr bekommen.“ Gleichzeitig gelte es, die Vorgaben zu erfüllen, um zertifizierte VdM-Schule bleiben zu können.

Was die Räumlichkeiten betrifft, sieht Sander ebenfalls deutliche Defizite: Der Parkplatz sei „eine Katastrophe“ und verwandle sich bei Regen regelmäßig in eine Schlammgrube, über den löchrigen, deutlich in die Jahre gekommenen Treppenteppich seien bereits Besucher gestolpert. Auch das Thema Barrierefreiheit werde immer wieder diskutiert: Ein Innen-Aufzug sei jedoch platzraubend. Aus Sicht der Musikschule liebäugelt man mit einer Kooperation mit der Unteren Stadtkirche, die sich in eine Art „Kulturkirche“ verwandeln könne. „Man könnte hier Lesungen und Vorträge etablieren.“ Bereits etliche Konzerte hätten dort stattgefunden, die Akustik sei sehr positiv bewertet worden.

„Aus Sicht der Musikschule sind alle Anliegen nachvollziehbar. Wir müssen zunächst schauen, was sich in den Gesprächen ergibt und was möglich ist“, sagt Kulturdezernent und Kämmerer Jörg Kratkey (SPD). Aktuell sei im Nachtragshaushalt 2019 die Verpflichtungsermächtigung für die Musikschule um 551 000 Euro auf 705 000 Euro erhöht worden. Was bedeutet das? „Damit können bereits Aufträge vergeben werden“, erläutert Kratkey. Konkret soll mit dem Geld unter anderem die Brandschutzsanierung und „Elektrifizierung“ finanziert werden, auch ist darin eine Anschubfinanzierung für einen Aufzug enthalten. Zu diesem seit langem diskutierten Thema werde es aber noch einen separaten Beschluss geben. Die angesprochenen Defizite wie Parkplatz und Treppe seien darin jedoch noch nicht enthalten. „Es wird ein Gesamtkonzept geben müssen“, so Kratkey.

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10. September 2019

Titanic

Aktionstag der Wetzlarer Musikschule (siehe 3. September), auf dem Schillerplatz spielt das Blasorchester Jetzt oder nie. Ich moderiere das Programm und spreche ein bisschen über die Stücke und ihre Komponisten, auch über das Orchester und seine Arbeit. Vor der Filmmusik zu Titanic erzähle ich etwas über Leo di Caprio und Kate Winslet, über die Produktionskosten des Films und natürlich über die Schiffskatastrophe selbst. In ungefähr vier Kilometern Tiefe liegt die Titanic seit nunmehr über hundert Jahren, sage ich und füge hinzu, dass man als Privatperson für 45.000 Euro hinuntertauchen kann, um das Wrack zu besichtigen. Zum Vergleich: Vor den Berliner Philharmonikern darf man für 10.000 Euro den Taktstock schwingen. Und dann, leichthin: „Gegen eine Spende von nur 500 Euro können Sie unser Orchester Jetzt oder nie dirigieren. Sie können uns natürlich auch nur die Spende zukommen lassen und auf das Dirigat verzichten.“

Am letzten Freitag haben wir einen Briefumschlag in der Post, ohne Absender. 500 Euro sind darin, in zehn nagelneuen 50er-Scheinen. Und ein einziger Satz: „Wegen des Dirigates komme ich vielleicht noch auf Sie zu.“

9. September 2019

Es werden nur die Flüchtlinge statistisch erfasst, die vor anderen Menschen auf der Flucht sind.
Daniel Mühlemann (*1959)

Alle Menschen, die zu uns flüchten, brauchen Hilfe und nicht unsere Meinung.
Andrea Mira Meneghin (*1967)

Ich weiß wohl, vor wem ich fliehen soll, aber nicht zu wem.
Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.)

7. September 2019

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Man versteht meist schon, dass das Richtige von gestern heute falsch sein kann, man vergisst aber zu gern, dass das Falsche von gestern heute nicht richtig sein muss.
André Brie

Wir können auch einfach unsere Sachen packen. Die Option aufs Wiederkommen geben wir ja damit nicht auf.

5. September 2019

Eine „sehr sympathische Rotzgöre“ sei sie, die Annalena Baerbock, meinte FDP-Vize Wolfgang Kubicki gestern bei Maischberger. Kubicki ist gerade heraus, direkt und vor allem Jurist. Er weiß sehr gut, wann er nur frech oder schon beleidigend ist. Die Geschichte mit dem weggeschnappten Taxi im Regen hat er erläuternd zum Besten gegeben, sicherheitshalber, obwohl das gar nicht nötig war. Die schöne Annalena dürfte ihn nur zu gut verstanden haben. Denn eigentlich ist „sehr sympathische Rotzgöre“ ein dezent parfümiertes, bewunderndes Kompliment, das die erotisierte Disposition des Urhebers nicht verhehlen will und seine Vulnerabilität verklausuliert bekennt. Das hat zweifellos etwas Gewinnendes, Nobles. Vielleicht ist die ganze Macho-Attitüde ja nur gespielt.

3. September 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 3. September 2019

Musikschule zeigt ihre Vielfalt

Von Heike Pöllmitz

WETZLAR – Die Wetzlarer Musikschule hatte am Wochenende im Rahmen des Brückenfestes einmal mehr zu ihren Aktionstagen eingeladen, die ihre Vielfalt zeigten und bestens ankamen.

Die Musikpädagogen Edgar Hobinka und Hugo Lotz, die den Verein 1957 gründeten, hätten sicher ihre helle Freude an dem bunten Treiben gehabt, ist die Einrichtung doch noch immer ein sehr lebendiger Teil der Stadt. Seit 1966 hat sie ihren Sitz am Schillerplatz, 35 Lehrkräfte unterrichten 1350 Schüler und 23 Spielkreise, Ensembles, Orchester und Chöre sorgen auch in der Region für eindrucksvolle Konzerte.

Um 10 Uhr startete das attraktive und abwechslungsreiche Programm mit den Jüngsten aus der Grundstufe, die im Konzertsaal unter dem Motto „Hurra der Zirkus kommt“ zeigten, dass sie zwar „klein, aber fein“ sind. „Zirkusdirektorin“ Gabriele Phifer konnte Clowns, Elefanten oder Zauberer für ein zirzensisches Erlebnis präsentieren.

Während anschließend innen Schnupperangebote, Präsentationen, offener Unterricht und ein Konzert auf große Resonanz stießen, hieß draußen Musikschulleiter Thomas Sander die Gäste vor der Bühne willkommen, die zum Bürger-Brunch der Bürgerstiftung gekommen waren und das musikalische Programm genossen – unter ihnen auch Oberbürgermeister Manfred Wagner.

Während drinnen Harfe, Klavier, Querflöte, Schlagzeug und Co. ausprobiert wurden und die Lehrkräfte fachkundig berieten, startete draußen Paul Pfeiffer mit dem Blasorchester „Jetzt oder nie!“ das Programm, bei dem der Fachbereich Gesang Stimmen präsentierte, das Ensemble „Clarinetwise“ ebenso begeisterte, wie das Erwachsenen-Percussion-Ensemble „Drum-A-Geddon“ und das „Lahn-Dill Jugendorchester“. Währenddessen konnten innen unter der Überschrift „Sing your Song/Arie“ mit den Gesangsfachkräften Lieder erarbeitet werden.

Am späten Nachmittag rockten die Nachwuchsbands der Rockwerkstatt den Schillerplatz und den Abend gestaltete die Band „Jobst und Gemüse“ in bester Manier. Am Sonntag ging es dann draußen mit der Tuxedo Drive-Bigband weiter und die „Lahn-Dill-Spätlese“ gab mit Schlagern, Oldies und Pop der 50er bis 70er Jahre dem Kartoffelfest einen klangstarken Rahmen.

Dezent nutzte die Musikschule den Rahmen mit großem Publikum als Mitglied des Verbandes deutscher Musikschulen für Kritik an der Förderung. „Seit Jahren werden die Zuschüsse des Landes eher gekürzt als angehoben und wir hier in Wetzlar sind noch in der glücklichen Lage durch die Stadt Wetzlar und den Lahn-Dill-Kreis unterstützt zu werden“, meinte Thomas Sander. „Wir sind zertifiziert und beschäftigen ausschließlich qualifiziertes Personal, was die Qualität unseres Unterrichtes ausmacht“, so Sander.

Mit chronischer Geldknappheit sei die Qualität allerdings nicht zu halten und landesweit werden Musikschullehrer immer öfter als freie Mitarbeiter beschäftigt, will heißen in den Ferien und bei Krankheit gibt es kein Geld. „Mit akademischem Abschluss an der Armutsgrenze leben – das rüttelt natürlich auch an der Existenz der VDM-Musikschulen.“ Deshalb hat der Verband jetzt eine Kampagne gestartet, mit der auf diesen Missstand hingewiesen wird, um Druck auf die Landesregierung auszuüben.

30. August 2019

Man vergisst vielleicht, wo man die Friedenspfeife vergraben hat. Aber man vergisst niemals, wo das Beil liegt.
Mark Twain (1835 – 1910)

31. August 2019

Bremse

Mietpreisbremse (Tabanus pretium redditum)

27. August 2019

Plakat Opernchöre 2019 (Konzert)

Nach fünfmonatiger Zeit des Übens und Einstudierens präsentiert der Projektchor der Wetzlarer Musikschule nun sein Abschlusskonzert. Chorsätze aus Opern von Henry Purcell und Jean-Philippe Rameau stehen auf dem Programm, das wir am Freitag, 20. September um 19.30 Uhr im Konzertsaal zur Aufführung bringen.

Wir werden die Chorsätze näher erläutern und durch die Wiederholung einzelner Passagen dem Publikum das Verstehen der Musik erleichtern. Der Projektchor wird von einem Streicherensemble plus Continuo begleitet. Ebenfalls mit dabei ist Sopranistin Simone Hild. Der Eintritt zum Konzert ist frei.

25. August 2019

Kirill Petrenko hat seine ersten Konzerte als Chef der Berliner Philharmoniker dirigiert. Auf dem Programm der Veranstaltungen in der Philharmonie und am Brandenburger Tor standen Bergs Lulu-Suite und Beethovens 9. Sinfonie. Auf ZEIT online schreibt Ulrich Amling über die Botschaft, die von der Wahl der Stücke ausgeht und bescheinigt Petrenko die „Suche nach tiefen Einsichten, nach einer Weite des Empfindens in der Musik“ und noch ein paar andere Sachen. Mit ihrem neuen Chef sei das Orchester jedenfalls nicht auf „allzu leichte Triumphe“ aus, was auch immer das besagen will.

Im Kommentarbereich vermutet dann ein Leser, dass Petrenko als Russe die berühmte „Freiheits-Sinfonie“ (!?) als Bekenntnis zur Demokratie und Botschaft an seine Heimat gewählt haben könnte. Deshalb würde er, der Leser, „vom Chef einer großen deutschen Kulturinstitution ein klares Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit und zum Klimaschutz“ erwarten. Es wäre deshalb schön, wenn die Philharmoniker auf Tourneen verzichten oder nur mit dem Zug reisen würden. „… und natürlich kein Fleisch mehr essen“, ergänze ich (das Verständnis von Ironie ist immer so eine Sache), woraufhin sich ein weiterer Forist zu Wort meldet: „Und keine Bögen mehr mit Rosshaar, da gibt’s doch bestimmt auch was aus Plastik. Oh, wait. Lederschuhe zum Frack ab sofort verbieten. Und Pianisten erst gar nicht mehr einladen, in deren Klimperkästen ist auch Leder drin (Methangasausstoß!). Und das von qualvoll gestorbenen Bäumen verarbeitete Holz wird teilweise auch noch mit Knochenleim bearbeitet, Frevel! Und weg mit Oboen, Klarinetten und Fagotten, deren Rohre nehmen den Rohrdommeln den Lebensraum weg. Sonst noch was?“

23. August 2019

Ob die nachfolgenden Dialoge zwischen Lady Astor und Winston Churchill original überliefert oder nur gut erfunden sind, ist ziemlich egal. Sie sind wirklich hübsch – und vor allem very british.

Churchill: „Having a woman in Parliament is like having one intrude on me in the bathroom.“
Lady Astor: „You’re not handsome enough to have such fears.“

Churchill: „What disguise should I wear to the masquerade ball?“
Lady Astor: „Why don’t you come sober, Prime Minister?“

Lady Astor: „If you were my husband, I’d poison your tea.”
Churchill: „Madam, if you were my wife, I’d drink it!“

22. August 2019

John Cage

Music is all you listen to with the intention of listening.
John Cage (1912 – 1992)

Ist das so? Dann gilt auch der Satz „Alles Hörbare ist Musik“, der Mauricio Kagel zugeschrieben wird. Wenn schon die Absicht zu hören ausreicht, um das zu Hörende als Musik zu bestimmen, dann liegt auch Kurt Hübner falsch, wenn er feststellt: „Die Musik gehört zwar zum Bereich des Hörbaren, aber nicht alles Hörbare ist Musik.“ So wie alle Chinesen Menschen sind, aber nicht alle Menschen Chinesen …

Es steht zu befürchten, dass auch Guido von Arezzo, dem wir die Solmisation und unser heutiges Notenliniensystem verdanken, da nicht weiterhelfen kann:

«Musicorum & cantorum magna est distantia,
Isti dicunt, illi sciunt, quae componit Musica.
Nam qui facit, quod non sapit, diffinitur bestia.»

«Zwischen musici und cantores ist ein grosser Unterschied.
Diese singen [nur], jene wissen [aber auch], was die musica anordnet.
Denn wer tut, was er nicht versteht, wird Tier genannt.»

20. August 2019

Heute ist in der BILD-Zeitung zu lesen, dass Ed Sheeran in Musik eine Sechs hatte. Es wäre gemein, würde man sagen, warum auch nicht, hat er doch mit Musik nichts zu tun. Für die Unwissenden: Ed Sheeran ist Brite, 28 Jahre alt und äußerst erfolgreicher Sänger und Songwriter. Seine Fans, so steht es bei yougov.de, sind weiblich, 18 – 24 Jahre alt, schauen gerne Filme und lieben Haustiere, besonders Katzen. Der Sheeran-Fan reist gerne und schätzt gute Arbeitsbedingungen im Job. Und er ist verträumt und unordentlich, also genau wie die Musik Sheerans. Gütiger Himmel! Prompt habe ich auf youtube „Nothing on you“ angehört – das mit der Sechs in Musik können wir nicht klären. Macht nichts. Für die Fans, das wissen wir ja nun, spielt Musik eh keine Rolle.

17. August 2019

Ich schenke Vertrauen, dann bin ich es los.
aus: Rolf Dobelli, Turbulenzen

16. August 2019

Sommer 2019 057

17.00 Uhr. Jetzt auf einen Sundowner ins Daktari. Das wäre schön …

14. August 2019

Herzlichen Glückwunsch, Dieter Mulch!

Mulchkanon Kopie

12. August 2019

Frankfurter Neue Presse, 07. August 2019

John FNP

11. August 2019

Unbedingt lesen, passend zum Thema, ZEIT online von heute: Ein Leben nach dem Internet. Jetzt. Von Anna Miller. Wirklich unbedingt lesen!

10. August 2019

Maren Urner, Kognitionsexpertin und Verfasserin des Buches Schluss mit dem täglichen Weltuntergang, kritisiert unseren Umgang mit ständig verfügbaren Informationen. Sie stellt fest, dass wir permanent Nachrichten per Handy, Tablet oder Computer abrufen. Dies, so ihre Analyse, führt zu chronischem Stress und damit zu einem negativen Weltbild. Unser Steinzeit-Gehirn, so Urner, reagiert mit Angst auf vermeintliche Bedrohungen, was durch selektive Wahrnehmung, etwa den Überschriften in den Medien – etwa 90 Prozent der User online lesen nur die Titelzeilen – noch verstärkt wird. Das Ergebnis sei ein Verhalten der „gelernten Hilflosigkeit“ mit dem Gefühl, man könne ja eh nichts tun. Das aber, so Urners Schlussfolgerung, sei ein Problem für die Demokratie.

Was also hält uns davon ab, nur einmal am Tag Nachrichten zu hören oder zu sehen? Haben wir wirklich Angst, etwas zu verpassen oder nicht auf dem Laufenden zu sein, wenn wir nicht jede Stunde aufs Handy, in den Videotext oder in den PC schauen? Weniger ist mehr, wie wir nur zu gut wissen. Kommen wir also zu uns, überprüfen wir unsere Gewohnheiten. Vielleicht trauen wir uns dann auch wieder mehr zu.

6. August 2019

Aufs Geld einnehmen muß alle Bemühung gehen, und aller Bedacht aufs wenig ausgeben, so viel es möglich ist; sonst kann man nicht mit Ehre reisen; ja sonst bleibt man gar sitzen, und setzt sich in Schulden.
Vater Leopold an seinen Sohn Wolfgang Amadeus Mozart, 15.10.1777

seyen sie versichert, daß ich mein absehen nur habe, so viel möglich geld zu gewinnen; denn das ist nach der gesundheit das beste … (4.4.1781)
Mein Wunsch, und meine hoffnung ist, mir Ehre, Ruhm und Geld zu machen. (16.5.1781)
Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater Leopold

Diesen Dialog habe ich gefunden, als mir beim Aufräumen Karla Fohrbecks Renaissance der Mäzene (DuMont, Köln 1989) in die Hände fiel. In ihrem Werk zur „Interessenvielfalt in der privaten Kulturfinanzierung“ schreibt sie bereits in der Einleitung, dass die Vorstellung abwegig sei, Künstler, Kulturmanager und Politiker bräuchten gegenüber „Mäzenen“, welche „freies“ privates Geld für öffentliche Zwecke gäben, als interesseloses Wohlgefallen, nur bitte, bitte zu sagen und die Hand aufzuhalten. So war es nie, schreibt sie, und wahrscheinlich könne man über diese Form des Mäzenatentums kein dickes Buch schreiben, vielleicht ein kleines Heftchen. Und dann: Kulturelle Werte und Aktivitäten werden – wie aus anderen „Renaissancen“ vertraut – als Gestaltvorstellungen und (Über-)Lebensmittel vielleicht nicht mehr „patroniert“, dafür aber, einfach oder kompliziert, „gebraucht“: als res publica. Wie wahr!

Die persönliche Begegnung mit Karla Fohrbeck war damals, 2002 im Rahmen meiner Fortbildung im Kulturmanagement an der VWA Dresden, sehr beeindruckend. Sie hat uns Studierenden viele nützliche Tipps und Ratschläge gegeben und dabei mit Beispielen aus ihrer eigenen Tätigkeit aufgewartet, vor allem aus ihrer Zeit als Schul- und Kulturreferentin in Nürnberg. „Vernetzen Sie sich“, daran erinnere ich mich, „und laden Sie alle Leute, die Sie über Ihr berufliches Umfeld kennen, zu sich nach Hause ein. Dann gehen Sie in den Garten und spielen ‚Mensch, ärgere dich nicht‘. Sorgen Sie dafür, dass alle miteinander ins Gespräch kommen. Und knüpfen Sie dieses Netz immer weiter.“

4. August 2019

„Ich finde, Sehnsucht ist nichts Schlechtes, sondern etwas sehr Schönes. Die wichtigsten Fragen im Leben kommen doch aus der Sehnsucht, oder? Ich wollte immer die richtigen Fragen stellen und die Antworten aushalten. Und jetzt weiß ich nicht mehr weiter.“
aus: Ein Wochenende im August. Esther Gronenborn. D 2019. Mit Nadja Uhl, Carlo Ljubek u. a.

1. August 2019

Die Bayreuther Festspiele können in diesem Jahr mit vier charismatischen Dirigenten aufwarten: Christian Thielemann, Valery Gergiev, Semyon Bychkov und Philippe Jordan stehen am Pult des Festspielhügels und leiten Lohengrin, Tannhäuser, Parsifal, Die Meistersinger von Nürnberg und Tristan und Isolde. Wie immer, so streiten auch in diesem Jahr Publikum und Kritik über alte wie neue Inszenierungen. Die musikalischen Leistungen werden in den Medien zumeist positiv beurteilt. Über boulevardeske Berichte zur Anwesenheit von Premierenprominenz lesen wir ermüdet hinweg. Zur nach wie vor elitären, obszönen Preisgestaltung des Spektakels und somit zur Aussperrung ganzer gesellschaftlicher Schichten äußert sich leider so gut wie niemand mehr.

30. Juli 2019

Sich zu entspannen ist besser, als beschäftigt zu sein.
Baltasar Gracián (1601- 1658)

Im Internet schreibt jemand über das Eis im Cacao Ljubljana: „Eine wahre Geschmacksexplosion! Ich habe noch nie zuvor ein so grandioses Eis gegessen.“ Genau, somit muss ich das hier nicht wiederholen. Die Rede ist von der Sorte „Dunkle Schokolade mit gefrorenen Himbeeren“. Dieses Eis alleine ist ein Grund, nochmal nach Ljubljana zu fahren. Die Stadt selbst ist überschaubar, fast familiär, unaufgeregt, sympathisch. Die vielen Cafés und Restaurants am Fluss sorgen für mediterranes Flair, in kleineren Seitenstraßen und Gassen finden sich zahlreiche Oasen der Ruhe. Viele Grünflächen, Kirchen, Brücken, Museen, Veranstaltungen. Besonders schön: Der Innenhof der Križanke. Die Einwohner und auch zahlreiche Besucher sagen, Ljubljana sei eine Stadt „nach Maß des Menschen“. Das trifft es ziemlich gut.

Sommer 2019 067

Triest ist etwas ganz anderes. Großzügig, weitläufig, repräsentativ. Überall ist die alte Grandezza zu spüren, eine große, versunkene Zeit. Und gleichzeitig ist ein neues, multikulturelles Leben zu spüren, sehr individuell, mit einer Mixtur aus alten Traditionen und neuen Wegen und Angeboten. Der Ton ist geschäftig, lebendig, trotzdem entspannt, die Stadt lärmt fast nie. Triest ist die unbekannte Schöne. Die meisten Touristen oder Urlauber fahren an ihr vorbei, was erstaunlich ist. Denn die Stadt hat viel zu bieten und ist darüber hinaus ausgesprochen italienisch, trotz jahrhundertelanger habsburgischer, österreichischer, jugoslawischer und weiterer Einflüsse. Und Triest liegt am Meer – für Freunde von Fischrestaurants ein Paradies! Tipp: Di Napoli (der Chef kommt aus Neapel), Via Diaz 10. Es gibt auch Pizza, Pasta und anderes, doch die fritto misto di pesce, nur mit Zitrone und Petersilie, sind unschlagbar.

Sommer 2019 072

Zum Abschluss nach Bayern: Grainau, das Zugspitzdorf. Zwei Naturerlebnisse prägen diesen Aufenthalt – ein Spaziergang um den Eibsee mit herrlichen Panoramen, und das Durchschreiten der Höllentalklamm. Auch bei nur mäßiger Kondition, la dolce vita lässt grüßen, sind diese Wanderungen gut zu schaffen. Leichter allerdings ist ein Stadtbummel in Garmisch-Partenkirchen mit kleinem Spaziergang entlang der Loisach. Das Wohnhaus von Richard Strauss in der Zoeppritzstraße 42 ist leider nur von außen zu sehen. Ein besonderes Gefühl überkommt mich beim Hinschauen trotzdem.

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Pause bis zum 29. Juli 2019

6. Juli 2019

Fisch mit Kartoffeln im Backofen

Fisch (Kabeljau, Rotbarsch, oder auch Kalmare) und geschälte Kartoffeln in Scheiben schneiden und abwechselnd in eine Backform geben. Knoblauch und Petersilie hinzufügen, salzen und pfeffern. Alles mit etwas Weißwein, Olivenöl und Zitronensaft beträufeln. Ca. 45 Minuten bei 175° im Backofen garen lassen. Dazu passen Romana-Salat, auch Datteltomaten, und eine Flasche Sauvignon blanc.

5. Juli 2019

… und jetzt warnt Annegret Kramp-Karrenbauer die SPD davor, Frau von der Leyen als EU-Kommissionschefin die Stimme zu verweigern, weil sie, die SPD, damit „möglicherweise eine Verfassungskrise in Europa riskieren“ würde. Es ist also eine Verfassungskrise, wenn bei Abstimmungen nicht das gewünschte Ergebnis herauskommt!? Nein, wenn die Freiheit des Mandates nicht mehr gegeben wäre, könnten wir von einer Verfassungskrise sprechen! Bei so einem Demokratieverständnis können wir nur befinden, dass Frau Kramp-Karrenbauer in keiner guten Verfassung ist, und dass ihre Krise schon länger andauert.

4. Juli 2019

Wenn man sich etwas hätte ausdenken wollen, was die Demokratieverdrossenheit und die Politikverdrossenheit in Europa noch steigert, dann hätte man sich genau das ausdenken müssen, was jetzt geschehen ist. Der Schaden ist groß und die Folgen sind noch gar nicht absehbar.
Günter Verheugen (SPD), ehemaliger Vizepräsident der EU-Kommission und EU-Erweiterungskommissar, zu den jüngsten Personalentscheidungen des EU-Rats

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Foto: Piotr Drabik

3. Juli 2019

Schon ein bisschen Vorfreude auf den Urlaub, der nächste Woche beginnt. Zunächst geht es für vier Tage nach Schladming/Österreich, wo ich u. a. die Mid EUROPE, eines der größten Blasmusik-Festivals in Europa besuchen werde. Es ist zu gewissen Teilen ein dienstlicher Besuch, mit ein paar Repräsentationspflichten und einem kleinen offiziellen Besuchsprogramm. Danach beginnt der eigentliche Urlaub. Es geht in zwei „Kaffeestädte“, in denen ich noch nie war, und in denen es natürlich nicht nur Cafés gibt (aber davon viele, und sehr schöne noch dazu). Zunächst nach Ljubljana/Slowenien, anschließend für eine Woche nach Triest/Italien. Nachdem ich vor Jahren mit Begeisterung Bücher von Italo Svevo gelesen hatte, war Triest immer auf dem Reisewunschzettel – jetzt endlich ist es soweit. Eine Freundin war kürzlich dort und hat sehr angetan von einem Schmelztiegel erzählt, wo sich verschiedene Nationalitäten, Kulturen und Lebensstile treffen. Italiener, Kroaten, Slowenen, Deutsche, Österreicher, Ungarn – sie und viele andere treffen sich hier, tauschen sich aus, lernen einander kennen. Von „Trieste triste“ kann keine Rede sein. Im Gegenteil, es gilt das Lebensmotto der Triestiner: „Sempre allegri, mai passion, viva là e po bon“ (Immer fröhlich, nie leiden, hier leben und den Rest vergessen). Kürzlich habe ich irgendwo gelesen, dass wir manchmal einfach das tun sollten, was uns glücklich macht und nicht das, was vielleicht am besten ist. Com’è vero!

1. Juli 2019

Unter dem Titel „TV-Kritik zu Markus Lanz: Niveaumäßig auf Grasnarben-Höhe“ veröffentlichte die Frankfurter Rundschau vor ein paar Tagen einen bemerkenswert treffsicheren Kommentar von Daland Segler. Lanz sei „ein Moderator, der nicht moderiert, sondern Fragen abschießt, der in seiner typischen Haltung, ganz vorne auf der Stuhlkante sitzend, als wolle er sich auf das Gegenüber stürzen (und so seine Nervosität und Überforderung zeigt) fast nie schafft, seine Gäste ausreden zu lassen und dann irgendwann sagt: ,Lasst uns diese Schärfe rausnehmen‘ – die er selbst hineingebracht hat in das Gespräch.“ Segler kommt zu dem Schluss, dass solch ein Mann „nie und nimmer eine Talkshow leiten“ dürfte und wundert sich, dass Lanz das „trotz seiner offensichtlichen Unfähigkeit“ immer noch tut.

Zu der besagten Sendung mit dem Grünen-Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck hatte Lanz sich zum wiederholten Mal einen Adlatus eingeladen, diesmal Wolfram Weimer, den ehemaligen Chef von Focus und Cicero. Die Stoßrichtung der Gesprächsführung war damit klar. Segler spricht Klartext: „Die Einwürfe von Lanz und Weimer, diesen beiden Möchtegern-Inquisitoren, gingen generell von längst widerlegten Vorurteilen aus. […] Wenn es noch einen Beleg dafür gebraucht hätte, dass politische Inhalte in Talkshows nicht seriös verhandelt werden können: Diese Sendung war der Beweis.“ Schon lange nicht mehr hat mir ein Kommentar derart aus der Seele gesprochen.

29. Juni 2019

Everyone probably thinks that I’m a raving nymphomaniac, that I have an insatiable sexual appetite, when the truth is I’d rather read a book.
Madonna

27. Juni 2019

Richard Tuff, Harbour Boats

Wieder stieg ein unbestimmtes Gefühl von Frustration und Sehnsucht in mir auf bei dem Gedanken, dass ich das falsche Leben führte.
Ian McEwan, Sweet Tooth

25. Juni 2019

Im Ruhrgebiet war, jedenfalls damals, als ich anfing nach Mädchen zu schauen, „Schickse“ eine ganz normale Bezeichnung für ein junges Mädchen. Schickse war in unserem Sprachgebrauch nicht abfällig oder geringschätzig, sondern höchstens augenzwinkernd, hier und da sogar anerkennend gemeint. Schicksen waren meistens attraktiv, selbstbewusst und zuweilen etwas ungezogen, was sie besonders begehrenswert machte. Ich habe mir über die ursprüngliche Bedeutung des Wortes lange keine Gedanken gemacht. Später habe ich gelernt, dass Schickse aus dem jiddischen „schickzo“ abgeleitet ist und übersetzt „das nicht-jüdische Mädchen“ heißt. Tatsächlich wurde in der Gaunersprache die Bedeutung ausgeweitet auf Dienstpersonal und Flittchen. Das Wort wurde später nur noch abwertend, pejorativ benutzt – wie schade.

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Vor ein paar Tagen habe ich in einer amerikanischen TV-Komödie einen Dialog gehört, in dem hieß, auf der Party seien „heiße Chicks“. Also Küken, will heißen Mädchen, wahrscheinlich Schicksen. Der ähnliche Klang der Wörter „Chicks“ und „Schickse“ ließ mich noch einmal nach gemeinsamen etymologischen Wurzeln stöbern. Doch Fehlanzeige – Chicks haben mit Schicksen nichts zu tun, jedenfalls nicht in Bezug auf die sprachliche Herkunft und Geschichte der Bezeichnungen.

23. Juni 2019

Schöne Nachrichten: Die Opéra de Lille zeigt im Oktober The Indian Queen von Henry Purcell. An insgesamt fünf Terminen (5., 8., 9. 11. und 12. Oktober 2019) kommt das selten gespielte Werk zur Aufführung. Regie führt Guy Cassiers, die musikalische Leitung hat Emmanuelle Haïm. Die Produktion erweitert die übliche Faktur einer Semi-Oper über Musik, Schauspiel und Tanz hinaus mit Video-Sequenzen. Karten kosten zwischen 5 und 72 €. Nähere Informationen unter www.opera-lille.fr

Lille, The Indian Queen

21. Juni 2019

Ich stehe mit der Sonne auf und fahre morgens mit meinem Boot raus zum angeln. Ich sehe, wie die Seeadler neben mir ins Wasser tauchen, das ist der totale Flash. Angeln ist für mich wie meine Ersatzdroge. Hätte jeder einen Angelschein, ginge es allen besser. In der Anglerszene trifft man häufig total fertige Typen, die darin ihren Anker gefunden haben. Das rettet uns den Arsch.
Marteria, Rapper

20. Juni 2019

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Wenn ich auf mein Unglück trete, dann stehe ich höher.
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

19. Juni 2019

Leute, die zu spät ins Theater kommen, sollte man erschießen. Ist nicht von mir, sondern von Woody Allen. Nun, dass manche Leute ärgerlicherweise glauben, sie könnten bei Konzertbesuchen kommen und gehen, wann sie wollen, ist hinlänglich bekannt. Der rechtliche Rahmen widerspricht dem Anspruch auf Einlass nach Vorstellungsbeginn. So müssen also Zuspätkommende im Foyer warten, im für sie schlechtesten Fall bis zur Pause. Dies wird von Theater zu Theater zwar unterschiedlich gehandhabt, doch das ist eine andere Frage.

Was ist mit denen, die vor Ende der Vorstellung gehen wollen? Dürfen die so einfach mitten im Monolog oder während des Duettes aufstehen und gehen? Das Recht erlaubt es ihnen, und Akteure, Publikum und Veranstalter sind gezwungen, ihnen dabei hilflos zuzusehen. Es spielt keine Rolle, ob die Zufrühgeher noch den Zug erwischen wollen, zur Toilette müssen, oder ob ihnen das Stück nicht gefällt. Der Veranstalter kann Theater- und Konzertbesucher nicht zum Bleiben zwingen. Er kann höchstens um Rücksichtnahme bitten und hoffen, dass der vorzeitige Aufbruch während des Beifalls, zwischen den Sätzen oder bestenfalls in der Pause erfolgt.

Wir haben in der Musikschule – früh übt sich, was ein Meister werden will, auch in Benimmfragen – per Aushang die Bitte formuliert, den Konzertsaal bei laufenden Veranstaltungen nur während des Beifalls zu betreten, wenn man denn schon zu spät kommt. Gestern nun betritt eine Mutter mit einem Kleinkind, das gerade ein Eis bekommen hat, zu den Klängen von Schuberts Ges-Dur Impromptu den Saal – ohne schlechtes Gewissen, dafür mit Eis! Ist Benehmen wirklich Glücksache? Oder die fünfköpfige Familie, die bei Bachs Goldberg-Variationen für Cembalo in der ersten Reihe sitzt und plötzlich, inmitten der siebzehnten Variation, aufsteht und durch den Mittelgang den Saal verlässt. Schon mal was von Konzert-Knigge, von Respekt gegenüber dem Künstler, dem Publikum und dem Werk gehört? Ein Konzertsaal ist ein öffentlicher Raum, in dem andere Regeln gelten als im heimischen Wohnzimmer! „Wann darf ich klatschen?“ – so einen Kurs hatten wir schon. „Wann darf ich kommen und gehen?“ – wollen wir über solch eine Unterweisung wirklich nachdenken, und sei es aus Notwehr?

17. Juni 2019

Träume, wissen Sie, sind das, woraus man erwacht.
Raymond Carver, Das Zaumzeug

16. Juni 2019

Es war eine durchaus gelungene Aufführung von King Arthur, die ich im Würzburger Mainfranken Theater erlebt habe. Der Abend bot eine fantasievoll inszenierte, spartenübergreifende Erzählung mit Musikern, Tänzern und Schauspielern. Das Zusammenwirken gelang gut, wenngleich musikalisch ein paar Abstriche zu machen sind. Es ist das Problem eines jeden Mittelklasse-Theaters, dass es zumeist auf hauseigene Kräfte zurückgreifen muss, auch wenn sich der Spielplan auf sehr spezielle und wenig ausgetretene Pfade begibt. Anders gesagt: Für die Musik Purcells, die ihre eigene barocke Rhetorik aufweist, können im Grunde nur in dieser Sparte geschulte Sängerinnen und Sänger zum Einsatz kommen. Und hier boten vor allem die solistischen Männerstimmen nicht das, was zu einer sensiblen und feinnervigen Gestaltung vonnöten gewesen wäre. Aus dem Orchestergraben kamen obendrein immer wieder sehr sportliche Tempi (vor allem im „song of cold people“), so dass eine wirklich berührende Musik zu selten erklang. So waren die Schauspieler und Tänzer in der Summe die stärkeren Akteure, worauf ich gerade bei einer Semi-Oper gerne und anerkennend hinweise. Den Höhepunkt des Abends gab es schon vor Beginn der Aufführung, nämlich die in freier Rede gehaltene und kenntnisreich wie sympathisch vorgetragene Einführung von Dramaturgin Katharina Nay.

13. Juni 2019

Morgen geht es für ein kurzes Wochenende nach Würzburg. Ich werde im Mainfranken Theater King Arthur von Henry Purcell sehen. Es ist eine sogenannte Semi-Oper, eine spezielle Form der englischen Barockoper mit Gesang, Tanz, Instrumentalmusik und Sprechtheater. Die regionale Presse zeigt sich von der Produktion sehr angetan. Das Main-Echo schreibt: „So kurzweilig, so märchenhaft und fantastisch, letztlich auch so modern erlebt man Musiktheater des 17. Jahrhunderts selten.“ Und die Main-Post hat „schönstes Barockspektakel“ erlebt. Ich bin sehr gespannt, doch nicht allein auf das Stück. Es ist mein erster Besuch in Würzburg. Vielleicht klappt es mit einem Besuch in der Residenz. Und wenn nicht – es gibt Weinstuben, Weinkeller und Weingüter.

Würzburg Residenz

12. Juni 2019

Ich habe einfach das Gefühl, dass wir heutzutage auf so viele Dinge schauen, auf die wir in der Vergangenheit vielleicht nicht geschaut haben, weil niemand viel Aufhebens darum gemacht hat. […] Das ist nicht der Sport, in den ich mich verliebt habe.
Sebastian Vettel, viermaliger Formel 1-Weltmeister

Nun komme ich nicht von der Formel 1, war nicht einmal Weltmeister, habe Sport nie professionell betrieben. Gut, ich bin geprüfter DFB-Schiedsrichter und habe ein paar Jahre lang in Kreis- und Bezirksligen Spiele gepfiffen. Aber das war reines Hobby, insofern lässt sich das nicht vergleichen. Trotzdem stimme ich der oben zitierten Aussage voll und ganz zu. Wir leben in Zeiten zahlloser Live-Übertragungen, Aufzeichnungen, Vor- und Nachberichten, Analysen, Interviews, Features, Diskussionsrunden und vielem mehr. Allmählich beginne ich, das mediale Spektakel als absurdes Theater zu begreifen, das zuweilen auch Erheiterndes bietet. So sagte der frühere Bremer Mirko Arnautovic, nachdem die österreichische Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation 4:1 gegen Nordmazedonien gewonnen hatte: „Wir waren klar überlegen. Ich glaube, es kann achtstellig, neunstellig ausgehen.“

10. Juni 2019

Spiele das Spiel. Gefährde die Arbeit noch mehr. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts. Sei weich und stark. Sei schlau, lass dich ein und verachte den Sieg. Beobachte nicht, prüfe nicht, sondern bleib geistesgegenwärtig bereit für die Zeichen. Sei erschütterbar. Zeig deine Augen, wink die anderen ins Tiefe, sorge für den Raum und betrachte einen jeden in seinem Bild. Entscheide nur begeistert. Scheitere ruhig. Vor allem hab Zeit und nimm Umwege. Lass dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub. Überhör keinen Baum und kein Wasser. Vergiss die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen, weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama, missachte das Unglück, zerlach den Konflikt. Bewege Dich in deinen Eigenfarben, bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süß wird. Geh über die Dörfer. Ich komme dir nach.
Peter Handke, aus „Über die Dörfer“

9. Juni 2019

Heute vor neunzig Jahren, so habe ich im Deutschlandfunk gelernt, fand zum ersten Mal das Hamburger Hafenkonzert statt. Der damalige Intendant Hans Bodenstedt wollte „etwas ganz Neues, eine Sendung, die nach Teer und Tang riecht, eine Sendung, in der die See zu den Hörern spricht, die See und die Männer, die sich ihr verschrieben haben.“ Der damals zuständige Redakteur Kurt Esmarch bestand darauf, dass das Konzert von einem Schiff aus zu senden sei. Zu Beginn spielte das Altonaer Sinfonieorchester an Bord der „Antonio Delfino“ die Ouvertüre zu „Die lustigen Weiber von Windsor“. Doch die primitiven Detektorradios konnten die Geigen nur schlecht übertragen, so dass bei den folgenden Konzerten kräftige Blasmusik gespielt wurde. Bis in die 1950er-Jahre übrigens ohne Frauen, weil, wie jeder Seemann weiß, Frauen an Bord Unglück bringen.

8. Juni 2019

Pinsel mit Palette und Farbtuben_8

Ich habe vergessen zu erzählen, dass ich in Písek Schnürsenkel gekauft habe, jeweils mit 70 cm Länge und in den Farben grau, blau und gelb. Die Verkäuferin bezeichnete die Farbe des letzten Paares allerdings als „mustard“, demzufolge das graue Paar vielleicht beton oder schiefer ist, wenn nicht rauch oder asche. Dem blauen Paar würde die Verkäuferin, oder sagen wir besser der Sales Advisor, wahrscheinlich die Farbe navy, vielleicht auch ocean zuschreiben. Die Farben meiner neuen Schnürsenkel sind möglicherweise auch zement, aquamarin und safran. Oder maus, tinte und eiter, wer will das schon so genau wissen.

7. Juni 2019

Bis nachts um 1.00 Uhr habe ich gestern in der Mediathek Das Verschwinden angeschaut, ein mehrteiliges – ja, was eigentlich, Familien- oder Sozialdrama, eine Dealer-Junkie-Geschichte, eine Generationenkonflikterzählung, ein Krimi? Regisseur Hans-Christian Schmid hat jedenfalls einen sehenswerten Film über Lügen, Erwartungen, Enttäuschungen und Verzweiflungen gedreht, die altersunabhängig den jeweiligen Kosmos ihrer Protagonisten erfassen und die Begrenztheiten ihrer Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Neben vielem, was die unterschiedlichen Erzählstränge abbilden, geht es auch um eine desillusionierte, nüchterne Analyse lebensperspektivischer Verengungen und Hilflosigkeiten. „Die Eltern“, sagt Schmid, „sind hier mit ihren eigenen Lebensentwürfen oder ihren eigenen Lügen so beschäftigt, dass sie keine Zeit haben, sich intensiv mit dem zu beschäftigen, was ihre Kinder bewegt.“

Das Verschwinden, D/CZ 2017; R.: Hans-Christian Schmid; Julia Jentsch, Nina Kunzendorf, Johanna Ingelfinger, Godehard Giese, Martin Feifel u. a.

5. Juni 2019

Romantik war immer Verklärung, Träumerei und Ausschweifung. Eigentlich wär’s mal wieder Zeit für ein romantisches Zeitalter. Mir würde das gefallen. Unsere Gegenwart strotzt vor Nüchternheit, Fitness und Effektivitätshascherei. Jede noch so kleine Problemstellung wird aufgebauscht bis zum grandiosen Scheitern durch Unbeherrschbarkeit.
Lars Reichow in seinem Text zum Programm „LUST – Musikalisch-Kabarettistisches rund um ein reinmenschliches Gefühl“

3. Juni 2019

Zurück aus einem viertägigen Kurzurlaub im böhmischen Písek. Ich war bisher schon acht- oder zehnmal in dieser hübschen Stadt zu Gast, und aufgrund der guten Kontakte zu städtischen Einrichtungen und Kulturbetrieben wurde es am Ende ein halber Arbeitsbesuch. Ich habe ein Musical-Schulprojekt miterlebt, die neuen Räumlichkeiten von Stadtbibliothek und Musikschule angeschaut und die ZUŠ Open in České Budějovice (Budweis) besucht. Das Netzwerk wird von der Magdalena Kožená Stiftung gefördert und bietet zahlreichen Schulen in den Bereichen Musik, Ballett, Drama und Darstellende Kunst in Konzerten, Workshops etc. die Möglichkeit, ihr Können öffentlichkeitswirksam zu zeigen. Magdalena Kožená war beim Abschluss der Veranstaltung persönlich anwesend und trat gemeinsam mit einem Projektchor auf.

Wie gesagt, eigentlich wollte ich nur ein paar Tage ausspannen. Tschechien ist für seine gute Küche bekannt und braut darüber hinaus die besten Biere der Welt. Es ist leicht und gefährlich, den mannigfachen Verführungen zu erliegen und sich den omnipräsenten Genüssen bedenkenlos hinzugeben. Insofern bieten zahlreiche Wanderwege mit sehenswerten Burgen, Schlössern etc. gute Möglichkeiten, zugeführte Kalorien wieder abzuarbeiten. Alternativ bestellt man reuelos ein zweites Stück von der sensationellen Schokoladentorte mit Johannisbeeren. Rollo & Café cukrárna kavárna, Krajinska 10, České Budějovice.

27. Mai 2019

Logo Oper Frankfurt

Alles was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe.
Elias Canetti, Die Provinz des Menschen: Aufzeichnungen 1942 – 1972
aus dem Programmheft zu Händel, „Rodelinda“

Grandiose Vorstellung, szenisch wie musikalisch. Wer noch nicht da war: unbedingt hingehen! Letzte Möglichkeiten in dieser Spielzeit: Do, 30.05., Sa, 01.06., Sa, 08.06.

25. Mai 2019

Heute Abend geht es mit zusammen mit 25 Opernbegeisterten nach Frankfurt, wo wir Rodelinda von Händel sehen werden. Über drei Stunden lang befasst sich das Stück mit Gattenliebe und -treue bis zum lieto fine. Für alle Affekte ist Platz und Raum – Verzweiflung, Hoffnung, Liebe, Rache, Großmut und vieles mehr. Händel bedient sich zum Teil bei eigenen Werken, z. B. verarbeitet er im Vorspiel zum 3. Akt eine Passage aus seinem Concerto grosso g-Moll. Am Schluss bereut der Bösewicht seine Tat, gibt dem Rivalen Frau und Königreich zurück und darf obendrein am Leben bleiben. Also Machtspiele und Liebesintrigen, ein bisschen wie um 20.15 Uhr im ZDF, nur länger und mit schönerer Musik. Regie führt Claus Guth, es singen u. a. Lucy Crowe und Andreas Scholl. Die musikalische Leitung hat Andrea Marcon.

23. Mai 2019

Die Oper Frankfurt, die im letzten Jahr erneut von der Zeitschrift Opernwelt als Opernhaus des Jahres ausgezeichnet wurde, hat ihren Spielplan für die kommende Saison veröffentlicht. Neben zahlreichen Wiederaufnahmen dürfen wir uns auf eine Reihe spannender Premieren freuen, u. a. Lady Macbeth von Mzensk von Schostakowitsch, Tamerlano von Händel, Manon Lescaut von Puccini, Tristan und Isolde von Wagner, Salome von Strauss und Der Prinz von Homburg von Henze. Die Aufzählung ist nicht komplett, zeigt aber die gewohnte große stilistische Bandbreite. Traditionell ist das Programm der Frankfurter Oper sehr innovativ und qualitativ hochwertig, so auch diesmal. Anders gesagt: Es wird teuer, aber schön!

22. Mai 2019

Wenn Spieler wegrutschen, da bin ich kein Freund von. Wenn man die wunderbare Möglichkeit hat ein Tor zu erzielen, dann muss man stehen.
Steffen Freund, Fußball-Experte

19. Mai 2019

Lukas Foss
Lukas Foss (1960)

Nochmal zurück zu Bella Figura. Für die Produktion wurden ausschließlich Werke des Barocks ausgewählt, und zwar Stücke von Pergolesi, Marcello, Vivaldi und Torelli. Die Entdeckung ist gleichwohl Lukas Foss (1922 – 2009), der in Berlin als Lukas Fuchs zur Welt kam und 1933 mit seiner Familie aus Deutschland emigrieren musste. Er studierte zunächst in Paris, später dann in den USA u. a. bei Sergei Kussewitzky, bei dem auch Leonard Bernstein studierte, und bei Paul Hindemith. Lukas Foss war später Professor an den Universitäten von Los Angeles und Boston, Leiter der Sinfonieorchester in Milwaukee, Buffalo und Jerusalem. Er komponierte Opern, Sinfonien, Ballette, Kammermusik, Kantaten und Lieder. In Bella Figura erklingt das Lento aus seiner Salomon Rossi Suite, ein im barocken Stil komponiertes Werk. Der Lento-Satz ist sehr elegisch und von äußerst berührender Wirkung.

That is why the analogy of stealing does not work. With a thief, we want to know how much money he or she stole, and from whom? With the artist it is not how much he or she took from whom, but what the artist did with it.
Lukas Foss

17. Mai 2019

Martha Holmes, Lemons in the Studio

Martha Holmes, Lemons in the Studio

16. Mai 2019

21.15 Uhr. Ich bin seit über eine Stunde zu Hause und habe immer noch den Anfang von Pergolesis Stabat Mater im Ohr. Im Publikumsjoker haben wir Bella Figura von Jiří Kylián gesehen und miteinander gebannt erlebt, wie perfekt Musik und Bewegung eine Einheit bilden können, und wie eine solche Entdeckung wie Bella Figura uns geradezu überwältigt. Kursteilnehmer, die perplex und sprachlos nach Hause gehen – was gibt es Schöneres? Bella Figura ist nun auch mit das Beste, was es im Bereich des Modernen Tanztheaters gibt, so dass es ganz normal ist, wenn einem da schlicht die Worte fehlen.

Ballette Kylián

14. Mai 2019

Warum geht jemand in die Oper? Zum Beispiel, weil er dieses Plakat gesehen hat.

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Verdi, Macbeth. Opera Vlaanderen, Gent. November 2019

13. Mai 2019

Wären unsere Karrieren damals durch Social Media begleitet worden, hätten wir sie nicht zu Ende spielen können.
Günter Netzer

12. Mai 2019

Es ist über all die letzten Jahre, wann genau es angefangen hat, könnte ich gar nicht sagen, immer schwieriger geworden, sich in der medialen Mixtur von Berichterstattung, Information, Diskussion, Kommentaren etc. zurechtzufinden. Wer sagt eigentlich was und warum? Wann handelt es sich um die Übermittlung von Nachrichten, wann ist es Meinungsmache? Wir werden, wie heißt es so schön, „infotaint“ und haben immer mehr Mühe, die unsere Meinung beeinflussenden Faktoren herauszufiltern. Welche Nachrichten werden auf welche Weise aufbereitet, welche Rolle kommt z. B. den Moderatoren dabei zu? Dürfen Nachrichten mit bewertendem Unterton vorgetragen bzw. verkauft werden?

Kürzlich hat Reinhard Mey den Niveauverlust der samstäglichen Abendunterhaltung im Fernsehen beklagt, völlig zurecht. Er hätte auch gut die übrigen Wochentage heranziehen können, an Belegen hätte es nicht gemangelt. Wir müssen wählen zwischen diversen Rate- und Quizsendungen, natürlich im XXL-Format, können zwischen dauerschleifenden Comedy-Serien und Mord-und-Totschlag-Folgen entscheiden, und vielleicht werden wir, wenn wir das alles geschafft haben, mit einem Live-Boxkampf belohnt. Wir können Sky oder Netflix abonnieren, jetzt zum Sonderpreis, können Videotext lesen, Apps herunterladen, News kompakt sehen. Die Eishockey-WM wird präsentiert von Škoda.

So ist es Zeit für etwas ganz anderes, und damit sind nicht nur Bücher und Spaziergänge gemeint. Der Mediziner und Molekularbiologe Jens Reich hat schon vor Jahren gesagt, er befände sich in einem Gemütszustand „heiterer Resignation“, was nur vordergründig amüsiert. Cem Özdemir hat kürzlich gemeint, man müsse sich Sisyphus als heiteren Menschen vorstellen. Trösten wir uns mit Joseph Victor von Scheffel (1826 – 1886): „Gelinder Blödsinn ist dann und wann eine neidenswerte Mitgift fürs Leben: was andere schwarz schauen, scheint ihm blau oder grün, zickzackig ist sein Pfad; aber von den Schlangen, die im Gras lauern, merkt er nichts, und über den Abgrund, in den der weise Mann regelrecht hineinstürzt, stolpert er hinüber sonder Ahnung von Gefahr.“

10. Mai 2019

Andrew Tozer, Sparkling Light and Tall Ships

Andrew Tozer, Sparkling Light and Tall Ships

7. Mai 2019

Kürzlich war in der WELT ein Artikel mit dem Aufmacher „Abschied vom Maestro“ zu lesen. Autor Manuel Brug verbreitet sich darin in einem um Süffigkeit bemühten Tonfall über Dirigenten, genauer gesagt über deren Rolle und Selbstverständnis. Seit Daniel Harding nicht mehr „mit Maseratis einiges kompensierte“, sondern nun auch große Verkehrsmaschinen fliegt, so lesen wir überrascht, baue er Spannung ab und trage „wirkliche“ Verantwortung. Dies habe ihn weggeführt von seiner früheren „schneidend-britischen Arroganz“, und er sei nun viel netter als früher. Die Zeit der „Pulttyrannen, Taktstockzertrümmerer und Explodierer“ sei vorbei, befindet Brug und meint, das Ego der jüngeren Generalmusikdirektoren und Chefdirigenten „scheint in die Sache zu fließen. In die Musik, aber eben auch in das Miteinander.“

Diesen Stil behält der Autor während des gesamten Artikels bei. Der Frack sei gleichmacherisch, so heißt es beispielweise, die Musiker müssten als „altväterliche Pinguine ihre Individualität verstecken“. Und der seit geraumer Zeit sehr im Fokus stehende Dirigent Teodor Currentzis, der sinnigerweise nicht nur Musiker, sondern auch Schauspieler ist (ein Schelm, wer Böses dabei denkt), wird mit den Worten zitiert: „Der Dirigent macht es schneller und effektiver, die Orchester könnten aber auch ohne.“ Na dann …

2. Mai 2019

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Englische Frauen und englisches Essen waren die Grundlage für eine Nation erfolgreicher Seefahrer.
Anonym

30. April 2019

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Übermorgen, am 2. Mai um 18.00 Uhr beginnt der Publikumsjoker. Zentraler Inhalt des Theoriekurses sind musikalische Formen und Gattungen, darüber hinaus streift der Kurs Aspekte des aktuellen Musiklebens. Hörbeispiele gibt es von DVD, CD und live am Klavier. Für die Teilnahme sind außer Neugier und Interesse keine weiteren Voraussetzungen nötig. Folgetermine sind 09.05., 16.05., 23.05., 06.06. und 13.06., jeweils von 18.00 – 19.30 Uhr. Wetzlarer Musikschule, Schillerplatz 8, 35578 Wetzlar.

29. April 2019

Welcher Nationalität waren Adam und Eva? Wahrscheinlich waren sie Russen: Sie hatten nichts anzuziehen, sie hatten kein Haus, aber sie wähnten sich im Paradies.
Kalenderspruch

Mit dem Kopf kann man Russland nicht verstehen,
Mit einem gewöhnlichen Maßstab kann man es nicht messen,
Mit diesem Land hat es eine besondere Bewandtnis:
Man kann an Russland nur glauben.
Fjodor Tjutschew (1803 – 1873), russischer Dichter und Diplomat

26. April 2019

Außer einem hübschen Barockschloss mit dazugehörigem Park hat Herten, die Stadt, in der ich aufgewachsen und zur Schule gegangen bin, nicht viel zu bieten. Die ehemals größte Bergbaumetropole Europas erinnert heute an eine zwar nicht verlassene, doch immerhin trostlose Goldgräberstadt.

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Da ist dieses Schild, was ich kürzlich am Rande eines Geburtstagsbesuchs gesehen habe, mal etwas Vorzeigbares. Wenn denn stimmen sollte, was drauf steht.

22. April 2019

In Deutschland ist alles verboten, was nicht erlaubt ist;
in England ist alles erlaubt, was nicht verboten ist;
in Russland ist alles erlaubt, was verboten ist.
Rudolf von Ihering (1818 – 1892), deutscher Rechtswissenschaftler

21. April 2019

Die zwölfte Opernreise der Wetzlarer Musikschule – diesmal ging es nach St. Petersburg mit einem Besuch von Tschaikowskys Eugen Onegin im Mariinski-Theater – war ein beeindruckendes Erlebnis. Es war mein erster Aufenthalt in dieser Stadt, ja mein erster Russland-Besuch überhaupt. Wir hatten Glück mit so ziemlich allem: Mit der Aufführung der Oper, mit dem Hotel (Sokos Olympia Garden), mit dem touristischen Rahmenprogramm, mit Stadtführerin und Busfahrer, mit Restaurants und Cafés, mit dem Wetter. Natürlich kann man in wenigen Tagen sozusagen nur schnuppern, die Panoramen bestaunen, die Freundlichkeit der Menschen genießen, die Stadt auf sich zukommen lassen. Wer will, fährt einfach nochmal hin. Das Foto zeigt die Reisegruppe vor dem berühmten Winterpalast, Hauptresidenz der russischen Zaren in St. Petersburg, heute Teil der Eremitage.

St. Petersburg 2019

Pause bis zum 20. April 2019

3. April 2019

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1. April 2019

Facebook-Chef Mark Zuckerberg fordert eine globale Regulierung des Internets, auch zum Nachteil großer IT-Konzerne. Kein Aprilscherz. Die Meldung, wonach das Präsidium der Schlachterinnung sich für eine Stärkung von Vegetarierinteressen ausgesprochen hat, bleibt dagegen ebenso unbestätigt wie die Nachricht, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages künftig für die Rechte der Bevölkerung demonstrieren und dafür Plenarsitzungen schwänzen wollen, vorzugsweise an Freitagvormittagen.

29. März 2019

Und nochmal Lichtenberg: „Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.“

27. März 2019

Pressemitteilung der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar e.V. zum Brahms-Vortrag am 22.03.2019

Deutsch-Österreichische Gesellschaft Wetzlar hatte eingeladen:

Thomas Sander präsentierte Brahms in Wort und Ton

Nach einem Mozart- und einem Schubert-Abend stand in diesem Jahr ein Brahms-Abend der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft an, der in bewährter Form von Thomas Sander, dem Leiter der Musikschule Wetzlar, präsentiert wurde. Der Präsident der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft, Hans-Jürgen Irmer, konnte 70 fachkundige Zuhörer begrüßen. Sander brillierte mit einem Vortrag über Leben und Werk von Johannes Brahms, einem der größten Komponisten der Romantik. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Betrachtung der sehr unterschiedlichen musikalischen Ausdrucksmittel in Brahms‘ Gesamtwerk, von Zigeunermelodien und Ungarischen Tänzen über komplexe Sinfoniesätze bis hin zum „Deutschen Requiem“.

Brahms-Vortrag 2019 I

Sander erläuterte sehr eindrucksvoll die Fortführung und Weiterentwicklung diverser Kompositionstechniken. Brahms habe hier aufgrund seiner profunden Kenntnis stilistischer Epochen und deren Merkmale sowohl Traditionen weitergetragen als auch innovativ verändert. Die Bekanntschaft und Freundschaft zu bedeutenden Künstlern und Komponisten seiner Zeit habe dazu beigetragen. Zu diesen gehörten beispielsweise Joseph Joachim sowie Robert und Clara Schumann.

Klangbeispiele waren der „Ungarische Tanz“ Nr. 1 g-Moll, der 4. Satz „Rondo alla Zingarese“ aus dem Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 in der Bearbeitung von Arnold Schönberg, der letzte Satz aus der Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 und der Satz „Selig sind die Toten“ aus dem Deutschen Requiem op. 45. Krönender Abschluss war Thomas Sander am Flügel, der mit „Guten Abend, gut‘ Nacht“ eine der populärsten Melodien von Brahms spielte.

Irmer dankte Sander herzlich für seine ausdrucksstarke, inhaltstiefe, kompetente und mit trockenem Humor gewürzte Art des Vortrages. Der nächste Klassiker-Abend findet im Frühjahr des nächsten Jahres zum Thema Beethoven statt.

26. März 2019

Lichtenberg

Es sollte uns nachdenklich machen, dass im Deutschen einen anführen soviel heißt wie einen betrügen.
Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799), deutscher Aphoristiker und Physiker

24. März 2019

Nochmal Thomas Gottschalk. Im Radio höre ich, dass es in einer Rezension hieß, Gottschalks Outfit sei irgendwas gewesen zwischen Pyjama und Perserbrücke. Das klingt lustig, wiegt aber keineswegs den Umstand auf, dass Gottschalks Kleidung wichtiger zu sein scheint als die in der Sendung behandelte Literatur (sofern von „behandeln“ die Rede sein kann). Wichtiger auch als die Frage, ob wir uns wirklich damit abfinden wollen, dass ein ermüdeter Entertainer mit ein paar Flapsigkeiten über Literatur zu sprechen vorgibt. In Wahrheit haben wir es hier mit einer medialen Marginalisierung und Entwertung von Kunst und Kultur zu tun, verpackt als harmlos daherkommende Unterhaltung.

Wir finden diese Auslagerung der eigentlich wichtigen Fragen auch auf anderen Gebieten, zum Beispiel bei den Freitags-Demonstrationen von Schülerinnen und Schülern für das Klima. Es wird zurzeit in den Medien viel über die Frage diskutiert, ob das denn so einfach durchgehen soll mit dem Schule schwänzen, da sind doch bestimmt auch welche dabei, die nur feiern wollen, denen geht es doch gar nicht um die Sache, das muss aber nachmittags in der Freizeit stattfinden, außerdem ist das ein Thema für Experten und so weiter. Die Frage nach dem Anliegen der jungen Leute und ihrem Eintreten dafür, dass eingehalten wird, was in den Klima-Abkommen verhandelt und festgeschrieben wurde, scheint eine nachgeordnete Rolle zu spielen. Dass eine Greta Thunberg mit der Politik nicht über Klima-Fachfragen diskutieren will, sondern dafür kämpft, dass die Politik diese Fragen mit den Experten auf der ganzen Welt diskutiert und entsprechende Konsequenzen zieht – darüber wird kaum geschrieben und gesprochen. Stattdessen wird berichtet, dass einige Schüler am Freitagvormittag dabei gesehen wurden, wie sie bei Starbucks einen Kaffee getrunken haben.

Und was wäre eigentlich, so fragt jemand, wenn die Schülerinnen und Schüler bei Pegida mitlaufen würden? Wären wir dann auch so tolerant? Das tun sie nicht, so die Antwort, weil die Anhänger von Pegida ja in die Vergangenheit wollen, die jungen Leute aber in die Zukunft.

22. März 2019

Darauf angesprochen, dass Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) überhaupt nicht zufrieden sei mit dem vorliegenden Etatentwurf, antwortete Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in einem ZDF-Interview: „Trotzdem freut der sich ziemlich über die milliardenschweren Steigerungen. Er drückt seine Freude nur etwas eigenwillig aus.“

Unschlagbar, so ein Satz. „Er drückt seine Freude nur etwas eigenwillig aus.“ Herrlich! Diese Technik werde ich bei nächstpassender Gelegenheit, wenn mir Kritik entgegen gebracht wird, probeweise anwenden und versuchen, dabei wie Scholz zu gucken. Wenn das nicht reicht, rede ich sympathisch lächelnd dazwischen. Worüber, ist egal. Jedes Gespräch endet irgendwann.

20. März 2019

Thomas Gottschalk hat sich nach 42 Ehejahren von seiner Frau Thea getrennt und moderiert jetzt eine Literatur-Sendung im Bayerischen Rundfunk. Als gäbe es nicht schon genug betrübliche Nachrichten.

17. März 2019

Eile

Nicht deswegen habe ich keine Eile, weil ich mehr Zeit habe, sondern weil ich weiß, dass mir die Eile alles zerstört. Ein Leben in Eile hast du verpasst.
Gesehen in Berlin, Gleisdreieck

16. März 2019

Schon vor geraumer Zeit empfahl mir eine Kollegin, die selbst aus Rumänien stammt, eine Reise nach Bukarest. „Es ist eine Mischung aus Wien und Istanbul“, meinte sie und spielte auf die zahlreichen kulturellen Einflüsse an, die diese Stadt auszeichnen. Heute nun zeigte arte eine Reihe über Metropolen des Balkans, darunter auch eine Folge über Bukarest. Besonders eindrucksvoll waren die Berichte über junge Leute, die sich, wie es hieß, für eine gute Gegenwart und eine bessere Zukunft engagieren. Viele von ihnen treffen sich in Cafés, Bars, Galerien und Kunsthäusern in freien Initiativen, sind im Handwerk oder in kaufmännischen Berufen selbständig, organisieren Veranstaltungen, tauschen sich aus. Eine pulsierende Stadt, in die man sich „auf den zweiten, dritten oder vierten Blick“ verliebt – nicht zuletzt durch zahlreiche Varianten der balkanischen Küche, der Küche des Wiener Kaiserreichs sowie der ungarischen und deutschen Küche. Meine Kollegin riet mir übrigens zu einer Reise bei gutem Wetter, was ich gerne beherzigen will.

14. März 2019

Auszeit, erkältungsbedingt. Neben Inhalieren, Tee trinken und Bonbons lutschen gibt’s auch Literatur: In der Nacht von Dennis Lehane, Gangster-Epos in Chandler-Tradition. Empfehlung!

12. März 2019

Beim Lesen von Meldungen des Tages erfahre ich, dass es in der CDU Überlegungen gibt, endlich eine Frau in das höchste Staatsamt zu wählen. Kandidatinnen für das Amt der Bundespräsidentin sind angeblich Ilse Aigner, Julia Klöckner und Ursula von der Leyen. Dann lese ich, dass Stefan Effenberg 2013 fast Trainer bei Schalke 04 geworden wäre, und dass Dieter Bohlen Modern Talking wieder aufleben lassen will, allerdings ohne Thomas Anders. Geisteswissenschaftler sollten überlegen, wegen besserer Aussichten auf unbefristete Verträge und gutes Gehalt doch lieber Naturwissenschaften zu studieren. Eine Autorin, die für Frauenrechte kämpft, glaubt, dass die meisten Männer nicht mehr mit Püppchen zusammen sein wollen. Volkswagen steigert den Gewinn trotz Dieselkrise, und nur weil man zur Arbeit kommt, ist man noch lange nicht gesund. Bei den Wahlen zur neuen Volksvertretung in Nordkorea verpassen im Ausland und auf hoher See Arbeitende die Abstimmung, weshalb die Wahlbeteiligung nur bei 99,99 % liegt. Zwei Wildpark-Luchse sind in Hessen auf der Flucht, und Emily Ratajkowski verdreht allen den Kopf. Das Leben ist kurz, und die Tage sind lang.

10. März 2019

„Mir fehlt zum Glück die Frau“, sagt Hauptkommissar Klaus Borowski im Tatort so herrlich zweideutig, und wieder einmal werden uns die Untiefen (!) der deutschen Sprache bewusst. Das erinnert ein wenig an Jules und Jim, wo Jules auf die Frage „Warum hast du das Mädchen nicht geheiratet?“ antwortet: „Es hat sich nicht ergeben“. Oft glauben wir zu wissen, was gemeint ist, doch in beiden Fällen können wir nicht sicher sein.

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Anders ist es beim Hinweis in der Bonner Rheinaue: „Wege und Flächen dürfen nur mit kurz angeleinten Hunden betreten werden.“ Hier dürfen wir davon ausgehen, dass das Begehen der Rheinaue auch ganz ohne Hund erlaubt ist.

8. März 2019

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Pressemeldungen zufolge will der britische Star-Geiger Nigel Kennedy nach dem EU-Austritt Großbritanniens sein Heimatland verlassen. Kennedy wird mit den Worten zitiert, es sei ihm peinlich, britisch zu sein, obwohl er halber Ire ist. Es habe so viele Falschinformationen darüber gegeben, was der „Brekshit“ für die Briten bedeutet. „Viele wissen nicht, was sie anrichten mit ihrem Votum.“

7. März 2019

Nach ihrem peinlichen Toiletten-Witz hat Annegret Kramp-Karrenbauer sich nun nicht etwa entschuldigt, sondern die Diskussionen darüber kritisiert: „Wenn wir so weiter machen, laufen wir Gefahr, die Tradition von Karneval und Fastnacht kaputt zu machen.“

Irgendwie hat Frau Kramp-Karrenbauer da etwas falsch verstanden: Beim Karneval machen sich „die Leute“ über die Mächtigen lustig. Nicht die Mächtigen über Minderheiten.

5. März 2019

Mit Benjamin Brittens Kammeroper The Turn of the Screw hat das Staatstheater Braunschweig einen exzellenten Griff getan. Eine mysteriöse, unheimliche Geschichte über Naivität, Überforderung und Schuld, in der nicht alles ist, wie es scheint. The Turn of the Screw, also die „Drehung der Schraube“ ruft geradezu nach der Drehbühne, die perfekt geeignet ist Parallelwelten, Verschiebungen und Schimären zu verdeutlichen. So zeigt die Inszenierung von Dagmar Schlingmann eine zunehmende Desorientierung, sowohl für die handelnden Personen als auch für die Zuschauer. Immer wieder die gleiche Botschaft: Es gibt keinen Weg, alles zu einem guten Ende zu bringen. Die Akteure belegen dies mit einer beeindruckenden, geschlossenen Ensembleleistung. Dennoch herausragend Inga-Britt Andersson als Gouvernante, Matthias Stier als Quint und Carolin Löffler in der Rolle der Mrs. Grose. Das Staatsorchester unter Leitung von Alexis Agrafiotis trifft den diffus-atmosphärischen Tonfall der Partitur sehr genau. Lang anhaltender, hochverdienter Beifall für intensives, packendes Musiktheater.

Staatstheater Braunschweig
(Foto: Kudalla)

Es war übrigens mein erster Besuch in Braunschweig. Die Stadt Heinrichs des Löwen ist sehenswert. Durch Kriegszerstörungen gibt es zwar nur noch wenige Gebäude und Straßen in ihrer ursprünglichen Form, doch viele stadtgeschichtlich bedeutende Bauwerke wurden wieder aufgebaut oder restauriert. Für Kenner: Auf dem Schloss ist die größte Quadriga Europas platziert. Und es gibt viel Kultur, hübsche Gassen und Plätze, schöne Cafés und Restaurants. Einfach mal hinfahren!

1. März 2019

Über Musik zu schreiben, das kommt dem Sujet nicht mal ansatzweise nahe. Denn in der Musik geht es um Emotionen, etwas, das einer Welt ohne Worte entspringt. Sobald man versucht, es zu beschreiben, betrügt man es.
Hélène Grimaud

Das Zitat ist einem Interview entnommen, das die Pianistin der WELT am Sonntag Anfang vergangenen Monats gegeben hat. Kurz vor den zitierten Sätzen ging es um den bekannten Satz von Frank Zappa: „Über Musik zu schreiben ist wie zu Architektur zu tanzen.“ Nun hat Madame Grimaud selbst schon Bücher geschrieben, in denen sie die Wirkung von Chopin und Rachmaninow nachzeichnet. Insofern lehnt sie sich mit den zitierten Sätzen hier ziemlich weit aus dem Fenster. Auch die Wortwahl ist arg pathetisch. Trotzdem werde ich Hélène Grimaud weiterhin bewundern, erstens wegen ihres Klavierspiels und zweitens wegen ihrer geheimnisvollen, faszinierenden Ausstrahlung. Das reicht ja auch.

27. Januar 2019

Das Konzert war ganz schön, aber nicht so, dass es mich beeindruckt hätte. Man merkt bzw. hört dem Philharmonischen Orchester Gießen an, dass es in jeder Saison alles Mögliche spielen muss, also heute Mozart, morgen Tschaikowsky und übermorgen ein Musical-Medley oder sonst was. Das heißt, es ist nicht sonderlich vertraut mit den speziellen Regeln einer bestimmten Epoche, mit deren Eigentümlichkeiten, mit der jeweiligen musikalischen Sprache und Rhetorik. Alles klingt verordnet und nicht selbstverständlich oder intuitiv, trotz der musikalischen Leitung eines erfahrenen Dirigenten wie Werner Ehrhardt. Dazu kommen die üblichen, ärgerlichen Schwächen in den Blechbläsern.

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Stellen wir uns vor, wir sollten ein und denselben Text hintereinander in verschiedenen Sprachen sprechen – jeder würde unseren Akzent hören. Kommunizierten wir aber ständig und ausschließlich auf französisch oder spanisch, kämen wir der Aussprache „echter“ Franzosen oder Spanier viel näher. Genauso ist das mit Orchestern. Die auf Barockmusik spezialisierten wissen einfach, wovon die Rede ist. Und so „sprechen“ sie dann auch.

28. Februar 2019

Es ist einer der großen Fehler unserer Zeit, dass wir Bildung mit Information verwechseln und Gleichheit mit Menschlichkeit.
Daniel Barenboim

26. Februar 2019

Heute Abend ins Sinfoniekonzert nach Gießen. Händel (Concerto a due cori F-Dur HWV 333), Rameau (Suite aus „Les Indes Galantes“, nur deswegen fahre ich hin), Kraus (Ouvertüre zu „Olympie“ VB 33) und Eberl (Sinfonie C-Dur WoN 7). Wer bestellt schon ein Vier-Gänge-Menü, wenn ihn nur eine einzige Speise davon interessiert? Doch abwarten und zuhören – sprichwörtlich kommt es ja oft anders, als man denkt.

24. Februar 2019

Natürlich fahre ich nicht, wie im letzten Eintrag geschrieben, als nächstes nach Düsseldorf, um dort Schade, dass sie eine Hure war zu sehen. Schon seit Wochen habe ich Karten für The Turn of the Screw von Benjamin Britten im Staatstheater Braunschweig, wo ich das Stück am kommenden Sonntag erleben werde. Britten komponierte die Erzählung, in der sich eine junge Frau als Gouvernante auf einem Landsitz um zwei Waisenkinder kümmern soll und dabei immer tiefer in mysteriöse, unheimliche Geschehnisse verstrickt wird, als Kammeroper. Das Stück, dessen Handlung auch verfilmt wurde (The Innocents, dt. „Schloss des Schreckens“, GB 1961), ist nur selten auf deutschsprachigen Bühnen zu sehen, also fahre ich hin. Erst danach geht es nach Düsseldorf.

21. Februar 2019

Heute bekam ich Post von der Deutschen Oper am Rhein. In seinem Newsletter wirbt das Haus für Anno Schreiers Oper Schade, dass Sie eine Hure war und schreibt über die Premiere am zurückliegenden Wochenende in Düsseldorf, dass diese von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert wurde. „Kommen Sie vorbei und lassen Sie sich diese packende Uraufführung nicht entgehen“, animiert man mich und fügt einen herrlichen Kommentar des Bayerischen Rundfunks zu Schreiers Werk hinzu: „Rein akustisch explodiert bei ihm etwa alle fünf Minuten ein Tankwagen und dazwischen verbreiten die Geigen wohligen Grusel.“ Da weiß ich ja, wo ich als nächstes hinfahre. So funktioniert Werbung.

18. Februar 2019

Das Theater Dortmund hatte bei der Bewerbung seiner Produktion von Die Göttliche Komödie I INFERNO, Ballett von Xin Peng Wang nach Dante Alighieri, mit Musik von Michael Gordon und Kate Moore nicht zuviel versprochen. Im voll besetzten Opernhaus boten die 75 Minuten eine intensive, bildgewaltige Phantasmagorie imaginärer Höllenszenarien. Leidenschaftlich, virtuos und akrobatisch zeigte sich ein Ensemble, das Elemente des klassischen Balletts, des Modern Dance und des Tanztheaters spielerisch miteinander verknüpfte.

Mit 52 Interessierten waren wir aus Wetzlar angereist. Die Reaktionen auf das INFERNO waren überwiegend positiv, obwohl vielleicht der eine oder andere „Schwanensee“ den Vorzug gegeben hätte. Doch gegessen wird, was auf den Tisch kommt, und der Appetit kommt bekanntlich beim Essen. Wie schön, dass schon erste Anmeldungen für das „Fegefeuer“, den zweiten Teil der Trilogie im November, eingegangen sind. Könnte sein, dass 2021 die meisten auch beim Finale dabei sein wollen. Dann gibt’s das „Paradies“ für 49 Euro, sofern es am Ort des höchsten Glücks ein Platz in vorderster Reihe sein soll.

14. Februar 2019

Weißt du, ich will mich schleichen
leise aus lautem Kreis,
wenn ich erst die bleichen
Sterne über den Eichen
blühen weiß.

Wege will ich erkiesen,
die selten wer betritt
in blassen Abendwiesen –
und keinen Traum, als diesen:
Du gehst mit.
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

13. Februar 2019

Richard Tuff, Morning in St. Mawes

Richard Tuff, Morning in St. Mawes

11. Februar 2019

Wenn Christophe Rousset sich um barocke Opern kümmert, kommt immer etwas Besonderes dabei heraus. Sein Ensemble Les Talens Lyriques, benannt übrigens nach dem Untertitel von Rameaus Opéra-Ballet Les fêtes d’Hébé, produziert von Stilsicherheit und Geschmack geprägten Klangzauber, die Vokalsolisten glänzen mit verständiger Stimm- und Darstellungskunst, die Regie überrascht mit originellen Einfällen und Perspektivwechseln.

Gestern nun, bei Giovanni Legrenzis La divisione del mondo (1675) konnte das Ensemble einen weiteren Nachweis seiner Klasse erbringen und tat dies auf beeindruckende Weise. Über die gesamte Spielzeit, doch vor allem im dritten Akt ist zu spüren, welche Strahlkraft diese Musik hat, und mit welchem Bewusstsein das Ensemble diesen Umstand behandelt. Die Regie (Inszenierung Jetske Mijnssen) hat Lust auf Chaos, entsprechend den Launen der Götter. Zu aufregend ist die Liebe, zu verführerisch sind ihre Möglichkeiten, als dass bei vergeblichen Mühen Zeit für dauerhafte Verzweiflung wäre. So ist die Musik in der fortgesetzten Tradition der venezianischen Oper mit zahlreichen Ariosi und Ritornellen durchsetzt, oft tänzerisch, lebensfroh und genussorientiert. Wollen wir hoffen, dass Christophe Rousset von den etwa zwanzig Opern Legrenzis noch die eine oder andere der Vergessenheit entreißen wird. Die Opéra national du Rhin bietet dafür den perfekten Rahmen.

9. Februar 2019

Morgen geht es also nach Straßburg, in die Opéra national du Rhin zur Aufführung von La divisione del mondo von Giovanni Legrenzi. Die Entscheidung, die Oper live zu erleben, also nach Straßburg zu reisen, war nicht schwer. Gibt es doch gleich mehrere Gründe: Christophe Rousset und sein Ensemble Les Talens Lyrique musizieren einfach grandios! Ich habe das Ensemble vor knapp zwei Jahren mit Cavallis „La Calisto“ erlebt, damals ebenfalls in der Opéra national du Rhin, und es war eine der schönsten Aufführungen meines bisherigen Operntourismus. Dann natürlich die Themen, die uns immer wieder in Atem halten: Liebe, Macht, Schönheit, Eifersucht, Intrige. Und schließlich, als wenn das nicht schon reichen würde, das unwiderstehliche Szenenfoto, mit dem in einem einzigen Schnappschuss alles gesagt ist: Kunst, Geschichte, Genuss, Grandezza, Erotik, Verführung. Ich bin sehr gespannt …

La divisione

7. Februar 2019

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Wetzlarer Neue Zeitung, 1. Februar 2019

Die Kompositionen von Bach ziehen immer
Anne-Catherine Bucher spielt die Goldberg-Variationen bei den Wetzlarer Improvisationstagen

Von Andreas Müller

WETZLAR. Anne-Catherine Bucher ist zurück. Beriets 2018 war sie Gast bei den Improvisationstagen und hat im Quartett in der Unteren Stadtkirche an Orgel und Cembalo ihr Können gezeigt. Nun hat die Cembalistin, die in der Nähe von Metz lebt, mit Johann Sebastian Bachs „Aria mit verschiedenen Veränderungen“, so Bachs Originaltitel für die „Goldberg-Variationen“ BWV 988 das Abschlusskonzert der Improvisationstage bestritten.

Exakt am Geburtstag Mozarts hat sie Freunde von Barockmusik im Konzertsaal der Musikschule begeistert. Ihr eigenes Cembalo reist mit ihr, ein wertvoller Nachbau mit zwei Manualen und einer Länge von 2,60 Metern von Matthias Griewisch aus der Nähe von Heidelberg. Das Original stammt etwa aus dem Jahr 1740 und ist in einem Museum in Washington D.C. zu bewundern. Bei den Goldberg-Variationen handelt es sich um eines der größten Solowerke für Tasteninstrumente und das wohl bedeutendste Variationswerk.

Bucher spielt zunächst eine Tonfolge von acht Noten, die als Standard in der Barock- und Renaissancezeit gilt. Dann legt sie weitere Töne darüber, demonstriert das auch in einem Dreier-Takt. Es folgt eine Oberstimme mit Verzierungen. Dann beginnt sie mit der langsamen und ruhigen „Aria“, der gleich zwei lebhafte Variationen folgen. Bachs Komposition ist in Dreier-Gruppen gegliedert, einer „Canone“, die sich im nächst höheren Tonintervall fortsetzt, folgen zwei Variationen.

Anne-Catherine Bucher

Bucher bedauert, dass kein Autograph Bachs vorhanden ist. Jedoch habe man 1975 ein persönliches Exemplar Bachs mit handschriftlichen Korrekturen entdeckt. „Das bedeutet, dass alle Aufnahmen vor 1975 Fehler enthalten“, erklärt die Cembalistin. Auch ist bekannt, dass Bach seinen Kompositionen mathematische Muster zugrunde legte. So auch in den Goldberg-Variationen, 32 Stücke, alle mit genau 32 Takten. Das Tempo wird immer schneller. Es ist fast unmöglich, den über die Tasten fliegenden Fingern zu folgen. Bucher zeigt ein hochvirtuoses Spiel, das einfach begeistert. Und sie weiß zu berichten, dass sich die Bach-Familie oft zu Potpourris getroffen hat und Johann Sebastian Bach viel Humor hatte. Als Beispiel zitiert sie die Liedzeile: „Kraut und Rüben haben mich vertrieben, hätte Mutter Fleisch gekocht, wäre ich geblieben.“

Nach der abschließenden „Aria da capo“ gibt es begeisterten Applaus. Bucher entlässt das Publikum mit dem Hinweis, dass Bach mit seinen Variationen gezeigt habe, dass man zu den Sternen schauen kann, nicht nur auf die Erde.

5. Februar 2019

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Wetzlarer Neue Zeitung, 1. Februar 2019

Musiker erzählen Geschichten
„Jazz Report“ in der Stadtbibliothek

Von Andreas Müller

WETZLAR. Mit „Jazz ohne Grenzen“ war das dritte Konzert der Improvisationstage überschrieben. Für einen coolen Nachmittag in der Stadtbibliothek hatte Thomas Sander „Jazz Report“ aus Wiesbaden eingeladen. Etwa 60 Jazzfreunde waren gekommen. Sängerin Yasmin Sidibe, Andreas Goller (Trompete), Simon Hampe (Keyboards), Bernhard Rosenberger (Bass) und Jonas Depenbrock am Schlagzeug begeisterten mit einer Palette von „Swing zu Funk, Ton- und Wortspielen“, so die Ankündigung.

Nach der Begrüßung durch Karin Böttcher, stellvertretende Leiterin der Bibliothek, mit einem Gedicht über Musik (so kam die Literatur zum Zuge), eröffnet das Quintett mit dem locker swingenden „All of me“, gefolgt von der ersten coolen Nummer, „My baby just cares for me“. Yasmin Sidibes wohlklingende, dunkel gefärbte Stimme ist betörend, cool Depenbrocks Schlagzeugstil. Er zeigt ein unglaublich nuancenreiches Spiel, das deutlich mehr ist als Rhythmus. Ständig wechselt er sein Schlagmuster, spielt mal mit Besen, bei „Blue Bossa“ mit bloßen Händen. Eine Freude, ihn nicht nur zu hören, sondern ihm auch zuzuschauen. Bei Oscar Petersons „C-Jam Blues“ groovet es, dass es eine Wonne ist. Alle Instrumentalisten warten mit schönen Soli auf. Die Band verbreitet gute Laune beim Publikum.

Bassist Rosenberger führt charmant durch das Programm und stellt die Frage in den Raum, was eigentlich Improvisation ist. Für ihn bedeutet das die Seele des Jazz: „Je einfacher ein musikalisches Grundgerüst ist, umso freier kann man improvisieren.“ Für Sidibe bedeutet Improvisation, eine Geschichte zu erzählen. „Jeder hat seine eigene Art, sich auszudrücken.“ Keyboarder Hampe meint scherzhaft, für ihn sei schon Improvisation, die Frage nach der Definition zu beantworten, und für Schlagzeuger Depenbrock ist es die Idee, etwas Wichtiges weiterzugeben. Passend klingelt exakt bei einer Bassimprovisation in Miles Davis‘ „So what“ ein Handy.

Verführerisch wirkt Sidibes Interpretation von Ellingtons „In a sentimental mood“. Einen Stilwechsel vollziehen die Musiker mit Amy Winehouses „Rehab“. Es folgen Klassiker wie Gershwins „Summertime“ und „Mackie Messer“. Mit Diana Kralls sehr gefühlvollem „Cry me a river“ endet ein begeisterndes Konzert. „Jazz Report“ dankt für den sehr herzlichen Applaus mit Hancocks „Watermelon man“ und entlässt das Publikum dann mit „Night and day“ in den Abend.

3. Februar 2019

Die Barockzeit ist reich an wunderbaren Werken, die es wiederzuentdecken gilt. Nach Claudio Monteverdi und Francesco Cavalli ist der italienische Komponist Giovanni Legrenzi (1626-1690) die dritte große Figur dieses Jahrhunderts, das die Oper erfand. Von seinen 17 Werken ist uns oft nur noch der Titel überliefert. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall für die Oper La divisione del mondo, die in den Jahren nach der Uraufführung 1675 in Venedig ein großer Erfolg war. Der Dirigent Christophe Rousset erweckt immer wieder wunderschöne Werke des 17. Jahrhunderts zum Leben und präsentiert nun seine Interpretation dieser Partitur mit seinem Ensemble Les Talens Lyriques. Die Niederländerin Jetske Mijnssen liefert mit dieser Inszenierung ihr Debüt an der OnR. Das Werk, das in der französischen Erstaufführung gezeigt wird, erzählt mit großer Leichtigkeit und Leidenschaft von Junos Eifersucht und der verheerenden Anziehungskraft der schaumgeborenen Schönheit Venus auf die Götter des Olymp. Zur gleichen Zeit macht sich Jupiter daran, nach dem Sieg über die Titanen die Welt unter seinen Brüdern aufzuteilen.
Opéra national du Rhin

Auf Italienisch, übertitelt in Französisch und Deutsch. Vorstellungen in Strasbourg, Mulhouse und Colmar. Februar und März 2019, Premiere am 8. Februar in Strasbourg.

1. Februar 2019

Kermit erkältet

29. Januar 2019

23.30 Uhr. Es kommt sehr selten vor, dass ich von Unterhaltungsmusik zu Tränen gerührt bin. Heute Abend, während eines Essens im Restaurant, höre ich Curtis Walsh, „Full Recovery“ und bin wie verstört. Der Geniestreich eines 17-jährigen, unwiderstehlich und sehr wahr.

Strength will come back honey
Keep your eyes on me
I promise time will fly
Keep your head held high
The world is at your feet
Some people’s minds work funny
Just learn to let it be
You’re fully in control
There’s very few that know
The world is at your feet

So let go and stop keeping track
I hope you know I’ve got your back

‚Cause patience and trust will lead to your full recovery
And in the settling dust I wrote this message for you to see
It said you should go and stop keeping track
And I hope you know I’ve got your back
If you’ve got mine

Now release the smoke from your lungs
And realise there’s no turning back
Say the speech on your tongue
What’s done has been done
Understand what you have
And I’ll be here along the way
As long as that’s what you want
To keep…

29. Januar 2019

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Wetzlarer Neue Zeitung, 29. Januar 2019

Wenn die Diva nicht kommt
Musikalisches Kabarett und ein Märchen bei den Wetzlarer Improvisationstagen

Von Andreas E. Müller

WETZLAR. Bereits zum vierten Mal finden die Wetzlarer Improvisationstage als gemeinsame Veranstaltung des Kulturamtes und der Musikschule statt. Thomas Sander, Leiter der Musikschule und künstlerischer Leiter der Improvisationstage, hat wieder ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.
Den Auftakt macht die Pianistin Ursula Wawroschek. Sie betritt die Bühne und wundert sich, wo die Sängerin bleibt. Um die Wartezeit zu überbrücken, spielt sie einfach schon einmal ein Klavierstück von Chopin. Ihr Spiel ist mal sehr filigran, dann wieder kraftvoll. „Chopin am Anfang eines Konzertes ist eine Wohltat für Pianisten“, meint sie. „Das fließt wie Öl.“ Die Sängerin, Frau Seitenschneider, ist immer noch nicht aufgetaucht.
„Wahrscheinlich hat sie ein anderes Engagement für mehr Geld“, vermutet Wawroschek. „Sing ich halt einfach, ist ja schließlich egal, wer seine Kehle aufmacht.“ So begrüßt sie singend das Publikum mit „Hallo Leute, guten Abend“ in verschiedenen Sprachen. Dann macht sie sich Gedanken über ihre Garderobe. Es folgt ein Lied über typische Männerklischees und eine Klage: „Ich könnte auch eine CD sein, das würde die Diva überhaupt nicht merken.“ Auch ihren Wunsch nach langen Fingernägeln mit Glitzernagellack darf sie als Pianistin nicht umsetzen, weil das auf den Tasten klackert.
Kritisch geht sie in einem Lied über Reizüberflutungen mit Werbung an Tankstellen um. Sie beschwert sich darüber, dass der Klavierhocker nicht in den Wartungsvertrag aufgenommen wird und manchmal wackelt. Dann wird sie politisch. „Wie sind eigentlich die Demonstranten in den Hambacher Forst gekommen? Zu Fuß, mit dem Rad? Grüne wählen und einen SUV in der Garage, mit dem man das Töchterchen zur Schule fährt, weil der Verkehr in der Stadt zu gefährlich ist“, kritisiert sie. Mit einem Lied über einen vollautomatisierten Haushalt erzählt sie, was als Kettenreaktion passieren kann. Da erleidet die Waschmaschine ein Schleudertrauma. Wawroschek erwacht aus diesem Traum, weil der Wecker nachts um 3 Uhr summt. Im Schlussapplaus ruft dann die Diva an, und es wird ein neuer Termin für ein Konzert vereinbart. „Da geh ich nicht hin“, verrät sie dem Publikum. „Soll sie alleine singen.“

Zum märchenhaften Konzertabend geriet die zweite Veranstaltung. Tanzten vor zwei Jahren Paare des Tanzclubs Schwarz-Rot zur Musik von „Bassa“, hatten Miriam Erttmann (Violine und Moderation), Takashi Peterson (Gitarre), Hannes Daerr (Klarinette und Bassklarinette) und Tobias Fleischer (Kontrabass) dem Publikum dieses Mal ein wunderschönes Märchen mitgebracht.
Darin verliebt sich der Seelöwe „Ahewáuwen“ an der Küste Feuerlands in eine junge, bildhübsche Menschenfrau. Miriam Erttmann erzählt die anrührende Geschichte dieser ungleichen Liebe, das Quartett setzt sie in musikalische Bilder um. Das Märchen ist überliefert von Indianern auf Feuerland. „Bassa“ haben dazu sehr schöne Melodien komponiert und laden die Zuhörer ein, die musikalischen Bilder Revue passieren zu lassen. Die vier Musiker, alle brillante Techniker, die mit unglaublich viel Gefühl und Ausdruck agieren, führen dabei musikalische Dialoge.
Jedes Instrument hat mal die Melodie, dann wieder die Begleitung. So kann man sich sehr gut den verliebten Seelöwen „Ahewáuwen“ vorstellen, der das schöne Mädchen beim Angeln erschreckt und in die Wellen zieht. Und man sagt, dass immer, wenn die Sonne ihre letzten Strahlen über das Meer wirft, dort zwei Seelöwen erscheinen und man in der Bucht ein Lied hören kann, erzählt Erttmann. Aber das sei ja nur ein Märchen.

24. Januar 2019

Manche Leute sagen, dass wir nicht genug tun, um den Klimawandel zu bekämpfen. Aber das ist nicht wahr. Um „nicht genug zu tun“, müsste man überhaupt etwas tun. Und die Wahrheit ist, dass wir praktisch gar nichts tun.
Greta Thunberg (16), schwedische Umweltaktivistin

23. Januar 2019

Gestern haben wir Mozarts Requiem gehört und gesehen. Tief beeindruckt sowohl von der Musik als auch von der Art und Weise der Darbietung, folgten die ersten Kommentare erst nach einer Weile der Stille. In einer Aufnahme von August 2012 spielten das Lucerne Festival Orchestra und sangen der Bayerische und der Schwedische Rundfunkchor, die Solisten Anna Prohaska (Sopran), Sara Mingardo (Alt), Maximilian Schmitt (Tenor) und René Pape (Bass) unter der Leitung von Claudio Abbado. Es ist eine der letzten Aufnahmen von Abbado, der Maestro starb im Januar 2014. Die Aufführung ist musikalisch von großer Noblesse, sehr ausdrucksstark und technisch auf außerordentlichem Niveau. Die interpretatorische Balance zwischen Totenklage und Heilsversprechen, zwischen Jüngstem Gericht und Ewigem Leben ist perfekt gelungen und wird der musikalischen Intention absolut gerecht. Wer sich also mit Mozarts letztem Werk – hier vervollständigt von Franz Beyer – beschäftigen möchte und dazu nach einer Aufnahme sucht, dem sei diese sehr ans Herz gelegt (DVD, Accanto 20258; auch auf Blu-Ray).

21. Januar 2019

Schon lange verfolge ich Fußballspiele im Fernsehen nur noch bei abgestelltem Ton, sind doch der Großteil der Kommentatoren und deren Einlassungen schlichtweg unerträglich. Wie freue ich mich also, dass es einem Zeitgenossen im Diskussionsforum auf ZEIT online genauso geht wie mir. Über Sky-Reporter Frank Buschmann schreibt er:

Am schlimmsten sind ja die rhetorischen Fragen in übertriebener Menge, die er dann selbst beantwortet: „Schaut er sich das nochmal an? Er schaut es sich nochmal an. Geht er jetzt wirklich nochmal zum Bildschirm, ja geht er nochmal dahin? Er geht wirklich nochmal zum Bildschirm. Wird er den Elfmeter geben, wird er, WIRD ER? Nein, er gibt ihn nicht. Geht er jetzt gerade wieder zurück zum Spieler? Ja, er geht zurück zum Spieler. Macht er jetzt weiter mit der Ecke? Er macht tatsächlich weiter mit der Ecke …“

17. Januar 2019

Es gibt Musikschulleiter, die ausschließlich für Verwaltungstätigkeiten eingestellt werden. Das sollte per Gesetz verboten sein. Jemand, der eine Musikschule leitet, muss auch künstlerisch in Erscheinung treten, sei es durch Spielen, Singen oder Dirigieren. Hinsichtlich der Leitungsfunktion müssen nötigenfalls Geschäftsführungs- oder Buchhaltungsaufgaben getrennt vergeben werden, doch Schulleiter/-innen müssen für die Öffentlichkeit im aktiven Musizieren sichtbar sein. Für ein reines Verwaltungsmanagement (Unterrichtsorganisation, Haushaltsplanung, Sponsorenakquise etc.) ist ein Musikstudium nicht vonnöten, schon gar keines mit instrumentalem Hauptfach. Eine qualifizierte Verwaltungskraft kann problemlos auch in der Bekleidungsindustrie, in der Gastronomie oder im Buchhandel arbeiten. Ebenso wie Betriebswirte, Kalkulatoren und Sanierer wissen sollten, im welchem Bereich des gesellschaftlichen Lebens sie tätig sind und welchen Stellenwert derselbe für das Gemeinwesen hat, müssen wir Musiker allerdings verstehen, dass wirtschaftliche Zwänge nicht immer verdrängt oder negiert werden können. Doch das ist schnell gelernt, in Musikschulen sowieso.

16. Januar 2019

Wozu dient es, wenn man versucht, ein Leben aufzubauen, wenn wir von Mächten beherrscht werden, die wir nicht kennen, wenn wir nicht mehr über unser verborgenes Gefühlsleben wissen als die um uns herum sprießenden und schwellenden Keime und Knospen über die Bildung ihrer Zellen?
Ola Hansson (1860 – 1925), Sensitiva amorosa

13. Januar 2019

Angeblich finden 76 % aller Männer Friseurbesuche erotisch. Ein erstaunlich hoher Wert, unabhängig von der Frage, ob es nicht besser Friseurinbesuche (begrifflich seriös, von den meisten in diesem Beruf Tätigen präferiert) oder Friseusenbesuche (sprachlich diskreditiert, da verbunden mit der Vorstellung von Minirock, pinkfarbenen Nägeln, toupiert, blondiert etc.) heißen müsste. Die ZEIT veröffentlichte vor einigen Wochen unter dem Titel „Waschen, schneiden, stöhnen“ einen Bericht, in welchem der Autor für eine Fokussierung auf den Haarschnitt plädiert und seiner natürlichen Skepsis gegenüber Kopfmassagen und sonstigen Wohlfühlprogrammen in Friseursalons Ausdruck verleiht.

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Hier sind unterschiedliche Sichtweisen möglich. Warum geht Mann zum Friseur? In den immer noch meisten Fällen wegen eines professionellen Haarschnitts, an den gewisse Ansprüche gestellt werden dürfen. Warum geht Mann zur Friseurin oder zur Friseuse? Schon schwieriger. Sieht man den Besuch als Gesamtkunstwerk an, als sinnlich-phantastisches Erlebnis mit lustbetonter Shampoo-, Wachs- oder Gelmassage, können andere Parameter im Vordergrund stehen: Attraktivität, Charme, Verführungspotenzial, Thrill, Kick. Ein zufriedenstellender Haarschnitt ist dann sozusagen gratis, ein Kollateralgeschenk. Übertragen auf Bäckereien oder Fleischereifachgeschäfte hieße das, dass Brot und Bratwurst im Zweifel durch die Geschmacksprüfung fallen dürfen, sofern die Bedienung den entsprechenden Test mit Glanz und Gloria besteht.

Wie auch immer, unter suchebiete.com jedenfalls gibt es fantasievolle Angebote für die entsprechende Zielgruppe: „Schneide Dir die Haare in Dessous, Lack, Leder … oben ohne … in High Heels oder Stiefeln … auch barfuß für den Fußliebhaber … oder dominant für den devoten Herrn …“

12. Januar 2019

„Die Zeiten ändern sich.“
„Die Zeiten vielleicht.“
aus: Die Akte Grant (Original: The Company You Keep, USA 2012)

11. Januar 2019

In knapp zwei Wochen beginnen die 4. Wetzlarer Improvisationstage. Von 24. – 27. Januar werden wieder Erfindungsreichtum, Kreativität und Fantasie bei unterschiedlichsten musikalischen Darbietungen im Mittelpunkt stehen. Bei einem Pressetermin im Wetzlarer Rathaus wurde das Programm vorgestellt.

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Von links nach rechts: Stephan Hofmann (Vorstand Sparkasse Wetzlar), Kornelia Dietsch (Kulturamtsleiterin), Thomas Sander (Künstlerischer Leiter), Jörg Kratkey (Kulturdezernent).
Foto: Stadt Wetzlar

7. Januar 2019

Den Blick für das Wesentliche zu behalten und das Unwichtige als solches zu erkennen, jenseits dessen, was damit anzufangen ist – darum sollte es vorrangig gehen in diesem frohen neuen Jahr, das wir uns gegenseitig wünschen. Der Jahreswechsel in Berlin mit Besuchen in der Staatsoper (La Bayadère) und in der Deutschen Oper (Der Barbier von Sevilla) sowie gastronomischen Neuentdeckungen (u. a. den Bistros/Cafés Spreegold und Atlantic) brachte neben früh einsetzender Dunkelheit und ungemütlichem Wetter vor allem die Erkenntnis, dass wir zuweilen unsere cineastische Fantasie einfach gewähren lassen sollten, ohne sie als Wechsel auf die Zukunft anzusehen.

Pause bis zum 7. Januar 2019

20. Dezember 2018

Weihnachtskrippe

Zur Arbeit, die man liebt, steht man früh auf und geht mit Freuden daran.
William Shakespeare

Wenn ich auf das fast abgelaufene Jahr zurückblicke, kann ich Shakespeare nur recht geben. Ich bin mit Freude zur Arbeit gegangen, oft früh und meistens gern. Die Begegnungen mit meinen Kursteilnehmern waren inspirierend, die Themen vielfältig. Wir haben gemeinsam neue Stücke gesehen und gehört, verschiedene Projekte durchgeführt, Opernaufführungen besucht, Ballette und Tanztheater neu entdeckt und vieles mehr. Es war mir eine Freude, und dafür danke ich allen, die mitgemacht haben!

Die Welt ist in Bewegung, und über manches sind wir in Sorge. Verändern wir unsere eigene Welt zum Besseren, nach unseren Möglichkeiten – machen wir uns und anderen Mut, suchen wir Ansporn und Trost in der Kunst, in schönen Dingen. Werden wir still und kommen während der Feiertage und in den Tagen danach zur Ruhe. Schauen wir in uns hinein, und finden wir Kraft und Zuversicht für das kommende Jahr! Frohe Festtage!

Ihr und Euer
Thomas Sander

18. Dezember 2018

Wetzlarer Neue Zeitung, 18.12.2018

„Jauchzet, all ihr Frommen“
Wetzlarer Musikschule gibt ein festliches Weihnachtskonzert

WETZLAR. Die Wetzlarer Musikschule hatte ihr traditionelles Weihnachtskonzert in diesem Jahr unter das Motto „Nun jauchzet, all ihr Frommen“ gestellt. Lehrer und Schüler boten ein abwechslungsreiches Programm an Instrumental- und Chormusik. Die runf 140 Besucher zeigten sich begeistert. Schulleiter Thomas Sander hatte selbst die Leitung des Konzertes übernommen. Kompositionen aus vier Jahrhunderten vom Barock bis zur Romantik verliehen dem Abend eine festliche Note.

Eingangs stellte Thomas Sander den rund 40 Mitglieder starken Projektchor vor. „Seit Herbst haben wir uns regelmäßig getroffen, um uns auf den heutigen Abend vorzubereiten“, betonte der Chef der Musikschule und ermunterte sangesfreudige Frauen und Männer, sich diesem Ensemble anzuschließen.

Chorprojekt 2018-1

„Nun jauchzet, all ihr Frommen“ ist eine Komposition von Bartholomäus Gesius (1555 – 1613) für Chor, Solisten und Streichquintett. Die Akteure brachten das adventliche Werk, das auf die Ankunft des Herrn und Erlöser verweist, mit viel Engagement und Harmonie zu Gehör. Der Leipziger Thomaskantor Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) war mit seiner Toccata e-Moll vertreten. Mit flinken Tastenläufen und Gespür fürs Detail stellte die jugendliche Lea Knöß die Komposition des Kirchenmusikers vor. Eine feine Leistung, für die es viel Beifall gab. Dies gilt auch für das folgende Werk „Cantique de Jean Racine“ des französischen Komponisten Gabriel Fauré (1845 – 1924), das der Projektchor – begleitet von Irena Uhl – vorstellte.

Dann wirkten auch die Besucher am Konzert mit. Bei dem bekannten Weihnachtslied „Engel künden helle Freude“, vom Projektchor und den Streichern vorgestellt, sangen die Besucher das am Ende stehende „Gloria“ mit. Mit zwei Werken von Sergej Rachmaninow (1873 – 1943), den Préludes in gis-Moll und g-Moll, eroberte die junge Klaviersolistin Kristina Mamberger die Herzen der Besucher. Flotte Läufe wechselten mit punktuellen Anschlägen und ausdrucksstarken Kadenzen. Die junge Pianistin spielte die zwei Werke ohne Noten. Entsprechend war der Beifall der Besucher.

„Salve puerule“ (Sei gegrüßt, liebes Kind) – mit der Weihnachtsmotette des italienischen Komponisten Domenico Scarlatti (1685 – 1757) vereinten sich Projektchor und Streichquintett mit den Solisten Friederike Dörr (Sopran) und Lucia Schmid (Querflöte) zu einem Ensemble, das klangschön den großen Saal der Musikschule erfüllte. Zum Abschluss wiederholten die Akteure den Eingangschor „Nun jauchzet, all ihr Frommen“. Ein in jeder Beziehung festliches Weihnachtskonzert, für das sich die Besucher mit viel Beifall bedankten.

15. Dezember 2018

Wer nach außen schaut, träumt. Wer nach innen schaut, erwacht.
Carl Gustav Jung (1875 – 1961)

9. Dezember 2018

Wegen ungünstiger Witterung fand die deutsche Revolution in der Musik statt.
Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

Dass auch in Deutschland Menschen in gelben Westen zu Abertausenden auf die Straße gehen, um für niedrigere Steuern und höhere Renten und Löhne zu demonstrieren, dabei Barrikaden errichten, Autos anzünden, öffentliche Einrichtungen beschädigen, den Verkehr lahmlegen und Brandsätze auf Polizisten werfen, können wir uns nicht vorstellen. Noch nicht.

8. Dezember 2018

Zur Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Vorsitzenden findet sich im Diskussionsforum auf ZEIT online folgender Kommentar: „Eine Parteivorsitzende mit dem Charme der Direktorin einer Gesamtschule und ohne jegliche intellektuelle Tiefe, was ihre Bewerbungsrede in aller Deutlichkeit gezeigt hat. Wirtschaftliche und juristische Kompetenz ist bei der Dame aus dem Saarland einfach nicht zu erkennen, nicht einmal menschliche Wärme ist auszumachen. Man sah die pure, geglättete Kälte einer Karrierepolitikerin.“ Darauf eine der Antworten: „Das ist jetzt nicht nett Gesamtschuldirektorinnen gegenüber.“

5. Dezember 2018

Mit einer spektakulären Produktion wartet das Theater Dortmund auf: Die göttliche Komödie I: INFERNO, Ballett von Xin Peng Wang nach Dante Alighieri, mit Musik von Michael Gordon und Kate Moore.

Worum geht es? Der Karfreitag des Jahres 1300 ist in die Annalen der Menschheit als jener Tag eingegangen, an dem ein einsamer Mann, über sein verworrenes Leben und die verwirrenden Umstände seiner Zeit grübelnd, eine Reise antritt: In die infernalen Abgründe der Hölle, unter Mühen zum Berg der Läuterung und schließlich in die Gefilde des Himmels.

Die Kulturredaktion der Ruhr Nachrichten hat noch ihre Sinne beisammen und rät nur begeistert dazu, das Stück unbedingt anzuschauen, da man „so einen intensiven Tanzabend nicht oft zu sehen“ bekommt. WDR 5 Scala geht einen Schritt weiter und deliriert ungehemmt: „Wenn das die Hölle ist, dann sollte man sich die eine oder andere Sünde erlauben, um das Spektakel einmal hautnah mitzuerleben.“

Theater Dortmund

Termine:
Do, 24. Januar 2019, 19.30 Uhr
Fr, 08. Februar 2019, 19.30 Uhr
So, 17. Februar 2019, 15.00 Uhr
Spieldauer jeweils ca. 75 Minuten

3. Dezember 2018

Portrait Thomas S.

Dieter Mulch, Portrait Thomas S.
(Farbstifttzeichnung 42 x 30 cm)

Verehrter, lieber Dieter Mulch – danke für diese wunderbare Arbeit! Danke für die Verbundenheit, die Sie mir zuteil werden lassen, und danke für jede Stunde, die ich in Ihrer Gesellschaft verbringen durfte! Ich hoffe auf weitere Begegnungen.
Herzlichst, Ihr Thomas Sander

2. Dezember 2018

Zwischenzeitlich sollte man sich belohnen. Für etwas, das man geschafft, ertragen oder überstanden hat. Nach gemeisterten Aufgaben, nach Anstrengungen, nach Erfolgen. Jeder entscheidet selbst, wie eine solche Belohnung aussehen soll. Der eine wählt ein schönes Essen, der andere eine Ganzkörpermassage, der nächste die Tagesschau mit Linda Zervakis. Nach dem gestrigen vorweihnachtlichen Konzert der Wetzlarer Schulen, welches ich zum vierten Mal moderieren durfte, fiel meine Wahl auf einen Dalmore Cigar Malt.

Dalmore Cigar Malt

Aroma: Zimt, Vanille und rote Früchte
Geschmack: Tropische Früchte, Bananen-Toffee, Karamell
Abgang: Orangenschale, Bergamotte-Öl, Mokka und gemahlene Gewürze

29. November 2018

Magnus Carlsen bleibt Schachweltmeister. Er setzte sich im Tiebreak beim Schnellschach gegen seinen Herausforderer Fabiano Caruana durch. Die zwölf Partien zuvor waren remis ausgegangen.

Schach Spiegel

Mit aufregendem, genialem Schach haben beide nicht aufgewartet. Carlsen wirkte häufig zwar gesammelt und gut vorbereitet, doch uninspiriert. Caruana fehlten Mut und Entschlusskraft, im Tiebreak spielte er schlicht zu langsam. Insgesamt war die WM spielerisch eine Enttäuschung. Also spielen wir alte Partien nach und bewundern die Manöver von Aljechin, Capablanca und Petrosjan, die Geniestreiche von Fischer, Kasparow und Anand. Wer will das Spieglein an der Wand schon wirklich befragen? Und vor allem, wer kommt mit dessen Antworten zurecht?

28. November 2018

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Bei Tage ist es kinderleicht, die Dinge nüchtern und unsentimental zu sehen. Nachts ist das eine ganz andere Geschichte.
Ernest Hemingway (1899 – 1961)

26. November 2018

Die hier schon erwähnten Lobreden auf „Mala Vita – Giordano trifft auf Gesualdo“ im Stadttheater Gießen hatten, wovon ich mich nun zweimal überzeugen konnte, ihre volle Berechtigung. Die gestrige Derniere war ein finales Ausrufezeichen, sowohl musikalisch als auch szenisch. Die Idee, Giordanos Kurzoper mit Madrigalen und Responsorien von Gesualdo zu durchsetzen, sozusagen mit situationsbezogenen, seelisch-seismografischen Kommentaren zu versehen, ging vollends auf. Überzeugende Solisten bei Giordano, exzellente Vokalisten bei Gesualdo, ein anprechendes Bühnenbild, eine verständige, ideenreiche Regie und nicht zuletzt ein launiges Zusammenspiel von Chor und Orchester sorgten für intensive, genussvolle Abende, die immer noch nachklingen.

23. November 2018

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Es gibt und gab kein einziges Kunstwerk, an dem der Verstand nicht zu mäkeln fände, und Geschmack und Gefühl sind unbeständig, ob aus Verstand oder Unverstand. Über den Lebenswert der Kunst entscheidet stets nur das Leben selbst. Mit dem Genuss aber hat das wenig zu tun; den rohesten Kerl kann das scheußlichste Machwerk unvergleichlich stärker und inniger freuen, als die reinste Schönheit den feinsten Kenner. Wer Anderes lehrt, ist ein Faselhans, ob nun ein Schwarmgeist oder ein Nüchterling.
Richard Dehmel (1863 – 1920), Betrachtungen

22. November 2018

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles engagiert sich im Bundestag für den Parlamentskreis Pferd, um das Tier als Kulturgut und Wirtschaftsfaktor zu fördern. Von „ich glaub‘, mich tritt ein Pferd“ über „soll mal vom hohen Ross runterkommen“ bis hin zu „ist wohl der Gaul mit ihr durchgegangen“ kann einem dazu vieles einfallen, wenn nicht „Pippi Langstrumpf in die Fresse bätschi sag ich da nur“. Was lernen wir? Schlimmer geht immer.

20. November 2018

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Liebe Freundinnen und Freunde der Improvisation,

mit den 4. Wetzlarer Improvisationstagen zeigen das Kulturamt der Stadt Wetzlar und die Wetzlarer Musikschule die Kunst der Improvisation wieder in verschiedensten Formen und Facetten. Im Mittelpunkt steht immer die Musik, die diesmal zunächst kabarettistisch, sodann tänzerisch-verspielt, anschließend collagenhaft-experimentell und schließlich in barockem Originalklang ihren Ausdruck findet.

Die Programme „Diva-Abend“ mit der Aachener Kabarettistin Ursula Wawroschek, „Ahewáuwen“ mit der in Wetzlar bereits bekannten Berliner Formation Bassa, „Jazz ohne Grenzen – Ton-und Wortspiele mit Jazz Report“ des gleichnamigen Wiesbadener Ensembles sowie die Bachschen „Goldberg-Variationen“ mit der Cembalistin Anne-Catherine Bucher aus Metz garantieren Darbietungen auf hohem künstlerischen Niveau.

Nach einem bekannten Bonmot ist „Kunst wie Kakteenzucht: Viele Stacheln, wenig Wasser – aber herrliche Blüten!“ Wenn wir die Wetzlarer Improvisationstage als eine Pflanze ansehen, der ein bisschen mehr Wasser und eine etwas aufwändigere Pflege nicht schadet, dürfen wir Sie um eine Spende zur finanziellen Unterstützung der Konzertreihe bitten. Dafür können Sie alle Veranstaltungen bei freiem Eintritt genießen. Herzlichen Dank!

Mit besten Grüßen

Thomas Sander
Künstlerischer Leiter

Donnerstag, 24. Januar 2019, 19.30 Uhr
Diva-Abend
Klavier-Kabarett von und mit Ursula Wawroschek (Aachen)
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule

Freitag, 25. Januar 2019, 19.30 Uhr
Ahewáuwen – Ein Tangomärchen
Bassa (Berlin)
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule

Samstag, 26. Januar 2019, 17.00 Uhr
Jazz ohne Grenzen
Wort- und Tonspiele mit Jazz Report (Wiesbaden)
Stadtbibliothek Wetzlar, Bahnhofstr. 6

Sonntag, 27. Januar 2019, 11.00 Uhr
Bach, Goldberg-Variationen
Anne-Catherine Bucher, Cembalo (Metz)
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule

Änderungen vorbehalten!

18. November 2018

Metz Temple Neuf

Temple Neuf, Metz 2018. Das Glück, so sagt der Volksmund, kommt zu dem, der warten kann. Über die Dauer des Wartens sagt er nichts.

16. November 2018

Rolf Hoppe

Rolf Hoppe ist tot. Es sind unzählige Rollen, in die dieser begnadete Schauspieler geschlüpft ist, und einige davon werden uns ewig in Erinnerung bleiben. Von Drei Haselnüsse für Aschenbrödel über Mephisto bis hin zu mehreren Auftritten in ARD-Tatorten hat Rolf Hoppe eindrückliche Beispiele höchster Schauspielkunst geliefert. Seine Gestaltung des Friedrich Wieck in Frühlingssinfonie geriet ihm derart intensiv, dass eine Vorstellung vom Leben der Schumanns ohne sein Gesicht für unsereins beinahe unmöglich geworden ist. Mit Mitte sechzig kaufte er einen Bauernhof und gründete zusammen mit Freunden das Hoftheater Dresden, in welchem er bis zuletzt regelmäßig auftrat. Mit 87 Jahren ging das irdische Leben von Rolf Hoppe nun zu Ende. „Er steht da, sagt kein Wort – und beherrscht dennoch die Szene“, hat Klaus Maria Brandauer einmal über ihn gesagt. Rolf Hoppe wurde zu Lebzeiten für sein Wirken mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt. Sein Tod ist für die deutsche und internationale Theater- und Filmszene ein immenser Verlust. Wir verneigen uns.

14. November 2018

Was macht einen guten Chor aus?

• Ein guter Chor lernt ständig dazu, wobei sich jeder einzelne Sänger ständig weiter entwickelt durch eine effektive Probenarbeit, in der nicht nur Noten studiert werden, sondern Musik vermittelt wird. Musikalische Notwendigkeiten wie Intonation und Dynamik gehören ebenso dazu wie Arbeit am Chorklang und die Möglichkeit, durch gute Stimmbildung auch die Voraussetzung für die stimmliche Ausdruckskraft zu schaffen.
• Ein besonders wichtiges Auswahlkriterium ist ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Repertoire, das sich von dem anderer Chöre abhebt und dem Sänger erlaubt, sich damit zu identifizieren. Der Chor als Ganzes ist mindestens genauso wichtig wie die eigene Person.
• Zum Chorsingen gehört gemeinsames Streben, gegenseitiges aufeinander Hören, das sich Einfügen in den Chorklang, engagiertes Beschäftigen mit der Sache und das Bemühen, etwas Besonderes zu schaffen. Voraussetzung dafür sind die regelmäßige Probenteilnahme und die Konzentration in der Probe, damit hörbare Fortschritte entstehen, die zu weiteren Leistungen motivieren; das klangliche Erlebnis und Ergebnis sollte die Sänger emotional über die Woche begleiten und tragen und dazu befähigen, im Konzert über ihre Grenzen hinauswachsen zu können.
• Der Chor als soziales Medium beinhaltet die gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung; Geben und Nehmen sollten sich in der Waage befinden; fehlt jemand, so spürt man die Lücke. Kommt jemand neu in den Chor, misst sich auch an seiner Aufnahme die Stärke der Gemeinschaft. Gemeinsames Feiern, eine gute altersmäßige Durchmischung des Chores, kameradschaftlicher Umgang miteinander und – ganz wichtig – Freude und Humor bilden weitere Grundlagen für das Wachsen einer eingeschweißten Gemeinschaft.
• Nicht zuletzt bestehen auch Erwartungen an musikalische Kompetenz, künstlerische Professionalität und an die Ausstrahlung des Chorleiters. Die gemeinsame Arbeit soll von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein; der Chorleiter muss motivieren, anschaulich vermitteln und Qualität fordern und auch auf die Wünsche der Chorsänger eingehen. Die Leidenschaft des Chorleiters für die Arbeit, die Musik und die Menschen, mit denen er singt, ist entscheidend.
Quelle: www.paul-gerhardt.com

13. November 2018

Buntwäsche

Innenhof mit Buntwäsche und Rasenteppich
Kulturzentrum Alte Mälzerei, Písek (CZ) 2016

12. November 2018

Lasse dich leben, wie du bist, ohne Kunststücke mit dir zu probieren, ohne dich zwingen zu wollen, Dinge zu lieben, die du nicht liebst.
Karoline von Günderrode (1780 – 1806)

10. November 2018

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Ich komme gerade zurück von einem Einkauf in Wetzlar, wo ein stadtbekannter Straßenmusikant auf der alten Lahnbrücke Jingle bells spielt, wie immer mit vielen falschen Tönen, doch heiter und ungeniert. Was soll das schlechte Leben nützen? „Ein fröhlich Herz macht das Leben lustig“, heißt es in einem Kanon. Und weiter: „Aber ein betrübter Mut vertrocknet das Gebein.“ Schon in wenigen Tagen wird die Stadt Wetzlar mit ihrer Weihnachtsdekoration nachziehen, da kann man nichts machen. Doch seien wir ehrlich: Gäbe es in diesem Jahr kein Weihnachtsdorf mit Glühwein, Lebkuchen und Tiroler Speck, würden wir es vermissen. „Ach du fröhliche“ – das sagt sich schnell und leicht, weil ja Weihnachten angeblich immer so plötzlich kommt. Vielleicht liegt der Umstand, dass wir mal wieder nicht darauf vorbereitet sind, gar nicht an Weihnachten, sondern an uns.

6. November 2018

Schade, dass Volker Bouffier sich nicht um den CDU-Parteivorsitz bewirbt. Nicht wenige erwarten, dass mit dem Parteichef auch der nächste Kanzler gewählt wird. Und Bundeskanzler Bouffier, kurz Bubou – das klingt doch toll! Wir sehen schon die Schlagzeilen: Bubou in Berlin, Bubou in Brüssel, Bubou macht das Licht aus, Bubou im Bett, Bubou macht Bubu. Und erst die Kinderbücher! Bubou baut ein Baumhaus, Bubou backt Brot, Bubou fährt Bus (Diesel). Herrlich! Vielleicht überredet ihn ja noch jemand …

4. November 2018

Wie uns doch unsere Voreingenommenheit immer wieder in die Realität zurückholt! Ich erinnere mich zum Beispiel gut daran, dass ich vor ein paar Jahren bei einer Blindverköstigung meinen Lieblingswhisky nicht erkannt habe. Stattdessen gab ich anderen Marken den Vorzug, was ich bei vorheriger Kenntnis der Labels wohl kaum getan hätte. Auch auf anderen Gebieten ist mir das schon passiert, hier das jüngste Beispiel: Vor ein paar Tagen lief im Fernsehen ein amerikanischer Spielfilm von 1972, in welchem Pamela Austin mitwirkte. Ich fand die deutsche Synchronstimme sehr angenehm, geradezu sexy, so dass ich beschloss, die Sprecherin zu ermitteln. Nun gut, es war Cornelia Froboess. Ich tröstete mich damit, dass die besagten Synchronarbeiten zu einer Zeit stattfanden, als die Gute sich ihre affektiert-schnodderige Art, die ich so gar nicht mag, noch nicht zugelegt hatte. Hätte ich den Namen der Sprecherin vorher gekannt, würde ich die Filmstimme von Anfang an nicht gemocht haben, davon bin ich überzeugt. Objektiv geht also anders. Nach einer Weile musste ich schmunzeln. Stehen wir doch einfach zu unseren Vorlieben und Abneigungen – und seien wir offen für Überraschungen!

1. November 2018

Du weißt, wie ein Hochzeitsmahl aussieht, sobald die Hochzeitsgäste und die Liebenden aufgebrochen sind. Der Tagesanbruch enthüllt die Unordnung, die sie zurückgelassen haben. Zerschlagene Krüge, umgestürzte Tische, die erloschene Kohlenglut, all das bewahrt den Abdruck eines wilden Treibens, das nun erstarrt ist. Doch wenn du diese Spuren abliest, wirst du nichts über die Liebe erfahren. Wenn der Analphabet das Buch des Propheten wiegt und wendet, wenn er bei der Zeichnung der Buchstaben und dem Gold der ausgemalten Bilder verweilt, verfehlt er das Wesentliche; denn dieses besteht nicht im nichtigen Gegenstand, sondern in der göttlichen Weisheit. So ist das Wesentliche einer Kerze nicht das Wachs, das seine Spuren hinterlässt, sondern das Licht.
Antoine de Saint-Exupéry, aus „Citadelle“

30. Oktober 2018

Ein Infekt zwingt zu einer kleinen Auszeit mit Ingwertee, Halstabletten, Ruhe und so weiter. Ich habe ein paar Tage Zeit für Die jungen Ärzte, für Columbo und fürs Herzkino. „Es ist nicht wichtig, was gewesen ist. Wichtig ist, was wir für möglich halten“, lerne ich bei Inga Lindström. Auch sonst wird mit Lebensweisheiten nicht gegeizt. Doch nach einer Weile muss ich abschalten, im doppelten Sinne. Wie sagte einst Peter Falk: „Fernsehserien sind wie Hamburger – die meisten mögen sie nicht und schlingen sie trotzdem hinunter.“

29. Oktober 2018

Wie lange noch müssen wir in der Politik die selbstverliebten Spielernaturen, scharadierenden Phraseure und am eigenen rhetorischen Blendwerk sich ergötzenden Schwaller ertragen? Weihnachtswunsch schon jetzt: Dem Lindner die Rote Karte!

25. Oktober 2018

Weil ich mich zwischen zwei Brillen nicht entscheiden konnte, schlug der Optiker vor, ich solle einfach beide Modelle mitnehmen und übers Wochenende mit ihnen „ins Konklave gehen“. Sapperlot! Als Optiker hätte er auch „Konkave“ sagen können … beneidenswert! Wer hat schon eine solche Wahl?

24. Oktober 2018

Ampel rot

Schwarz-Grün? Jamaika, GroKo, RRG? Minderheitsregierung? Ampel ohne gelb und ohne grün? … Am Sonntag sind wir schlauer … vielleicht …

23. Oktober 2018

Aussagen zur Förderung der öffentlichen Musikschulen in den Parteiprogrammen zur Landtagswahl in Hessen 2018

CDU
„Musische Erziehung hat für uns eine hohe Bedeutung. Deshalb sehen wir eine Erhöhung der Unterstützung für die staatlich geförderten Musikschulen in Hessen vor. Daneben wollen wir den Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ sowie das Landesjugendsinfonieorchester, das Landesjugendjazzorchester und den Laienmusikrat sowie die Landesmusikakademie weiter unterstützen und stärken.“

Grüne
„Die Ausstattung der Musikschulen wollen wir deutlich verbessern. Hierbei sollen alle Ebenen – Bund, Land und Kommune – gemeinsam für eine bessere und gerechtere Finanzierung sorgen. Wir wollen einen Innovationsfonds auflegen, damit nicht nur die Landesmuseen, sondern auch die privaten und kommunalen Museen und Kunstvereine finanziell gut ausgestattet sind.“

SPD
„Die SPD will, dass die öffentlichen Musikschulen insbesondere auch bildungsferne Familien gezielt ansprechen. Hierfür sind die Grundlagen der Kooperation „Schule – Musikschule“ deutlich zu verbessern. Dazu müssen die Musikschulen verbindlich gefördert und in ihrer Qualität gesichert werden. Zurzeit liegt der Anteil des Landes an deren Finanzierung unter 5 %. Wir streben eine Drittelfinanzierung zwischen Land, Kommunen und Unterrichtsentgelten an, wie vom Deutschen Städtetag und vom Deutschen Landkreistag gefordert. Diese bessere Finanzierung ist auch erforderlich, um auf tarifliche, sozialversicherungspflichtige und gesicherte Beschäftigungsverhältnisse für Musikschullehrerinnen und -lehrer hinzuwirken, die bislang aufgrund der Unterfinanzierung häufig nicht nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt und in die erzwungene Selbstständigkeit gedrängt werden.“

Die Linke
„Die freie Entfaltung von Kunst, Kultur und Wissenschaft und der Zugang aller Bevölkerungsschichten zu Kultureinrichtungen sind Voraussetzungen für eine demokratische Gesellschaft. Zum Zugang zu Kunst und Kultur gehören aber auch Fähigkeiten und Kenntnisse, um sich diese eigenständig und schöpferisch aneignen zu können. Deshalb will DIE LINKE die kulturelle Bildung ganz besonders für Kinder und Jugendliche ausbauen. Das Landesprogramm „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) soll erweitert werden, bis tatsächlich jedem Kind das Angebot gemacht werden kann. Der Eintritt in die Landesmuseen muss für Schülerinnen und Schüler sowie für Studierende kostenlos sein. Kinder- und Jugendtheater sind so zu fördern, dass jedes Schulkind in Hessen einmal im Jahr eine Vorstellung besuchen kann.
DIE LINKE will:
– eine Gemeindefinanzreform, die die Kommunen in die Lage versetzt, ihrer gesetzlichen Pflicht zur
Kulturförderung nachzukommen
[…]
– Musikschulen, Museen sowie weitere Kultureinrichtungen und -angebote so fördern, dass sie gebührenfrei
oder für alle bezahlbar bleiben
– Mindeststandards und Mindesthonorare für freiberuflich und künstlerisch Tätige festlegen“

FDP
„Kulturelle Einrichtungen, wie z. B. Kunst- oder Musikschulen, sowie Sportvereine, die sich um eine Integration von Kindern aus bildungsfernen und wirtschaftlich schwachen Familien besonders einsetzen, sollen hierfür einen Zuschuss aus Landesmitteln erhalten.“

22. Oktober 2018

Die Schule hat […] die Aufgabe, gegen ein rationales, ökonomistisches Wissen und Denken einen spielerischen, alternativen Freiraum zu setzen, eine Schutzzone der Gefühle, des Intimen und „Unnützen“. Musik sollte in jedes Schulfach hineinspielen, möglichst ohne Leistungsdruck und Schulnoten. In diesem übergreifenden, vernetzenden Sinn muss Musik „Kernfach“ an allen Schulen sein. Auf keinen Fall darf Schule die Musik aussperren. Das wäre ja in etwa so, als müssten Kurzsichtige beim Betreten der Schule ihre Brille abgeben. Schule ohne Musik schafft Handicaps.
Hans-Jürgen Schaal

20. Oktober 2018

Oktoberfest girl standing with hands on hips on white background

Wüssten wir nicht, dass das diesjährige Oktoberfest schon vor zwei Wochen sein Ende gefunden hat, könnten wir die gestrige Pressekonferenz des FC Bayern München mit exzessivem Alkoholkonsum der handelnden Personen erklären. Leider ist es nicht ganz so einfach. Wir müssen realistischerweise unterstellen, dass Präsident, Manager und Sportdirektor durchaus ihre Sinne beisammen hatten, als sie sich in einer denkwürdigen Vorstellung gegen die aus ihrer Sicht unbotmäßige, ja „respektlose“, „hämische“ und „herabwürdigende“ Berichterstattung der Medien zur Wehr setzten und sich nicht entblödeten, dazu gleichermaßen erzürnt wie pathetisch Artikel 1 des Grundgesetzes zu bemühen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Veranstaltung hatte aufgrund ihrer Mischung aus einstudierter Empörungsrhetorik und Entlehnungen aus dem Komödienstadel durchaus Unterhaltungswert. Der schönste Satz indes gelang Oliver Fritsch in seinem Kommentar auf ZEIT online, bezogen auf die Einlassungen des Bayern-Präsidenten: „Jetzt übertreibt er aber, der Hape Kerkeling.“

18. Oktober 2018

Berlin Okt 2018 001

Berlin, Bergmannstraße

16. Oktober 2018

Jennifer White ist eine der vielseitigsten, ausdrucksstärksten und obendrein attraktivsten Künstlerinnen der aktuellen Tanzszene. Während ihrer bisherigen Karriere hat sie u. a. mit Adele, Kylie Minogue und Katy Perry gearbeitet, war mit mehreren Tanz-Companys auf weltweiten Tourneen, u. a. mit Sidi Larbi Cherkaoui, leitete Proben und Direktionsarbeiten bei Commercials für Chanel und Hermès, hat in gefeierten Produktionen von Musiktheatern und Opernhäusern mitgewirkt und war eingebunden in die Filmadaption von Anna Karenina mit Keira Knightley und Jude Law.

Erst jetzt verstehe ich, warum meine Augen während der Tanzszenen von Rameaus Les Indes Galantes (Bayerische Staatsoper 2016) immerzu nach einer einzigen Tänzerin Ausschau hielten. Da hatte die schöne Jenny mir schon längst den Kopf verdreht.

14. Oktober 2018

Erfreuen wir uns an bescheidenen Gütern!
Ach, kann man überhaupt glücklich sein,
wenn man mehr als das begehrt?
Jean-Philippe Rameau, Les Indes Galantes (1735), Vierter Akt

13. Oktober 2018

Es war mein vierter Aufenthalt in Berlin in diesem Jahr, immerhin für fünf Tage. Kein Freund von Tages-
programmen zum Abarbeiten, hatte ich auch diesmal nur wenig geplant und habe umso mehr Neues entdeckt. Gleich am ersten Tag durfte ich in der Staatsoper einen vor allem in musikalischer Hinsicht starken Freischütz erleben. Für den erkrankten Dirigenten Marc Minkowski war der erst 24-jährige Thomas Guggeis eingesprungen. Guggeis ist Assistent von Daniel Barenboim und wird ab der nächsten Saison in Stuttgart arbeiten. Der junge Mann machte seine Sache ausgezeichnet und führte die Staatskapelle zu einem dichten, dunkel gebeizten Klang, der gleichwohl dem Gesangsensemble jeden Gestaltungsraum ließ. Die großartige Anna Prohaska in der Rolle des Ännchen wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, und es nicht unangemessen, sie aus der Riege der Solisten herauszuheben. Es sind eben nicht nur ihre stimmlichen Anlagen und Kapazitäten, die sie zu einer so herausragenden Sängerin machen, sondern in mindestens gleichem Maße ihre musikalischen und gestalterischen Fähigkeiten. Phrasierung, Artikulation, Dynamik – alles ist stilistisch von bezwingender Kunstfertigkeit und Noblesse. Ein beeindruckendes Erlebnis!

Das war es diesmal mit der Kunst. Kein Museum, kein Konzert. Stattdessen Frühstück bei Anna Blume (wer wissen will, wie Rührei wirklich schmeckt, muss hier unbedingt hin), ein Cappuccino in meiner geliebten Meierei, japanisches Essen im Cocoro am Mehringdamm. Ein Besuch in der Arminius-Markthalle in Moabit, eine Pause im Café Strauss in der Bergmannstraße, ein Bummel über den kleinen Markt am Chamissoplatz und – natürlich – ein Pale Ale im Doldenmädel.

Da ich im Sommer versäumt hatte, mir ein T-Shirt von Tennis Borussia Berlin zu kaufen, habe ich es jetzt nachgeholt und am Sonntagmittag das Heimspiel gegen Hansa Rostock II live im Mommsen-Stadion erlebt. TB spielte stark und gewann hochverdient mit 3:1. Ich hatte einen Tribünensitzplatz, stand aber lieber zusammen mit langjährigen, treuen Anhängern des ehemals so erfolgreichen Clubs (immerhin war mal Sepp Herberger hier tätig, was aber schon ein paar Tage zurück liegt). Jetzt spielt man in der Oberliga und ist dort aktuell Dritter. Ambitionen in Richtung Regionalliga gibt es mehr in der Clubführung und weniger bei einem Teil der Fans, die auch mit der sogenannten S-Bahn-Liga zufrieden wären. Vor dem Heimweg habe ich noch einen Sportbeutel, eine Tasse und einen Aufkleber gekauft. Für schöne Erinnerungen muss man zuweilen selber sorgen.

Pause bis zum 12. Oktober 2018

Fellini Rhino

25. September 2018

Es ist einer der seltenen Momente in meinem Kursleben. Ein Moment, in dem sozusagen die Zeit still steht und jeder im Raum spürt, dass gerade ein sehr besonderes Stück gespielt wird und niemand sich dessen Zauber entziehen kann. Gestern Abend besprechen wir Les Indes Galantes von Jean-Philippe Rameau, und wir sind im dritten, dem „persischen“ Akt. Es läuft das unwiderstehliche „Tendre amour“, eine der schönsten Kompositionen Rameaus überhaupt. Das Ensemble der Bayerischen Staatsoper musiziert unter Leitung von Ivor Bolton so sensibel und zart, mit exquisitem Geschmack und untrüglichem Gespür für Dynamik, Phrasierung und Ornamentik, dass der Zuhörerkreis wie gebannt und geradezu ergriffen Takt für Takt durchlebt. Es sind diese fünf Minuten, die aus einem normalen Kursabend ein großes Geschenk machen, nicht nur für mich.

21. September 2018

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Vor vielen Jahren habe ich ein Buch gelesen, ich weiß den Titel nicht mehr, darin meinte jemand, der Herbst sei die Aufforderung zu neuen Ideen. Das hat mir damals ziemlich imponiert, ich muss also sehr jung gewesen sein. Fest steht, dass er kommt, der Herbst, diesmal schnell und humorlos. Von 30 auf 13 °C binnen zwei Tagen. Es wird einstweilen Regen, Sturm und andere Arten von Verdruss geben, wie zum Beispiel die undankbare und ungestillte Sehnsucht nach Mahlzeiten im Freien. Wir fahren ans Meer, schon allein aus Trotz. Wir kaufen Regenjacken, Wollsocken und trinken Pharisäer. Danach sehen wir weiter.

20. September 2018

Vor ein paar Tagen hatte am Stadttheater Gießen Mala Vita Premiere, eine frühe veristische Oper von Umberto Giordano, der dieses kleine Juwel noch vor seinem Meisterwerk Andrea Chénier komponierte. Die Aufführung des Stücks war damals ein Skandal und unterlag der Zensur, umso mehr lohnt sich heute seine Wiederentdeckung. Die Gießener, bekannt für ihre intermittierende Indolenz hinsichtlich Inszenierung und Dramaturgie, fügen in die Handlung Madrigale und Responsorien von Carlo Gesualdo ein. Wie kritisch man einen solchen Eingriff auch beurteilen mag – die ersten Kritiken fielen positiv aus. Bis zum November zeigt das Haus noch fünf Vorstellungen dieser selten gespielten Oper, die einen Besuch allemal wert ist. Egal, mit welchen Mätzchen die Regie diesmal aufwartet.

15. September 2018

Von einem Apfelbaum kann man nicht erwarten, dass er Aprikosen trägt, heißt es sprichwörtlich. Warum nur ist es immer wieder das ZDF, das in seinen politischen Magazinen Beweise für den Wahrheitsgehalt dieser Volksweisheit liefert? Erwarte journalistische Unabhängigkeit, argumentative Redlichkeit und diskursive Seriosität, gehe nicht über Los … nein, schaue nicht das ZDF! Was sich sogenannte Experten, Beobachter und Analysten hier regelmäßig an selbstgefälliger Überheblichkeit, Anmaßung und parteipolitischer Einseitigkeit erlauben, spottet jeder Beschreibung. Die nimmermüden Diskreditierungen linksliberaler Positionen, mehr oder weniger offensichtlich, bewerkstelligt mittels semantischer Verkürzungen, bewusster Fehlinterpretationen, unvollständiger Zitate und vielem mehr, bedeuten für jeden politisch interessierten Zuschauer eine grobe Form intellektueller Selbstkasteiung. Was früher Gerhard Löwenthal besorgte, erledigt heute Bettina Schausten mit sardonischem Lächeln im sogenannten Zweiten, mit dem man angeblich besser sieht. Kaufen wir einfach unsere Aprikosen woanders.

16. September 2018

Olive oil

Du bist erst erwachsen, wenn du Oliven magst.
Derya Coban

13. September 2018

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„Durchlässige Sackgasse“ – ein schönes Bild, und vor allem so einfach übertragbar auf viele Bereiche des Lebens. Nach dem Motto „Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“ kann die durchlässige Sackgasse Mut machen, Zuversicht geben oder Trost spenden. Hilfe zu bekommen in auswegloser Lage – wer von uns wüsste das nicht zu schätzen? Doch löst nicht die durchlässige Sackgasse auch Besorgnis aus in der Weise, dass die Gewieften, Trickreichen und Aalglatten immer einen Ausweg finden! Die Großen lässt man laufen … Ist die durchlässige Sackgasse also ein alltagstaugliches, praxiserprobtes Oxymoron, ein gut funktionierendes, real erlebbares Phantasma? Die Hofnarren lassen grüßen, geht es doch wenigstens in der Sackgasse, der durchlässigen wohlverstanden, immer weiter.

10. September 2018

Wer den Ton in Dur angibt, dem wird, früher oder später, in Dur geantwortet.
Johann Gottfried von Herder (1744 – 1803)

8. September 2018

Zurück von einer kurzen Reise nach Halle (Saale). Mir gefällt die Stadt sehr, und dass zurzeit im Zentrum viel gebaut wird, was für Anwohner, Touristen, Geschäfte, Verkehr etc. unterschiedlichste Beeinträchtigungen mit sich bringt, ändert daran nichts. Halle muss sich seit einer Ewigkeit gegen Leipzig behaupten, das deutlich größer ist und in mancherlei Hinsicht als bedeutender gilt. Angeblich ist das den Leipzigern anzumerken. Wie auch immer, bestätigt und selbst erlebt ist jedenfalls ihr Erstaunen darüber, dass auch Händel schöne Musik geschrieben hat, wenn sie sich während des Bachfestes einmal herablassen, etwas vom Konkurrenten aus Halle anzuhören.

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Es war mein dritter Besuch in dieser sympathischen Stadt und wohl kaum der letzte, steht doch der nächste Termin sozusagen vor der Tür: Die Wiederaufnahme von Händels Berenice, einer hochgelobten Produktion aus der letzten Spielzeit. Am Samstag, 20. Oktober ist das Stück im Opernhaus wieder zu sehen. Und dann, in der neuen Saison, nochmal Händel: Julius Cäsar in Ägypten, genau so, in deutsch. Für die musikalische Leitung ist Michael Hofstetter verantwortlich, für die Inszenierung Kultregisseur Peter Konwitschny. Das verspricht Zündstoff, und so überrascht die Ankündigung des Opernhauses nicht, man habe es sich „zur Aufgabe gemacht, die charakterlich vielschichtigen Figuren auszuleuchten und dem Publikum diese schrägen Typen in all ihrer archaischen Sinnlichkeit und modernen Frechheit, in ihrem wahnwitzigen Egoismus und ihrer schier grenzenlosen Leidensfähigkeit nahezubringen.“ Schmunzeln darf man über den Tippfehler auf der Homepage: „In deutscher Spprache“, als wäre es ein ironischer Kommentar des Webmasters, dem sich die Verwerfung des Italienischen zugunsten des vergleichsweise unsanglichen Deutschen nicht erschließt. In der Tat würde man die Gründe für die Entscheidung, das Stück in der Übersetzung aufzuführen, gern erfahren. Am 31. Mai 2019, dem Tag der Premiere, sind wir vermutlich schlauer.

5. September 2018

Die Staatsoper Unter den Linden hat in diesem und im nächsten Monat insgesamt fünf Vorstellungen von Webers Freischütz im Programm. Die Verlockung ist groß, wenigstens eine davon anzuschauen. Marc Minkowski, einer der renommiertesten Dirigenten für das Musiktheater, hat die musikalische Leitung – das allein wäre Grund genug für einen Opernbesuch. Minkowski, ursprünglich Barockspezialist, wird sicher ein sehr eigenes Klangideal verfolgen, worauf man durchaus neugierig sein darf. Darüber hinaus lassen die Berliner das Stück ohne Pause spielen, was die Aufführung dramatisch dichter, stringenter und letztlich packender machen dürfte. Und es singen u. a. Anna Prohaska, Peter Sonn und Falk Struckmann – alles weitere Gründe für eine kleine Opernreise. Und Berlin selbst ist ja schon Grund genug …

3. September 2018

Stratford, The tide rushing in, Holywell Bay

Noch bis zum 13. September zeigt die Beside The Wave Gallery (Falmouth, Cornwall) unter dem Titel „Out of the Mist“ Bilder von Alan Stratford. Die beeindruckenden Exponate zeigen ausschließlich cornische Küsten- und Meeresimpressionen. Wer halbwegs in der Nähe ist, geht einfach hin. Wer weiter weg ist, bucht Flieger oder Fähre.

2. September 2018

Erotik verhält sich zur Sexualität wie Gewinn zu Verlust.
Karl Kraus (1874 – 1936)

Mit dieser hübschen Sentenz wirbt Zweitausendeins jetzt für seine Aktion mit 25 % Sonderrabatt auf Erotik-DVDs im Onlineversand (solange der Vorrat reicht und nur bis einschließlich 03.09.2018). Unter den ausgewählten Titeln sind neben cineastischen Bagatellen auch sehr sehenswerte Filme, darunter „Belle de Jour“, „Dieses obskure Objekt der Begierde“, „Romance“, „Jung und schön“ und einige andere. Unanständig sieht anders aus, meint Zweitausendeins und hat natürlich vollkommen recht.

30. August 2018

Wettermäßig wird es heute durchwachsen, heißt es in den Nachrichten von hr-info. Wettermäßig, aha. Launemäßig hat das keinen Enfluss, wir kommen trotzdem duschmäßig in Gang und frühstücken müslimäßig. Staumäßig kommen wir gut durch den Verkehr, arbeitsmäßig ist alles wie immer. Freizeitmäßig freuen wir uns auf den Feierabend und halten uns vielleicht, wenn es himmelmäßig klappen sollte, sogar biergartenmäßig im Freien auf. Irgendwann gehen wir müdemäßig zu Bett. Lingua quo vadis?

29. August 2018

Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski hat sich Gedanken über den Fortbestand der Bayreuther Festspiele gemacht, da nach seiner Beobachtung ein jüngeres Publikum so gut wie nicht angesprochen wird. „Grauköpfe prägen das Erscheinungsbild“, stellt er fest. „Bayreuth droht, Nischenmarkt für Minderheiten zu werden.“ Eine Oper müsste live am Handy mitverfolgt werden können, meint Opaschowski, so seien die jungen Leute heute gepolt. Und über das „elitäre Gehabe“, wo die Tickets mehrere Hundert Euro kosten und ein kleines Wasser fünf, sei die Zeit hinweg gegangen. „Die Hoch- und Promikultur muss vom Sockel gestoßen werden“, fordert der Zukunftsexperte, „in Bayreuth fehlt die Brücke zur Breitenkultur. Man muss neu über diese Kulturveranstaltung nachdenken, ohne dass es zu einer McDonaldisierung der Kultur kommt.“

27. August 2018

„Warum ist die Kuh grün, und warum fliegt das Pferd in den Himmel“, fragten die Genossen. „Was hat das mit Marx und Lenin zu tun?“

An diese Fragen erinnert sich Marc Chagall (1887 – 1985) in seinen schriftlich festgehaltenen Eindrücken der ersten Lebensabschnitte bis 1922. Wenn wir für einen Moment die letzte Frage beiseite lassen, wenn wir also nicht darüber sinnieren wollen, was Politik von Kunst erwartet oder verlangt, bleibt für Kunst- und Kulturpädagogen immer noch ein beinahe nicht zu bestellendes Feld übrig. Es will aufwändig beackert werden, gegen Wahrnehmungs-, Gewohnheits- und Fantasieblockaden, damit vielleicht auf ihm eines Tages ein paar Früchte geerntet werden können. Es ist ein unsicherer Wechsel auf die Zukunft, und nicht selten hat er mehr mit Glauben zu tun als mit Verstehen oder Empfinden. Warum ist die Kuh grün, und warum fliegt das Pferd in den Himmel? Damit du darüber nachdenkst, mein Kind, und damit dir vielleicht noch weitere Fragen kommen.

„Gott, die Perspektive, die Farbe, die Bibel, Form und Linien, Traditionen und das, was man ‚das Menschliche‘ nennt – Liebe, Geborgenheit, Familie, Schule, Erziehung, […] all das ist aus den Fugen gegangen. Vielleicht war auch ich mitunter von Zweifeln besessen, und dann malte ich eine umgestülpte Welt, ich trennte die Köpfe meiner Figuren ab, zerlegte sie in Stücke und ließ sie irgendwo im Raum meiner Bilder schweben.“

24. August 2018

Richard Tuff, Pandora from the Beach

Richard Tuff, Pandora from the Beach

22. August 2018

„Die Wahrheit ist nicht die Wahrheit“, antwortete Rudy Giuliani, Anwalt von Donald Trump, in einem Fernseh-interview auf die Frage, warum sein Mandant nicht einfach die Wahrheit sagen könne. Hätte Giuliani gesagt, dass die Wahrheit mehr ist als die Summe der Fakten, würden wir es vielleicht verstehen, denn wir wissen ja auch, dass ein gutes Essen mehr ist als das Zusammenfügen von Zutaten, oder dass Musik mehr ist als die Summe der Töne. „Die Wirklichkeit sieht anders aus als die Realität“, befand einst Helmut Kohl. Und Pontius Pilatus, ebenfalls ein erfolgreicher Politiker, stellte seinerzeit die Frage: „Was ist Wahrheit?“ Now, Mr. Giuliani, politics and philosophy are not for everyone.

19. August 2018

Heute bin ich bis 16.00 Uhr 005

Dieser Hinweis im Schaufenster eines Geschäftes in der Wetzlarer Altstadt erinnert mich an den Film König der Fischer, in dem Robin Williams mehrfach sagt „Finde heraus, wer du bist, und versuche es zu sein“. Hier weiß jemand, dass er ist, und zwar bis 16.00 Uhr. Über die Zeit danach wird keine Auskunft gegeben – wie klug!

17. August 2018

Ab September/Oktober beginnen in der Wetzlarer Musikschule wieder neue Kurse in der Musikalischen Erwachsenenbildung. Anmeldungen per E-Mail, Fax oder direkt im Sekretariat der Musikschule (Schillerplatz 8, 35578 Wetzlar, Tel. 06441-42669).

montags, 19.30 – 21.00 Uhr
Ballettmusik
Beginn: 3. September 2018

Der Kurs gibt einen musikgeschichtlichen Überblick über die Entstehung von Ballettmusiken im heutigen Sinn. Besprochen werden Werke unterschiedlicher Epochen, von den französischen Barockopern über literarische Ballette bis hin zu abendfüllenden Musiken aus Romantik, Impressionismus und früher Neuzeit. Die Teilnehmenden lernen Werke berühmter Komponisten kennen wie Lully, Adam, Delibes, Tschaikowsky, de Falla, Prokofjew und Strawinsky. Mit zahlreichen Beispielen von DVD, CD und live am Klavier.

dienstags, 10.30 – 12.00 Uhr
Musica Sacra
Beginn: 4. September 2018

Eine musikalische Reise durch die Epochen Renaissance, Barock, Klassik, Romantik und Moderne mit geistlichen Werken unterschiedlicher Besetzungen. Die Teilnehmenden erfahren dabei Wissenswertes über Oratorien, Passionen, Requien, Kantaten, Motetten und andere musikalische Gattungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der eingehenden Betrachtung des Wort-Ton-Verhältnisses, unterschiedlicher Techniken und musikalischer Ausdrucksmittel der jeweiligen Epoche. Mit zahlreichen Beispielen von DVD, CD und live am Klavier.

mittwochs, 19.30 – 21.00 Uhr
Die Oper im 20. Jahrhundert
Beginn: 5. September 2018

Die Oper ist ein Kaleidoskop menschlicher Leidenschaften, komisch wie tragisch, meistens auf Liebe und Tod. Zum Inhalt des Kurses gehören Erläuterungen zu musikdramatischen Konzeptionen, zum Verhältnis von Text und Musik, Erklärungen und Hörhilfen zum Einsatz stilistischer und musikalischer Mittel sowie der Vergleich von Inszenierungen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen Opern von Korngold, Berg, Bartók, Poulenc, Hindemith, Schreker, Krenek und Henze. Der Besuch einer Opernvorstellung – das Werk wird zuvor besprochen –  ist optionaler Bestandteil des Kurses.

donnerstags, 10.30 – 12.00 Uhr
Wiener Klassik
Beginn: 6. September 2018

Der Kurs beschäftigt sich mit den Hauptwerken von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven. Besprochen werden Opern, Sinfonien, Kammermusiken und diverse geistliche Kompositionen. Im Zentrum der Betrachtung stehen die verschiedenen Stilmerkmale der Epoche insgesamt, dazu die individuellen Unterschiede bei der Wahl der musikalischen Ausdrucksmittel aller drei Komponisten.

donnerstags, 18.00 – 19.30 Uhr
Wann darf ich klatschen? – Grundwissen Musik
Beginn: 18. Oktober 2018

Zum Inhalt gehören die gebräuchlichsten musiktheoretischen Grundbegriffe, die wichtigsten musikalischen Epochen und ihre berühmtesten Komponisten, Aufbau und Struktur einzelner Kompositionen, musikalische Stilmittel, Satztechniken und eine Übersicht über musikalische Formen und Gattungen. Darüber hinaus streift der Kurs Aspekte des aktuellen Musiklebens. Außer Neugier und Interesse sind keine weiteren Voraussetzungen nötig.

Teilnahmegebühr pro Kurs: € 35,00 monatlich

15. August 2018

Auf den heutigen Abendkurs freue ich mich besonders, denn mit Korngolds Oper Die tote Stadt steht eines der aufregendsten Stücke des 20. Jahrhunderts auf dem Programm. Ein packendes Psychogramm von Liebe, Leidenschaft und Trauer, ein Kaleidoskop menschlicher Sehnsüchte, Obsessionen und Schimären, mit glutvollen Orchesterklängen und betörenden Melodien. Ich hatte zu Anfang des Jahres das Glück, in der Dresdener Semperoper einer hochklassigen Aufführung dieses Meisterwerks beiwohnen zu dürfen. Die tote Stadt ist eine Oper, die nicht nur den Akteuren alles abverlangt – auf, unter, neben und hinter der Bühne. Auch denen vor der Bühne, will heißen: dem Publikum. Wer sich zurücklehnen und schöne Unterhaltung serviert bekommen möchte, sollte nicht Die tote Stadt wählen. Für leichte Genüsse gibt es andere Stücke.

12. August 2018

Unser Leben ist viel schwerer als das unserer Vorfahren, weil wir uns so viele Dinge anschaffen müssen, die uns das Leben erleichtern.
Gabriel Laub (1928 – 1998)

10. August 2018

Heute Morgen musste ich an Herbert Wehner (1906 – 1990) denken, der politische Widersacher aus dem rechtskonservativen Spektrum schon mal als „patentierte Christen“ oder „Zwangsdemokraten“ bezeichnete. In den Hörfunknachrichten lief ein Beitrag über Kindergeldzahlungen, die vermehrt ins Ausland gehen bzw. an Empfänger, deren Kinder im Ausland leben, vorrangig in Rumänien, Bulgarien, Tschechien und Polen. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung eines CDU-Politikers wiedergegeben, der eine Anpassung des Kindergeldes an die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Ländern gefordert hatte.

Herbert Wehner hätte vermutlich zunächst darauf erwidert, dass gegen Betrug in konkreten Fällen natürlich vorgegangen werden muss, z. B. wenn aufgrund von gefälschten Geburtsurkunden für Kinder gezahlt wird, die es gar nicht gibt. Doch dann hätte er wahrscheinlich seine oben zitierten Titulierungen bemüht und darauf hingewiesen, dass erstens die meisten ausländischen Arbeitnehmer/-innen in Deutschland sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigt sind und auch hier einzahlen, und dass zweitens die finanzielle Größenordnung der beschriebenen Leistungen gegenüber dem Gesamtaufkommen aller Kindergeldzahlungen verschwindend gering ist. Er hätte wohl weiter betont, dass der Verwaltungsaufwand enorm wäre, abgesehen davon, dass eine Regelung nach dem Prinzip „für Rumänen weniger, für Schweden mehr“ gesetzgeberisch problematisch wäre. Und, last but not least, was ist mit den Rentnerinnen und Rentnern, die sich wegen ihrer geringen Bezüge ein Leben in Deutschland nicht mehr leisten können und nach Osteuropa oder Asien ausgewandert sind? Müssen diese Menschen – wo wir schon mal dabei sind – künftig Rentenkürzungen befürchten, da sie ja jetzt mit viel weniger Geld auskommen können? Auf welche Ideen kommt der Mensch? Ist es vielleicht doch die Hitze?

7. August 2018

Mission Impossible VI

Ethan Hunt ist immer noch in Topform, was er in Mission Impossible – Fallout, dem nunmehr sechsten Teil der Reihe, über 148 Minuten eindrucksvoll unter Beweis stellt. Das ist auch bitter nötig, denn wieder einmal ist die Welt in Gefahr, diesmal wegen gestohlenen Plutoniums, welches den Bösewichten unbedingt wieder abgenommen werden muss. Hitchcock prägte das Wort vom MacGuffin: Mehr oder weniger beliebige Objekte oder Personen dienen in einem Film dazu, die Handlung auszulösen oder voranzutreiben, sind dabei aber selbst von keinem besonderen Nutzen. Diesmal also Plutonium, uns soll’s recht sein. Gut gegen Böse, das reicht, und die Guten gewinnen. Inklusive sämtlicher Verfolgungsjagden, Schlägereien, Explosionen etc., die man irgendwie kennt, vielleicht nicht in dieser Länge und Perfektion.

Doch entscheidend für den Erfolg sind die Darsteller, die sozusagen zur Familie gehören, und die wir beinahe augenzwinkernd begrüßen möchten, sobald sie auf der Leinwand erscheinen. Zuallererst natürlich Tom Cruise, der auf die Sechzig zugeht und, wie es in einem Dialog heißt, immer noch „ganz der Alte“ ist. Sodann der maskulin-attraktive Alec Baldwin als neuer IMF-Chef und selbstverständlich Cruises, nein Hunts langjährige Teamkollegen und Weggefährten, Benji Dunn (Simon Pegg) und Luther Stickell (Ving Rhames). Und natürlich der Hauptgrund für den ganzen Kinobesuch – die aphrodisische Rebecca Ferguson in der Rolle der Ilsa Faust! Leider kann man im Kino nicht auf Standbild schalten, da muss man schon warten, bis DVD oder Blu-ray auf den Markt kommen. Ein zusätzliches Schmankerl haben sich die Macher aber dann doch noch einfallen lassen: Michelle Monaghan (Julia, Hunts Ehefrau) ist wieder dabei und hat gegen die semi-erotische Beziehung ihres Mannes zu Ilsa nichts einzuwenden, schließlich ist sie selbst wieder liiert, jedenfalls sagt sie das. Und, zu Ethan: „Ich habe meinen Platz gefunden. Und du doch auch.“ Herrlich, so alles zusammen. Für € 13,50 guckt man das glatt nochmal. In 3-D. Oder in Wetzlar.

5. August 2018

Kaffeehaus

Du hast Sorgen, sei es diese, sei es jene – – – ins Kaffeehaus!
Sie kann, aus irgendeinem, wenn auch noch so plausiblen Grunde, nicht zu dir kommen – – – ins Kaffeehaus!
Du hast zerrissene Stiefel – – – Kaffeehaus!
Du hast 400 Kronen Gehalt und gibst 500 aus – – – Kaffeehaus!
Du bist korrekt sparsam und gönnst Dir nichts – – – Kaffeehaus!
Du bist Beamter und wärst gern Arzt geworden – – – Kaffeehaus!
Du findest keine, die Dir passt – – – Kaffeehaus!
Du stehst innerlich vor dem Selbstmord – – – Kaffeehaus!
Du hasst und verachtest die Menschen und kannst sie dennoch nicht missen – – – Kaffeehaus!
Man kreditiert Dir nirgends mehr – – – Kaffeehaus!
Peter Altenberg, in „Vita Ipsa“ (Berlin 1918)

3. August 2018

Badeschiff 08-2018

Wer zum Eintritt nicht Schlangestehen und anschließend über Leiber und Handtücher steigen mag, um dann vor dem Pool nochmals in der Warteschleife auszuharren, der sollte wenigstens mal zum Gucken hinfahren: Die in Alt-Treptow vor Anker liegende „schwimmende Badeanstalt“, Kultstätte in der Tradition alter Flussschwimmbäder, das Badeschiff. Mit Sandstrand, Beach-Bar etc. und vor allem einem fantastischen Panoramablick über die Spree, die Oberbaumbrücke und den Fernsehturm. Tagesticket 5,50 €, ermäßigt 3,00 €, Kinder ab 6 – 12 Jahre 2,00 €.

2. August 2018

Es bleibt heiß, und die Zahl der öffentlichen Bäder geht zurück. Immer mehr Kommunen können sich den Betrieb nicht mehr leisten. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 175 Schwimmbäder geschlossen, davon 62 Freibäder. So bilden sich vielerorts Vereine und Initiativen zur Erhaltung der Bäder, doch die Kosten für qualifiziertes Sicherheitspersonal, für die regelmäßige Wartung der Anlagen sowie für Energie bleiben dieselben. Für Hallenbäder gibt es öffentliche Fördertöpfe, für Freibäder nicht. Ein Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen wäre vonnöten, um die Gemeinden mit den Kosten nicht alleine zu lassen und somit Schließungen zu vermeiden. Denn Freibäder sind nicht allein Freizeitstätten, wo es unwiderstehlich nach Sonnencreme, Chlor und Pommes frites riecht, sondern sie sind soziale Treffpunkte, auch und gerade in Zeiten von immer weniger Jugendzentren. Darüber hinaus sind sie Orte für Sport und Kultur, nicht zuletzt für Schwimmunterricht, sportliche Betätigungen und Wettkämpfe. Der Betrieb von Freibädern müsste kommunale Pflichtaufgabe sein, mit entsprechender finanzieller Ausstattung! Apropos kommunale Pflichtaufgabe: Von Bibliotheken und Musikschulen sprechen wir heute mal nicht, obwohl die sogar ganzjährig geöffnet haben und nicht nur, wenn die Sonne scheint.

31. Juli 2018

Vor Beginn meiner dreiwöchigen Expedition in und durch Berlin hatte ich gedacht, ein paar Ausflüge zu machen, beispielsweise zum Wannsee, nach Köpenick oder auch nach Potsdam. Am Ende war ich weder hier noch da noch dort, sondern habe die meiste Zeit in Friedenau, Charlottenburg, Schöneberg, Kreuzberg und im Prenzlauer Berg verbracht. Auch Tagestouren in den Spandauer Forst, zum Schlachtensee und nach Treptow standen auf dem „Programm“, das eigentlich keines war und welches ich auch nicht wirklich hatte. Die Stadt auf mich zukommen lassen und einfach mal sehen, wohin sie mich führt – das war das Ziel. Eine Mischung aus Entdecken und Entspannen, aus Erkunden und Erholen. Und genauso war’s.

Ich war in zwei Theateraufführungen: Im weißen Rössl im Renaissancetheater – konsequent klamaukig und herrlich selbstironisch! Und – ein völliger Kontrast – Die Gezeichneten von Franz Schreker in der Komischen Oper, ein abgründiger Psychothriller zum Thema Sex and Crime in einer packenden Inszenierung von Skandalregisseur Calixto Bieito. Ich habe die Gräber von Giacomo Meyerbeer, Ferruccio Busoni, Marlene Dietrich und Helmut Newton besucht und war in zwei Museen, dem Deutschen Spionagemuseum und dem Deutschen Historischen Museum. Nach zehn Tagen hatte ich das Gefühl, die Schlagzahl reduzieren zu müssen. Berlin verführt leicht zu ständiger Aktivität, insofern waren dann Antiquariate und Cafés bevorzugte Ziele. So habe ich zehn (!) antiquarische Bücher gekauft und davon gleich drei gelesen. Der niederländische Autor Arnon Grünberg hat mich mit seinem Roman Der Mann, der nie krank war dabei besonders beeindruckt.

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Ein Höhepunkt sämtlicher Entdeckungen war die Meierei (Prenzlauer Berg, Kollwitzstraße 42). Seit elf Jahren wird hier alpenländische Küche angeboten, und das in herausragender Qualität. Der warme Bio-Hirsebrei mit gekochtem Obst und Himbeersahne ist sensationell! Die Speisekarte enthält natürlich sehr viel mehr, wie z. B. Brot-, Käse-, Wurst- und Fleischgerichte, Suppen, Salate, Kuchen und verschiedene Kaffeespezialitäten. Sandra Hirsch und Hubert Roth führen mit ihrem sympathischen Team hier engagiert und kreativ eine kulinarische Top-Adresse. Dem Satz, wonach eine ausgewogene Diät aus einem Kuchen in jeder Hand besteht, glaubt man hier sofort. Chapeau!

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So ergaben sich verschiedene Stationen, die ich mehrfach aufgesucht habe, sei es für einen Kaffee, ein kühles Bier oder ein Abendessen. Manche Adressen kannte ich schon, wie das Doldenmädel am Mehringdamm oder die Kastanie in Charlottenburg. Nach langen Spaziergängen im Lietzenseepark oder am Landwehrkanal (Paul-Lincke-Ufer) sitzt man hier besonders schön und genießt ein Pale Ale oder ein Berliner Kindl. Man kann auch ausgestreckt am Spreeufer liegen und vorbeifahrende Schiffe zählen. Muss man aber nicht.

Pause bis zum 29. Juli 2018

Berlin-Kampagne
mit freundlicher Genehmigung von
Zum Goldenen Hirschen
Berlin GmbH

Die Berliner sind unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch, Berlin ist abstoßend, laut, dreckig und grau, Baustellen und verstopfte Straßen, wo man geht und steht – aber mir tun alle Menschen leid, die nicht hier leben können!
Anneliese Bödecker (1932 – 2015)

21. Juni 2018

So steht’s bei op-online: Wie in den vorausgegangenen Jahren lädt die Rumpenheimer Kantorei zu einer sommerlichen „Nacht der Musen“ in den Schlosspark Rumpenheim ein. Am kommenden Samstag (23. Juni) werden in der Schlosskirche ab 22 Uhr Lieder, Musik und Texte unter dem von den Beatles entlehnten Motto „All you need is love“ zu Gehör gebracht. Das vielseitige Programm berücksichtigt verschiedene Genres, wie z. B. den Pop (All you need is love, Beatles), die Klassik (Hochzeitsmarsch, F. Mendelssohn-Bartholdy), das Volkslied (Du, du liegst mir im Herzen) und weitere Beiträge.

Die durch Teilnehmer der gerade zu Ende gegangenen 5. Rumpenheimer Singwoche ergänzte Rumpenheimer Kantorei hat hierzu verschiedene weitere Mitwirkende eingeladen, so z. B. die Pfarrerin und Sopranistin Amina Bruch-Cincar, den Kirchenchor St. Sebastian Dietesheim, die von Ulrike Fausel geleiteten Gustav-Adolf-Gospel-Singers und weitere hochwertige Überraschungsgäste. Moderiert wird der Abend von Harriet Lyre. Die musikalische Gesamtleitung hat Tobias Prautsch. Vor der Veranstaltung gibt es ab 21 Uhr kulinarische Köstlichkeiten im Schlosspark vor der Kirche, im Anschluss eine Feuershow.

Ich bin einer der „hochwertigen Überraschungsgäste“ und spreche über die Entstehung des Finales zu Haydns Sinfonie Nr. 45 fis-Moll, der sogenannten Abschiedssinfonie, und die dazu überlieferten Anekdoten.

19. Juni 2018

Es gibt nicht viel Neues. Die Ferien nahen, das ist gut. Noch ein Klassenvorspiel morgen, bei dem ich Geigenschüler am Klavier begleite, dann die Kurse am Donnerstag, Freitag Büroarbeit. Am Samstagabend bin ich in Offenbach zu Gast bei der „Nacht der Musen“ in der Evangelischen Kirche in der Schlossgartenstraße. Thema des Abends ist „All you need is love“, ich spreche über die Entstehung des Finales von Haydns Abschiedssinfonie. Beginn ist um 22.00 Uhr. Es gibt eine Menge Chormusik, auch Solistisches. Mein Beitrag, so ist es gewünscht, soll zum Nachdenken und Schmunzeln anregen. Mal sehen.

Was hilft? Wegfahren, abschalten. Apropos: Ich bin zu sehr am Fußballsport interessiert, um gänzlich auf die WM zu verzichten. Doch während der Übertragungen schalte ich fast immer auf lautlos. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich einmal nach Rudi Michel und Rolf Kramer zurücksehnen würde. Selige Zeiten! Ich überlege, ob ich mir nicht alte Kommentare beschaffe und zu aktuellen Spielen laufen lasse. Ob wirklich ein Tor fällt oder nicht, sehe ich ja. Oder ich spiele nur die Geräusche einer Stadionkulisse ein, mit frei wählbaren Optionen, das geht vielleicht auch. Wenn ein Tor fällt, klicke ich auf „Jubel“.

Es gibt mittlere Reife, Hochschulreife und Urlaubsreife. Ich habe sechs Punkte beim Wissenstest des Tages auf ZEIT online (war heute nicht so schwer) und muss am Wochenende den Rasen mähen. Mein Salat mit Datteltomaten, schwarzen Oliven, Schafskäse und Garnelen (alles mit Olivenöl beträufeln und mit frisch gemahlenem Pfeffer servieren) bleibt auf dem Speiseplan. Und ich bin wieder auf dem Stepper, nach längerer Pause. „No sports“ ist ganz witzig, aber ich bin nicht Churchill, gottseidank.

17. Juni 2018

Die für September vorgesehene Studienreise nach St. Petersburg wird auf April 2019 verschoben. Nachdem der Spielplan des Mariinski-Theaters nun veröffentlicht ist, zeigt dieser kein hinreichend attraktives Programm für September 2018, so dass wir uns zu einer Verschiebung entschlossen haben. Am 11. April 2019 läuft Eugen Onegin von Peter Tschaikowsky im Hauptsaal des Theaters. Wir bemühen uns um Karten und sind zuversichtlich, dass wir ein entsprechendes Kontingent reservieren können. Nähere Informationen zu den genauen Reisedaten, Preisen etc. gibt es ab Herbst 2018 hier oder im Sekretariat der Wetzlarer Musikschule.

15. Juni 2018

Bis zu diesem Tag hat noch niemand gesehen, dass die Zugvögel ihren Weg nehmen nach wärmeren Gegenden, die es gar nicht gäbe, oder dass sich die Flüsse ihren Lauf durch die Felsen und Ebenen bahnen und einem Meer entgegenströmen, das gar nicht vorhanden wäre. Gott hat gewiss keine Sehnsucht oder Hoffnung erschaffen, ohne auch die Wirklichkeit zur Hand zu haben, die als Erfüllung dazugehört.
Karen Blixen (1885 – 1962)

13. Juni 2018

Alles, was die Welt uns schenket,
Nimmt die Welt, wenn wir vergehn:
Liebe nur bleibt ewig stehn,
Lieb‘ ist, die kein Sterben kränket,
Liebe bricht durch Grab und Tod,
Liebe tritt mit uns vor Gott.
Andreas Gryphius (1616 – 1664)

Günter

Lieber Günter, nach dem Tode wird es so sein wie vor der Geburt, hast du einmal gesagt. Ich hoffe trotzdem entgegen deiner Erwartung, dass wir uns eines Tages wiedersehen. Wo immer du jetzt bist: Gute Reise und danke für alles! Dein Thomas

11. Juni 2018

Warum nimmt jemand an einer Studienreise nach Leipzig mit einem Konzert im Gewandhaus teil? Will man gerne in Leipzig sein und geht bei der Gelegenheit auch ins Konzert, oder will man in erster Linie ins Gewandhaus und freut sich nebenher über eine attraktive Stadt? Das entscheidet wohl jeder selbst, Veranstalter sollten hier auf diverse Spielarten und Prioritäten vorbereitet sein. Auch dass ein Konzert der absoluten Spitzenklasse (Mitglieder des Gewandhausorchesters, Leitung Emmanuelle Haïm) eher beiläufig besucht und so gut wie kommentarlos konsumiert wird, ist nicht auszuschließen. Dass das gebuchte Hotel ein paar Kilometer außerhalb des Stadtzentrums liegt und somit nicht eingeplante Unbequemlichkeiten mit sich bringt, lässt sich da viel erschöpfender diskutieren. Und doch das Positive: Burschikose Stadtführerinnen punkten mit sächsischem Pseudowitz (kein Stadtteil!). Deren persönliche Abneigung gegen „moderne“ Musik, die von Alban Berg zum Beispiel, wird ohne weiteres verziehen, schräge Musik ist ja auch schwierig. Am Ende der Reise steht ein Besuch im Händelhaus in Halle. Da dauert die Führung nur eine Stunde, das lässt sich aushalten. Eine schöne Studienreise, so alles in allem. Oder sagen wir besser Städtetour.

6. Juni 2018

Morgen geht es für vier Tage nach Leipzig. Ich leite eine Reise der Wetzlarer Musikschule mit Unterkunft im Hotel Tryp by Wyndham Leipzig North****, einer halbtägigen Stadtrundfahrt am 8. Juni, dem Besuch eines Konzertes im Gewandhaus mit Werken von Händel (Gewandhausorchester unter Leitung von Emmanuelle Haïm) am 9. Juni und einem Besuch im Händelhaus Halle mit Führung am 10. Juni. Einen Bericht gibt es hier am kommenden Montag.

5. Juni 2018

Es waren zwei sehr angenehme Tage in Metz, mit guten Gesprächen, schönen Cafés und Restaurants, Spaziergängen an der Mosel und einer sehr guten Aufführung in der Oper. Metz ist in vielerlei Hinsicht eine Reise wert – angefangen von der imposanten Kathedrale über Museen und Kulturstätten bis hin zu attraktiven Freizeitangeboten und ausgezeichneter Gastronomie.

Metz Oper

Die Oper wurde 1732 erbaut und ist das älteste Theater Frankreichs, das noch in Funktion ist. Der Charme des historischen Gebäudes ist außerordentlich, der Besuch ein Erlebnis. Die Aufführung von Saint-Saëns‘ Samson et Dalila ist vor allem musikalisch stark, die harmlose Inszenierung dagegen ist schnell vergessen, ebenso die etwas fantasielose und wenig aufregende Ausstattung. Das souveräne Dirigat von Jacques Mercier aber, die intensiven, glutvollen Orchesterklänge bleiben in Erinnerung. Mercier trifft den oratorisch-dramatischen Ton der Partitur jederzeit und führt die Bühnenakteure glänzend durch Arien, Ensembles und Chöre. Bravo!

Samson et Dalila

Souvenirs und Mitbringsel sind diesmal lothringische Weine, Mirabellen-Konfitüre und individuell gefertigte Porzellanschalen in atemberaubendem nachtblau.

31. Mai 2018

Auf dem Weg nach Metz, wo ich in der dortigen Oper Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns erleben werde. Ich habe das Stück noch nie auf der Bühne gesehen, entsprechend gespannt bin ich.

Es ist eine etwas unruhige, aber auch schöne Zeit. Ich komme gerade aus Antwerpen, wo ich gerne länger geblieben wäre. Jetzt also Metz, wo es mir sicher ebenso gefallen wird, und in der nächsten Woche dann vier Tage Leipzig mit einem Konzert im Gewandhaus. Es folgen zwei Wochen Schule, dann beginnen die Ferien. Ich fahre nach Berlin, für herrliche drei Wochen. Natürlich geht auch da nichts ohne die Oper. Es warten Die Gezeichneten von Franz Schreker. Danach gehen die Opernhäuser endgültig in die Sommerpause, und ich auch.

29. Mai 2018

Zurück aus Antwerpen, wo ich in der Vlaamse Opera zusammen mit einem Freund eine schöne Aufführung von Mozarts La clemenza di Tito gesehen habe. Zwar ist die Inszenierung von Michael Hampe unauffällig und sehr artig, doch die Musik gleicht viele Belanglosigkeiten mühelos aus. Stefano Montanari ist allerdings ein Dirigent, an dem sich die Geister durchaus scheiden können. Schon sein Äußeres ist unkonventionell, ja provokant: Kahlgeschoren und beohrringt, Kapuzenshirt, Lederhose, Stiefel. Ebenso sportlich ist sein Tempo in der Ouvertüre, genau wie in manchen Arien und Chören. Nein, seien wir ehrlich: Die Tempi sind zuweilen abenteuerlich überzogen, so dass rhythmische Feinheiten nicht mehr wahrnehmbar sind. Das ist schade, denn der Maestro hat fraglos das Zeug zu sensiblem Musizieren, was er an anderen Stellen eindrucksvoll zeigt.

Lothar Odinius (Tito) ist leider kein Mozart-Sänger. Er hat ein paar schöne Passagen, ja, doch ihm fehlt die Leichtigkeit. Die Koloraturen sind unscharf, in der Höhe singt er mit zuviel Kompression. Ganz anders die Frauen: Agneta Eichenholz (Vitellia), Cecilia Molinari (Annio) und Anat Edri (Servilia) überzeugen mit Ausstrahlung und sängerischem Glanz. Anna Goryachova (Sesto) ist eine Mezzosopranistin der Sonderklasse. Ihre Stimme ist flexibel und trifft jeden Affekt, extrem ausdrucksstark und gestaltungssicher. Die Stimme erinnert ein wenig an die junge Teresa Berganza, ihre Bühnenpräsenz ist außerordentlich.

Im ersten Halbjahr 2019 singt Anna Goryachova in London (Tschaikowsky, Pique Dame), Berlin (Prokofjew, Die Verlobung im Kloster) und Zürich (Bellini, Norma). Schöne Stücke, schöne Städte. Schöne Pläne!

23. Mai 2018

Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke. Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.
Franz Kafka (1883 – 1924)

21. Mai 2018

Kassel Staatstheater 077

Gut war’s, doch auch herausfordernd. So einfach ist das nämlich nicht, dass einem etwa zweieinhalb Stunden zwar moderne, aber doch gefällige Musik entgegen käme. Strawinsky schreibt nach wie vor nicht antizipierbar, was allerdings mit der Art der Handlung, der systematisch-chronologischen Schilderung eines sozialen und mentalen Abstiegs, korrespondiert. Die Musik ist zumeist deskriptiv, illustrierend. Sie ist im dritten Akt am stärksten, beim finalen Kartenspiel zwischen Rakewell und Shadow. Die Inszenierung von Paul Esterházy lässt die eigentliche Handlung hinter einem Gazevorhang spielen – nur zur Artikulation ihrer Affekte treten die einzelnen Darsteller hervor. Das ist plausibel, hält aber das Publikum auf Distanz, nicht nur visuell. Ein handwerklich und musikalisch gut gemachtes Stück, das mehr intellektuell als emotional anspricht, dargeboten von überzeugenden Solisten, dem präsenten Chor und einem klanglich ausgewogenen Orchester. Nur ein paar Dutzend Zuschauer hatten sich eingefunden – es lag vielleicht nicht nur am sommerlichen Wetter zu Pfingstsonntag. Der einführende Referent wusste schon vorher, dass man „unter sich“ bleiben würde.

20. Mai 2018

Nach dem Mittagessen geht es nach Kassel ins Staatstheater. Strawinskys The Rake’s Progress ist die einzige abendfüllende Oper des Komponisten. Kurt Pahlen bezeichnet sie als „tonales“ Werk beinahe ohne Dissonanzen, als „echte Gesangsoper“ mit „Rückkehr zur Melodie“. Das mag durchaus richtig sein, doch Strawinsky ist ein Komponist, bei dem man sich nie zu sicher sein sollte – in mehrfacher Hinsicht. Seine Lust, Regeln zu brechen und Hörerwartungen zu enttäuschen, ist legendär. Als Meister der Parodie serviert er der Zuhörerschaft mit Vorliebe ein Menü von vermeintlicher Sicherheit, um dann mit eigenen Gewürzen und Zutaten aufzuwarten. So klingt manches in The Rake’s Progress auf den ersten Blick (auf das erste Hören!) rückwärts gewandt: Belcanto-Entlehnungen bei Rossini und Bellini, Verwendung des Cembalos wie bei Mozart, Da-capo-Arien wie zur Barockzeit. Doch Strawinsky schreibt keine reminiszente Musik zum Selbstzweck. Dadurch, dass er seine Arien und Chöre so klingen lässt, als seien sie Stilkopien von hoher technischer Fertigkeit, erweckt er den Eindruck, dass nicht Menschen, sondern Marionetten auf der Bühne stehen. C’est ça! Schließlich gerät unser Held, Tom Rakewell, immer mehr unter den Einfluss seines mephistophelischen Gegenübers Nick Shadow (!) und agiert zunehmend fremdbestimmt, bis zum Tod im Irrenhaus. Danach folgt die Demaskierung, ohne Perücken und falsche Bärte, gesungen von allen Beteiligten, der Transfer in unsere Zeit. Mal sehen, was das Staatstheater Kassel daraus macht.

18. Mai 2018

Wen die Götter strafen, dem erfüllen sie seine Wünsche.
Aus der Beschreibung von Händels „Semele“ in der Inszenierung von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin

17. Mai 2018

Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss ist so ziemlich das Anspruchsvollste, was wir im Opernkurs bisher gehört und gesehen haben. An dem Stück ist so ziemlich alles schwer: Handlung, Text, Musik. Eine Erzählung von Liebe, Schuld, Erkenntnis und Erlösung, dazu eine harmonisch zuweilen tollkühne, die Grenzen der Tonalität überschreitende Musik. Jeder Laie, der sich dem aussetzt, muss geradezu opernhafte Prüfungen über sich ergehen lassen. Das Schöne ist, dass dieses unbekannte Terrain gleichzeitig fordert und beschenkt. Es ist dabei nicht nötig, orchestrale Klangmixturen oder harmonische Verwegenheiten mit musikalischem Fachvokabular beschreiben zu können. Das Entscheidende sind unsere Antennen, unsere inneren Seismographen, die uns Wünsche und Hoff-
nungen, Intrigen und Verzweiflungen, Abgründe und Sehnsüchte wahrnehmen lassen. Es ist schön, wenn man weiß oder gar hört, dass auf den B-Dur-Sekundakkord mit Sext- und Nonenvorhalt die Obermediante, die Tonikaparallele oder sonst was folgt. Für das, worauf es wirklich ankommt, ist es ganz unwichtig. Wir kennen auch nicht jedes Geheimnis des Kochs, wenn uns sein Essen schmeckt.

15. Mai 2018

18563630 - lifebelt in the ocean

Wer auf hoher See mitten in ein Rudel Haie springt, weil er das Abenteuer sucht, sollte nicht erwarten, dass man ihm Rettungsschwimmer schickt.
Tom Borg

19. Mai 2018

Tozer Port Navas

Andrew Tozer, Port Navas

13. Mai 2018

In den Medien kursiert eine neue Geschichte von FDP-Chef Christian Lindner, und zwar die Ausländer-Bäcker-Brötchen-Angst-Geschichte. Hintergrund ist eine von Lindner auf dem FDP-Parteitag vorgetragene Beobachtung, die er wohlgemerkt nicht selbst gemacht hat, sondern einem Bekannten zuschreibt. Danach, so Lindner, bestellt sich einer beim Bäcker „mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen“ und die Leute in der Schlange wissen nicht, „ob das der hoch qualifizierte Entwickler Künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer“. Diese Unsicherheit, findet Lindner, kann Angst auslösen.

An dieser Geschichte sind mehrere Sachen unklar. Macht sich jemand Gedanken um das Vorstrafenregister der Kunden nur, wenn diese in gebrochenem Deutsch bestellen? Wie wirkt sich der Grad sprachlicher Eloquenz auf das Vorstrafenregister aus? Was ist mit der Angst der in der Schlange stehenden Einheimischen nicht nur in Bäckereien, also wenn z. B. jemand im Baumarkt „mit gebrochenem Deutsch“ eine Axt oder Kettensäge kauft? Und wenn ich beim Bäcker in Berlin oder Bayern „Brötchen“ kaufen will und für meine Sprache belächelt werde, sind die Einheimischen dann nur amüsiert oder haben die schon Angst?

11. Mai 2018

Die Niederländerin Connie Palmen hat ein Buch geschrieben mit dem Titel Die Sünde der Frau. Über Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles und Patricia Highsmith. Im Fahrwasser aktueller Debatten stellt die Autorin darin eine Reihe von provozierenden Behauptungen (das ist in Ordnung) und wahrheitswidrigen, um nicht zu sagen alternativen Fakten auf (das ist nicht in Ordnung). Eine der Thesen lautet, dass Frauen zerstört werden, wenn sie sich gesellschaftlichen Konventionen verweigern. Und dann: „Niemand konnte Marilyn Monroe von Marilyn Monroe befreien, und deshalb tat sie es selbst.“ Diesen Unsinn wollte ich so nicht stehen lassen und habe, obendrein verärgert über die begeisterte Besprechung von Eva Biringer, auf ZEIT ONLINE einen Kommentar veröffentlicht. Dafür habe ich von anderen Leserinnen und Lesern zehn positive Rückmeldungen erhalten. Nachfolgend der Text meines Kommentars.

Marilyn Monroe hatte sich kurz vor ihrem Tod mit Joe DiMaggio, ihrem zweiten Ehemann, wieder ausgesöhnt und Pläne für ein neues, ruhiges Familienleben außerhalb des Filmgeschäftes. Ihr Tod war nach allem, was wir aus seriösen Quellen wissen, weder Selbstmord noch Mord, sondern ein tragischer Unfall, bestenfalls fahrlässige Tötung durch ihren Psychiater. Die hier publikumswirksam verschmolzenen, zum Teil aberwitzigen Thesen des Buches wie auch die hymnische Begeisterung der Rezensentin sind fehl am Platz. Aber reißerische, unhaltbare Behauptungen aufzustellen, sie dazu mit feministischen Anliegen zu verquicken und politisch zu instrumentalisieren, ist natürlich einträglicher als das Studium entsprechender Untersuchungen, Interviews, Biografien, Dokumentationen etc. Das ist BILD-Zeitung für Intellektuelle, mehr nicht.

Pause bis zum 10. Mai 2018

29. April 2018

Deutsches Eck

Die Sonne scheint. Ich schließe ich eine touristische Erlebnislücke und mache zusammen mit meinem Sohn einen Ausflug zum Deutschen Eck nach Koblenz.

27. April 2018

Gestern Abend, Konzertführer Klassik, Teil 2. Es stehen drei Werke auf dem Programm, und alle sorgen für reichlich Gesprächsstoff. Den Anfang macht Pacific 231 von Arthur Honegger und die Frage, ob es sich um programmatische oder – wie von Honegger bezeugt – absolute, mathematisch orientierte Musik handelt. Die Lokomotive ist das eine, jeder hat sie vor seinem geistigen Auge, die Fahrt inklusive. Doch die Frage, was ist Tempo, was ist Metrum, was ist Geschwindigkeit, welche Funktion hat der Rhythmus, das ist das andere. „Wenn Sie nicht vorher gesagt hätten, dass wir eine Eisenbahnfahrt hören, hätte ich das nicht erkannt.“

Danach La Mer von Claude Debussy. „Hier ist viel mehr Wind und Meer als vorher Eisenbahn“ lautet ein Kommentar, obwohl das Stück gar kein Meeresrauschen enthält. Debussy bildet den Charakter des Meeres ab, nicht das Meer selbst. Und, wie er einem Zeitgenossen schrieb, entstand das Stück aus Erinnerungen an das Meer, also ohne es real vor Augen zu haben: „Meiner Ansicht nach ist das mehr wert als eine Wirklichkeit, deren Zauber die Fantasie gewöhnlich zu stark belastet.“

Schließlich Tallis. Einstrahlungen für großes Orchester von Peter Ruzicka. Sofort die Frage nach der Schönheit. Da fehlt ja die Harmonie! Was ist daran Kunst? Erste Hilfe kann ich mit einem Blick auf andere Sparten und Gattungen leisten. Wir haben alle ein gutes Buch im Schrank stehen, das nach 1920 geschrieben wurde. Wir haben alle ein Bild an der Wand hängen (oder mögen eins), das nach 1920 gemalt wurde. Wir kennen alle ein Bauwerk, das uns beeindruckt und welches nach 1920 geschaffen wurde. Es ist allein von daher gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet in der Musik nach 1920 nichts Gescheites mehr komponiert worden sein soll! Und was soll das heißen, „es ist nicht schön“? Nur weil Dur und Moll fehlen, und weil es keine tradierten Melodie- und Harmoniemuster gibt, handelt es sich deswegen nicht um dekadente Tonkleckserei! Um das zu verstehen, brauchen wir aber keinen Acht-Wochen-Crashkurs, sondern eine mindestens zweijährige Grundausbildung, ähnlich wie in der Musikalischen Früherziehung. Gut, dass wir mal drüber geredet haben.

25. April 2018

3 Tage in Quiberon

Eigentlich geht das nicht – einen Film empfehlen, ohne ihn selbst gesehen zu haben. Und doch lege ich allen am Kino, an Romy Schneider und an einer Hommage an eine der größten Filmikonen Interessierten nachdrücklich ans Herz, 3 Tage in Quiberon anzusehen. Ich selbst sehe den Film erst Anfang Mai, doch allein das Interview mit Marie Bäumer in der FAZ ist derart fulminant, dass jeder einen Kinobesuch in diesem Fall als verpflichtend begreifen sollte.

Bäumer erzählt darin, dass sie sich „ein wenig durch die Sprache angenähert“ habe und beschreibt „diese unnachahmliche bourgeoise Wiener Melodie, die Romy Schneider im Französischen wie im Deutschen hatte.“ Sie, Bäumer, habe Interviews angeguckt und konnte dort etwas über Schneiders Atmung, ihre Nervosität, ihre ganz bestimmte Attitüde erfahren. Romy Schneider habe „zum Beispiel eine eher männliche Art zu rauchen“ gehabt, sie habe „sich immer die Lippen geleckt oder Dinge wiederholt“. Und dann, voller Bewunderung: „Romy Schneider war die physischste Schauspielerin im Kino, die mir untergekommen ist. Sie hatte eine phänomenale Fähigkeit, von null auf zweihundert in eine Spannung und Entspannung zu gehen, was sie sehr sinnlich gemacht hat.“

23. April 2018

Wetzlarer Neue Zeitung, 22. April 2018

Schubert-Vortrag 04-2018

Foto: Franz Ewert

Schubert, der Träumer, Genie ohne Erfolg

VORTRAG  Thomas Sander berichtet bei der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft vom Schaffen des Komponisten

Wetzlar. Bereits mit 31 gestorben, hat Komponist Franz Schubert ein vielfältiges Werk hinterlassen. Wer Franz Schubert war, hat Thomas Sander, Leiter der Musikschule Wetzlar, Gästen der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft (DÖG) gezeigt. Es ist eine besondere Gabe von Thomas Sander seinem Publikum locker und lehrreich musikalische Sachverhalte näherzubringen. Und natürlich die dazugehörenden Personen. Gut eine Stunde lang reisten mehr als 80 Liebhaber klassischer Musik, darunter Mitglieder, Freunde und Gäste der DÖG Wetzlar mit Sander in die Zeit Schuberts zurück.

Sander, der nach eigenem Bekunden vor 50 Jahren sein erstes Schubertstück, unvergessen ein Ländler in a-Moll, auf dem Klavier spielte, gewährte Einblicke in das unstete und unruhige Leben Schuberts. In seinem Vortrag arbeitete er die Charakteristika des enormen musikalischen Schaffens eines begnadeten Künstlers heraus, der aber zeitlebens nicht von seiner Musik habe leben können. Viele hätten Schuberts musikalisches Talent erkannt, niemand aber habe es vermarktet oder dem Genie zumindest zur Seite gestanden. Zwei eindrucksvolle Konzertmitschnitte ergänzten Sanders Ausführungen zu einem gelungenen Ganzen des Schubert-Abends im Konzertsaal der Musikschule Wetzlar.

Franz Peter Schubert – geboren und gestorben bei Wien – war das 13. von 16 Kindern, von denen nur vier das Erwachsenenalter erreichten. Er war ein unauffälliger, jedoch sehr musikalischer Schüler, der im Alter von elf Jahren in den kaiserlichen Hofchor aufgenommen wird. 1797 wird er geboren – Mozart war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre tot und Joseph Haydn auf der Höhe seines Schaffens – und wächst in einer Zeit heran, die von großartiger Musik ebenso geprägt ist wie von politischen Umwälzungen wie dem Wiener Kongress.

„Schubert, der Träumer, das Genie ohne Erfolg“ hat ein „gigantisches Werk“ hinterlassen, so Thomas Sander. Er hat sehr viel für Klavier komponiert, ohne aber – wie Mozart oder Schumann – selbst ein Konzertpianist gewesen zu sein. Er hat 15 Bühnenwerke komponiert, Opern, Sinfonien, Messen, geistliche und weltliche Werke, fand aber zu keiner Zeit irgendwo eine feste Anstellung. Und natürlich schrieb er neben alledem über 600 Lieder, die „kleine musikalische Form“, für die Franz Schubert weltbekannt ist. Werke voller Wohlklang und Gefälligkeit, fast immer aber mit leiser Trauer und Melancholie. Er war laut Sander „ein Meister musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten mit phänomenalen Gaben“.

In seinem kurzen Leben – Schubert starb 1828 mit nur 31 Jahren – hat er „wie besessen komponiert“, insgesamt 30 000 Stunden, wie man ausgerechnet habe. Und gleichzeitig war Schubert ein melancholischer Mensch. Ein Mann mit vielen Frauenbekanntschaften, aber keiner einzigen festen Bindung, mit reichlich Alkoholkonsum und schweren Krankheiten. Mit 25 Jahren litt er an Syphilis, gestorben ist er an Typhus, ein Jahr nach Beethoven. Schuberts Leben war laut Sander „begleitet von unaufhörlichem Zerfall an Gesundheit, Hoffnung und Erwartung“, ein kurzes Leben, das der Nachwelt aber ein „gigantisches Oeuvre“ hinterlassen hat. (ew)

22. April 2018

Grundschule

Vor gut fünfzig Jahren wurde dieses Foto aufgenommen. Es zeigt mich (sitzend, links) zusammen mit ein paar Mitschülerinnen und Mitschülern. Auf dem Stuhl neben mir sitzt meine Schulfreundin Konni. Ich war damals sehr verliebt in sie und wollte sie heiraten. Hat bis heute nicht geklappt.

20. April 2018

„Ich möchte alle Fragen der Welt in dieser schönen totalen Kunstform, der Oper, durchspielen, um dabei Vorschläge zu machen für das Zusammenleben der Menschen“ , hat Harry Kupfer, einer der bedeutendsten deutschen Opernregisseure, einmal gesagt. In der kommenden Spielzeit inszeniert der 82-jährige Kupfer Händels Poros an der Komischen Oper Berlin, an der er zuletzt vor über fünfzehn Jahren gewirkt hat. Wir dürfen gespannt sein, welche Vorschläge für das menschliche Zusammenleben der Regiestar diesmal parat hat. Das Stück jedenfalls lässt größtmöglichen Raum für Liebe und Leidenschaft, für Verstellung und Verführung. Sollte Kupfer sich treu bleiben, wovon wir ausgehen dürfen, wird er auch diesmal das Handeln der Beteiligten in einen historisch-politischen Zusammenhang stellen, Überraschungen inklusive. Premiere ist am 16. März 2019.

19. April 2018

„Hauptsache Finale“ – so der Kommentar von Frankfurts Trainer Kovac gestern Abend nach Spielschluss auf Schalke. Seine Eintracht hatte 1:0 gewonnen – glücklich und mit tatkräftiger Mithilfe des Schiedsrichters, der ein reguläres Tor der Schalker in der Nachspielzeit nicht anerkannt hatte. Kovac hatte nicht die Größe zu sagen, dass die Partie in die Verlängerung hätte gehen müssen, in der sich die Schalker – zu dem Zeitpunkt mit einem Spieler mehr auf dem Feld – vermutlich durchgesetzt hätten. Aber das ist Spekulation, zugegeben.

Die Schalker sind gestern um den verdienten Erfolg betrogen worden, wenn auch kaum vorsätzlich. Trainer Tedesco hat der Eintracht gratuliert, freilich ohne die Fehlentscheidung nachvollziehen zu können. Das ist sportlich fair und vorbildhaft. „Hauptsache Finale“ nimmt sich dagegen ziemlich armselig aus, auch wenn man als Betrachter die blauweiße Brille längst abgesetzt hat.

18. April 2018

Alexander Pope

If you want to know what God thinks about money just look at the people He gives it to.
Alexander Pope (1688 – 1744)

17. April 2018

Es gibt viele kluge Pflegetipps für die Freundschaft, als wäre sie eine Zimmerpflanze oder ein Aquarium. Ist sie aber nicht. Eine Freundschaft, die ich als Pflegefall betrachte, ist keine Freundschaft mehr. […] Freundschaft ist ein nördlicherer Breitengrad der Liebe. Mit der Liebe teilt sie die Eigenschaft, dass wir sie uns nicht aussuchen können. Nicht wir haben die Wahl, die Freundschaft wählt uns. Sie ereignet sich. Wir merken schon, wenn sie sich eingestellt hat. Und wir spüren irgendwann, wenn sie vorbei ist. Sie beendet sich selbst. Den Beteiligten bleibt nur noch, sich das einzugestehen.
Arno Frank

15. April 2018

Mit den Worten „Ein Handwerksmeister ist nicht weniger wert als ein Herzchirurg“ fordert der Generalsekretär des Branchenverbandes ZDH, Holger Schwannecke, mehr Wertschätzung für das Handwerk ein.

Da können wir Künstler uns anschließen. Auch wir würden gern mehr Wertschätzung erfahren. Auch wir haben was gelernt. Die meisten von uns haben sogar studiert. Wir können wirklich was. Und wir sind pünktlich.

14. April 2018

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12. April 2018

Für die meisten Kursteilnehmenden war Elektra von Richard Strauss gestern nicht nur ungewohnt, sondern darüber hinaus fordernd und anstrengend. Die harten Dissonanzen, die gewaltigen Klangmassive im forte und fortissimo sowie natürlich die Handlung selbst, die drastische Sprache Hofmannsthals – das alles ist kein entspannendes Vergnügungstheater, sondern verlangt die Bereitschaft zu einer konzentrierten Hörarbeit. Wir hatten Salome, dann Rosenkavalier, es folgt Die Frau ohne Schatten. Wir befinden uns mitten in einem der anspruchsvollsten Abschnitte der Operngeschichte überhaupt. Fast hätte ich gestern gesagt, dass wir ja nicht zum Spaß hier sind.

Elektra, wie das allermeiste von Strauss, ist schwer für das Orchester, schwer für die Sängerinnen und Sänger, schwer für den Dirigenten, schwer für die Regie. Warum also soll es nicht auch schwer fürs Publikum sein? Passen wir auf, dass uns der natürliche Umgang mit Anspruch und Niveau nicht abhanden kommt! Wenn wir uns erholen wollen, schauen wir Zar und Zimmermann oder backen Zitronenkuchen.

10. April 2018

Normalerweise reicht es aus, einmal am Tag Nachrichten zu sehen oder zu hören. Trotzdem beginnen nicht wenige ihren Tag mit dem Frühstücksfernsehen, schauen am Arbeitsplatz während der Mittagspause am PC nach den neuesten Meldungen, zwischendurch am Handy, hören bei der Heimfahrt Nachrichten im Auto, lesen Videotext, gucken abends „Tagesschau“, „heute-journal“ oder sonstwas.

Nachrichten immerzu, unaufhörlich, „Seite wurde aktualisiert“. Wir sollen dazu voten und liken, am Gewinnspiel teilnehmen. Wir sehen die Wills, Illners und Maischbergers in endlosen Palaverrunden, sehen Zusammenschnitte, Statistiken, Straßenumfragen. Wir hören Experten, Beobachter und auf inutiles Infotainment spezialisierte Sachverständige. Wir erleben Berichterstatter vor Ort, für die „eine Bewertung noch zu früh“ kommt, vor dem Weißen Haus, auf dem Roten Platz, gerne von der Frankfurter Börse. Der Euro wird leicht schwächer notiert, der Dax hat sich zum Abend hin erholt. „Anja, was bedeutet das jetzt?“ „Wenn es soweit ist, werden wir es wissen.“ Das Wetter wird besser, im Südwesten, vielleicht. Danke, Sven. Wir sind morgen wieder für Sie da.

Ein Traum. Der Bildschirm wird schwarz. Eilmeldung, von Erich Kästner: „Denkt an das fünfte Gebot – schlagt eure Zeit nicht tot!“

8. April 2018

Auch ein Liebeslied

Dies also ist der Liebe Kern:
zuerst ist sie ein Hauch und sacht
einsames Waldhorn von den Horizonten fern
der Unterleib ist bisher nicht erwacht.

Welch ein Genuss sich an der Hand zu halten
und in die feuchten Augen sich zu sinken
doch weicht die Seele bald Naturgewalten
wer „Röslein“ dachte denkt jetzt „Schinken“.

Was man auf Händen trug nun liegt es drunter
der Hauch wird Sturm Tornado heißer Wind
trotz der geschlossnen Augen bleibt man munter
man kämpft und weiß nicht wer gewinnt.

Es scheint ein Kampf fürs ganze Leben
jedoch der klare Morgen bringt die Kühle her.
Erloschen der Vulkan. Vorbei der Erde Beben.
Das Waldhorn stumm. Die Horizonte leer.
Günter Kunert (* 1929)

7. April 2018

Die Dreigroschenoper verlangt singende Schauspieler, keine Sänger. Diesem Postulat wird das D’haus ebenso gerecht wie dem Anspruch der Berücksichtigung regionaler und tagesaktueller Bezüge. Im Ergebnis zeigt das Düsseldorfer Ensemble eine moderne, fantasievolle Parabel über Liebe, Macht, Betrug und Selbstbetrug, die über drei Stunden lang ironisch reflektiert und dabei glänzend unterhält. Es ist Platz für Kalauer („es geschieht brechtzeitig“, „mit der Brechtstange“) und Parodie (herrlich: Trapattoni und „Was erlauben Breckte!?“) – die Pointen sitzen, das Tempo passt. Die Songs sind bissig, involvierend und zum Glück nicht „schön“ gesungen. Eine laute, farbintensive, ja lustvolle Inszenierung (Regie: Andreas Kriegenburg) ohne falsche Vor- und Rücksichten, mit guter Musik (Musikalische Leitung: Franz Leander Klee). Ein Erlebnis!

5. April 2018

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Hauswand Ackerstraße/Worringer Platz, Düsseldorf

29. März 2018

Karfreitag: Geröstete Süßkartoffel-Suppe (für 4 Personen)

ca. 6oo g Süßkartoffeln
1 Möhre
2 große Chilischoten
3-4 EL Erdnussöl
1 Prise Zimt
½ TL Kurkuma
Meersalz
1 kleine rote Zwiebel
1 kleines Stück frischer Ingwer
ca. 1 l Gemüsebrühe
200 ml Orangensaft
Saft von 1 Limette
Sojasoße
Salz und frisch gemahlener Pfeffer

Für das Topping:
100 g Ziegenweichkäse
ca. 50 g geschälte Walnüsse
1 Prise Cayenne-Pfeffer
Salz und Pfeffer

1. Backofen auf 200 Grad vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen. Süßkartoffeln waschen und in Spalten schneiden, Möhre schälen und der Länge nach halbieren, Chili entkernen und in Ringe schneiden. In einer Schüssel mit 2-3 Esslöffeln Öl, Zimt, Kurkuma und Meersalz vermengen. Alles auf dem Backblech verteilen und auf mittlerer Schiene ca. 20 – 25 Minuten knusprig backen.
2. Währenddessen Ingwer und Zwiebel schälen und grob schneiden. Für das Topping Ziegenweichkäse und fein gehackte Walnüsse in einer Schüssel gut miteinander verrühren. Mit Cayennepfeffer, Salz und Pfeffer abschmecken. Bis zum Servieren beiseite stellen.
3. Backblech aus dem Ofen nehmen, das Gemüse leicht auskühlen lassen. Chilischoten entfernen. Dann 1 Esslöffel Öl in einem großen Topf erhitzen, Zwiebeln und Ingwer darin anbraten. Süßkartoffeln und Möhren zugeben und kräftig umrühren. Gemüsebrühe und Orangensaft zugeben, kurz aufkochen lassen, dann die Hitze reduzieren und die Suppe ca. 5 Minuten köcheln lassen. Anschließend alles fein pürieren.
4. Ist die Suppe zu dick, etwas mehr Gemüsebrühe zugeben. Zum Schluss den Limettensaft unterrühren und mit Sojasoße, Salz und Pfeffer abschmecken. In tiefen Tellern oder Schalen servieren, mit ein wenig Topping garnieren.

Ostern: Kein Lamm

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Ein frohes Osterfest – nach den Feiertagen geht es weiter!

28. März 2018

Seit ein paar Wochen fällt mir ein Plakat auf, mit dem für ein „Osterkonzert“ am Karfreitag geworben wird. Über den Titel in Zusammenhang mit dem Termin bin ich etwas irritiert. Das Plakat gibt keinen Aufschluss darüber, ob Passionsmusik zur Aufführung kommen wird oder Musik zur Auferstehung Christi, im Sinne des höchsten Festes im Kirchenjahr. So oder so habe ich ein Gefühl des Widersinnigen. Denn entweder ist der Titel falsch gewählt oder der Tag des Konzertes.

Das erinnert mich an eine geradezu legendäre Osterpredigt eines mir persönlich bekannten katholischen Pfarrers. In der voll besetzten Kirche freute er sich über den großen Besucherzuspruch, erklärte aber anschließend, dass Ostern ohne Karfreitag nicht denkbar sei. Vor der Auferstehung und dem ewigen Leben stehe das Kreuz, das gehöre zusammen, so sagte er sinngemäß und schloss mit dem Satz: „Wer am Karfreitag nicht hier war, kann sofort wieder nach Hause gehen.“ Es braucht nicht viel Fantasie, um sich das Unverständnis, ja die Empörung vorzustellen, die diese Worte damals ausgelöst haben. Da geht man schon mal in die Kirche, will das „Hallelujah“ von Händel hören und „Das Grab ist leer“ singen, und dann sowas …

Also was wird bei einem „Osterkonzert am Karfreitag“ gespielt? Für alle etwas? Ist es ein Konzert mit Pause, bei dem man nach dem ersten Teil zwar gehen, nicht aber erst zum zweiten Teil kommen kann? Hunde und zu spät Kommende müssen leider draußen bleiben? Vielleicht werden ja auch Ausschnitte aus Das schwarze Schaf mit Pater Brown gespielt. „Gottes Wege sind unergründlich, aber sie führen immer zum Ziel. Hübsch hässlich ham’ses hier.“

26. März 2018

Verschiedenes 188
S-Bahn-Station Anhalter Bahnhof, Berlin-Kreuzberg

Berlin bietet einfach so viele Möglichkeiten, dass hier jeder leben kann wie er will. Ich kann hier am Wasser wohnen oder in eher dörflichen Strukturen, ich kann in einer Plattenbausiedlung wohnen oder in einem großbürgerlichen Umfeld wie in Charlottenburg. Das macht Berlin schon mal einzigartig. Außerdem gibt es hier ein unglaubliches Kulturangebot, ein großes gastronomisches Angebot, Berlin ist eine wahnsinnig lebendige Stadt.
Ulrike C. Tscharre, Schauspielerin
Quelle: https://www.svz.de/12846286 ©2018

25. März 2018

Time Change To Summer Time

Gestern zeigte das WDR-Fernsehen eine Straßenumfrage zum Thema „Uhr umstellen auf Sommerzeit“. Erstaunlich viele Passanten waren nicht sicher, ob die Uhren nun vor oder zurück gestellt werden. Die Eselsbrücke, wonach wir im Frühjahr die Gartenmöbel vor die Tür stellen, um sie im Winter wieder zurück ins Haus zu holen, war für einige der Befragten neu. Auch der Merksatz „Zeitumstellung funktioniert wie das Thermometer – im Frühjahr Plus und im Winter Minus“ war nicht allen bekannt. Immerhin konnten fast alle die Frage „Was färben, suchen und essen wir zu Ostern?“ korrekt beantworten – „Eier“ ist richtig. Im privaten wie öffentlich-rechtlichen Verblödungsquiz wären dafür mindestens 500 Euro fällig gewesen. Wir sind egg-cited, würde das Ampelmännchen sagen. Mannomann.

23. März 2018

Ausstellung „Von Monet bis Kandinsky. Visions Alive“
Alte Münze • Molkenmarkt 2 • 10179 Berlin
verlängert bis zum 30. Juni 2018
täglich von 10 – 20 Uhr

Von Monet bis Kandinsky

Bei der Ausstellung werden Werke von 16 Künstlern der Klassischen Moderne in einer Kombination aus animierter Video-Projektion zu ausgewählter Musik präsentiert. Die multimediale Bilderschau zeigt Werke von Vincent van Gogh, Edvard Munch, Claude Monet, Edgar Degas, Paul Gauguin, Henri Rousseau, Henri de Toulouse-Lautrec, Paul Signac, Amedeo Modigliani, Piet Mondrian, Pierre-Auguste Renoir, Juan Gris, Paul Klee, Gustav Klimt, Wassily Kandinsky und Kasimir Malewitsch.

In 16 kurzen Filmen werden die Hauptwerke jedes Meisters auf 7-Meter-hohe Flächen projiziert, die in den Räumen der Alten Münze in unterschiedlichen Winkeln angeordnet sind. Die Endlosschleife von insgesamt 63 Minuten ist ein eigenständiges und ganzheitliches Kunstwerk, das den Besucher in die jeweilige Welt des Künstlers eintauchen lässt. Die Projektionen blenden ineinander über, bewegen sich im Rhythmus der sie begleitenden Musik und ziehen den Besucher in einen Strudel aus Farben, Licht und Sound. Insgesamt wurden für die Ausstellung in Berlin etwa 1.500 Arbeiten aus mehr als 20 Museen aus der ganzen Welt digital bearbeitet.

Wegen des anhaltend hohen Besucherinteresses wurde die Ausstellung bis zum 30. Juni 2018 verlängert. Unbedingt ansehen!

22. März 2018

Am 24. Januar 1920 stirbt Amedeo Modigliani 35-jährig nach exzessivem Leben an den Folgen seiner Tuberkuloseerkrankung und des Alkohols. Einen Tag später stürzt sich die 21-jährige, im achten Monat schwangere Jeanne Hébuterne, Modiglianis Verlobte, aus einem Fenster im fünften Stock, ihr ungeborenes Kind stirbt mit ihr. Die zwei Jahre zuvor geborene Tochter Jeanne wird von Modiglianis Schwester in Florenz adoptiert.

Hébuterne Modigliani
Modigliani, Jeanne Hébuterne (1918)

Modigliani, Musterbeispiel des Bohèmien und bekannt für seine Ausschweifungen, war ein paar Jahre zuvor in Hébuternes Leben getreten und hatte es sozusagen übernommen. Nach allem, was wir wissen, geschah der Selbstmord nicht aus Angst vor einem ungewissen Leben gemeinsam mit ihren Kindern, etwa in Erwartung von finanzieller Not oder sozialer Ächtung. Vielmehr weigerte sich Jeanne Hébuterne, eine kluge und begabte junge Frau, ihr Leben ohne Modigliani fortzusetzen. Sie stellte den Toten über ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder, so wie sie es in der Zeit ihrer relativ kurzen Beziehung immer getan hatte.

21. März 2018

Modigliani

Das Glück ist ein Engel mit ernstem Gesicht.
Amedeo Modigliani (1884 – 1920)

20. März 2018

Der prachtvolle Zauber des Barocktheaters auf der Bühne der Komischen Oper Berlin: In der umjubelten Inszenierung des norwegischen Theatermagiers Stefan Herheim und unter der musikalischen Leitung von Barockspezialist Konrad Junghänel wird Händels Oper Xerxes zu einem Fest für Augen, Ohren und Sinne.

Mit diesem Text wirbt die Komische Oper Berlin auf ihrer Homepage für ihre Produktion der späten Händel-Oper. Mit opulenter Ausstattung, dazu voller Witz und Charme und zudem musikalisch auf hohem Niveau wird dann alles Versprochene auch gehalten, und wie! Dieser Xerxes wird lange in Erinnerung bleiben. Ich war in manchen Szenen sehr berührt, habe aber in anderen Momenten auch herzlich gelacht – im Textheft ist von einer barocken Muppet Show die Rede, und das ist absolut zutreffend. Herheim will mit seiner Inszenierung nicht unsere Zeit der Händel-Oper überstülpen, sondern umgekehrt die barocke Lust, das Dionysische der Barockoper in die jetzige Zeit tragen. Eine Kulisse für „ein Spiel von Spielern, die sich im Laufe des Abends leidenschaftlich erschöpfen.“ Dafür lieben wir sie, sagt er, denn sie füllen unsere eigene Leere. Das gelingt fulminant, denn erfüllter kann man nach über drei Stunden Oper nicht sein.

15. März 2018

Bis Montag in Berlin. Einträge wieder ab dem 20. März.

Komische Oper Berlin
(Foto: Manfred Brückels)

14. März 2018

Gestern gerate ich durch Zufall in den Schluss der ARD-Sendung „Quizduell“, die von Jörg Pilawa moderiert wird. Der Schauspieler Jörn Schlönvoigt muss im Finale ein paar Fragen beantworten, was unerwartet spektakulär verläuft. Auf die Frage, welcher Monat am 32. Tag des Jahres beginnt, antwortet Schlönvoigt „April“ und meint anschließend, 4 sei die höchste Primzahl zwischen 10 und 20. Die Frage, in welchem Bundesland die meisten deutschen Großstädte zu finden sind, lässt Schlönvoigt unbeantwortet. Schließlich tippt er bei der Frage, welches auf Zypern neben griechisch die zweite Landessprache ist, auf französisch. Dann ist das Spiel vorbei. Als Erklärung für seine überschaubaren Kenntnisse gibt Schlönvoigt an, er sei eben Schauspieler.

Satire on. Schlönvoigt mit Freundin im Theater, kurz vor Vorstellungsbeginn. Sie: „Gleich kommt wieder der lange Prolog.“ Er: „Hoffentlich setzt er sich nicht genau vor uns.“ Satire off.

13. März 2018

Nachdem wir letzte Woche im Montagskurs Szymanowskis vierte Sinfonie und Lutosławskis Konzert für Orchester gehört haben, sagt gestern eine Teilnehmerin, dass ihr der letzte Satz des Lutosławski-Konzertes doch arg zugesetzt habe, sie deshalb mit gemischten Gefühlen wieder erschienen sei, und was wir denn nun heute hören würden. Da Angriff die beste Verteidigung ist, zögere ich mit der Antwort keine Sekunde: Hartmann und Henze.

Es folgen die fünfte Sinfonie von Karl Amadeus Hartmann und das Orchesterstück „Appassionatamente“ von Hans Werner Henze. Und, kaum zu glauben: Positive Resonanz auf Hartmann und zwar zurückhaltende, aber nicht ablehnende Reaktionen auf Henze. Ein großer Fortschritt! Nächste Woche wollen wir Hartmanns achte Sinfonie hören und ein paar Szenen aus Henzes „Boulevard Solitude“ anschauen.

Noch sind wir nicht bei Ligeti, Stockhausen und Boulez. Doch mittlerweile sieht die Zuhörerschaft auch dieser Musik tapfer entgegen. Eine Teilnehmerin sagt gar über Peter Ruzicka, Dirigent des Henze-Stücks und selbst Komponist: „Den kenne ich. Seine Musik ist toll!“ Na also. Und ich ermutige die Gruppe, gegenüber Freunden, Nachbarn etc. selbstbewusst damit umzugehen und in Gesprächen etwas über den Kurs zu erzählen. Wer kommt schon abends nach Hause und hat zuvor anderthalb Stunden Hartmann und Henze gehört?

12. März 2018

Ku’damm 56 ist ein dreiteiliger deutscher Fernsehfilm (2016, R.: Sven Bohse) und erzählt eine Familiengeschichte im Berlin der Nachkriegszeit, von jungen Frauen auf ihrem dornigen Weg in die Emanzipation, hin zu einer freien, selbstbestimmten Identität und Lebensgestaltung, gegen alles Spießige, Biedere und Verklemmte. Soziales, Geschichtliches und Politisches sind eingebettet in eine große Erzählung, die alle Untiefen zwischen Konvention und Rebellion auslotet. Erstarrtes, Überkommenes, Ersehntes, Ertrotztes. Heike Kunert von der ZEIT fand dafür den schönen Satz: „Auf den Straßen ist der Schutt verschwunden, in den Köpfen nicht.“ Absolut sehenswert und mit einer großartigen Besetzung: Claudia Michelsen, Maria Ehrich, Emilia Schüle, Sonja Gerhardt, Trystan Pütter, Heino Ferch, Uwe Ochsenknecht, Markus Boysen und vielen anderen.

Nach dem großen Erfolg von Ku’damm 56 strahlt das ZDF in der kommenden Woche mit Ku’damm 59 nun die Fortsetzung aus. Der erste Teil läuft am 18. März, Teil 2 folgt am 19. März und der dritte Teil am 21. März jeweils um 20.15 Uhr. Im Anschluss an den ersten Teil zeigt das ZDF um 21.45 Uhr zudem Ku’damm 59 – Die Dokumentation. Nicht verpassen!

11. März 2018

In der Szene, in der Emma Morley endgültig klar wird, dass sie Dexter Mayhew innig und unverbrüchlich liebt, dass für sie ohne ihn nichts gut und nichts richtig ist, sie ihm nachläuft, ihn leidenschaftlich küsst und ihm ebenso verzweifelt wie voller Liebe droht, ihm das Herz aus dem Leibe zu reißen, wenn er sie jemals im Stich lassen oder sie hintergehen sollte, in dieser Szene, in der Dexter nur sagen kann, dass er das niemals tun würde, weil er Emma ebensosehr liebt, in dieser Szene verschwimmt kurioserweise jedes Mal das Bild.

Zwei-an-einem-tag

10. März 2018

Die Angewohnheit von Sportberichterstattern, statt von „der ersten Halbzeit“ oder „der zweiten Hälfte“ nur noch von „Halbzeit eins“ oder „Hälfte zwei“ zu reden, scheint unausrottbar zu sein. Im Fernsehen, im Internet, in den Printmedien – vor ein paar Jahren hat diese Unsitte um sich gegriffen und schnelle Verbreitung gefunden. Zwar ist auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ein kontinuierlicher Niveauverlust hinsichtlich des sprachlichen Ausdrucksvermögens festzustellen, doch die eingangs beschriebene Unart gibt es fast ausschließlich im Sport. Keine Wegbeschreibung enthält die Empfehlung, an „Ampel eins“ links abzubiegen. Niemand leistet „Hilfe eins“, und keine Frau erwartet ihr „Kind eins“. Nur die Fachleute vom Sport, welche „in Halbzeit eins“ ein gutes Spiel gesehen haben, erinnern sich vermutlich an ihren ersten Kuss und das berühmte erste Mal an „Kuss eins“ und „Mal eins“. Danach ist „Erst einmal“ (!) wahrscheinlich das „Einmaleins“, aber jetzt ist Schluss.

9. März 2018

Bobby Fischer 1960 in Leipzig

Heute würde Bobby Fischer (1943 – 2008), eines der größten Schachgenies aller Zeiten, 75 Jahre alt. 1972 wurde er Schachweltmeister, als er in Reykjavik das Finale gegen den damaligen Titelträger Boris Spassky gewann. Fischers Spiel war oft spektakulär und entwaffnend (welch schönes Wort im Zusammenhang mit Schach!). Im persönlichen Umgang zeigte sich Fischer oft verhaltensoriginell, unberechenbar und schwierig. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft zog er sich vom Turnierschach zurück. 1975 trat er gegen den sowjetischen Herausforderer Anatoli Karpow nicht an, woraufhin der Weltschachbund FIDE ihm den Weltmeistertitel aberkannte. Von Fischer sind ein paar hübsche Zitate überliefert. Eins lautet: „Ich rechne überhaupt nicht voraus. Ich gewinne auch so.“

8. März 2018

Wenn de Mensch dohn deit, watt he kann, denn kann he nich mehr dohn, as he deit.
plattdeutsche Redensart

7. März 2018

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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Liebe in die offizielle Klassifikation der ernsthaften Erkrankungen eingetragen. Der Krankheits-Code lautet „F63.9″. Die Liebe wurde den psychischen Störungen zugeordnet, einhergehend mit „abnormen Gewohnheiten und Beeinträchtigungen der Impulskontrolle“. Zu den Symptomen zählen ständige Gedanken an einen anderen Menschen, Stimmungsschwankungen, Schlaf- und Appetitlosigkeit sowie allergische Reaktionen. Angaben zu Möglichkeiten der Behandlung machte die WHO nicht.

6. März 2018

Anlässlich des Internationalen Frauentags hat die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring, eine Änderung des Textes der Nationalhymne gefordert. Aus „Vaterland“ soll „Heimatland“, aus „brüderlich“ nunmehr „couragiert“ werden. Die Überlegung, ob dies ein in der Sache grundsätzlich vernünftiger Vorschlag ist, wollen wir hier nicht weiter verfolgen. Klar ist, dass er im konkreten Fall nur von einem Nichtmusiker bzw. einer Nichtmusikerin kommen kann.

Wir haben gelernt, dass in guten Übertragungen eines Textes in Musik starke, also betonte Silben auch auf starke musikalische Zeiten, also betonte Taktteile fallen. Die Hymne ist bei Haydn im 2/2-Takt notiert, in anderen Ausgaben im 4/4-Takt. Das auf seiner ersten Silbe betonte Wort „brüderlich“ fällt in beiden Varianten auf den Beginn der zweiten Takthälfte, also auf eine betonte Zeit, was schlüssig und musikalisch richtig ist. Ändert man nun „brüderlich“ in „couragiert“, würde das neue Wort eine falsche Betonung auf der ersten Silbe erhalten, wird es doch allgemein üblich auf der letzten, dritten Silbe betont. Will man entstellende rhythmische Änderungen am Melodieverlauf vermeiden, kann demnach „couragiert“ nicht in Frage kommen. Es müsste vielmehr ein Wort sein, das ebenfalls dreisilbig ist, auf der ersten Silbe betont wird und halbwegs synonym zu „brüderlich“ ist, also etwa „gleichgesinnt“, „freundschaftlich“ oder „kumpelhaft“.

Wir müssen davon ausgehen, dass Frau Rose-Möhring sich über diese Zusammenhänge keine Gedanken gemacht hat. Ein Experte resp. eine Expertin für das Wort-Ton-Verhältnis in der Musik könnte da Abhilfe schaffen. Mit einer solchen Fachkraft könnte Frau Rose-Möhring dann zu einer textlichen Neufassung der Hymne streben, wie auch immer gemeinsam, mit Herz und Hand und Unterpfand.

5. März 2018

Es sei eine der populärsten Opern des 20. Jahrhunderts, meinte der die Einführung haltende Referent während seines Vortrages, wir würden das schon noch merken. Recht behielt er – selbst bei einer weniger gelungenen Inszenierung hätte die Kraft der Partitur von Poulencs Dialogues des Carmélites ihre beeindruckende Wirkung entfaltet. Doch die Gelsenkirchener hatten, von ein paar wenigen eher schwach besetzten Nebenrollen abgesehen, auf jedem Gebiet Erstklassiges zu bieten: Inszenierung und Bühnenbild (Ben Baur), Sängerinnen (vor allem Bele Kumberger, Almuth Herbst und Petra Schmidt –  ja, auch Sänger, aber die haben und spielen in dieser Oper keine große Rolle), Orchester, musikalische Leitung (Rasmus Baumann). Nicht nur der Schluss, der in Opernführern oft und berechtigt als besonders unter die Haut gehend beschrieben wird, bleibt haften, sondern das gesamte Stück. Poulenc hat mit Dialogues des Carmélites ein Meisterwerk hinterlassen, dessen sich das Musiktheater im Revier in jeder Hinsicht kompetent und in beeindruckender Manier angenommen hat. Ein großer Abend!

4. März 2018

Einer der Biografen von Francis Poulenc fand, der Maestro sei eine Mischung aus Spitzbube und Mönch. Dieses Urteil ist verständlich, denn zum einen war Poulenc ein Meister geistreicher Persiflagen und eleganter Parodien, zum anderen komponierte er komplex angelegte, tief vergeistigte Kirchen- und Kammermusik. Zu den Werken, die ihm unvergänglichen Ruhm eintrugen, gehören vor allem das Konzert für Orgel, Streicher und Pauken, das Stabat Mater und zwei Bühnenstücke: Der Monolog La voix humaine und die abendfüllende Oper Dialogues des Carmélites. Letzteres Werk höre und sehe ich heute Abend im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. Die Presseberichte sind euphorisch und meine Erwartungen an ein besonderes Opernerlebnis daher groß.

2. März 2018

Wer nur das Wirkliche gelten lässt, an der Sehnsucht nach dem Unmöglichen keine Freude findet und nie eine Minute übrig hat, um sie an einen schönen Traum zu verschwenden, wie arm ist der.
aus: Ludwig Ganghofer (1855 – 1920), Das Schweigen im Walde

1. März 2018

Kürzlich erzählte mir eine Bekannte, dass sie in ihren Seminaren regelmäßig die Lektüre von Rosamunde Pilcher-Romanen und das Anschauen der entsprechenden Verfilmungen empfiehlt. Ich war darüber ziemlich erstaunt, doch dann folgte ihre Erklärung: „Da taucht der hinterhältige Halbbruder auf, die böse Cousine, der rachsüchtige Ex-Verlobte. Irgendwer, den man glücklicherweise vergessen hatte, ist plötzlich da und sorgt für große Probleme. Unversehens müssen sich alle ihrer Vergangenheit stellen. Erst streiten sie, beharren auf ihren Standpunkten, wollen alte Rechnungen begleichen. Es gibt Drohungen, Ultimaten, Verletzungen. Dann gehen sie in sich und können Fehler eingestehen. Am Ende vergeben sie einander. Sie können über ihren Schatten springen und Frieden schließen, endlich auch mit sich selbst. Im Grunde sind es Lehrstücke, und wir sollten uns ein Beispiel an ihnen nehmen.“

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28. Februar 2018

Was stimmte mit ihrer eigenen Generation nicht? Warum waren sie nie zufrieden? Warum musste alles und jeder ständig gemessen, verglichen und bewertet werden? Was war das für eine ungelöste Rastlosigkeit, die sie immer weiter trieb, voran, zum nächsten Ziel? Diese Unfähigkeit, innezuhalten und sich über die bereits erreichten Ziele zu freuen, eine ruhelose Angst, es könnte ihnen etwas entgehen, sie hätten etwas verpasst, das vielleicht ein kleines bisschen besser gewesen wäre, sie ein klein wenig glücklicher hätte machen können. So viele Wahlmöglichkeiten, wie sollten sie das alles schaffen?
Die ältere Generation hatte dafür gekämpft, ihre Träume zu verwirklichen: Ausbildung, ein Zuhause, Kinder, und dann war das Ziel erreicht. Weder sie selbst noch ihre Umwelt hatten erwartet, dass sie viel mehr bräuchten. Niemand fand, sie wären nicht ambitioniert, wenn sie länger als ein paar Jahre an einem Arbeitsplatz blieben, im Gegenteil, Loyalität war ehrenhaft. Sie hatten die Fähigkeit besessen, sich hinzusetzen un mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Hatten hart gekämpft und dann die Erfolge genossen.
aus: Karin Alvtegen, Der Seitensprung

26. Februar 2018

Ich war Anfang zwanzig, als ich sie zum ersten und einzigen Mal traf. So wie wir uns in den Jahren zuvor Briefe geschrieben hatten, in englischer Sprache, weil weder ihr Deutsch noch mein Portugiesisch für eine halbwegs flüssige Kommunikation ausreichten, so wie in den Jahren zuvor also schrieben wir nun auf, was wir dachten und fühlten. Wir saßen einander gegenüber, schoben einen Collegeblock zwischen uns hin und her und warteten ungeduldig auf die nächsten Sätze. Ich war wie paralysiert, brachte zwischendurch mit kehligen Lauten ein paar unsinnige Halbsätze hervor, dann schrieben wir weiter. Fiebrig, hilflos. Über Stunden ging das so. An diesem Nachmittag und noch lange danach wäre ich ihr bis ans Ende der Welt gefolgt. Wir haben uns nie wiedergesehen. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Clara!

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23. Februar 2018

Heute, an Händels Geburtstag, ist es eine besonders schöne Nachricht, dass unsere Konzertreise nach Leipzig im Juni auf jeden Fall stattfinden wird. Das Angebot wird sehr gut angenommen, wir haben nur noch zwei freie Plätze. Händel mit Emmanuelle Haïm im Gewandhaus ist ja auch wirklich was Besonderes.

Auch für die Studienreise nach St. Petersburg im September können wir optimistisch sein. Bis jetzt sind bereits 17 Anmeldungen eingegangen. Alles sehr schön.

21. Februar 2018

Schon lange frage ich mich, warum die Gebühren fürs Fernsehen nicht nach Nutzungsdauer gestaffelt sind. So ist es doch bei Gas, Strom, Wasser, Benzin und vielem anderen auch. Wer mehr verbraucht, zahlt auch mehr. Also wer viel guckt, zahlt viel. Es wäre eventuell darüber zu reden, ob zwei Stunden pro Tag gebührenfrei sind. Vier Stunden kosten dann mehr, sechs noch mehr und so weiter. Oder ob Fernsehen nachts grundsätzlich billiger ist, ob es eine Flatrate gibt etc., da sind verschiedene Tableaus denkbar. Schon der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hat seinerzeit einen fernsehfreien Tag in der Woche gefordert. Darauf basierend könnte man verschiedene Tarife zur Auswahl anbieten, z. B. die Drei-Tage-Woche-light (nur an drei Tagen in der Woche mit Zeitlimit), das Weekend-all-inclusive (also nur freitags bis sonntags, dafür unbegrenzt) oder Happy-Hour (nur zwischen 23.00 und 04.00 Uhr, dafür täglich und besonders günstig). Und natürlich ein ordentliches Bonusprogramm: Wer regelmäßig arte, phoenix und 3sat einschaltet, guckt gratis.

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20. Februar 2018

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat sein neues Buch veröffentlicht: „Die große Gereiztheit – Wege aus der kollektiven Erregung“. Sorgfältige Beobachtungen und detaillierte Analysen verschmelzen darin zu einer ernüchternden Bestandsaufnahme unserer Medienwelt, deren Regeln und Mechanismen Pörksen schonungslos offenlegt. „Wir sind auf dem Weg zur Empörungsdemokratie“, sagt er und ergänzt: „Wir sehen Gedanken- und Bewusstseinsströme in neuartiger Direktheit, Bestialisches, Banales, Relevantes, Irrelevantes. Diese Dauerkonfrontation mit dem Unterschiedlichsten löst eine Stimmung der Gereiztheit aus.“ Pörksen beschreibt die permanente Verfügbarkeit von Information – eben auch die mit ungewisser Herkunft – und kommt zu dem Ergebnis, dass „Gerüchte und Falschnachrichten leichter verfangen“ und durch immer mehr Information eine erfolgreiche Desinformation wahrscheinlicher wird. Pörksen verwendet Begriffe wie Skandalisierung, Entzauberungsmittel, Verzwergung, Grenzüberschreitung. „Wir haben ein Ausmaß an überbelichteten Verhältnissen“, stellt er fest und fordert „Prinzipien des guten Journalismus – arbeite wahrheitsorientiert, prüfe erst, publiziere später, sei skeptisch, versuche der Verführung durch Ideologien zu entgehen, benutze mehrere Quellen, unterscheide klar zwischen Werbung und Berichterstattung, skandalisiere nur, was tatsächlich relevant ist.“ Leseempfehlung!
Pörksen, Bernhard: Die große Gereiztheit – Wege aus der kollektiven Erregung. München: Hanser, 2018.

18. Februar 2018

Termine bis zum Sommer. Mitfahrgelegenheit auf Anfrage.

04.03.   Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier, Dialogues des Carmélites (Poulenc)
18.03.    Berlin, Komische Oper, Xerxes (Händel)
03.04.   Düsseldorf, Schauspielhaus, Dreigroschenoper (Weill)
15.04.    Essen, Aalto-Theater, Salome (Strauss)
25.05.    Antwerpen, Opera Vlaanderen, Titus (Mozart)
14.07.    Berlin, Staatsoper Unter den Linden, L’incoronazione di Poppea (Monteverdi)

17. Februar 2018

Risotto schmeckt auch ohne Reis.
Rainald Grebe

16. Februar 2018

Zwar ist mir nach jahrelanger Praxis klar, dass die DVD ein Musikstück weitaus instruktiver transportieren kann die CD, oder einfacher gesagt: Die DVD kann das Hörverständnis in viel höherem Maße begünstigen als die CD. Ich spiele also im Kurs „Kulturführerschein“ an der VHS Gütersloh eine CD mit Arnold Schönbergs Bläserquintett op. 26, da es eine DVD mit diesem Stück nicht gibt. Wir hören den ersten Satz, und das Verständnis für die Musik – von Gefallen soll gar nicht die Rede sein – hält sich in Grenzen. Das bin ich gewohnt.

Dann allerdings ereignet sich Erstaunliches. Ich lege eine DVD mit moderner Kammermusik polnischer Komponisten ein, und wir hören das Streichquartett Nr. 1 von Krzysztof Penderecki, das gegenüber dem Schönbergschen Bläserquintett deutlich modernere und komplexere Stück. Die DVD zeigt die vier Ausführenden, die bis auf den Cellisten alle im Stehen spielen, wie sie die Noten von einem über Beamer projizierten Laufband ablesen, so dass die Zuhörer den notierten Verlauf des Stückes mitlesen können. Die Klangerzeugung bietet so ziemlich alles, was das Zeug hat, den Laien zu verschrecken: Traditionelle Streichertechniken (arco, pizzicato, con sordino, sul ponticello, col legno, col legno battuta, senza vibrato) werden ebenso verwendet wie mehrere vom Komponisten entwickelte Techniken: Glissandi auf Trillern, sehr schnelles nicht-rhythmisches Tremolo, unbegrenzte höchstmögliche Tonlagen, Spiel zwischen Steg und Saitenhalter, Spiel auf dem Saitenhalter, Streichen der Saiten mit Handflächen, mikrotonale Intervalle und vieles mehr. Kommentar: Das war ja aufregend, richtig spannend! Na sieh mal an! Allein eine CD hätte eine solch positive Resonanz nicht hervorgerufen, das Sehen macht den Unterschied! Also im Zweifel fürs Hörtraining lieber das schwierigere Stück wählen, aber dafür mit Bildern.

12. Februar 2018

In Nordrhein-Westfalen wird das Schulfach Wirtschaft eingeführt. FDP-Bildungsministerin Yvonne Gebauer sagte in einem Interview mit ZEIT online, dass es um „volkswirtschaftliche Zusammenhänge und die Grundzüge unserer Wirtschaftsordnung“ gehen soll, es stünden aber auch „lebenspraktische Dinge im Vertragsrecht im Fokus, zum Beispiel, was beim Abschluss eines Handyvertrages zu beachten ist oder was Zinsen sind.“ Auf den Hinweis, dass es in NRW bereits Fächer wie Politik und Wirtschaft an Gymnasien oder das Fach Arbeitslehre/Wirtschaft an Gesamtschulen gibt, sagte Gebauer, dies reiche nicht mehr aus. „Wir werden den Stundenanteil von Politik und Wirtschaft aufstocken – um wie viel genau, das steht noch nicht fest. Aber andere Inhalte wie Politik werden nicht reduziert, sondern das Fach wird um mehr ökonomische Inhalte erweitert.“

Abgesehen davon, dass die vorgeblich so wichtigen Inhalte auch in den Fächern Mathematik, Geschichte, Gesellschaftslehre und Sozialkunde vermittelt werden können (und werden!), wünschte man sich den gleichen Eifer, der jetzt bei der Frühökonomisierung unserer Jugend an den Tag gelegt wird, auch bei der Reduktion der Defizitstunden in den Fächern Musik, Kunst und Sport.

10. Februar 2018

Manche verbergen sich vor der Wahrheit wie vor einem Gläubiger, den man nicht bezahlen kann.
Bettina von Arnim (1785 – 1859)

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23.00 Uhr. Opernbesuch wegen der schlechten Witterungsverhältnisse verschoben. Stattdessen wieder „Lie with Me“ angesehen. Hühnersuppe, Aspirin plus C und Zimt-Nelken-Tee für den Körper, „Lie with Me“ für die Seele.

8. Februar 2018

In diesem Zusammenhang entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Niccolò Paganini seine Variationen über das Lied vom Hut mit den drei Ecken unter dem Titel „Carnevale di Venezia“ veröffentlicht hat. Auch während der tollen Tage ist es ein Unterschied, ob jemand den Hut auf hat oder die Narrenkappe. Aber in der zugefrorenen Hölle ist das egal. Da hilft nur warm anziehen.

7. Februar 2018

Der Schulz, der hat kein Rückgrat,
kein Rückgrat hat der Schulz.
Und hätte er ein Rückgrat,
dann wär‘ es nicht der Schulz.

5. Februar 2018

Francis Poulencs Oper „Dialogues des Carmélites“ behandelt die Ereignisse im Karmelitinnenkloster von Compiègne bis zur Hinrichtung der 16 Karmelitinnen durch die Guillotine am 17. Juli 1794 in Paris. Das Stück war schon bei der Uraufführung am 26. Januar 1957 (Teatro alla Scala Milano) ein Erfolg und gilt heute als eines der wichtigsten Werke des Musiktheaters des 20. Jahrhunderts. Die Oper wird regelmäßig inszeniert und aufgeführt, in dieser Spielzeit allein in Deutschland an vier Häusern.

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Das Opernmagazin bescheinigt dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen „einen Opernabend der ganz besonderen Klasse“ und lobt begeistert „eine Opernregie, wie man sie nicht alle Tage erlebt und Musiker, Solistinnen und Solisten von Rang.“ Am kommenden Samstag bin ich live dabei.

 

3. Februar 2018

Mein „Konzertführer Klassik“ hat am Donnerstag mit siebzehn Teilnehmenden begonnen, drei weitere kommen ab der nächsten Woche hinzu. Die meisten wollen sich einen Überblick über musikalische Epochen und deren Stilmerkmale verschaffen. Wir wissen natürlich, dass beinahe zwangsläufig auch andere Themen und Aspekte zur Sprache kommen werden. Immerhin, wir haben mit Bachs 1. Brandenburgischen Konzert (warum gibt es da keinen Dirigenten?), Mozarts 40. Sinfonie (Sonatenhauptsatzform und musikalische Periode – wer „Hänschen klein“ sagt, muss auch „ging allein“ sagen) und dem langsamen Satz aus Beethovens 5. Klavierkonzert (was genau macht diesen romantischen Tonfall aus, Beethoven gehört doch zur Klassik) gleich eine Menge unterschiedlicher Fragen behandelt. „Das war ganz toll“, zeigte sich eine Teilnehmerin nach der ersten Einheit begeistert. So eine Resonanz ist natürlich schön und spornt an. Ich fand’s aber auch selber gut, ehrlich gesagt.

2. Februar 2018

Recharged Black Pepper heißt jetzt Black Peppercorn! Körperwaschgel für IHN. Mit schwarzem Pfefferschoten-Öl (für den antioxidativen Schutz), wohlriechendem Koriander und herbem Basilikum. Wäscht rein, duftet und macht bereit für den Tag.

Molton Brown Black Peppercorn

Soweit die Werbung. Black Peppercorn von Molton Brown ist tatsächlich etwas Besonderes, ich habe es heute beim Duschen benutzt. Macht bereit für den Tag! Was nur, wenn der Duft auf Frauen besonders anziehend oder verstörend wirkt? Das Eis der sexuellen Belästigung ist zurzeit sehr dünn, vielleicht wäre da eine duftneutrale Waschlotion weniger risikobehaftet. Alternative: Abends mit Black Peppercorn duschen und danach sofort ins Bett gehen, allein natürlich. Dann hat Mann den Duft ganz für sich und kann sexuell unbesorgt (Achtung, semantische Falle!) einschlafen. No problem.

31. Januar 2018

In manchen Dingen des Lebens überschätzen wir unsere Möglichkeiten der Einflussnahme. Werden wir bescheiden! Was ihm die Farbe vom Fell fließen lässt, entscheidet das Zebra immer noch selbst.

Zebra frisch gestrichen
Claudia Elsner, Zebra – Frisch gestrichen

29. Januar 2018

Nach soviel Nachdenklichkeit, Stille und aktivem Zuhören zum Schluss etwas Heiteres: Der Hagener Pianist und Entertainer Udo Hartlmaier beendet die Improvisationstage mit einer launigen Matinee. Zu Beginn Musikgeschichte in zehn Minuten mit einem Potpourri aus berühmten Melodien von Bach bis Lehàr, dann ein bisschen Peter Kreuder, schließlich auf Zuruf Stilkopien über „Die Gedanken sind frei“. Hartlmaier fragt das Publikum nach Stimmungen und improvisiert über Gemütszustände. Heiterkeit, Melancholie, Ehekrach und – wieder auf Zuruf – Verliebtheit bis zur Silberhochzeit werden von Udo Hartlmaier virtuos in Klänge gehüllt, nicht ohne Selbstironie und mit parodistischem Unterton. Hier versteht jemand sein Handwerk – technisch wie musikalisch, kenntnisreich wie unterhaltsam. Das Programm endet mit einer großen Paraphrase über die schöne blaue Donau. Das Publikum will eine Zugabe, und Hartlmaier lässt sich nicht lange bitten. Er sagt „beim Abschied leise Servus“, es gibt halt ka‘ Musi‘ ewig.

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(Foto: Andreas Müller)

28. Januar 2018

Der zweite Abend der Improvisationstage bot den 90 Zuhörern in der Unteren Stadtkirche eine gut anderthalbstündige Reise durch die Verzierungswelten von Renaissance- und Barockmusik. Mit „Il spirito della diminution“ zeigten William Dongois (Zink), Matthias Siegel (Sackbut/Zink), Carsten Lohff (Cembalo) und Anne-Catherine Bucher (Orgel), wie aus knappen Vorgaben der Komponisten ausgeschmückte und spontan inspirierte Kunstwerke entstehen. William Dongois, seit vielen Jahren renommierter Experte und Instrumentalist in führenden Ensembles der Szene, moderierte kenntnisreich und führte erläuternd durch das Programm. Die Künstler dürfen nicht, nein sie müssen verzieren, ließ er das Publikum wissen, „denn man kann nicht immer das Gleiche spielen“. Das Quartett bescherte seinen Zuhörern ein seltenes Klang- und Unterweisungserlebnis auf musikalisch und technisch hohem Niveau. Derartige Einblicke in Theorie und Praxis der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts gibt es im Konzertleben nicht alle Tage. So gab es langen und dankbaren Beifall am Ende einer in mehrfacher Hinsicht besonderen Demonstration.

Gestern Abend dann das Trio Susanne Escher mit „Alles ist da, nichts bleibt“, einem Programm mit experimenteller Improvisation. Im erläuternden Text heißt es, der ganze Körper ist Instrument und Klang – Geräusch, Gebläse, Rhythmik, Bewegung, Licht. Schwingen, Verbinden, Verlieren, Wandeln. Ungewohnte Töne, erzeugt von Klarinette, Flöte, Saxofon, Posaune, Tuba, Percussion. Dazu Bilder von Pinsel und Beamer. Vermeintlich Vertrautes wirkt fremd, neu. Ein großes Spüren und Nachspüren. Viel Zustimmung, auch Nachdenklichkeit und Irritation. Kommentare von „sehr cool“ bis „fühle mich verarscht“. Wunderbar!

26. Januar 2018

Mit ihrem eigens für die Wetzlarer Improvisationstage kreierten Stück „Fishing in the Falling Tide“ haben Studierende der Bochumer Ruhr-Universität das Festival gestern in beeindruckender Manier eröffnet. Wie im Programmtext angekündigt, präsentierte das Ensemble in Form einer Szenencollage seine experimentelle Auseinanderstetzung mit der Frage nach Individualisierung. Das Konzept von Sina Geist und Amelie Werner, durch Geräusche, Laute und Sprechtexte, Audioeinspielungen und Live-Musik sowie durch Bewegung und Bilder klangliche und szenische Wechselwirkungen von Planung und Improvisation zu erzeugen, ging vollends auf.

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(Foto: Andreas Müller)

Das Publikum zollte den Akteuren Respekt, Anerkennung und viel Beifall für ein „für Wetzlar mutiges Stück“, wie ein Besucher bemerkte. Der abschließenden Einladung, sich über das gerade erlebte Stück mit dem Ensemble auszutauschen, folgte ein Großteil der Zuschauer.

Das Stück ging zu Ende mit einem Auszug aus Bob Mooreheads „Paradox unserer Zeit“, das von vielen als passender Abschluss der Performance angesehen wurde:

Wir haben hohe Gebäude, aber eine niedrige Toleranz, breite Autobahnen, aber enge Ansichten. Wir verbrauchen mehr, aber haben weniger, machen mehr Einkäufe, aber haben weniger Freude. Wir haben größere Häuser, aber kleinere Familien, mehr Bequemlichkeit, aber weniger Zeit, mehr Ausbildung, aber weniger Vernunft, mehr Kenntnisse, aber weniger Hausverstand, mehr Experten, aber auch mehr Probleme, mehr Medizin, aber weniger Gesundheit. Wir rauchen zu stark, wir trinken zu viel, wir geben verantwortungslos viel aus, wir lachen zu wenig, fahren zu schnell, regen uns zu schnell auf, gehen zu spät schlafen, stehen zu müde auf; wir lesen zu wenig, sehen zu viel fern. Wir haben unseren Besitz vervielfacht, aber unsere Werte reduziert. Wir sprechen zu viel, wir lieben zu selten und wir hassen zu oft. Wir wissen, wie man seinen Lebensunterhalt verdient, aber nicht mehr, wie man lebt. Wir haben dem Leben Jahre hinzugefügt, aber nicht den Jahren Leben. Wir kommen zum Mond, aber nicht mehr an die Tür des Nachbarn. Wir haben den Weltraum erobert, aber nicht den Raum in uns. Wir haben die Luft gereinigt, aber die Seelen verschmutzt. Wir können Atome spalten, aber nicht unsere Vorurteile. Wir haben gelernt schnell zu sein, aber wir können nicht warten. Wir machen neue Computer, die mehr Informationen speichern und eine Unmenge Kopien produzieren, aber wir erleben weniger miteinander. Es ist die Zeit, wo moderne Technik einen Text wie diesen in Windeseile in die ganze Welt tragen kann, und wo wir die Wahl haben: das Leben zu ändern – oder diesen Text und seine Botschaft wieder zu vergessen.

24. Januar 2018

Merkwürdigerweise gibt es in meinen Kursen, pauschal gesagt, eine gewisse Abneigung gegen sakrale Musik. Insgesamt kann ich mit Oratorien, Messen, Passionen und Kantaten kaum punkten. Vielleicht tun sich Atheisten, Agnostiker oder auch der Kirche gegenüber kritisch Denkende mit biblischen und geistlichen Texten schwer. Das mag sein, auch wenn in einem Hörkurs nicht theologische Aspekte, sondern andere Dinge im Vordergrund stehen. In Werken von Dufay, Bach, Mozart oder Verdi finden sich zuhauf meisterhafte Techniken, Textauslegungen und differenzierteste musikalische Ausdrucksmittel. Diese allerdings ändern sich mit den jeweiligen historischen Bedingungen! Warum schreibt Heinrich Schütz zu Anfang des 17. Jahrhunderts Musik für große Besetzungen, zumeist doppelchörig und für zahlreiche Instrumente, später aber fast nur noch für zwei Sopranstimmen und Basso continuo? Ja, richtig – der Dreißigjährige Krieg hatte die Männer dahingerafft, und es war schlicht niemand mehr da, der die vormals komponierte Musik hätte aufführen können. Also, es gäbe eine Menge zu lernen und spannende Zusammenhänge zu entdecken. Man muss nicht religiös sein, um sich für die Musica Sacra begeistern zu können. Wer nicht (mehr) an die große Liebe glaubt, kann notabene schmachtende Opernduette trotzdem toll finden.

23. Januar 2018

Gewandhaus Leipzig

Unsere nächste Studienreise geht vom 7. – 10. Juni 2018 nach Leipzig. Bestandteile sind An- und Abreise im ****Reisebus, Unterkunft im Hotel TRYP by Wyndham Leipzig North****, Besuch eines Konzertes im Gewandhaus (Werke von G. F. Händel, Gewandhausorchester, Ltg. Emmanuelle Haïm) am 9. Juni, eine halbtägige Stadtrundfahrt (ca. 3 Stunden) am 8. Juni und ein Besuch im Händelhaus Halle mit Führung (ca. 1 Stunde) am 10. Juni. Preis 385 € im DZ, Einzelzimmerzuschlag 60 €. Anmeldungen online, weitere Informationen über das Sekretariat der Wetzlarer Musikschule (Tel. 06441-42669).

22. Januar 2018

In memoriam Paul Bocuse (1926 – 2018)
Mousse au chocolat

6 Eier
150 Gramm weißer Zucker
200 Gramm Schokolade (halbbitter)
125 Gramm weiche Butter
1 kleine Kaffeetasse sehr starker Mocca
1 Prise Salz

Die Eier trennen. Die Eidotter mit dem Zucker cremig schlagen (Wasserbad). Butter zusammen mit der Schokolade in einem Extratopf schmelzen. Die Butter-Schokomasse vorsichtig unter die Eigelb-Zuckermasse heben und den warmen Mocca (ca. 6 EL) unterrühren. Eiweiß zu Eischnee schlagen. Zunächst 3-4 EL Eischnee unter die Créme rühren, dann die Créme unter den restlichen Eischnee heben. Die fertige Mousse in Gläser, Schälchen oder in eine Glasschüssel füllen und für einige Stunden abgedeckt in den Kühlschrank stellen.

21. Januar 2018

Vor ein paar Tagen lief auf 3sat der 2005 in Kanada gedrehte Film Liebe mich! (Lie with me; Regie Clément Virgo), ein gleichermaßen sensibles wie freizügiges Werk über eine junge Frau, die nach zahllosen Sex-Abenteuern zum ersten Mal der Liebe begegnet und nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. Von vertrauten Unsicherheiten – wie kann man mit jemandem Sex haben, in den man verliebt ist? – handelt Liebe mich! ebenso wie von der Frage nach der Verantwortung für eigene Gefühle und die gegenüber einem anderen Menschen. Die Hauptdarsteller Lauren Lee Smith und Eric Balfour bieten eine bemerkenswerte Ausdruckspalette von sensibel-zerbrechlich bis selbstbewusst-offensiv und sind dabei absolut überzeugend. Ein Film für unverbesserliche romantische Schwärmer und für diejenigen, die sich auch weiterhin der Müdigkeit ihrer Seele nicht unterwerfen wollen. Die letzten Sätze, aus dem Off gesprochen, klingen lange nach: „Du musst warten, bis du ganz schutzlos bist. Und du musst mit jemandem warten, der ebenso entblößt ist wie du. Und dann musst du noch einen Moment länger warten.“

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Die 6. Wetzlarer Improvisationstage finden vom 26. bis 29. Januar 2023 statt. Nähere Auskünfte gibt das Kulturamt der Stadt Wetzlar.

20. Januar 2018

Tipp! 4. und letzte Woche, nur Sonntag, 21. Januar 2018, Filmkunsttheater Marburg (Atelier, Steinweg 4), 12.45 Uhr: L’Opera de Paris (F/CH 2017, Orig. m. UT). Eine von der Kritik hochgelobte Dokumentation über die Pariser Oper – wie funktioniert eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt, wo laufen die Fäden zusammen, und wer trifft die wichtigen Entscheidungen? Absolut sehenswert! Letzte Chance!

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19. Januar 2018

Unabhängig von der Frage, ob eine neue GroKo nun zu befürworten ist oder nicht, tritt der gegenwärtige Juso-Bundesvorsitzende Kühnert einen interessanten Beweis an. Er zeigt nämlich, dass auch Menschen mit dem Vornamen Kevin zu überdurchschnittlichen intellektuellen Leistungen fähig sind. Noch 2009 hatte eine Studie der Universität Oldenburg belegt, dass in ganz Deutschland Pädagogen Vorurteile gegen Kinder mit Namen wie Justin, Marvin, Cedric, Mandy, Angelina, Chantal, Maurice und insbesondere Kevin hegen. Zu diesen Namen fielen den Lehrkräften am häufigsten die Attribute „verhaltensauffällig“ und „leistungsschwach“ ein. Vornamen wie Charlotte, Sophie, Hannah, Alexander oder Jakob verbanden sie dagegen mit Eigenschaften wie „leistungsstark“ oder „freundlich“.

Kevin Kühnert ist Jahrgang 1989, das Ende seiner Schulzeit fällt also ungefähr mit dem Zeitpunkt zusammen, zu dem die Oldenburger ihre Studie vorgelegt haben, an der sich im Übrigen 2000 Grundschullehrkräfte beteiligt hatten. Kühnert wird zweifellos sein Abstraktionsvermögen ebenso wie sein rhetorisches Talent bereits während seiner Schulzeit unter Beweis gestellt haben. Also, auch ein Kevin kann’s (wenigstens einer, haha)! Über Regeln und ihre Ausnahmen sprechen wir ein andermal.

17. Januar 2018

Bodypositivity: US-Drogeriekette verbannt gephotoshoppte Models von ihren Produkten
ZEIT online, 17. Januar 2018

Na, das wird die supporteten Kunden aber sehr gesatisfighted (!) machen …

16. Januar 2018

Mit der Vermittlung von Musik des 20. Jahrhunderts bleibt es in meinen Kursen weiter schwierig. Gestern Abend stand die Sinfonie Mathis der Maler von Paul Hindemith auf dem Programm. Wie immer hatte ich ein Skript mit Erläuterungen vorbereitet. Wir sprachen über die Entwicklung der Tonalität, über neobarocke Formen in Hindemiths Werk, dazu ein wenig Rezeptionsgeschichte. Nach dem Hören der Sinfonie (über CD, eine Aufnahme auf DVD ist leider nicht erhältlich) folgte großes Schweigen. Auf Nachfrage die Antwort: „Dazu kann man nicht viel sagen.“ Dann der Anfang zu Cardillac, etwa zehn Minuten. Immerhin der Kommentar „Das ist wohl schwer zu singen“ und ein paar anerkennende Worte zum Bühnenbild. Über die Musik wieder nichts. Auf den Satz „Ist eben kein Mozart“ habe ich zum Glück vergeblich gewartet.

Paul Hindemith 1945 USA
Paul Hindemith 1945

Wieder zu Hause, habe ich einen Hindemith-Bildband genommen und Fotos angeschaut. Hindemith war so interessiert daran, Laien seine Musik nahezubringen! Ich würde wirklich gerne helfen, und es hat ja auch schon so manches Mal geklappt. Gestern nicht.

14. Januar 2018

Mariame Clément inszeniert Salome von Richard Strauss im Essener Aalto-Theater, für insgesamt neun Vorstellungen in dieser Spielzeit. Das Haus spricht auf seiner Homepage über die Oper von einem „faszinierenden Psychogramm über seelische Abgründe in einer Welt voller unterdrückter Leidenschaften, Hass und Einsamkeit“ und beschreibt anschließend den Siegeszug des Stückes nach seiner Uraufführung im Jahr 1905 an der Dresdner Hofoper: „Zur österreichischen Erstaufführung in Graz kamen sogar Giacomo Puccini, Gustav und Alma Mahler, Arnold Schönberg, Alexander von Zemlinsky und Alban Berg, und auch Thomas Manns fiktiver deutscher Tonsetzer Adrian Leverkühn will dabei gewesen sein – niemand, der auf der Höhe der Zeit bleiben wollte, konnte sich Salome entgehen lassen. Die faszinierende und verstörende Geschichte von sinnlichem Begehren und unerbittlicher Rache wird von Strauss in einen rauschhaften und betörenden Orchesterklang gekleidet, der zugleich psychoanalytische Einblicke in die seelischen Abgründe aller Figuren zulässt.“

Als Bewunderer der Regiekunst von Mariame Clément bin ich natürlich sehr gespannt darauf, wie sie das Stück inszenieren wird. Üblicherweise sind ihre Arbeiten mutig und unkonventionell, ja frappierend, wie ich es im letzten Jahr in Dijon bei Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria und in Straßburg mit Cavallis La Calisto erlebt habe. Jetzt also Salome in Essen – wie schön! Premiere ist am 31. März.

13. Januar 2018

Mein Vorschlag, in den Kursen auch einmal die Geschichte der Operette zum Thema zu machen, ist bei den Teilnehmenden bisher auf wenig Begeisterung gestoßen. Vielleicht sind die Handlungen mit ihren Scheinkonflikten und Sentimentalitäten ein Grund dafür, wofür ich ein gewisses Verständnis habe. Dennoch: Johann Strauß zum Beispiel wurde für seine Musik von Kollegen wie Brahms, Wagner und Verdi in den höchsten Tönen gelobt. Auch der kompositorische Rang eines Jacques Offenbach ist unbestritten, wenngleich seine Oper „Les Contes d’Hoffmann“ (Hoffmanns Erzählungen) bis heute mehr Bewunderung erntet als seine Operetten „Pariser Leben“, „Die schöne Helena“ oder „Oprheus in der Unterwelt“. Selbst über die Berliner Größen Lincke, Gilbert und Kollo wird mit Respekt und aufrichtiger Anerkennung gesprochen. Es wäre insofern ganz folgerichtig, wenn wir uns demnächst in einem Kurs mit der Operette und ihren Zentren Paris, Wien und Berlin beschäftigen würden.

Wahrscheinlich ist mir dieses Thema durch den Kopf gegangen, als ich vorhin im Supermarkt war und ein paar Wiener gekauft habe, denn ich habe auch Berliner mitgenommen, zum Kaffee am Nachmittag. Nach Parisern habe ich nicht geschaut.

10. Januar 2018

Gestern haben wir im Kammermusikkurs das Klaviertrio von Maurice Ravel gehört. Nach den knapp dreißig Minuten meinte eine Teilnehmerin, sie habe das Hören als anstrengend empfunden. Das ginge ihr mit Musik des 20. Jahrhunderts oft so, ergänzte sie und erntete dafür beifälliges Nicken. Da war es also wieder, unser Dauerthema! Keine spontan erkennbaren Strukturen, viele Dissonanzen, man kann nichts nachsingen und so weiter. Daran wird sich allerdings nichts ändern, wenn das Hören auch nur gemäßigt moderner Musik – wir sprechen von Ravel und nicht etwa von Ruzicka – als kulante Pflichtübung abgeleistet wird, sozusagen als politisch korrektes Zugeständnis an eine Kunst, von der allenthalben behauptet wird, es sei eine solche. Wo ist die Lust aufs Unbekannte, auf Unentdecktes, auf Überraschungen? Muss eigentlich der Begriff der Anstrengung negativ besetzt sein? Was ist schlecht daran, wenn etwas anstrengend ist? Wir sollten uns einfach mehr abverlangen! Das hat Ravel im Übrigen auch getan – das Komponieren des Klaviertrios war anstrengend.

8. Januar 2018

Mit jeweils drei Tagen in Dresden und Berlin hätte es kaum einen besseren Start ins das neue Jahr geben können. Schon der Ausklang 2017 war mit zwei schönen Opernbesuchen in Duisburg und Dortmund gelungen, doch die voll besetzte Semperoper sorgte mit Korngolds Die tote Stadt am Tage nach Neujahr für einen Paukenschlag. Natürlich ist die Musik von entwaffnender Direktheit und bezwingendem Charme, doch selbstverständlich sind es die Themen von Vergänglichkeit, Abschied und Aufbruch, die zu Kontemplation und geistiger Versenkung auffordern. Ein besseres Stück hätte ich zu Anfang des Jahres nicht wählen können. Und das in einer so großartigen Qualität erleben zu dürfen, ist schon etwas sehr Besonderes und wird lange nachwirken!

Dresden 2018 009

In der aktuellen Karte des Raskolnikoff ist der schöne Text von Robert Gernhardt leider nicht mehr enthalten. Die freundliche Bedienung klärte mich darüber auf, dass es die neue Karte seit nunmehr vier Jahren gibt. Dann machte sie sich auf die Suche nach der alten Karte und fand tatsächlich noch ein Exemplar. Und da stand es, schwarz auf weiß:

Kommt, das gute Brot des Nordens
wolln wir stückchenweise braten
in dem guten Öl des Südens,
wie es schon die Väter taten.
Von dem guten Wein des Westens
trinken wir, dieweil wir essen,
um die liebe Not des Ostens
schlückchenweise zu vergessen.

Ein herrlicher Text! Das Essen war gut, wie damals. Entensülze mit Bratkartoffeln (rote und weiße Kartoffeln, mit Speck und Zwiebeln). Dazu ein Hausbier. Apropos: Natürlich war ich auch im Hopfenkult und habe gelernt, dass es der Citra-Hopfen ist, der dem Pale Ale seinen unverwechselbaren Geschmack gibt. Ich habe ein paar Flaschen zum Probieren mitgenommen.

Dann Berlin, mit Muße und ganz ohne Programm. Ausgesprochen wohltuend! Da ich mein Kulturprogramm gewissermaßen schon abgeleistet hatte, war Zeit zum Ausatmen. Also ein Besuch in der Kastanie (mein Lieblingslokal in Berlin), Bummeln durch die Bergmannstraße bis zum Mehringdamm, dort ein Bier im Dolden Mädel (unbedingt zu empfehlen, wenn man Bier mag), Abendessen in der Trattoria a‘ Muntagnola (Fuggerstraße, Gerichte in der Tradition der Basilicata). Kein Konzert, keine Ausstellung. Keine Philharmonie, kein Museum. Es hätte gerne so weitergehen können, aber man kann nicht alles haben. Was ich in diesen paar Tagen hatte, war sehr viel. Und sehr schön. Frohes Neues Jahr!

Pause bis zum 8. Januar 2018

22. Dezember 2017

sleeping female wearing christmas hat

Nach Hause kommen, das ist es, was das Kind von Bethlehem allen schenken will, die weinen, wachen und wandern auf dieser Erde.
Friedrich von Bodelschwingh (1831 – 1910)

Wenn Sie also den Weihnachtsschmuck im Keller gefunden und die Lichterketten entwirrt haben, wenn Vanillekipferl und Zimtsterne halbwegs gelungen und die online bestellten Geschenke rechtzeitig eingetroffen sind, können Sie mit dem Nach-Hause-kommen anfangen. Nehmen Sie sich Zeit! Zeit für sich selbst, für Ihre Lieben, für neue Pläne. Versuchen Sie nicht, perfekt zu sein. Lassen Sie einfach los. Entspannen Sie sich und feiern Sie friedvolle Weihnachten. Kommen Sie gut nach Hause!

21. Dezember 2017

Morgen ist letzter Schultag, danach geht es in die wohlverdienten Weihnachtsferien. Auf dem Programm steht Entspannung, wieder mehr Sport und natürlich Kultur. Ich bin mit Opernbesuchen etwas im Rückstand, also werde ich am 28. Dezember in Duisburg Maria Stuarda (Donizetti) sehen, zwei Tage später dann in Dortmung Eugen Onegin. Und danach geht es für ein paar Tage nach Dresden, wo ich ein Privatquartier gefunden habe, direkt am Blauen Wunder, 50 Meter von der Elbe entfernt. Natürlich gehe ich die Semperoper, gleich nach Neujahr, und werde dort Korngolds Die tote Stadt erleben. Kaffee und Kuchen habe ich mit Wippler am Körnerplatz ja sozusagen vor der Nase, ins Raskolnikoff (Böhmische Straße) muss ich natürlich auch. Und zum Hopfenkult (Görlitzer Straße). Das war’s auch schon, mehr ist nicht geplant.

19. Dezember 2017

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3. Wetzlarer Improvisationstage 25. – 28. Januar 2018

Donnerstag, 25. Januar 2018, 19.30 Uhr
Fishing in the Falling Tide
Szenische und klangliche Erforschung
Studierende der Ruhr-Universität Bochum
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule

Freitag, 26. Januar 2018, 19.30 Uhr
Il Spirito della Diminution
Internationales Ensemble für Alte Musik
Untere Stadtkirche

Samstag, 27. Januar 2018, 19.30 Uhr
Alles ist da, nichts bleibt
Experimentelle Improvisation
Trio Susanne Escher (CH)
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule

Sonntag, 28. Januar 2018, 11.00 Uhr
Mozart, Ehekrach und blaue Donau
Udo Hartlmaier, Klavier
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule

18. Dezember 2017

So langsam mache ich mir Gedanken über das Essen an den Weihnachtsfeiertagen. Gans mit Rotkohl und Klößen ist immer eine Option. Da geht’s dann nur noch ums Drumherum, also welche Suppe vorweg, zum Dessert Eis oder Pudding, welcher Wein und so weiter. Zum Thema Klöße habe ich jetzt gelesen, dass die aus Niedersachsen stammende US-Schauspielerin Diane Kruger (Troja, Inglourious Basterds, Aus dem Nichts) mit ihren selbstgemachten Knödeln in den USA nicht ankommt. Knödel seien sehr deutsch, meint sie dazu verständnisvoll, aber da müssten ihre Freunde nun mal durch.

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Mir wird dieses „Uummm, was ist das denn?“ an Weihnachten erspart bleiben. Klöße kennt in der Familie jeder – egal, ob es um Semmel-, Kartoffel-, Speck-, Spinat- oder sonstwelche Knödel geht. Kloß oder Knödel ist übrigens das Gleiche. „Kloß“ kommt aus dem althochdeutschen kloz und bedeutet Klumpen, Knolle oder Kugel. Und solange die Klöße nicht so schmecken, als falle außer dem Namen auch ihre Herstellung in die Zeit des Althochdeutschen, ist alles gut.

16. Dezember 2017

Heute Nachmittag, im Weihnachtskonzert der Wetzlarer Musikschule, erklingt unter anderem der langsame Satz aus dem „Winter“ der Vier Jahreszeiten von Vivaldi. Viele Musikliebhaber wissen nicht, dass es Sonette zu diesem berühmten Zyklus gibt, auf die die Musik komponiert wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammen die Texte von Vivaldi selbst. Für das Largo des „Winters“ gibt es diese Zeilen: „Ruhige und zufriedene Tage am Kamin zubringen, während draußen der Regen viele durchnässt.“ Die Solovioline steht dabei für das wärmende Feuer, die Pizzicati der Streicher verdeutlichen díe ans Fenster schlagenden Regentropfen. Nun ist die Rolle des Zuhörers eine Sache der Perspektive: Stehen wir draußen und gucken hinein, oder sitzen wir drinnen und schauen hinaus? Je nach Blickwinkel ändert sich die Wahrnehmung der Instrumente. Natürlich müssen sich auch die Ausführenden überlegen, welche Sichtweise sie transportieren wollen. Soll die Solovioline dezent begleitet werden, oder spielen die Streicher die Hauptrolle – mit dominanten, wenig schön gespielten Klängen? Auf dem CD-Markt gibt es unzählige Aufnahmen der Vier Jahreszeiten. Den größten Gegensatz bieten bis heute Karajan und Harnoncourt. Der eine mit Klangschönheit, aber ohne sonderliches Interesse am Inhalt der Sonette, der andere mit treffsicherer Textauslegung und dazu bewusst gewählter, rauer Intonation. Und wir können entscheiden, was uns besser gefällt!

13. Dezember 2017

Innsbruck ex Kopie

Innsbruck, ich muss dich lassen …

12. Dezember 2017

In letzter Zeit ist in den Printmedien, doch auch in Fernsehdiskussionen und Polit-Talkskows häufiger von einem „Narrativ“ die Rede, welches vermeintlich dringend benötigt, fälschlich benutzt oder unentwegt verbreitet wird. Frauke Petry wünschte vor ein paar Monaten auf die Frage, ob sie die Radikalisierung ihrer Ex-Partei nicht mit in Gang gesetzt habe, „mit diesem Narrativ bitte endlich Schluss machen“ zu können. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck beließ es kürzlich immerhin bei einer „Erzählung“, die es bräuchte, um für bestimmte Koalitionen überzeugend werben zu können. Narrativ, das klingt sehr gescheit. Ähnlich wie Alexander Wehrle, Geschäftsführer des 1. FC Köln, der keinesfalls „proaktiv“ auf Horst Heldt, Manager von Hannover 96, zugegangen sein will, um ihn abzuwerben. Proaktiv, das ist vermutlich aktiver als aktiv, wahrscheinlich obendrein gesünder, auf jeden Fall klingt es so.

Vor einigen Tagen meinte der Politologe Michael Oswald, dass Christian Lindner in den Jamaika-Sondierungen versucht habe, ein „für ihn normativ gutes Programm“ in die Regierung zu übertragen. Stellt sich die Frage, ob seine Mitsondierer möglicherweise während der mehrwöchigen Konsultationen nicht ausreichend proaktiv auf ihn zugegangen sind. Vielleicht hat Lindner seinerseits auch mit einem Narrativ gegeizt, wer will das wissen? Im Nachhinein war es aus liberaler Sicht normativ jedenfalls kein gutes Programm. Immerhin wird jetzt außer GroKo auch KoKo erwogen, bald vielleicht auch KroKo oder SchoKo. Aber das Narrativ muss passen, normativ wie proaktiv, sonst wird das wieder nichts!

Pause bis zum 12. Dezember 2017

29. November 2017

Als ich ein kleiner Junge war, arbeitete mein Vater ein paar Jahre lang für das Nordwestlotto. Auf seinen Touren zu den Lotto-Annahmestellen durfte ich ihn manchmal begleiten, was mir immer Freude machte. Wir unternahmen die Fahrten mit dem Dienstwagen, einem alten Mercedes Ponton 180 Diesel. Bei kürzeren Aufenthalten wartete ich im Auto, bei längeren ging ich mit hinein und bekam eine Limonade oder ein Eis, während mein Vater seine Gespräche führte. Besonders gern fuhr ich zum „dicken Mörs“, wie mein Vater den Mann nannte, der zusammen mit seiner Frau eine Annahmestelle in Westerholt leitete. Der dicke Mörs hatte im Hinterzimmer des Ladenlokals ein Aquarium, in dem Guppys und Neonsalmler schwammen. Ich bewunderte die Schönlinge bei jedem Besuch.

Neonfische

Eines Tages rief der dicke Mörs an und sagte, er habe zwei Klaviere aus einem Nachlass, wir könnten eins davon haben, wenn wir wollten. Ich erinnere mich gut, dass ein schwarzes und ein braunes Instrument zur Auswahl standen. Das braune, für das wir uns schließlich entschieden, war ein schönes Klavier der Marke Hilger/Essen. Auf die Frage nach dem Preis zündete sich der dicke Mörs eine Zigarette an und sagte, er habe keine Ahnung. Ob hundert Mark in Ordnung wären? So kam ich also zu meinem ersten Klavier, das es übrigens heute noch gibt. Es lässt sich leider nicht mehr gut stimmen und wird demnächst zur Hausbar umgebaut. Dem dicken Mörs, Gott hab‘ ihn selig, wär’s wohl egal.

27. November 2017

Es hat alles gepasst: Bustransfer und Fährpassage, Hotel (Clayton Chiswick****, exzellenter Service), Stadtführung mit Wolfgang Florek (WF Consulting, sehr kompetent), Opernaufführung von Lucia di Lammermoor im Royal Opera House (mit einer grandiosen Lisette Oropesa als Lucia in einer geistreichen Inszenierung von Katie Mitchell). Das schöne Wetter (sonnig, zwischen 5° und 10° C) und zwei, drei angenehme Besuche in Pubs und Restaurants rundeten das Ganze ab. Und eine Entdeckung: Camden Pale Ale.

Camden Pale Ale

Ich habe nur ein Sixpack gekauft, um einen Grund zu haben, schnell wieder hinzufahren. Dann kann ich auch die Ausstellung Opera: Passion, Power and Politics im Victoria and Albert Museum besuchen. „It’s a remarkable achievement that ultimately has the potential to change the way you think.“ (The Guardian)
Zeit ist bis zum 25. Februar 2018.

22. November 2017

Morgen geht es für vier Tage nach London. Am Freitag steht im Royal Opera House eine Aufführung von Donizettis Lucia di Lammermoor auf dem Spielplan, worauf ich mich sehr freue. Unsere Reisegruppe ist mit 28 Personen diesmal etwas kleiner als sonst. An- und Abreise nehmen jeweils einen Tag in Anspruch, vielleicht hat das ein paar Opernfans in diesem Jahr von einer Teilnahme abgehalten. Und nicht jeder schätzt die Überfahrt mit der Fähre, das kommt noch hinzu. Ich liebe ja diesen Mix aus Schiffsmotorengeräusch, Dieselgeruch und Möwengeschrei. Dazu Fish & Chips und ein erstes Newcastle Brown Ale! Durch den Duty-Free-Shop bummeln, Shortbread kaufen und noch einen Adapter, für alle Fälle. Nach knapp anderthalb Stunden sind die Kreidefelsen von Dover zu sehen. Wunderbar! Eigentlich geht das alles viel zu schnell. Vielleicht sollten wir beim nächsten Mal mit der Color Line nach Oslo fahren. Das dauert schön lange, und zum Frühstück gibt’s Kaffee, Lachs und Aquavit.

21. November 2017

Es ist eine Weile her, seit ich zum letzten Mal Korngolds 1. Streichquartett gehört habe. Im heutigen Kammermusikkurs wurde ich durch die Aufnahme des Doric String Quartets wieder daran erinnert, wie glutvoll und verzehrend diese Klänge sind, vor allem die des zweiten Satzes. Exquisit schmerzlich und melancholisch, unendlich zart und von milder Trauer, zutiefst leidenschaftlich und hochgradig sensibel – Musik für Benzinpreisvergleicher und Käserindenabschneider, würde mein Sohn sagen. Aber das macht nichts, ich komme psychisch damit zurecht.

19. November 2017

Diese ewigen antiken Kostüme! Jeden Abend andere Kothurne auf den Brettern! Helena und Antigone und Orest und Zeus und Klytämnestra und Menelaus – alles was Kostüm trägt, ist das nicht eigentlich Sommertheater? Was für ein Geklapper! Ich nehme Shakespeare nicht aus: Diese Degen und Brünnen und Wamse und Giftbecher und Dolche – als Buch gelesen unvergleichlich, aber auf der Bühne: Das Komische traurig und das Ernste zum Lachen!
Gottfried Benn (1886 -1956)

17. November 2017

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Manches, was ein schönes Bild abgeben soll, kommt doch über eine unbeholfene Kleckserei nicht hinaus.

16. November 2017

Cathy Berberian war vielseitig und unangepasst. Sie sang klassische Opernpartien, aber auch Lieder von Gershwin und Weill, ebenso Beatles-Songs. Von 1950 bis 1964 war sie mit dem Komponisten Luciano Berio verheiratet, interpretierte dessen Musik sowie die anderer Avantgardisten. Igor Strawinsky widmete ihr 1963 die „Elegy for John F. Kennedy“, auch Hans Werner Henze, Darius Milhaud und John Cage komponierten für sie. Gleichzeitig arbeitete sie mit Nikolaus Harnoncourt und spielte zusammen mit ihm Opern und Madrigale von Monteverdi ein.

Nicht selten hat sie den kommerziellen Musikbetrieb und seine Gepflogenheiten kritisert, auch Gesangs-Kolleginnen blieben nicht verschont. Einigen warf sie vor, dass sie sich „mit einer Handvoll mühsam einstudierter, populärer Opernpartien reich und fett“ gesungen hätten. Und über den Großteil der Schubert-Lieder, immerhin insgesamt etwa sechshundert, sagte sie: „Ein Großteil der Schubert-Lieder wird im Konzertleben ignoriert – zu Recht. Und wenn sie nicht von Schubert wären, würden auch von den Musikologen kein Hahn mehr danach krähen.“

Traditionsbewusst und neugierig war sie, mutig, leidenschaftlich, anspruchsvoll und zuweilen selbstironisch. Eine Sendung des Deutschlandfunks von 1993 fasst es so zusammen: „Die Lieder-Recitals der Cathy Berberian hatten denn auch immer etwas von einem clownesken ‚Gesamtkunstwerk‘ an sich, eine Gratwanderung zwischen Seriosität und Slapstick. Jeder ihrer Auftritte war kunstvoll arrangiert: Wenn sie mit bizarr onduliertem Platinhaar und in selbstentworfenen Kleidern mit der Mimik eines Hollywood-Komikers das Podium betrat, spätestens dann war dem Publikum klar, dass diese Sängerin den hehren, etablierten Musikbetrieb ‚ad absurdum‘ führen wollte, und das auf höchstem künstlerischen Niveau.“

15. November 2017

Music is the air I breathe and the planet I inhabit. The only way I can pay my debt to music is by bringing it to others, with all my love.
Cathy Berberian (1925 – 1983)

14. November 2017

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Zum ersten Mal seit 1958 verpasst Italiens Nationalmannschaft eine Fußball-Weltmeisterschaft. Zwei Playoff-Spiele gegen Schweden haben der Squadra Azzurra nicht gereicht, um ein Tor zu erzielen. Tragödie, nationale Katastrophe, Apokalyse. Franz Beckenbauer (was macht der eigentlich?) hat es schon vor Jahren kommen sehen: „Die Schweden sind keine Holländer.“ Dieser Umstand war den Tifosi wohl verborgen geblieben, sei’s drum. So muss Deutschland also ohne Italien wieder Weltmeister werden. Und ganz ehrlich: So richtig Spaß macht das nicht.

12. November 2017

Mehr oder weniger spontan bin ich gestern nach Erfurt gefahren, um mir im dortigen Theater die Premiere von Luigi Cherubinis Medea (1797) anzusehen. Die Erfurter zeigen das Stück in Co-Produktion mit der Opéra de Nice und dem Landestheater Linz in französischer Sprache mit Übertiteln und deutschen Dialogen. Es war im Übrigen das Gießener Stadttheater, das 1998 die Deutsche Erstaufführung in dieser Form zeigte. Seitdem setzt sich diese Fassung mehr und mehr durch und entspricht damit der Intention des Komponisten. Während der 50er Jahre war die Medea die Paraderolle von Maria Callas, allerdings in der italienischen Übersetzung, wodurch das Werk damals als romantische italienische Oper wahrgenommen wurde.

Luigi Cherubini (1760 – 1842) war bereits zu Lebzeiten ein hochgeschätzter Komponist. Beethoven sah in ihm den „größten lebenden Opernkomponisten“, und Brahms – dem Musiktheater sonst nicht so zugetan – sah in Medea bzw. Médée „das höchste an dramatischer Musik“. Cherubini erlebte aufgrund seines recht langen Lebens verschiedene musikalische Epochen, was seiner Musik deutlich anzumerken ist. Darüber hinaus sind sein musikalisches Gespür für dramatische Situationen und seine Gabe der psychologisierenden Zeichnung der handelnden Personen außergewöhnlich. So ist die Oper, ganz abgesehen vom erzählerischen Rang der Medea in der griechischen Mythologie, ein wirklich besonderes Stück mit hohem Repertoirewert. Nicht umsonst übrigens haben sich auch Komponisten anderer Epochen von diesem Stoff herausgefordert gefühlt wie z. B. Marc-Antoine Charpentier zur Barockzeit oder Aribert Reimann, dessen Medea erst 2010 ihre Uraufführung in der Wiener Staatsoper hatte.

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Theater Erfurt, Foyer (Foto: Lutz Edelhoff)

Die Erfurter Produktion verlegt die Handlung in die Neuzeit und spielt in einem modernen Großraumbüro mit freiem Blick auf zahlreiche (New Yorker?) Wolkenkratzer. Das ist durchaus überzeugend und betont die Zeitlosigkeit der Erzählung auf pointierte Weise. Die Erfurter können sich glücklich schätzen, mit Ilia Papandreou eine hervorragende Medea auf die Bühne bringen zu können. Ihr Sopran bringt die gesamte Gefühlspalette der verzweifelt Liebenden grandios zum Ausdruck, dem Jason (Eduard Martynyuk) emotional nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hat. Julia Neumann überzeugt als Dircé, die die Katastrophe von Anfang an kommen sieht und auf schmalem Grat zwischen düsterer Vorahnung und verdrängender Partylaune wandelt. Der Chor agiert präzise und klanglich eindrucksvoll. Samuel Bächli ist für die musikalische Leitung zuständig und dirigiert gewohnt sicher und zuverlässig. Wer Lust und Zeit hat, ein eher selten gespieltes Werk auf gutem Niveau zu erleben, dem sei die Erfurter Medea auf jeden Fall empfohlen.

9. November 2017

Gestern Abend – wir hatten gerade mit Gianni Schicchi den letzten Teil des Trittico von Puccini gesehen – kamen wir mit Blick auf Verdis Falstaff darauf zu sprechen, dass es in der Musikgeschichte häufig „Paarbildungen“ von Komponisten gibt, obwohl diese sich doch sehr voneinander unterscheiden. Wir sprechen oft von „Bach und Händel“, von „Debussy und Ravel“, von „Verdi und Puccini“. Von „Haydn und Mozart“ ist vielleicht seltener die Rede, doch immerhin gelegentlich, ähnlich wie von „Brahms und Bruckner“. Bei näherer Betrachtung liegen die Unterschiede nicht nur im kompositorischen oder stilistischen, sondern interessanterweise auch im persönlichen Bereich. Bei manchen „Paaren“ könnte die individuelle Ausprägung charakterlicher Dispositionen nicht unterschiedlicher sein. Was also in einem Atemzug genannt wird, weist oft außer einer zeitlichen Parallelität kaum Gemeinsamkeiten auf.

Heute haben wir den zweiten Teil des Films Die siebente Saite (Tous les matins du monde, F 1991) gesehen. Glücklicherweise ist diese großartige Produktion seit einigen Wochen mit deutscher Tonspur auf DVD erhältlich. Wir lernen sehr viel beim Anschauen dieses Films, nicht nur über Musik und Geschichte. Er erzählt sehr klug und lebenserfahren über Berufung und künstlerische Unbeugsamkeit, über Ausdruckswillen und Inspiration, Liebe und Verlust, Trauer und Vergebung. Ein filmisches Geschenk von 114 Minuten, von denen man nicht eine einzige missen möchte.

8. November 2017

Barcelona 91-17.Kopie

Mit amüsierter Verwunderung über die Auswüchse der gegenwärtigen Sexismus-Debatte hier eine meiner zahlreichen schönen Erinnerungen an Barcelona.

7. November 2017

Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.
Aristoteles (384 – 322 v. Chr.)

5. November 2017

In der taz rezensiert Dagmar Penzlin die Neuproduktion von Monteverdis Oper „Il ritorno d’Ulisse in patria“ an der Hamburgischen Staatsoper. Frau Penzlin erzählt in süffigem Tonfall ein bisschen über die Geschichte des Stücks, über die Regie, über die Ausstattung, über Sänger und Instrumentalisten. Gegen Ende dann folgende Passage: „So tritt die Aufführung nach der Pause zunehmend auf der Stelle. Das zurückgewonnene, in schönsten Arabesken besungene Liebesglück entschädigt am Ende dann zwar etwas für die Längen, aber ganz vergeht der Eindruck von Länglichkeit eben nicht. Das liegt auch an Monteverdis spröder Musiksprache. Das erwähnte, ins Singen gesteigerte Sprechen, das typische Monteverdi-Parlando: Es kann den Charme von akustischem Knäckebrot haben – und das hatte es in der besuchten Aufführung auch immer mal wieder.“

Es ist in Ordnung, wenn die Rezensentin einer Aufführung derselben gewisse Längen attestiert. Es ist auch nichts dagegen zu sagen, wenn dies unter Zuhilfenahme einer launigen Formulierung geschieht – damit ist bei der taz ohnehin alleweil zu rechnen, und wahrscheinlich wird seitens der Redaktion eine gewisse semantische Kreativität auch durchaus geschätzt. Aber Monteverdis Musiksprache in der zitierten Weise zu diskreditieren, ist nicht etwa launig-kreativ, sondern schlicht blöd und unqualifiziert. Das geht einfach nicht! Und es hat nichts mit persönlichen Vorlieben und Abneigungen zu tun – hier ist detaillierte Kenntnis musikgeschichtlicher Entwicklungen vonnöten und die Fähigkeit, Rang und Bedeutung eines musikdramatischen Jahrtausendgenies professionell einschätzen zu können. Frau Penzlin sind die Lektüre einschlägiger Literatur und entsprechende Hörschulungen anzuempfehlen, der taz ein sorgfältigerer Umgang mit ihrem Renommee als seriöse Zeitung auch für Kulturinteressierte.

4. November 2017

Kommt Jamaika? Wahrscheinlich. Gestern vermutete Claudia Kade, Politikressortleiterin der WELT, dass die Menschen in Deutschland eher dafür bereit seien als die Parteien. Das Publikum ist also weiter als die das Stück darbietenden Akteure. Das ist bemerkenswert und ungewöhnlich, selbst für Tragikomödien. In der nächsten Woche soll es angeblich ernst werden. Bis dahin stehen weiter royale Balkonbilder und rhetorische Pirouetten auf dem Spielplan. Wer zetert, wer zündelt, wer zickt? Wie heißt eigentlich die männliche Form von Diva? Divus, Divo? Seehofer?

2. November 2017

Poppea

Heute beginnt ein weiterer Crashkurs Oper. Wie immer beginnen wir mit der Frage, worum es Poppea eigentlich geht. Will sie Kaiserin sein, egal neben wem, oder ist sie scharf auf Nero und sein erektiles Begattungszäpfchen? Dazu gibt es Ausschnitte aus Monteverdis L’Incoronazione di Poppea sowie Szenen aus Opern von Purcell, Rameau und Händel.

1. November 2017

Grußwort zur Festschrift „60 Jahre Wetzlarer Musikschule“

Der Musikwissenschaftler und –psychologe Heiner Gembris hat einmal auf die Frage, ob Musizieren schlau mache, geantwortet: „Ich würde eher sagen: Wer schlau ist, macht Musik.“ Anders gesagt: Wir musizieren nicht, um unseren Intelligenzquotienten zu steigern. Also warum dann?

Der eine möchte endlich mal die erste Geige spielen, der andere will mal so richtig auf die Pauke hauen, der nächste will jemandem die Flötentöne beibringen oder ins gleiche Horn blasen – wir kennen diese Redewendungen. Sie kommen aus dem Alltag und haben ihren Ursprung in unseren Gefühlen, in unseren Wünschen und Bedürfnissen, in unserem Mut- und Gestaltungswillen. Die Wetzlarer Musikschule schafft seit nunmehr sechs Jahrzehnten individuelle wie gemeinschaftliche Möglichkeiten des aktiven Musizierens. Wir empfinden Freude, Ausgelassenheit, Nachdenklichkeit, Wut, Zuversicht – unsere gesamte Gefühlswelt findet Ausdruck in der Musik, sei es, dass wir sie einzeln oder in der Gruppe erleben.

Das Geheimnis liegt im Entwickeln eigener Fähigkeiten und in der Freude am Musizieren zusammen mit anderen. Im Grunde genommen ist es ein Programm fürs Leben: In einer Vielfalt von Farben und Klängen der eigenen Stimme treu bleiben, doch dabei stets auch die anderen wahrnehmen und sie nicht ausblenden. Das ist nicht immer leicht, doch wenn es gelingt, ist es wunderbar.

Und wer nicht hören kann, muss lernen! Die Musik nämlich erschließt sich uns ebenso im Erkennen und Verstehen von Zusammenhängen, im Analysieren von Satztechniken und Kompositionsstrukturen, von stilistischen Merkmalen, von musikgeschichtlichen und biografischen Hintergründen. Auch hier bietet die Musikschule entsprechende Zugänge durch Kurse, Vorträge, Projekte und Exkursionen. Instrumentalisten, Musikliebhaber und Konzertbesucher lernen auf unterschiedlichste Weise, Musik zu verstehen. Bisweilen verstehen sie dabei auch sich selbst – wie schön!

„Mit Musik geht alles besser“, sang Rudi Schuricke einst. Klingt einfach, ist es auch. Statt „Musik“ könnte es auch „Musikschule“ heißen. So ist das mit Evergreens, die bleiben einfach immer jung. So wie wir.

Thomas Sander
Schulleiter

30. Oktober 2017

Gestern Abend lief im WDR-Fernsehen eine Reportage über Barcelona. Ich habe erst spät eingeschaltet, doch glücklicherweise wird der Beitrag am 5.11. wiederholt (zwar um 4.30 Uhr, aber das lässt sich ja programmieren bzw. aufzeichnen). Ein paar Bilder aus Barceloneta habe ich aufgeschnappt, dann musste ich leider aus dem Haus. Doch die wenigen Bilder haben völlig ausgereicht, sofort war alles wieder präsent. Barceloneta war von Anfang an „mein“ Viertel, hier war ich oft und habe mich wohlgefühlt wie lange nicht.

Die Wachen haben eine gemeinsame Welt; im Schlafe wendet sich jeder seiner eigenen zu.
Heraklit von Ephesos, griechischer Philosoph (ca. 540 – 480 v. Chr.)

Letzte Nacht hatte ich einen schönen, wenngleich seinen Sinn verbergenden Traum. Ich war ganz offensichtlich in eine junge, hübsche Taxifahrerin verliebt, die ihrerseits meine Gefühle zu erwidern schien. Sie verriet mir ihren Namen nicht, auch Kolleginnen und Geschäftsleute aus dem belebten Viertel, in dem wir verkehrten, konnten nicht weiterhelfen. Die Sonne schien, und ich ging für meine Freundin einkaufen. Sie wartete im Taxi, um mir später in gezuckertem Tonfall Süßigkeiten ins Ohr zu flüstern. Wahrscheinlich waren wir in Barceloneta unterwegs, und ebenso wahrscheinlich hieß sie Rebecca.

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Dann war plötzlich, ohne ersichtlichen Grund, der Traum vorüber, was ich noch jetzt bedauere. Der Psychologe Stephan Grünewald empfiehlt dringend, unsere Träume ernst zu nehmen. So ist es am Ende doch gut, dass wir uns nichts er-träumen können! Es gibt ihn eben nicht, diesen Ticketautomaten für Trauminhalte, den Traumgenerator. Heute Nacht immerhin hat mein Großhirn keine Mühe gehabt, aus Erlebnissen und Sehnsüchten eine schöne, im Wortsinne fantastische und dabei halbwegs zusammenhängende Geschichte zu machen. „Wenn Träume wahr werden …“, heißt es manchmal. Dabei sind die Träume selbst ja immer wahr. Ob wir ihre Botschaften verstehen, ist eine ganz andere Frage.

27. Oktober 2017

23.30 Uhr, zurück aus dem Kino. Den Schneemann habe ich gesehen, einen britischen Thriller um einen psychopathischen Mörder, der Frauen umbringt, vorzugsweise junge Mütter und nur, wenn es schneit. Nach der Tat baut er einen Schneemann, sozusagen als Signatur. Ich habe mir den Film, der passable Krimi-Unterhaltung liefert, aber kein cineastischer Meilenstein ist, ehrlich gesagt nur wegen Rebecca Ferguson angesehen. Sie ist einfach wunderschön, selbst als Leiche, eine halbe Stunde vor Schluss. Ab da habe ich mich noch höflichkeitshalber für die Auflösung des Falles interessiert, welche ohne Überraschungen geliefert wird. Die Landschaftsbilder aus dem winterlichen Norwegen sind unbedingt eindrucksvoll, wenngleich sich das gewisse Frösteln eigentlich wegen der filmischen Handlung einstellen sollte. Ein paar grausam-brutale Bilder gibt es in der Tat, wie es sich für so ein Genre gehört. Verstört oder gar schlaflos macht der Schneemann allerdings nicht, was ja auch sein Gutes hat.

25. Oktober 2017

Versuche, deine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen – und du verlierst die Kontrolle über dein Leben. Der Verstand ist nicht immer unser Freund. Er gibt uns gute und weniger gute Ratschläge. Die weniger guten sollten wir nicht befolgen.
Matthias Wengenroth

24. Oktober 2017

Es war ein schönes Konzert gestern Abend in der Frankfurter Alten Oper. Ein „klassisches“ Sinfoniekonzert sozusagen, mit der Reihenfolge Ouvertüre-Solokonzert-Sinfonie. Dass es schön war, lag hauptsächlich an der Musik. Bachs dritte Orchestersuite ist eben ein starkes Stück und auch durch größere Extravaganzen nicht so leicht zu entstellen. Dirigent Stefan Blunier zwang das Frankfurter Opern- und Museumsorchester zu mitunter grotesk beschleunigten, sensationslüsternen Tempi und verspürte darüber hinaus wenig Neigung, den Blechbläsern dynamische Grenzen zu setzen. Vor der Pause dann Max Bruchs 1. Violinkonzert, in dem Solist Renaud Capuçon mit einer geschlossenen und stilsicheren Interpretation überzeugen konnte. Abschließend Mendelssohns 5. Sinfonie („Reformations-Sinfonie“) mit warmen Klängen, leider zuweilen wieder mit Blechdominanz und unschönen Binnencrescendi, doch klangintensiv und alles in allem durchaus ansprechend. Ein schöner Abend dank guter Musik.

22. Oktober 2017

Diesmal habe ich ein paar Tage gebraucht, um wieder zurück in den Alltag zu finden. Das kenne ich so eigentlich nicht, denn normalerweise hat mich die Arbeitswelt doch sehr schnell wieder. Der Aufenthalt in Barcelona war jedoch so beeindruckend, dass diese Zeit immer noch nachwirkt und mich vermuten lässt, dass sich eine gewisse Depotwirkung eingestellt hat, unter deren Einfluss ich dem Alltag anders begegne. Es war eine fantastische Zeit mit herrlichem Wetter,

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großartigem Essen (jeden Tag Fisch!), sehr netten und aufgeschlossenen Menschen, wunderbaren Gebäuden und Plätzen und einem grandiosen Maskenball im Gran Teatre del Liceu – Piotr Beczała mit einer Weltklasseleistung in der Rolle des Riccardo!

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Mein Lieblingsviertel ist Barceloneta, die Gegend um den alten Hafen, wo direkt neben modernen Apartments, Boutiquen und Flaniermeilen in Strandnähe das eigentliche, einfache und bodenständige Leben spielt. Hier bin ich oft durch die Gassen spaziert, in denen es aussieht wie in der Altstadt von Neapel. Ich habe Kaffee, Tonic oder Vino blanco getrunken und im Restaurant La Taberneta (Carrer d’Andrea Doria) sehr gut und dabei preiswert gegessen. Sehenswürdigkeiten hat Barcelona natürlich reichlich, das Barri Gòtic, die Sagrada Familia, die Kathedrale, das Palau de la Música, La Rambla, zahlreiche Museen und ganz vieles mehr. Nicht alles muss einem gefallen (mit der Gaudì-Architektur z.B. tue ich mich schwer), und nicht alles kann in sechs Tagen angeschaut werden. So werde ich also wiederkommen, und zwar bald. Allein schon, um in der Pulperia Bar Celta zur Mittagszeit Empanadas de atún und Ribeiro zu genießen. Demnächst mehr.

Pause bis zum 18. Oktober 2017

6. Oktober 2017

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Ich nehme übrigens das Flugzeug. Angenehm ist mir das nicht, ehrlich gesagt, aber die Alternativen sind Bahn oder Auto, was in jedem Fall lange dauert und strapaziös sein kann. Eine Möglichkeit ist natürlich immer, es mit Konfuzius zu halten und den Weg als Ziel anzusehen. So könnte ich also durchaus das Auto nehmen, für den Weg nach Barcelona und zurück jeweils vier Tage einplanen und täglich etwa 350 Kilometer fahren. Schöne Hotels aussuchen, kleinere hübsche Orte anschauen und so weiter. Vielleicht ein andermal.

5. Oktober 2017

Wappen Barcelona

Ab Mittwoch der nächsten Woche bin ich für sechs Tage in Barcelona, ich habe das in einem früheren Eintrag bereits erwähnt. Ich denke nicht, dass es aufgrund der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen zu größeren Unruhen kommen wird. Zwar empfiehlt das Auswärtige Amt, Menschenansammlungen zu meiden, aber damit sind sicher nicht Opernaufführungen gemeint. So freue ich mich also auf Verdis „Maskenball“ im Gran Teatre del Liceu mit Piotr Beczała in der Rolle des Riccardo. Weitere konkrete Pläne habe ich nicht. Ich lasse die Stadt auf mich zukommen, das hat sich in anderen Metropolen immer bewährt. Mir liegt das Abarbeiten von „Must see“-Listen nicht, vieles wird sich von allein ergeben. Es ist mein erster Besuch in Barcelona. Nach allem, was ich höre, erwartet mich eine wirklich großartige Stadt. Ich bin schon sehr gespannt und werde hier darüber berichten.

2. Oktober 2017

Kermit

It’s easy to be green – either you have reason or money.

1. Oktober 2017

Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann hat denjenigen, denen es an Fantasie für Jamaika fehlt, Michael Endes Roman „Die unendliche Geschichte“ oder den Besuch von Opern ans Herz gelegt. Weil, so die Begründung, „diese kreativen Menschen zeigen, wie man aus altem Stoff unentwegt was Neues macht.“ Zwar verschweigt Kretschmann bei seiner Empfehlung, dass „was Neues“ nicht zwangsläufig „was Gutes“ bedeutet, und dass darüber hinaus Tragödien auch in der Oper Tragödien bleiben, egal wie kreativ sie erzählt sind. Dennoch wünschte man der oft prosaischen Bundespolitik in der Tat ein etwas opernhafteres Flair, wenngleich der Gedanke an die Oper als Verständnishilfe für obsessive Strategien und clandestine Machtgelüste etwas verzweifelt Komisches an sich hat.

29. September 2017

Schild Oper - Langeweile

27. September 2017

Thadeusz und die Beobachter waren gestern Abend im rbb Fernsehen erneut in exzellenter Form und boten einen launigen Mix aus treffsicherer Analyse und politpsychologischer Kaffeesatzleserei in bramarbasierender Selbstironie. Das hat Witz, Geist und Fantasie. Viele Vertreter des deutschen Politjournalismus kann man seit geraumer Zeit mit Fug und Recht dafür kritisieren, dass sie entweder parteiisch, arrogant oder schlecht vorbereitet sind (oder alles gleichzeitig). Thadeusz und seine Beobachter sind keine Wunderwesen, wohlverstanden. Aber eines sind sie: Fantastische Unterhalter und unterhaltende Fantasten. Zuweilen im Tonfall heiterer Resignation und mit der Klugheit von Hofnarren bieten sie uns Fakten, vermeintliche Hintergründe und im Wortsinne wahre Spekulationen. Das ist allemal vortrefflich unterhaltend und auf diesem Niveau im Fernsehen mittlerweile sehr selten.

26. September 2017

Nur weil ein paar schwarz-gelb-grüne urbane Eliten in Berlin auf fünf Quadratkilometern rund um den Biomarkt friedlich zusammenleben, ist Jamaika noch kein Koalitionsmodell. Jamaika ist tot. Und das ist auch gut so.
Ulf Poschardt, Chefredakteur der Zeitung „Die Welt“, am 12. September 2017 (!)

Star einer politischen Talkshow („Hart aber fair“ vom 25.09.) zu werden, ohne selbst anwesend zu sein – das muss man erstmal schaffen. Respekt!

25. September 2017

Bei der Vorbereitung zur Besprechung des 2. Streichquartetts („Intime Briefe“) von Leoš Janáček finde ich bei kammermusikfuehrer.de die Einschätzung, es handle sich um „ein Werk, das an Intensität und Leidenschaft kaum ein Gegenstück in der Kammermusik hat, obwohl es von einem 74-jährigen Komponisten in seinem letzten Lebensjahr geschrieben wurde.“ Als Quelle wird J. Vogel angegeben. Für Herrn oder Frau Vogel ist der leidenschaftliche Mittsiebziger offenbar ein Oxymoron, wie sonst ist das „obwohl“ zu verstehen? Irgendwann lassen doch Intensität und Leidenschaft nach, so ab der Rente vielleicht. Und muss man denn wirklich noch mit vierundsiebzig grandios verliebte Kammermusik schreiben? Und das obendrein für eine 36-jährige, du liebe Zeit! Manche Sachen macht man einfach ab einem gewissen Alter nicht mehr, zum Beispiel Riesenrad fahren, nächtens im Strandkorb Champagner trinken oder eben „intime Briefe“ schreiben. Nach Tucholsky liebt der Beamte seine Frau immer dienstags. Vielleicht auch noch mit vierundsiebzig, wer weiß. Aber nur in Schaltjahren, wegen der Intensität und Leidenschaft.

23. September 2017

Porto. Frei nach Andreas Brehme sage ich nur ein Wort: Unbedingt ansehen! Wegen allem.

21. September 2017

Porto Film

Heute Abend sehe ich Porto, einen 2016 von Gabe Klinger in Frankreich, Polen und Portugal gedrehten Spielfilm mit Lucie Lucas und Anton Yelchin in den Hauptrollen. Das Portal filmstarts spricht von „erlesenen Bildkompositionen“, von einer „kostbaren Seltenheit im heutigen Erzählkino, wo häufig auch noch die letzte kleine Unklarheit wegerklärt wird.“ Im Ergebnis sei der Film eine „toll gespielte, ästhetisch und erzählerisch anspruchsvolle filmische Meditation über eine Amour fou und ihre Unmöglichkeit.“ 20.45 Uhr, Marburger Filmkunsttheater, Steinweg 4 (Oberstadt), 35037 Marburg.

20. September 2017

Marilyn Monroe Ukulele Avedon
Richard Avedon
Marilyn Monroe, Publicity-Foto zu „Some Like It Hot“, 1959

 

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Dieter Mulch
M.M., fast körperhaft präsent, 1981
Bleistift und Papiercollage
Rahmengröße 34 x 31 x 1,6 cm

18. September 2017

Die meisten Konzerte der Wetzlarer Musikschule finden in einem äußerlich eher schmucklosen Rahmen statt. Es gibt Blumengestecke links und rechts der Bühne, ansonsten spricht der schöne Konzertsaal für sich und wirkt – mit Ausnahme von Kinder- oder Weihnachtskonzerten – ganz ohne weitere Dekoration. Einige Veranstaltungen haben eine Pause, während der kein gastronomisches Angebot vorgehalten wird. Auch hier gibt es Ausnahmen, wie z. B. das Preisträgerkonzert „Jugend musiziert“ oder das Weihnachtsliedersingen der Partnerschaftsgesellschaften. Wir sind eine Musikschule, kein Opernhaus.

Gestern Abend beim Lehrerkonzert, es ist gegen Ende der Pause, spricht mich eine Dame an: „Herr Sander, wir vermissen den Sekt!“ Spontan zeige ich, wie Diplomatie richtig geht und äußere Verständnis ebenso wie Betroffenheit, von wegen Personal und Aufwand und Kosten und so weiter. Es ist nur ein kurzer Dialog, aber ich finde, die ersten Sätze der Dame hätten dem großartigen Programm, den Künstlern und ihren Darbietungen, dem freien Eintritt gelten sollen. Das mit dem Sekt hätte sie abschließend als kleine, freundliche Anregung unterbringen können, wenn überhaupt an diesem Abend. Aber wie heißt et kölsche Jrundjesetz: Jede Jeck is anders.

15. September 2017

Jordi Savall hat vor Jahren mit seinem Ensemble Hesperion XX die Suite in C-Dur aus der Studenten-Music von Johann Rosenmüller (Leipzig 1654) auf CD eingespielt. Die Suite enthält, wie üblich, mehrere Tanzsätze, darunter auch eine Sarabanda. Dieser aus Spanien stammende „Pfauentanz“ gab bei Hofe den Männern Gelegenheit, sich zu zeigen, zu produzieren, wie eben der Pfau, der sein Rad schlägt und beeindrucken will. Die Sarabande ist der langsamste aller höfischen Tänze. Und so musiziert Savall diesen Tanz geradezu entrückt, mit weltvergessener Zeitlosigkeit und einem berührenden Sentiment, das tiefe Sehnsüchte in uns weckt. Das ist sehr bewegend und so überirdisch schön, dass es schmerzt. Aber es zeigt, dass wir leben, und wir sollten die Fähigkeit, so empfinden zu können, als Privileg begreifen und dafür dankbar sein.

13. September 2017

Die schönsten Sachen, die ein Mensch zu einem anderen Menschen sagt, sagt er leise. Auch in der Musik sind die zarten Momente die schönsten.
Jordi Savall

11. September 2017

Im Kurs morgen Vormittag hören wir nur Geburtstagsständchen, die wir ausnahmsweise so nennen dürfen:

Monteverdi, L’Incoronazione di Poppea, Schlussduett
Händel, Ode for St. Cecilias’s Day, Chorus „From harmony“
Mozart, Don Giovanni, Finale
Brahms, Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15, 2. Satz: Adagio
Debussy, Prélude à l’Après-midi d’un faune
Schostakowitsch, Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur op. 107, 1. Satz: Allegretto

10. September 2017

10.00 Uhr. Fahre jetzt nach Gießen ins Stadttheater und höre mir die Einführungsmatinee zu Don Giovanni an. Premiere ist am kommenden Samstag. Ich bin wirklich gespannt, denn just bei diesem Stück ist der Grat zwischen intelligenter, psychologisch verständiger Auslegung und irrwegiger Interpretationswillkür außerordentlich schmal. Bis später.

14.00 Uhr. Wieder zurück. Es war launig und unterhaltsam, keine Frage. Regisseur Wolfgang Hofmann, sekundiert von fünf Sänger/-innen, Korrepetitor und Bühnenbildner, gab einen Einblick in die Fassung, die das Gießener Theater präsentieren wird. Leider wird das Finale-Sextett aus der ersten, also der Prager Fassung nicht enthalten sein. Hofmann erklärte, dass nach Don Giovannis Höllenfahrt alle übrigen Akteure nichts mehr zu sagen hätten und somit verstummen müssten. Sehr schade, wenngleich Mozart für Wien das besagte Sextett ebenfalls gestrichen hat, aber doch aus anderen Gründen. In der Prager Fassung haben alle Beteiligten sehr wohl noch etwas zu sagen! – Eine schöne Idee der Matinee, die Sänger/-innen aus der Perspektive ihrer jeweiligen Rolle erzählen zu lassen! So erklären Donna Anna und Don Ottavio jeweils in der Ich-Form ihre widersprüchlichen Wünsche und Sehnsüchte, ebenso wie Zerlina – in Abwesenheit von Masetto – frei heraus beschreibt, warum sie zwar in den Stand der Ehe treten wird, an das große Glück jedoch nicht glaubt. Die Erläuterungen zum Bühnenbild lassen ahnen, dass es – wer hätte das gedacht – sparsam ausfallen wird. Und nach der Höllenfahrt Don Giovannis,. so Hofmann sibyllinisch, „kommt aber noch etwas“. Hoffen wir, dass es von Mozart sein wird.

8. September 2017

„Ich bin der James Bond der SPD“, sagt Martin Schulz. Na schön, aber wenn das so ist, und sei es nur ironisch gemeint, hätte ihn seit Wochen eine entsprechende Werbekampagne begleiten müssen! Schulz mit schönen Frauen, schnellen Autos und einer Menge Wodka-Martinis. Gut, die trinkt er nicht mehr, aber das macht nichts. Wer von uns weiß nicht, dass der eigentliche Sinn von Wahlplakaten im Entertainment liegt (die FDP macht’s ja gerade vor)? Eine Anregung fürs nächste Mal: Schulz (oder wer immer es dann sein wird) in souveräner Macho-Pose, vor einem Cabrio, im Smoking, umringt von Blonden, Brünetten und Rothaarigen, einen Drink in der Hand und mit knallharter Politanalyse: „Probleme? Ich bin geschüttelt, nicht gerührt.“ Dann klappt’s auch mit dem Kanzleramt.

6. September 2017

Zurzeit lese ich „Der Himmel über Greene Harbor“ von Nick Dybek, das Debüt eines jungen amerikanischen Autors. In den USA haben sich vor ein paar Jahren, als das Buch erschien, zahlreiche Kritiker mit Lobreden und geradezu hymnischen Artikeln gegenseitig überboten. Angeblich soll das Buch alles enthalten – Sinnlichkeit, Tiefgang, Dynamik, Glaubwürdigkeit und so weiter. Es handelt vom Ende einer Kindheit, von rauer See, von Glück, von Entbehrungen, von der Schwierigkeit, eine gute Ehe zu führen, von Verrat und moralischen Verfehlungen. Nicht schlecht für den Anfang.

Tatsächlich bin ich jetzt auf Seite 104 und habe damit etwa ein Drittel des Buches hinter mir. Ich werde das Buch weiterlesen, weil ich wissen will, wie es ausgeht. Es ist bisher für meinen Geschmack keine sprachliche oder inhaltliche Offenbarung, zielen manche Sätze („Sein Gesicht sah aus wie eine Brechstange“) doch allzu sehr auf Wirkung, klingen dann aber bemüht oder bleiben oberflächlich. Dennoch ist es ein lesenswerter Roman, und die Geschichte ist interessant, nicht zuletzt wegen der Hauptfrage, die das Buch behandelt: Wie weit ist ein Mensch bereit zu gehen, um das von ihm selbst gesteckte Ziel zu erreichen?

Dybek, Green Harbor

4. September 2017

Kunst ist nicht die Nutzanwendung eines Schönheitskanons, sondern das, was Instinkt und Gehirn über jeden Kanon hinaus fassen können. Wenn wir eine Frau lieben, kommt es uns nicht in den Sinn, vorher ihre Gliedmaßen zu messen.
Pablo Picasso (1881 -1973)

3. September 2017

Auf ARD, ZDF, SAT1, RTL und Phoenix läuft heute Abend „Das Duell – Merkel gegen Schulz“. Auch auf 3sat ist heute Märchentag, sogar von morgens bis abends. Es gibt viele Spiel- und Fernsehfilme zu sehen, zum Teil nach Erzählungen und Geschichten der Brüder Grimm, u. a. „Das Märchen vom Schlaraffenland“ und „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“.

1. September 2017

„Die FDP ist wie ein Glückskeks. Die Leute freuen sich erst einmal darüber. Wenn sie ihn aufmachen, stellen sie fest, dass nicht viel drinsteckt. Das ist aber erst einmal egal.“ Das sagt Frank Stauss, Politikberater und Werbefachmann, in einem Interview mit n-tv. Komischerweise denke ich an Operetten. Die klingen hübsch und unterhalten ganz gut. Auf der Bühne werden nur Scheinkonflikte behandelt, wie beim Ohnsorg-Theater, nur mit Musik. Ernsthafte Auseinandersetzungen sehen anders aus. Das kann man sich zwei Stunden lang antun und ist spätestens an der Garderobe mit den Gedanken wieder woanders, wenn nicht schon während der Vorstellung selbst.

„Wenn wir gewusst hätten, dass es soviel Zeit und Energie kostet, hätten wir es trotzdem gemacht.“ Der Satz stammt von Domenico Tedesco, dem neuen Trainer von Schalke 04. Hintergrund der Feststellung: Tedesco hatte dem langjährigen Kapitän Benedikt Höwedes die Kapitänsbinde entzogen, ihn bei den ersten drei Pflichtspielen der Saison auf die Ersatzbank gesetzt und ihm zudem für die Zukunft keinen Stammplatz garantiert. Ein gefundenes Fressen für die Journaille und sämtliche Fan-Foren! Wieder Operette, nur ein bisschen ernster, wie „Land des Lächelns“, obwohl den Protagonisten dasselbe wohl gründlich vergangen sein dürfte. Tedesco allerdings erinnert mehr an Lohengrin. Als „reiner Tor“ ist er Überzeugungstäter, er kann nicht anders handeln. Es geht zwar nicht um Brudermord, sondern um Schalke 04, aber das ist ja ähnlich schwerwiegend. Lohengrin reist am Ende wieder ab, gramgebeugt und tief erschüttert, doch erhobenen Hauptes. Höwedes, das sei ergänzt, ist bereits weg und spielt jetzt für Turin. Dort trägt man übrigens schwarz-weiß, was seinem Denken entgegen kommen dürfte.

30. August 2017

Das Schädliche an den Blechinstrumenten liegt in der Tatsache, dass sie die Lungen stärken und damit das Leben der Musikanten verlängern.
George Bernard Shaw (1856 – 1950)

Blech

29. August 2017

Für das diesjährige Weihnachtskonzert der Musikschule wird sich ein Projektchor bilden, der von Ende Oktober bis Mitte Dezember ein paar Choräle und Motetten zur Advents- und Weihnachtszeit einstudieren wird. Fest steht bisher nur, dass der Choral „Fröhlich soll mein Herze springen“ von Christoph Graupner (1683 – 1760) zur Aufführung kommen wird. Ich habe mich vor über zwanzig Jahren in dieses Stück verliebt und damals auch aufgeführt. Jetzt endlich ist es wieder so weit.

Es handelt sich bei Graupners Choralsätzen um figurierte Choräle mit jeweils schlichtem Chorsatz und kunstvoller Instrumentalbegleitung durch Streichinstrumente. Vor allem die erste Violine spielt eine dominierende Rolle, sie ist der eigentlich konzertierende Partner des Chores. Vielleicht, wenn wir gut voran kommen, ergänzen wir noch den Choral „Mit Ernst, o Menschenkinder“. Sollte darüber hinaus noch Zeit bleiben, kämen als Kontrastprogramm kleine Sätze von Carl Orff (1895 – 1982) und Felicitas Kuckuck (1914 – 2001) in Frage. Das wäre allemal interessant, sowohl für den Chor als auch für das Publikum.

27. August 2017

Wetzlarer Neue Zeitung, 23. August 2017

Musikschüler in „Camp Styria“
Orchesterprojekt für Jugendliche

Wetzlar/Schladming. „Anstrengend war es, aber es war ein tolles Erlebnis! Außerdem haben wir wirklich viel gelernt.“ Amely Stief (12) und Clara Lang (16) , Schülerinnen der Musikschule, waren Teilnehmerinnen am zehntägigen Orchesterprojekt „Camp Styria“ im österreichischen Schladming . „Camp Styria“, ein international angesehenes Jugendorchester-Projekt, kann auf eine 25-jährige Geschichte zurückblicken. Seit drei Jahren wird das Feriencamp in Wetzlars Partnerstadt ausgetragen. Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 16 Jahren aus mehreren Nationen kommen dorthin, um sich in einem großen Orchester zu vereinen und gemeinsam zu musizieren. So auch Amely Stief und Clara Lang, Klarinettistinnen aus den Klassen von Paul Pfeiffer und Travis Meisner.

Mit dabei: Thomas Sander, Leiter der Musikschule. Er zeigte sich insbesondere von der entspannten Stimmung angetan: „Jugendliche aus unterschiedlichen Kulturen kommen hier ganz unvoreingenommen zusammen, um Musik zu machen. Die Begeisterung ist von Anfang an spürbar. Für unsere Schülerinnen ist das eine großartige Erfahrung. Ich danke meinem Kollegen Horst Krammer sehr für die Einladung, ebenso wie der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar, die einen Teil der Fahrtkosten übernommen hat.“

Mehrere Stunden pro Tag wurde in Einzel- und Gruppenproben intensiv unter Leitung von namhaften Dozenten und Instrumentalpädagogen gearbeitet. Auf dem Programm stand diesmal eine Mischung aus festlichen und hochkarätigen Stücken mit Werken von Glière, Smetana, Suppé, Bernstein und Williams. Wie in den vergangenen Jahren, fand das große Abschlusskonzert in der voll besetzten Kongresshalle statt. Clara Lang konnte hier als erste Klarinette mit mehreren Soli einen guten Beitrag zum Jubiläum von „Camp Styria“ leisten.

Neben dem Musizieren war auch für Freizeit und Abwechslung gesorgt, etwa durch Sport und einen Ausflug auf den Dachstein.

Camp Styria bearb.

Thomas Sander, Clara Lang, Wolfgang Gottfried Rabl (Dirigent), Amely Stief, Horst Krammer (Leiter Musikschule Schladming)
Foto: Holger Stief

25. August 2017

Wen Gott lieb hat, dem gibt er ein Haus in Zürich.
Sprichwort

23. August 2017

Für meinen Schubert-Vortrag „Dort, wo du nicht bist, da ist das Glück“, der im Frühjahr krankheitsbedingt ausfallen musste, gibt es nun einen neuen Termin: Freitag, 13. April 2018 um 18.00 Uhr im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule. Darum geht’s:

Der Wanderer auf der vergeblichen Suche nach dem Glück – dieses Bild ist nur eine von zahlreichen Facetten, die uns im Leben ebenso wie im Werk von Franz Schubert begegnen. Trotz seiner enormen Produktivität mit Kompositionen von Sinfonien, Messen, Kammermusiken, Bühnenwerken, Kirchenmusik, Chorwerken und über 600 Kunstliedern feierte Schubert Erfolge nur in kleineren Fachkreisen. Die Anerkennung eines größeren Publikums blieb ihm, der die Öffentlichkeit scheute, weitgehend verwehrt. Heute gilt Schubert als einer der größten Komponisten der Romantik, seine Werke sind selbstverständliche Bestandteile des weltweiten Konzertrepertoires. Der Vortrag versucht eine Annäherung an den Musiker und Menschen und enthält Beispiele von CD, DVD sowie live am Klavier.

21. August 2017

In der heutigen Gesamtkonferenz der Musikschule haben wir beschlossen, ab dem kommenden Semester die Ergänzungsfächer Allgemeine Musiklehre, Harmonielehre und Gehörbildung anzubieten, gestaffelt für verschiedene Altersklassen. In vergangenen Zeiten, die lange zurück liegen, gehörten diese Fächer einmal zum Pflichtprogramm. Es verstand sich von selbst, dass man begleitend zum Klavier- oder Cellounterricht auch lernte, was eine Sonatenhauptsatzform ist oder wie sich die Terz von der Quinte unterscheidet.

An den allgemeinbildenden Schulen fällt nach wie vor zuviel Musikunterricht aus, eine fundierte Unterweisung in Musiktheorie findet kaum statt, außer vielleicht in den Leistungskursen der Oberstufe – hier allerdings sollten idealerweise Tonsatzkenntnisse vorausgesetzt werden können und nicht quasi in Crashkurs-Manier nachgeholt oder gar neu vermittelt werden müssen. So widmen wir uns also in der Musikschule künftig verstärkt auch der Theorie. Kooperationen mit Gymnasien zwecks einschlägiger Studienvorbereitung sind in Vorbereitung. Vielleicht ist für Abiturienten der Neapolitaner dann nicht mehr unbedingt nur ein Keks.

20. August 2017

Für Kurzentschlossene: Heute Nachmittag, 18.00 Uhr, Friedenskirche Braunfels – ich spiele auf der Orgel choralgebundene und freie Improvisationen. Eintritt frei.

18. August 2017

Actéon hat Charpentier übrigens nach einer Geschichte aus den Metamorphosen von Ovid geschrieben. Die Metamorphosen, in kunstvollen Hexametern erstellt, enthalten Verwandlungssagen aus der griechischen Mythologie und sind seit ihrem Erscheinen – geschrieben wurden die Texte vermutlich ab dem Jahr 1 oder 3 n. Chr. bis um 8 n. Chr. – außerordentlich populär. Noch heute werden die Dichtungen im Lateinunterricht gelesen und interpretiert.

Ovid war ein kluger, wacher Geist und verstand sich nicht nur aufs Komponieren von Hexametern. „Nicht jede Frau, welche das Feuer anbläst, will kochen“, befand er knapp. Nun gut, nicht jede Elegie oder Tragödie muss in Versform verfasst sein.

17. August 2017

Durch Zufall entdeckt, heute zum ersten Mal gesehen und restlos hin und weg: Marc-Antoine Charpentier, Un Automne Musical A Versailles (DVD, Armide 2005). Ein Film von Olivier Simonnet, mit hinreißenden Ausschnitten und Szenen aus Instrumental- und Vokalwerken Charpentiers. Absoluter Höhepunkt: Allons, marchons, courons aus Actéon. Christophe Rousset dirigiert und inspiriert ein Ensemble von jungen Sängern, Tänzern und Musikern. Unwiderstehlich in jeder Hinsicht, unbedingt anhören (auch auf youtube)! Eine Performance, die süchtig macht, zum sofortigen Verlieben. Manchmal übertreibe ich, diesmal nicht.

Un automne musical

15. August 2017

Die meisten Menschen haben ihre Sterblichkeit nicht begriffen. Klingt simpel, ist es auch. Wenn man weiß, dass es gleich wieder zu Ende ist, könnte man sich natürlich in seinem Leben viel sparen. Streit, Machtgier, Unfreundlichkeit, Raffsucht zum Beispiel.
Sibylle Berg (* 1962), Schriftstellerin

Zudem könnte man, über die Ersparnis der genannten Dinge hinaus, seine so bewahrte Energie in das restliche Leben stecken. Wie heißt es so schön: Nicht dem Leben Jahre hinzufügen, sondern den Jahren Leben! Kunst und Kultur sind wahre Energiespender, sie versorgen uns mit Kraft, Mut, Zuversicht. Häufig bemerken wir den Eindruck, das ein Buch, ein Musikstück oder ein Schauspiel auf uns macht, erst später, sozusagen postperformativ (wow!). Der erste Eindruck, für den es bekanntlich keine zweite Chance gibt, ist auch im Künstlerischen unmittelbar und nicht korrigierbar. Anders verhält es sich mit der Langzeitwirkung, die uns im besten Fall mit einer Art Depotwirkung erfassen kann, und die nicht selten einen Indikator für unser eigenes Berührtsein darstellt. Tipp des Tages: Anton Bruckner, Streichquintett F-Dur, 3. Satz: Adagio.

14. August 2017

Wenn das Herz denken könnte, würde es stillstehen.
Fernando Pessoa (1888 – 1935)

13. August 2017

Morgen eröffnen wir den Start in die Schulzeit mit der 8. Sinfonie c-Moll op 65 von Dmitri Schostakowitsch. Es folgen am Dienstag die Lachrimae von John Dowland, am Mittwoch Boris Godunow von Modest Mussorgsky, am Donnerstag schließlich die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. In der Summe ergibt das einen schönen Ausgleich zu den Holprigkeiten eines jeden Wiederbeginns. Nach zwei, drei Tagen hat der Alltag einen ohnehin wieder, machen wir uns nichts vor. Die Kunst besteht darin, Freude, Ausgleich, Entspannung und Zufriedenheit schon in eben diesen Alltag einzupflegen. Vor einem Jahr sah ich an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz die Werbung „Macht keine Diäten! Habt Orgasmen! Und geht wählen!“ Nun, es muss ja nicht gleich so etwas Drastisches sein. Ein Konzertbesuch täte es für den Anfang auch.

11. August 2017

Das deutsche Sommerwetter war in diesem Jahr leider nicht berauschend. Mit einer grundlegenden Änderung ist nicht zu rechnen, also müssen wir uns gegen aufkommende Trübsal oder Übellaunigkeit wappnen und uns schönen Gedanken hingeben. Also: In Bologna habe ich in einer Buchhandlung Eataly gefunden, einen kulinarischen Führer durch die moderne italienische Küche. Welch ein schönes Wortspiel! Das Buch ist seit Längerem in englischer Sprache zu haben, am 7. September erscheint es endlich auf deutsch.

Eataly

Überhaupt hilft der Gedanke an das italienische Lebensgefühl gegen sämtliche psychomentalen Auswirkungen von Tiefausläufern und Gewitterfronten. Genießen wir also einen Cappuccino (natürlich nur bis mittags), trinken ein Glas Lambrusco (Achtung, kein Billigwein!) oder Sangiovese, essen mit Frischkäse und Walnüssen gefüllte Tortellini und ein paar frische Feigen. Danach caffé, auch Grappa meinetwegen. Dann gehen, nein, wir flanieren durch die Stadt und machen uns keine Gedanken. Höchstens, wo wir am Abend einkehren wollen, draußen, unter Arkaden.

9. August 2017

Was suchen wir andere Länder unter anderer Sonne? Entkommt, wer sein Land hinter sich lässt, sich selber?
Horaz (65 – 8 v.Chr.), eigentlich Quintus Horatius Flaccus, römischer Satiriker und Dichter

Wieder zurück aus Österreich, wo ich in Schladming an der Eröffnungsveranstaltung des Musikcamps Styria teilgenommen habe. Die Steiermark hat viel zu bieten, nicht nur herrlichste alpine Aussichten und kulinarische Genüsse. Graz zum Beispiel, Landeshauptstadt mit über 280.000 Einwohnern, davon über 45.000 Studenten, ist zu Recht stolz auf seine Altstadt, die seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Renaissancebauten neben moderner Architektur, Denkmäler, Kirchen, Parks. Und ein Opernhaus, das viel Klassisches zeigt, aber auch Modernes, zum Teil mutig inszeniert. Graz ist immer einen mehrtägigen Besuch wert, so dass einem fast das Wort von Christian Morgenstern in den Sinn kommt: Was ist das erste, wenn Herr und Frau Müller in den Himmel kommen? Sie bitten um Ansichtskarten.

Endgültig: Vom 23. – 26. November geht es für vier Tage nach London, Covent Garden. Die diesjährige Opernreise ist jetzt organisatorisch in trockenen Tüchern, wir haben endlich die Bestätigung für 40 Karten im Parkett (Orchestra Stalls) in den Reihen 12, 13 und 14. Besser geht es kaum, und wir freuen uns auf eine Vorstellung von Donizettis Lucia di Lammermoor im Royal Opera House. Der Gesamtpreis liegt bei erschwinglichen € 625 p. P. mit Übernachtung im DZ im Clayton Chiswick London Hotel**** (EZ-Zuschlag € 115) mit Frühstücksbuffet, Fahrt im modernen Reisebus**** mit Fährpassage Calais-Dover und Dover-Calais, eine halbtägige Stadtführung London und Opernkarte inklusive. Dazu gibt’s zwei Tage vor Reisebeginn eine Einführung in der Wetzlarer Musikschule, wie immer.

Und vorher, wo wir schon dabei sind, geht’s im Oktober nach Barcelona ins Gran Teatre del Liceu. Auf dem Programm steht Verdis Un ballo in maschera. Ich bleibe sechs Tage, sozusagen für jedes Lebensjahrzehnt einen Tag. Vorher stelle ich nur ein Sparschwein auf, mehr nicht. Statt DVDs, CDs, Bücher oder Wein zu kredenzen können Gratulanten die Operntour unterstützen. Nach einem Sektempfang mit anschließendem Brunch auf irgendeiner Hotelterrasse mit Seeblick ist mir einfach nicht.

2. August 2017

Frei nach Loriot könnte ich sagen, dass eine Sommerpause nicht in Italien zu verbringen zwar möglich, aber sinnlos ist. Aus früheren Tagen kannte ich Genua, Mailand, Turin, Venedig, Florenz, Rom und – noch aus dem letzten Jahr – Neapel. Auf der Wunschliste stand immer auch Bologna, wo ich nun endlich war. Es ist eine wunderbare Stadt mit reichlich Kunst und Kultur, prächtigen Bauten, herrlichen Gassen und Plätzen, mit studentischem Leben und ausgezeichnetem Essen. An meinem Ankunftstag hatte das Teatro Comunale seine letzte Vorstellung in dieser Spielzeit, für einen Besuch war ich zu spät, aber das macht nichts. Ein weiterer Grund, nochmal wiederzukommen! Ach, Italien …

Pause bis zum 31. Juli 2017

8. Juli 2017

18.00 Uhr, immer noch 31 °C. Also kaltes Abendessen.

50 g Garnelen, gewürzt mit Zitronenöl und -pfeffer
10 – 12 schwarze, in Gewürze eingelegte Oliven
2 hartgekochte halbierte Eier, mit Kräutersalz
3 – 5 Scheiben kräftige Salami
Brie, Gouda (mittelalt), Bûche de chèvre
2 – 3 frische oder getrocknete Feigen, alternativ Konfitüre
ein paar Walnüsse
Baguette und/oder Roggenbrot
dazu Riesling, Chardonnay oder Retsina

7. Juli 2017

Noch einmal kurz zu Yura Yang, die ich am letzten Sonntag in Gelsenkirchen als souveräne Dirigentin von Don Giovanni erlebt habe. Die Südkoreanerin ist 27 Jahre alt und gibt als ihr Vorbild Carlos Kleiber an. Ihre musikalische Vorliebe gilt der Oper, ihr Lieblingsstück ist der Rosenkavalier – das passt!

6. Juli 2017

Im Allgemeinen sind ja leider die Stücke von mir angemehmer als ich.
Johannes Brahms (1833 – 1897)

Brahms Schattenbild

Otto Böhler (1847 – 1913)
Schattenbild Johannes Brahms

4. Juli 2017

Schön war’s! Ein bisschen nostalgisch, aus persönlichen Gründen. Wie vertraut einem doch ein Ort sein kann, nach so vielen Jahren! Mozarts Don Giovanni ist natürlich für ein Wiedersehen, besser gesagt für ein Wiedererleben das perfekte Stück, obwohl es darauf gar nicht ankommt. Die Gelsenkirchener haben ein sehr gutes, klangschönes Orchester, das von Yura Yang souverän geleitet wurde. Hinsichtlich der Gesangspartien blieben zwar ein paar Wünsche offen, doch der Gesamteindruck war positiv, was auch für das Bühnenbild gilt, ebenso wie für die Kostüme.

Mit zwei Tagen Abstand kann ich allerdings mit der Inszenierung auch nicht mehr anfangen als am Abend selbst. Ich glaube nicht, dass Leporello und Don Giovanni ein und dieselbe Person sind, dass der eine das Alter Ego des anderen ist. Deswegen glaube ich auch nicht, dass Leporello und Donna Elvira das eigentliche Paar der Oper bilden. Der Verweis auf Schnitzlers Traumnovelle wirkt bemüht und willkürlich. „In allen Wesen, die ich liebte, habe ich immer nur dich gesucht.“ Schön und gut, doch Freud und Schnitzler lassen sich damit für beinahe jede Spielwiese als Kronzeugen heranziehen. Und natürlich bietet der Umstand, dass Leporello und Don Giovanni mehr oder weniger das gleiche Stimmfach teilen, eine Steilvorlage für alle möglichen Fantasieblüten der Regie! Kostümtausch, Rollentausch, Identitätstausch? Muss das „Who’s who?“ des Don Giovanni neu geschrieben werden? Nein, muss es nicht! Masetto ist nicht der uneheliche Sohn des Komturs, und Zerlina ist nicht die Stiefschwester der Donna Anna. Nur Don Ottavio hat keinen Partner in gleicher Stimmlage – was haben sich Mozart und Da Ponte nur dabei gedacht?

2. Juli 2017

Mein erster Besuch im Musiktheater im Revier liegt fast fünf Jahrzehnte zurück, auf dem Programm stand damals Lortzings Zar und Zimmermann. Auch als älterer Schüler und später als Student war ich gerne zu Gast in diesem renommierten Haus und habe dort viele niveauvolle Aufführungen miterlebt, vorwiegend Opern, die meisten während der Ära Leininger/Mund. Mein letzter Opernbesuch in Gelsenkirchen liegt mittlerweile ein halbes Leben zurück, und so freue ich mich sehr, heute Abend wieder an die Kulturstätte meiner Jugend und frühen Erwachsenenzeit zurückzukehren. Auf dem Spielplan steht Mozarts Don Giovanni.

Musiktheater im Revier

1. Juli 2017

Limburg 002

Gesehen in Limburg an der Lahn. Schon klar, dass man sich an den Enten nicht satt essen soll – aus mehreren Gründen. Die mit Snacks, Salaten und Steaks aufwartende Obermühle spielt dabei nur eine Nebenrolle.

30. Juni 2017

Gestern ging an der Wetzlarer Musikschule mein Crashkurs Oper zu Ende, der sich über vier Abende erstreckte und insgesamt achtzehn Klangbeispiele enthielt aus Werken von Monteverdi, Cavalli, Rameau, Purcell, Händel, Mozart, Weber, Bizet, Tschaikowsky, Wagner, Verdi, Puccini, Strauss, Schostakowitsch und Henze. Die Teilnehmenden wünschen eine Fortsetzung im November, sozusagen einen Aufbau-Crashkurs für fortgeschrittene Anfänger. Wie schön! Ab Januar 2018 soll dann ein begleitender Grundkurs Klassische Musik folgen, der Basiswissen vermittelt und musikgeschichtliche wie -theoretische Inhalte mit konzertpädagogischen Aspekten verbindet.

In den ganzjährig laufenden Kursen ist die Idee, im kommenden Semester Künstlerporträts anzubieten, auf sehr positive Resonanz gestoßen. Einblicke in die Arbeit von Dirigenten, Instrumentalisten, Sängern, Regisseuren und Intendanten zu bekommen, mit Ausschnitten aus Konzerten, Interviews, Briefwechseln etc. – das kann in der Tat ganz spannend werden, nicht zuletzt unter dem Aspekt der Veränderungen von Kunst und Kultur im Allgemeinen und eines circensischen Klassikbetriebes im Besonderen. Callas und Netrebko, Karajan und Dudamel, Horowitz und Lang Lang, Menuhin und Kopatchinskaja, Schenk und Clément – ich freu‘ mich schon jetzt!

29. Juni 2017

Dumme und Gescheite unterscheiden sich dadurch, dass der Dumme immer dieselben Fehler macht und der Gescheite immer neue.
Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

28. Juni 2017

Nach längerer, unbegründeter Pause habe ich gestern wieder den 2. Satz aus Schuberts Streichquintett C-Dur op. post. 163 D 956 gehört. Es ist nicht nötig, hier Kritikerstimmen zu zitieren oder Auszüge aus Konzertführern wiederzugeben. Es reicht zu sagen, dass dieses Adagio zum Schönsten und Bewegendsten gehört, was jemals geschrieben wurde. Punkt. Ohne Einschränkungen wie „in der Epoche der Romantik“ oder „auf dem Gebiet der Kammermusik“. Die Musik des 2. Satzes wurde in den Schubert-Biografien Mit meinen heißen Tränen und The greatest love and the greatest sorrow verwendet, ebenso in den Filmen Die Wannseekonferenz, Der menschliche Makel und The Limits of Control.

Es ist müßig darüber zu sinnieren oder gar zu streiten, wann und unter welchen Bedingungen die Musik ihre größte Wirkung entfaltet. Vielleicht auf der berühmten einsamen Insel. Dorthin sollte man das Stück jedenfalls unter allen Umständen mitnehmen, es täglich hören und sich dabei den Gedanken an Rettung befriedet und voller Zuversicht aus dem Kopf schlagen.

26. Juni 2017

Vor mittlerweile einem guten Vierteljahrhundert schrieb Paul McCartney sein Liverpool Oratorio und erklärte damals, es sei für ihn eine Gelegenheit, sein „früheres Kokettieren mit Orchester und Chor zu einem richtiggehenden Werk auszuweiten.“ Die ersten Aufführungen von 1991 sind in Bild und Ton dokumentiert, die Doppel-DVD von 2004 enthält zusätzliches Bonus-Material, Ghosts of the Past: The Making of Liverpool Oratorio und Echoes.

McCartney, der kürzlich seinen 75. Geburtstag feiern konnte, hat mit Liverpool Oratorio sein erstes klassisches „Album“ vorgelegt, wie es in den einschlägigen Medien so schön heißt, wenngleich diese Bezeichnung gänzlich unpassend ist. Der junge Beatle hätte vielleicht ein „Album“ veröffentlicht, der Komponist des stark autobiografischen Chor- und Orchesterwerks aber beeindruckt mit einer ausdrucksstarken Partitur, die zahlreiche verschiedene Stilelemente der sogenannten „klassischen Musik“ enthält, mit einem Spektrum von barocken Zitaten bis hin zu seriellen Klangexperimenten. Nicht „Michelle“, „Yesterday“ oder „Yellow Submarine“ – aber McCartney!

24. Juni 2017

Ähnlich wie das Vorspiel zum 1. Akt von Wagners Lohengrin, so nimmt auch die Titelmusik zum Thriller Basic Instinct (USA/F 1992) die nachfolgende Handlung musikalisch vorweg. Wird in Wagners Drama das Herannahen, Verweilen und Verschwinden des Ritters durch Zu- und Abnahme der Dynamik, dem entsprechendem Einsatz der Orchesterinstrumente sowie der zeitlichen Proportionen verdeutlicht, sind die musikalischen Mittel im Film kunstvoller Einsatz und raffinierte Vernüpfung von Melodik und Harmonik, welche die emotionale Verstrickung der Protagonisten veranschaulichen. Basic Instinct ist ein filmisches Meisterwerk – wegen des Erzähltempos, wegen der Kameraführung, wegen der Darsteller und nicht zuletzt wegen der verschiedenen Lesarten bzw. Deutungsoptionen, die dem Zuschauer anheim gegeben werden. Und wegen der überragenden Musik von Jerry Goldsmith.

Basic Instinct

23. Juni 2017

Wenn man immer so leben könnte, wie man will, würde man alle Kraft verlieren.
Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929)

„Wer mich eines Widerstands beraubt, beraubt mich einer Kraft“, hätte Strawinsky ergänzt. Und so ist es: Ein widerstandsfreies und wunscherfülltes Leben macht inaktiv, andauernde Betrachtung lähmt. Zutätigkeit sei vonnöten, so Hofmannsthal, nur sie mache das Ungeheure des Lebens erträglich. Anstrengungsloses Glück, was soll das sein? Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt, wusste schon der griechische Dichter Hesiod (* vor 700 v. Chr.), Begründer des didaktischen Epos, des Lehrgedichts. Und: Wer dem Weibe vertraut, der vertraut auch Dieben. Doch über Ackerbau und Viehzucht sprechen wir ein andermal.

22. Juni 2017

Im Rahmen des Confed Cups spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft heute gegen Chile. Jogi Löw hat eine junge Truppe mit nach Russland genommen, die talentiert und ehrgeizig ist. Viele Spieler wollen im nächsten Jahr mit zur WM fahren und setzen alles daran, jetzt beim Bundestrainer einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wir brauchen ein starkes Team, sagt Löw, denn die andern wolle au Weltmeischter werde. Deshalb hat schon Jürgen Klinsmann seinerzeit nur Spieler zum Turnier mitgenommen, die wo leistungswillig waren.

21. Juni 2017

Heute Abend gibt Jonas Kaufmann sein Rollendebüt als Otello in Verdis gleichnamiger Oper. Im Royal Opera House Covent Garden singen mit ihm u. a. Maria Agresta und Ludovic Tézier. Die musikalische Leitung hat Antonio Pappano, Regie führt Keith Warner. Natürlich wünschen wir Jonas Kaufmann für seine Premiere als Otello alles erdenklich Gute, zumal er 2016 wegen eines Hämatoms auf den Stimmbändern für ein paar Monate zwangspausieren musste. Otello sei wegen ihrer Emotionalität die perfekte Verdi-Oper, wird Kaufmann zitiert, gesangliche und schauspielerische Fähigkeiten würden bis an die Grenzen getestet. Mit dieser Einschätzung liegt er vollkommen richtig, insofern freuen wir uns doppelt auf seinen ersten Otello.

Seit Anfang 2017 ist er also wieder mittendrin im Opernzirkus und bietet damit leider, zuweilen auch amüsanterweise Musikjournalisten, insbesondere Musikjounalistinnen eine vielfrequentierte Projektionsfläche für Koketterien, Schwärmereien und überhitzte Fantasien. „Da kommt er zum Interview, der Startenor – in Jeans und Mokassins, er hält einen Teller in der Hand mit Joghurt, Obst, ein bisschen Rührei. Seine Stimme klingt erstaunlich dunkel und etwas rauh, es ist noch früh am Morgen. Guten Morgen, Verehrtester, mein Name ist Marie-Theres von Berchtesgaden, ich schreibe für das Klassik-Magazin Sound so, mit Ihrem Dreitagebart sehen Sie wirklich unwiderstehlich aus, ich werd‘ ganz verlegen, und jetzt hab‘ ich total vergessen, zu welchen Belanglosigkeiten ich Sie etwas fragen wollte …“

20. Juni 2017

Morgen in einem Monat beginnen die Salzburger Festspiele 2017 mit einer Aufführung des Jedermann auf dem Domplatz. Natürlich ist die Vorstellung ausverkauft, wie auch alle nachfolgenden Aufführungen des Stückes. Das Niveau des Gesamtprogramms ist wie immer hoch, allerdings sind die Preise es auch – egal ob Schauspiel, Sinfoniekonzert, Liederabend oder Oper.

Wenn man nicht gerade Monteverdis Orfeo, Ulisse oder Poppea erleben will, auch nicht Händels Ariodante, Mozarts La  clemenza di Tito oder Verdis Aida, dann, ja dann gibt es für einige Produktionen noch Karten, so z. B. für Lady Macbeth von Mzensk von Schostakowitsch. Mal abgesehen davon, dass es sich um eines der bedeutendsten Werke des modernen Musiktheaters handelt, ist die Versuchung groß, ein erlesenes Gesangsensemble und die Wiener Philharmoniker unter Mariss Jansons live zu erleben. Das preiswerteste noch verfügbare Ticket kostet € 190 (Rang). Gut, einmal essen gehen kostet auch € 190, würde mein Bildeinrahmer sagen. So ist das – er staunt beim Essen, ich in der Oper. Und beide staunen wir beim Preis, könnte ich jetzt behaupten, aber das wäre gar nicht wahr.

19. Juni 2017

Eine meiner ersten Langspielplatten mit Klaviermusik war eine Aufnahme der Händel-Variationen von Brahms, gespielt von Leon Fleisher. Irgendwann später habe ich dann die Noten gekauft, um schnell festzustellen, dass das Werk technisch sehr hohe Anforderungen stellt und für mich nicht in Frage kommt. Das Stück selbst habe ich damals eingehend studiert und schätze es bis heute. Gestern Abend nun hat der Frankfurter Pianist Wigbert Traxler in der Unteren Stadtkirche zu Wetzlar einen brillanten Klavierabend gegeben und dieses Stück am Ende des Programms gespielt. Zuvor beeindruckte er mit Interpretationen von Bachs Goldberg-Variationen und den f-Moll-Variationen von Haydn. Ein Abend mit drei Variationswerken aus jeweils verschiedenen Epochen – das gefiel und traf den Geschmack des Publikums! Für mich war es zudem eine Erinnerung an eins meiner Lieblingsstücke aus Jugendtagen. Wie schön!

16. Juni 2017

Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um das Leben zu genießen, sondern um anderen Menschen Freude zu bereiten.
Franz Lehár (1870 – 1948)

franz-lehar

Hm, schwierig. Das eine muss doch das andere nicht ausschießen, oder?

14. Juni 2017

Rätselbild

Ob im Übrigen etwas alt oder jung erscheint, ist nicht selten buchstäblich Ansichtssache.

13. Juni 2017

Niemand würde in Wagners Meistersingern alte Minnesänger-Musik des 16. Jahrhunderts erwarten, oder antike griechische Musik in Strauss‘ Elektra. Und die Orientalismen in Aida oder Samson und Dalilah sind lediglich als Farben benutzt, während es sich im Ganzen um vollblütige romantische Opern handelt. Aber ein Film ist da anders. Da versucht man nicht nur, den Geist vergangener Epochen heraufzubeschwören, sondern will diese leibhaftig wiedererstehen lassen – als echte Realität.
Miklós Rózsa (1907 – 1995)

Das ist natürlich richtig, und insofern sind die dazu verwendeten „akustischen Täuschungen“ ganz pausibel. Ein paar Quartparallelen in fanfarenartigem, punktiertem Rhythmus – schon sehen wir den Sheriff von Nottingham und fragen nicht danach, ob für die Zeit von Robin Hood – sofern dieser tatsächlich ein Zeitgenosse von Richard Löwenherz war – eine solche Musik als typisch für das späte 12. Jahrhundert angesehen werden kann. Ganz sicher erklangen zur Zeit Neros die Tanzmusiken nicht wie im Spielfilm Quo Vadis, und dennoch lassen wir uns durch diese, sagen wir „antikisierten“ Klänge gerne um zweitausend Jahre zurück versetzen und nehmen das Gehörte für überlieferte, bare Münze. In seiner Oper Palestrina verwendet Hans Pfitzner modale Skalen sowie Quart- und Quintverbindungen und erzeugt damit eine archaisierende Klangwelt, die uns sozusagen ins 16. Jahrhundert transponiert. Doch frei nach Bürgermeister van Bett, der im Übrigen in Lortzings Zar und Zimmermann ganz romantisch klingt, obwohl das Stück im späten 17. Jahrhundert spielt, sind wir „klug und weise, und [uns] betrügt man nicht.“

12. Juni 2017

Ein langes Wochenende steht bevor. Ich bin nur am Samstag komplett verplant und könnte gut am Freitag in die Oper gehen. In Darmstadt steht Tschaikowskys Eugen Onegin auf dem Spielplan. Ich muss bei diesem Titel immer schmunzeln, hat doch vor Jahren eine Schülerin der Jahrgangsstufe 11 im Musikunterricht ein Referat über Tschaikowsky gehalten und bei der Auflistung seiner Hauptwerke „one gin“ vorgelesen. Nur „tonic“ hat gefehlt. Woher soll die Arme das auch wissen, habe ich mich damals gefragt und mir meine Erheiterung nicht allzu sehr anmerken lassen.

Jetzt also überlege ich, ob ich mir diese berührende und meistgespielte russische Oper anschaue. Aufführungsdauer drei Stunden inklusive Pause. Mit Gin Tonic, versteht sich.

Zutaten: Gin (4 cl), Tonic Water (16 cl), Eiswürfel, Limettenachtel (2 Stück)
Zubereitung: Gin und Limettenachtel in ein Longdrinkglas mit Eiswürfeln geben und mit Tonic Water auffüllen.

10. Juni 2017

Nie handle man in leidenschaftlichem Zustande: sonst wird man alles verderben. Der kann nicht für sich handeln, der nicht bei sich ist: stets aber verbannt die Leidenschaft die Vernunft. In solchen Fällen lasse man für sich einen vernünftigen Vermittler eintreten, und das wird jeder sein, der ohne Leidenschaft ist. Stets sehen die Zuschauer mehr als die Spieler, weil sie leidenschaftslos sind. Sobald man merkt, dass man außer Fassung gerät, blase die Klugheit zum Rückzuge.
Baltasar Gracián (1601 – 1658), Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Baltasar Gracián

8. Juni 2017

THADEUSZ und die Beobachter – eine politische Talkrunde im rbb Fernsehen, Information und Unterhaltung, zwischen Meinung und Vermeintlichem, zwischen Belehrung und Belustigung. Kontrovers, pointiert, frech. Ironisch, clownesk, selbstverliebt. Eloquent, klug und schön. Mit Claudia Kade (Die Welt), Elisabeth Niejahr (DIE ZEIT), Dr. Hajo Schumacher (Berliner Morgenpost) und Claudius Seidl (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) – im Juni Nikolaus Blome (BILD) – sowie Gastgeber Jörg Thadeusz. Lohnt sich immer – nicht verpassen!

7. Juni 2017

Metronomangabe 92. Was ist 92? Was ist 92 in der Berliner Philharmonie, und was ist 92 im Musikverein Wien? Eine Idiotie! Denn jeder Saal, jedes Stück, jeder Satz hat ein eigenes, absolutes Tempo, was diese Situation – nicht eine andere – wiedergibt!
Sergiu Celibidache (1912 – 1996)

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6. Juni 2017

„Das Unmögliche möglich zu machen wird ein Ding der Unmöglichkeit“, sagt Andreas Brehme einstmals und meinte damit nicht Schönbergs Bläserquintett op. 26. Das wäre schlechterdings auch recht unpassend gewesen, denn tatsächlich macht diese Komposition so ziemlich alles möglich. Sie gibt tradierten musikalischen Formen wie Sonatenhauptsatzform, Scherzo und Rondo ihren Raum, revolutioniert aber dabei musikalische Inhalte und Abläufe. Sämtliche Postulate der Zwölftöner, nämlich Emanzipation der Dissonanz, Atonalität, Panthematik sowie die Ablehnung musikalischer Redundanz kommen im Bläserquintett op. 26 zum Tragen. Die Verwendung klassischer Formtypen ist eine Art Ausgleich zu den inneren klanglichen Abläufen, zum Reihenmaterial und dessen Permutationen. Anders gesagt, die Musik wird mit ihren neuen Inhalten durch die Beibehaltung alter Formen verständlicher. Die musikalischen Ausdrucksmittel wandeln sich, doch nicht ihr formaler Rahmen. Kein Ding der Unmöglichkeit – und sehr zu empfehlen für eine erste Annäherung an die Zwölftonmusik!

5. Juni 2017

Bei den diesjährigen Internationalen Filmfestspielen von Cannes waren die deutschen Beiträge überraschend erfolgreich. Wie ich höre, spricht man deshalb vom „Cannesback“ des deutschen Films. Schön.

Cannes Logo Filmfestspiele

3. Juni 2017

NDR Talk Show, gestern Abend. Es sind ein paar interessante Gäste da, u. a. Florian Schroeder und Peer Steinbrück, der auf die Frage „Sind Sie zu klug für dieses Land?“ sagt: „Stellen Sie sich vor, ich würde darauf eine Antwort geben.“ Ansonsten eine unspektakuläre Sendung, mit Leuten, die wie immer über ihren gerade abgedrehten Film, ihre anstehende Tournee oder über sonst was erzählen. Am spannendsten sind die Minuten, in denen es darum geht, warum wir häufig persönliche Ziele, die wir uns gesetzt haben, nicht verfolgen. Endlich Spanisch lernen, einen restaurierten Oldtimer fahren, den Kilimandscharo besteigen. Warum tun wir’s nicht? Warum benutzen wir, wenn wir von unseren unrealisierten Plänen erzählen, die Wörtchen „eigentlich“ und „aber“? Eigentlich wollten wir schon immer mal, aber … Eine Theorie, warum wir Vorsätze nicht in die Tat umsetzen, besagt, dass uns das Ziel nicht attraktiv genug erscheint. Für das, was wir bekommen, ist der Aufwand zu groß – zu langwierig, zu mühsam, zu teuer. Und wir haben den Aufwand mehr im Blick als das Ziel, an dessen Erreichen uns – wie wir jedenfalls behaupten – doch so viel liegt. Wir sollten unsere Vorurteile – zu langwierig, zu mühsam, zu  teuer – überprüfen. Vielleicht kostet die Karte für das Festival, auf das wir immer wollten, gar nicht so viel. Vielleicht sind Flug und Hotel günstiger als gedacht. Vielleicht zeigen wir bei einem Kurs erstaunliches Talent und machen schnell Fortschritte. Vielleicht. Probieren wir’s. Wir wollen es doch. Eigentlich.

1. Juni 2017

Ich glaube an einen grausamen Gott,
der mich nach seinem Bilde erschuf,
und den ich im Zorn nenne!
Aus der Niedrigkeit eines Keims
oder Atoms bin ich in Niedrigkeit geboren!
Ich bin ein Bösewicht, weil ich ein Mensch bin,
und fühle den Schlamm meines Ursprungs in mir!
Ja! Das ist mein Glaube!
Ich glaube mit festem Herzen,
so wie die Witwe im Tempel,
dass ich das Böse, das ich denke,
das von mir ausgeht,
als mein Schicksal erfülle!
Ich glaube, dass der Gerechte ein höhnischer
Komödiant ist, im Antlitz wie im Herzen,
dass alles an ihm Lüge ist:
Tränen, Küsse, freundliche Blicke, Opfermut und Ehre!
Und ich glaube, dass der Mensch das Spielzeug
eines bösen Schicksals ist,
vom Keim in seiner Wiege
bis zum Wurm in seinem Grab.
Auf all diesen Spott folgt der Tod.
Und dann? Und dann?
Der Tod ist das Nichts!
Das Jenseits ist ein altes Märchen!
Verdi, Otello – „Credo“ des Jago, 2. Akt

Eine der großartigsten Bösewicht-Szenen der Opernliteratur! Zorn, Spott, „La Morte è il Nulla“ … In Shakespeares Macbeth, ebenso in Verdis Vertonung, finden wir am Ende einen ganz ähnlichen Monolog, in dem es heißt, das Leben sei „ein Märchen, erzählt von einem Narren, voller Klang und Wut, und es bedeutet nichts“ … signifying nothing … Das geht schon sehr unter die Haut, wenn man es nur liest, geschweige denn hört und sieht, egal ob im Schauspielhaus oder in der Oper. Shakespeare und Verdi, da haben sich die zwei Richtigen gefunden! Dabei haben sie sich nicht mal persönlich gekannt. Oder etwa doch?

31. Mai 2017

4-tägige Studienreise vom 23. – 26. November 2017
London, Royal Opera House
Donizetti, Lucia di Lammermoor

ROH

An- und Rückreise in einem modernen Fernreisebus****
(Fähre zur Überquerung des Kanals)
3 x Übernachtung/Frühstücksbuffet (Mittelklassehotel London City***)
Zimmer mit Bad oder Dusche/WC, Telefon, TV
1 x halbtägige Stadtführung London (Dauer ca. 3 Stunden)
1 x Eintrittskarte Kategorie 2 für die Aufführung
„Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti (Freitag, 24.11.)
Einführungsabend in der Wetzlarer Musikschule am Dienstag, 21.11.2017 um 19.30 Uhr

Nähere Informationen zum Reiseverlauf, Hoteladresse, Kosten etc. ab Ende Juli.

30. Mai 2017

Der Tag beginnt mit einer guten Nachricht: Im August erscheint endlich der 1991 gedrehte Spielfilm Tous les matins du monde in deutsch synchronisierter Fassung mit dem Titel Die siebente Saite auf DVD. Das Meisterwerk (Regie Alain Corneau) zeigt das Wirken des Monsieur de Sainte Colombe (ca. 1640 – zwischen 1690 und 1700), eines berühmten Komponisten und Gambisten seiner Zeit. Sainte Colombe war u. a. Lehrer von Marin Marais, der später am französischen Hof eng mit Lully zusammen arbeitete und an allen großen Opern des Hofkapellmeisters beteiligt war. Sainte Colombe wird die Hinzufügung einer siebten Saite zur Bassgambe zugeschrieben; damit wurden die Möglichkeiten des Instrumentes hinsichtlich Tonumfang, Klang und Ausdruck erweitert.

Evrard Titon du Tillet schreibt über Marais’ Unterricht bei Sainte-Colombe: „Bekanntlich war Sainte-Colombe Marais‘ Lehrer; doch als er nach sechs Monaten bemerkte, dass sein Schüler ihn übertreffen könnte, sagte er ihm, er könne ihm nichts mehr beibringen. Marais, der die Gambe leidenschaftlich liebte, wollte jedoch vom Wissen des Meisters weiterhin profitieren, um sich auf dem Instrument zu vervollkommnen; da er Zutritt zu seinem Haus hatte, nutzte er die Zeit im Sommer, wenn Sainte-Colombe in seinem Garten war und sich in einer kleinen Holzhütte einschloss, die er sich in den Ästen eines Maulbeerbaumes errichtet hatte, um dort ruhiger und angenehmer Gambe spielen zu können. Marais schlich sich unter diese Hütte; er hörte dort seinen Lehrer und profitierte von einigen besonderen Passagen und Bogenstrichen, die der Meister der Kunst gerne für sich behalten hätte.“  Diese Szene und viele andere zeigt Die siebente Saite in wunderbaren, berührenden und teilweise dramatischen Bildern. Zu sehen sind u. a. Anne Brochet (die sowieso immer hinreißend ist, aber hier besonders), Jean-Pierre Marielle und Gérard Depardieu. Die Musik zum Film spielte der katalanische Gambist und Dirigent Jordi Savall mit seinem Ensemble ein. Unbedingt kaufen, am besten jetzt vorbestellen!

29. Mai 2017

Es ist merkwürdig, wie die Gewohnheit unseren Geschmack und unsere Anschauungen beeinflussen kann.
Emily Brontë (1818 – 1848)

28. Mai 2017

Ende letzten Jahres fragte Bundeskanzlerin Merkel öffentlich auf einem CDU-Parteitag in Mecklenburg-Vorpommern, wieviel christliche Weihnachtslieder wir denn noch kennen und wieviel wir unseren Kindern und Enkeln noch beibringen würden. „Dann muss man eben mal ein paar Liederzettel kopieren und einen, der noch Blockflöte spielen kann (…) mal bitten“, empfahl die Kanzlerin. Da war sie wieder, diese Gedankenlosigkeit bezüglich eines oftmals belächelten, wenn nicht gar diskreditierten Musikinstrumentes. Mit der Blockflöte kann man gerade noch so ein Weihnachtslied begleiten, lautet die Botschaft, dafür streichen wir dem Spieler anschließend wohlmeinend übers Haar. Wenn du mal groß bist, spielst du vielleicht Klarinette oder Posaune, dann aber auch was ernst Gemeintes, um nicht zu sagen was Seriöses. Klavier und Violine sind Ferrari und Mercedes, Blockflöte ist Trabi. Das sagen wir natürlich nicht laut, wir sind ja nicht verliebt oder betrunken.

Blockflöte

Dieser Tage veröffentlicht ZEIT online ein Interview mit dem Generalintendanten der Elbphilharmonie Hamburg, Christoph Lieben-Seutter. Überschrieben ist der Artikel mit dem Satz „Wir könnten auch Blockflöte spielen“, und in der Folge lesen wir über die enorme Auslastung der neuen Kulturstätte, in der fast jede Veranstaltung ausverkauft ist. Egal, ob Herr Lieben-Seutter diesen Satz tatsächlich gesagt hat oder die Redaktion der ZEIT darauf verfallen ist – auch hier sind Unkenntnis und Ahnungslosigkeit bezüglich des Instrumentes und der seit Jahrhunderten dafür komponierten Literatur gleichermaßen groß wie erschreckend. „Wir könnten auch Blockflöte spielen“ suggeriert erstens, dass die Blockflöte für Anspruchslosigkeit und Minderwertigkeit steht, und zweitens, dass selbst bei anspruchslosen und minderwertigen Programmen das gegenwärtig sehr große Interesse an Elbphilharmonie-Konzerten ungebrochen wäre. Das Instrument Blockflöte auf diese Weise herabzusetzen, disqualifiziert den, der so redet oder schreibt – von der Art der Wertschätzung, die man dem zahlenden Publikum mit besagtem Satz entgegen bringt, ganz zu schweigen. Blockflöte wird seit Jahrhunderten in allen Gesellschaftsschichten gespielt, der Schwierigkeitsgrad der Stücke reicht von leicht über anspruchsvoll bis hin zu technisch wie musikalisch extrem elaboriert und ausgesprochen schwer. Vielleicht sollte Herr Lieben-Seutter mal hochprofessionelle Blockflöten-Ensembles in seinen Kulturtempel einladen. Und die Kanzlerin gleich dazu.

26. Mai 2017

Was das Ansehen einzelner Berufsgruppen in Deutschland angeht, so haben sich die Renommee-Werte in den letzten Jahren kaum verändert. Nach wie vor führen die Feuerwehrleute, gefolgt von Ärzten, Kranken-/Altenpflegern, Erziehern, Polizisten, Richtern und Piloten. Dachdecker, Soldaten, Lokführer, Pfarrer und Briefträger rangieren im Mittelfeld. Die letzten Plätze belegen Steuerbeamte, Bankangestellte, Manager, Politiker, Journalisten, Mitarbeiter von Telefongesellschaften und Werbeagenturen sowie Versicherungsvertreter.

Fußball im Tor - Soccer Goal

Unter den Journalisten rangieren die Sportmoderatoren an letzter Stelle. Tatsächlich kommt das Verfolgen von Interviews bisweilen einer besonderen Art der Selbstkasteiung gleich. Auf Fragen wie „Wie wichtig war es heute, das Spiel zu gewinnen?“ oder „Wie groß ist die Enttäuschung?“ gibt es dennoch mehrere Möglichkeiten der Reaktion, von floskelhafter Analyse („Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen“) über Mutmaßungen („Ich glaube nicht, dass der Verein mir Steine in den Vertrag legt“) bis hin zu philosophisch anmutenden Betrachtungen („Wenn man kein Tor schießt, kann man nicht gewinnen“ oder „Fußball ist wie Schach ohne Würfel“) und orakelähnlichen Prophezeiungen („Die Bayern vertragen keine Härte, und ich bin der erste, der anfängt damit“). Fußballspieler und Trainer sind übrigens im Ranking der Berufsgruppen nicht erfasst.

25. Mai 2017

Zwei englische Obdachlose, die sich beim Anschlag von Manchester zum Zeitpunkt der Explosion in direkter Nähe aufgehalten hatten und Opfern zu Hilfe gekommen waren, erhalten jetzt selbst Unterstützung. Die Maßnahmen reichen von der Finanzierung einer Wohnung über Mithilfe bei der Arbeitssuche bis hin zu über das Internet organisierten Spendenaktionen. Auf zwei „Just Giving“-Seiten sind dabei bisher über 70.000 Pfund zusammen gekommen.

Die Wohnung wird für ein halbes Jahr vom Miteigentümer des Londoner Premier-League-Clubs West Ham United und dessen Sohn bezahlt. Wie wäre es, auch Bankdirektoren, Reeder und Immobilienmakler zur Hilfe zu ermuntern? Vielleicht sprängen noch ein paar Aktien, Yachten oder Zweitwohnungen heraus. Verleger und Intendanten könnten dazu noch ein paar Abonnements für Zeitschriften (mit Wohnungmarktteil, versteht sich) oder Theaterbesuche beisteuern. Nach Ablauf des halben Jahres, vulgo Probezeit, wäre zu überlegen, ob die gewährten benefitären Wohltaten auch vorleistungsungebunden erbracht werden können. So müssten die Leistungsempfänger nicht auf die nächste Katastrophe warten, um mit spontanen Erste-Hilfe-Leistungen weitere Ansprüche zu erwerben. Was ist übrigens mit Helfern, die seit längerem einen festen Wohnsitz haben und/oder in einem Beschäftigungsverhältnis stehen? Gibt’s da Boni, Upgrades, Beförderungen, Freikarten, Rabattmarken? Hat schon jemand Klage eingereicht?

24. Mai 2017

Wer aber das Lob liebt, der muss auch den Grund dazu erwerben.
Xenophon (430 – 354 v. Chr.), griechischer Schriftsteller und Politiker

23. Mai 2017

Der griechische Philosoph Sokrates (469 – 399 v. Chr.) begegnete seinen Gesprächspartnern üblicherweise nicht mit fertigen Antworten, ebensowenig wollte er sie von bestimmten Thesen überzeugen. Sein Ziel war, den Anderen sozusagen zu einer Überprüfung seiner Gedanken anzuregen, um den eigenen Erkenntnisprozess in Gang zu bringen. Sokrates nannte dies Mäeutik, wörtlich „Hebammenkunst“, und verstand sich als eine Art Geburtshelfer, der „für die gebärenden Seelen Sorge trägt“, wie Platon es nennt. Der Geburtshelfer unterstützt den Erkenntnisprozess dabei nicht durch Belehrungen oder mit feststehenden Wahrheiten, sondern durch gemeinsames Suchen und hilfreiches Fragen.

Sokrates
Büste des Sokrates
römische Kopie eines griechischen Originals, 1. Jahrhundert
Louvre, Paris

Unsereins versteht sich zuweilen ebenfalls als Geburtshelfer, in den schönsten Momenten als musikalischer Erkenntnis- und Erlebnisbefähiger. Jeder hört anders, und „niemand erkennt, was er nicht selbst entdeckt“, wie Johannes Picht es formuliert. Manchmal ist es „eine schwere Geburt“, zugestanden, aber es lohnt sich.

22. Mai 2017

Im Opernkurs sind wir seit einigen Wochen bei Verdi angelangt. Wir hatten uns darauf verständigt, diesmal auf La Traviata, Rigoletto und Otello zu verzichten und stattdessen einige Opern zu besprechen, die entweder als weniger populär gelten oder für die meisten Teilnehmenden neue Hörerfahrungen mit sich bringen. Den Anfang machte vor ein paar Wochen Il trovatore, gefolgt von Un ballo in maschera, Macbeth und La forza del destino. Schließlich am letzten Mittwoch Falstaff – und große Verwunderung, ja vielleicht gar Enttäuschung über so wenig Kantables, nichts Dämonisches, kaum Verzweifeltes, ergo keine schmachtenden Arien oder Liebesduette. Stattdessen eine Komödie in gesellschaftlichem Dauerparlando und durchkomponiertem Stil, mit rezitativischem Gestus, mit Sonatensatzformen und Fugen.

„Es gilt zu studieren, und das wird Zeit kosten. Unsere Sänger können im allgemeinen nur mit großer Stimme singen. Sie haben weder stimmliche Elastizität noch klare und leichte Diktion, und es fehlen ihnen Akzente und Atem.“ Verdi schreibt diese Sätze 1892 an seinen Verleger Ricordi. Heute wissen wir, dass der fast achtzigjährige Verdi mit seiner letzten Oper eine Renaissance der musikalischen Komödie einleitete. Wer den Gefangenenchor aus Nabucco oder den Triumphmarsch aus Aida zu seinen Lieblingsstücken zählt, wird mit Falstaff seine Schwierigkeiten haben. Also: Es gilt zu studieren, und das wird Zeit kosten.

Pause bis zum 21. Mai 2017

12. Mai 2017

In unserem Filmmusik-Kurs stand letzte Woche zum wiederholten Male Der König tanzt (F/D/B 2000) auf dem Programm, als Beispiel für die Sparte „Musikhistorischer Film mit Originalmusik“. Der Film ist absolut sehenswert, gleichermaßen wegen der großartigen Darsteller und der von Musica Antiqua Köln eingespielten Musik, nicht minder wegen seiner verschwenderischen Ausstattung.

Gestern nun Friedemann Bach (D 1941), ein „schwacher Film, trotz Gründgens“ (Heyne Filmlexikon). Es ist kaum möglich, dieses Urteil zu widerlegen – zu groß sind die historischen Ungenauigkeiten und fiktiven Handlungsstränge, zu sentimental und pathetisch die Dialoge. Gleichwohl ist Gustaf Gründgens in der Titelrolle beeindruckend, vor allem als leidenschaftlicher und nicht korrumpierbarer Streiter für eine eigene, neue und weiterentwickelte Musik: „Ihr wollt von mir, was der Vater konnte. Ich kann es nicht. Ich will es auch nicht können. Ich kann nicht seine Gedanken denken und ich will nicht seine Musik machen. Wisst ihr denn, was es heißt, der Sohn eines großen Vaters zu sein und es nie vergessen zu dürfen und dabei selber leben und schaffen zu wollen? Ich habe gekämpft, ich habe mit dem Ruf Johann Sebastian Bachs immer wieder gekämpft, aber jetzt will ich nicht mehr kämpfen, ich will nicht mehr Sohn sein, ich will Friedemann Bach sein und sonst nichts.“

Will Quadflieg hat einmal über Gustaf Gründgens gesagt, dieser sei ein Schauspieler, der „viel im Laden hat und es sich leisten kann, wenig im Schaufenster zu zeigen“. Gründgens zeigt in Friedemann Bach vor allem die inneren Prozesse der Trauer und Verzweiflung – auf so außergewöhnliche Weise, dass sich allein dafür das Anschauen lohnt.

10. Mai 2017

Wo etwas Angenehmes ist, muss auch Unangenehmes sein.
Titus Petronius (ca. 14 – 66), römischer Politiker und Schriftsteller

9. Mai 2017

Vor ein paar Tagen lief in der ARD die Wiederholung der Tatort-Folge „Der tiefe Schlaf“ (2012). Um es gleich vorwegzunehmen: Wer den Krimi (Folge 856) nicht kennt, sollte das unbedingt ändern (Mediathek, youtube)! Ich habe damals die Erstausstrahlung gesehen und konnte mich jetzt an einige Sequenzen gut erinnern, vor allem an die Entdeckung und Verfolgung des tatverdächtigen Räusperers, dessen Gesicht nie zu sehen ist. Ein packender und wirklich außergewöhnlicher Thrill!

Auch jetzt, gewissermaßen fünf Jahre nach dem Mord, wissen wir nicht, wer das junge Mädchen getötet hat. In der letzten Szene – Rückblende – steigt Carla nach anfänglichem Zögern in das Auto ihres Mörders. Das Auto ist ein anderes als das ihres Lehrers, also scheidet dieser als Täter aus. Das besagte Räuspern hat Gisbert, abgestellter und später ermordeter Kollege des Duos Batic/Leitmayr, zuvor aus einem Telefonat herausgefiltert, daher glauben alle – wir Zuschauer eingeschlossen – an einen sich räuspernden Täter. Der Mörder spricht in der Schlussszene jedoch alle seine Sätze ohne jedes Räuspern, also ist auch der Räusperer nicht der Täter. Der Autofahrer resp. der Mörder muss jemand sein, der nie zuvor in Erscheinung getreten ist. Einer, den weder wir noch die Kommissare jemals auf dem Schirm hatten. Am Ende bleibt der Täter bewusst anonym – eine unbekannte, männliche Person, von der wir nicht einmal das Gesicht kennen.

Tatort Logo.

Holger Gertz schreibt in der Süddeutschen Zeitung: „Die Geschichte von Regisseur Alexander Adolph erzählt auf der tieferen Ebene davon, was passiert, wenn man einander nicht zuhört, nicht hilft, nicht versteht. „Der tiefe Schlaf“ ist der angemessen ausdeutbare Titel dieser Episode. Die Eltern holen ihre Tochter nicht ab. Der Lehrer lässt seine Schülerin nachts auf der Straße stehen. Die Klassenkameraden verstecken einen Schuh ihrer Mitschülerin, deshalb verpasst sie den Bus. Und zwei Kommissare behandeln ihren Assistenten von oben herab, wie Münchner das gelegentlich mit „Zuagroastn“ tun. Sie lassen ihn allein. Am Ende sind alle allein, und jeder ist schuldig.“

8. Mai 2017

Im Montagskurs geht es heute um den Einstieg in das Werk von Gustav Mahler. In den vergangenen Jahren waren immer die erste, dritte und fünfte Sinfonie sozusagen Pflichtstücke, dazu Ausschnitte aus der achten Sinfonie und dem „Lied von der Erde“. Diesmal wird es mit der zweiten Sinfonie einen veränderten Einstieg geben, auch werden die sechste und siebte Sinfonie mehr in den Fokus rücken, leztere vor allem wegen der zwei Nachtmusiken. Warnung! Keine serenadenhafte Lunar-Idylle! No chocolate! Vergessen wir Mozart und Chopin! Fratzenhafte, verstörende Albträume eines Vereinsamten erklingen hier, die Grundierung ist dunkel, abgründig und geheimnisvoll. Mahler hatte während der Komposition seiner 7. Sinfonie mit Schreibblockaden und Störungen seiner Kreativität zu kämpfen, er hat sich sehr schwer getan mit dieser Musik. Es macht also nichts, wenn es uns genauso gehen sollte.

Gustav Mahler (Radierung Emil Orlik 1902)

6. Mai 2017

Gebackene Kartoffelscheiben (ganz einfach)

Kartoffeln schälen, in dünne Scheiben schneiden. Eine feuerfeste Form gut einfetten, die Kartoffelscheiben hineingeben und salzen. Im Backofen bei ca. 200° backen, bis die Scheiben leicht zu bräunen beginnen. Form aus dem Ofen nehmen und frisch gestoßenen schwarzen Pfeffer (am besten Voatsiperifery) zu den Kartoffeln geben. Mit Zitronen-Olivenöl beträufeln. Dazu passt Fisch, Geflügel, Gemüse, Salat – ganz nach Belieben – und eine Flasche Edelzwicker.

4. Mai 2017

In der aktuellen Ausgabe der nmz bespricht Christoph Vratz zwei Biografien über Claudio Monteverdi, die zu dessen 450. Geburtstag neu erschienen sind. Im Abschnitt über das Buch von Michael Heinemann findet sich folgende Passage: „So steht Monteverdi am Ende da als jemand, der, anders als Bach, seine Welt nicht nach Zahlen und Proportionen entworfen hat, sondern der seine menschlichen Erfahrungen, seine Leidenschaften in allen Extremen in eine unmittelbare musikalische Sprache übersetzt hat, eine Sprache, die auf der Einheit von Text und Musik beruht und unmittelbar auf den Hörer wirkt, heute wie damals.“

Es ist nicht ganz klar, ob der Rezensent den formulierten Unterschied zwischen Monteverdi und Bach als Ansicht des Buchautors ausgibt oder als seine eigene. Wie auch immer, es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich den empörten Aufschrei der Bach-Gemeinde vorzustellen. Zahlen und Proportionen als Grundlage der Musik statt menschlicher Erfahrungen und Leidenschaften? Und keine Einheit von Text und Musik? Sofort denkt man an die Passionen, Kantaten, Motetten etc. und kann nicht glauben, dass das ernst gemeint sein soll. Doch gemach, gemach! Die Aufregung ist ganz unnötig. Bach war im Kirchendienst tätig, von ihm wurden keine Kompositionen von Opern, Balletten und Madrigalen verlangt. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie er sich einer solchen Aufgabe gestellt hätte. Der oben zitierte Satz unterstreicht die herausragende Stellung der Musikdramen Monteverdis, nicht mehr und nicht weniger. Missverstehen kann jeder, vor allem mit Absicht.

3. Mai 2017

Zwar muss man feststellen, dass die Oper nicht mehr dieselbe Rolle hat wie im 19. Jahrhundert. Die populärste Unterhaltungsform ist heute das Kino. Dass Oper aber eine elitäre, veraltete oder jedenfalls für alte Menschen gemachte Kunst ist, halte ich weniger für die Wahrheit als ein Klischee. Und die Karten sind auch nicht unbedingt teurer als für ein Popkonzert oder Fußballspiel! Manchmal höre ich: „Die Oper ist nichts für mich, damit kenne ich mich nicht aus.“ Aber absolviert man denn eine Filmschulung, bevor man ins Kino geht?
Mariame Clément

1. Mai 2017

L’amour existe.
L’amour est vivant.
Sous toutes ses formes.

Diese Sätze gehen dem Interview mit Mariame Clément voran, das die Opèra natonal du Rhin im Programmheft zu La Calisto veröffentlicht hat. Die Aufführung eines der prominentesten Werke von Franceso Cavalli lässt keinen Zweifel an dieser unmissverständlichen Botschaft aufkommen. Mariame Clément inszeniert das Stück mit dem Mute der Verwegenen – göttlich, menschlich, allegoresk, faunesk, imaginär, real. Schon das erste Bild zwingt dazu, uns beim eigenen Zuschauen zu beobachten, und dieser Spiegel im Spiegel zieht sich konsequent durch das ganze Stück. Wer spielt hier mit wem, wer dressiert wen, wer verschiebt wessen Maßstäbe? Die Musik liefert dafür hinreißende Vorlagen, und Christophe Rousset am Pult wie am Cembalo sorgt für ein klangliches Pendant auf Augenhöhe. Das Ensemble ist sängerisch nicht in jeder Rolle gleichwertig besetzt, was man beim Hören der Gesangskünste insbesondere von Elena Tsallagova, Filippo Mineccia und Guy de Mey schnell vergisst. Les Talens Lyriques, ein Ensemble von zwölf Instrumentalisten, spielt gleichermaßen sensibel wie musikantisch. So vergehen drei Stunden inklusive Pause fast wie im Fluge. Der Star der Produktion ist Cavalli, ihm assistieren zahlreiche Könner auf, neben, hinter und unter der Bühne.

Abends sitze ich im Saint Sépulcre (Zum hailiche Graab), einem Restaurant mit typisch elsässischer Küche, im Herzen Straßburgs, ganz in der Nähe der Kathedrale. Ich bestelle gekochte Rippchen mit karamellisierter Koriandersauce, dazu Bratkartoffeln und ein Bier. Das Essen ist vorzüglich, die Bedienung attraktiv und freundlich, also bleibe ich und gönne mir noch ein Bier, dann Calvados, schließlich Kaffee. Am Nebentisch sitzen mittlerweile zwei junge Frauen, vielleicht Studentinnen. Sie essen in Teig gebackenen Schinken, dazu Salat und leeren eine Flasche Pinot Noir. Sie genießen den Abend, das merkt man ihnen an, und sie wissen offensichtlich, wo und wie man gut isst und trinkt. Vielleicht wird ja doch noch alles gut, denke ich, und dass die Liebe lebt. In all ihren Formen.

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29. April 2017

Nur sehr wenige Dinge ereignen sich zur rechten Zeit, und alles Übrige ereignet sich überhaupt nicht.
Herodot (um 485 – um 425 v. Chr.)

26. April 2017

Was waren das für Zeiten, als es noch den Bezahlfernsehsender Premiere gab und wir bei Fußballübertragungen den Kommentator abstellen konnten, dabei aber auf die Geräuschkulisse im Stadion nicht verzichten mussten! Heute – der Sender heißt seit 2009 Sky Deutschland – geht das leider nicht mehr. Entweder müssen wir zumeist unsägliche Reporter, Co-Kommentatoren und Experten ertragen, wenn wir die Live-Atmosphäre mit Fangesängen, Pfeifkonzerten etc. miterleben wollen, oder wir verzichten auf Schwätzer, Langweiler und Sprachbehinderte, müssen aber dafür das Spektakel in meditativer Stille verfolgen. Bitte, liebe Sky-Leute, aber auch ihr Entscheider in ARD und ZDF, habt ein Einsehen und gebt uns diesen Kommentator-Off-Schalter wieder! Ihr würdet viele neue Freunde, für Sky vielleicht gar Abonnenten gewinnen! Schon im Voraus zitieren wir Andreas Brehme und sagen „nur ein Wort: Vielen Dank!“

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25. April 2017

Gestern acht (!) Punkte beim Wissenstest des Tages auf ZEIT online, heute fünf. Dass es David Bowie war, dem Iggy Pop seinen Berliner Kühlschrank geplündert hat, habe ich geraten. Manchmal punktet man ganz unvermutet …

24. April 2017

Das Literarische Quartett, die von 1988 bis 2001 ausgestrahlte Kult(ur)sendung im ZDF mit Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek, Sigrid Löffler und einem jeweils wechselnden Gastkritiker, hatte eine einprägsame Titelmelodie: Das Finale des Streichquartetts Nr. 9 C-Dur op. 59,3 von Ludwig van Beethoven. Das Quartett wurde 1806 geschrieben und ist das dritte und letzte Streichquartett in der Gruppe der sogenannten „Rasumowsky“-Quartette, die nach ihrem Auftraggeber, Andrej Kirillowitsch Rasumowsky benannt sind, einem russischen Diplomaten und Förderer Beethovens. Die Rasumowsky-Quartette sind Meilensteine klassischer Kammermusik – wir besprechen das dritte Quartett im Kurs und erinnern uns nach dem Verklingen des Schlussakkords passenderweise an Reich-Ranickis abgewandeltes Brecht-Zitat: „Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

21. April 2017

In diesen Tagen kommt der Kuckuck aus Afrika zurück. Auf seinem Weg zurück in sein Brutgebiet erreicht er Südeuropa bereits im März, den Norden Skandinaviens erst im Juli. Deutschland kann zwischen Mitte April und Anfang Mai mit der Wiederkehr des Vogels rechnen, was immer auch ein wenig von den Temperaturen abhängt. Wenn wir in diesen Tagen den berühmten Kuckucksruf hören, sollten wir uns vergegenwärtigen, dass der Kuckuck auch andere Intervalle außer der kleinen Terz intoniert. Von der Sekunde bis zur Quinte ist alles möglich, was uns im Grunde eine größere Flexibilität im Singen von „Der Kuckuck und der Esel“ oder „Kuckuck ruft’s aus dem Wald“ abverlangen sollte, aber lassen wir das. Hören wir jedenfalls einen Vogel mit kleiner Sekunde oder reiner Quarte zwitschern, können wir nie ganz sicher sein – Mönchsgrasmücke, Teichrohrsänger, Wintergoldhähnchen? Wer singt denn da, zum Kuckuck … Genau!

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19. April 2017

Das Leben ist hier, das Spielen von Rollen dort. Das ist komplett getrennt. Schauspielerei ist für mich ein spezieller Geisteszustand zwischen bewusst und unbewusst – ein wenig so, als ob man betrunken wäre. Aber wenn es dann vorbei ist, ist es vorbei. Es beschäftigt mich nicht mehr, es verfolgt mich nicht. Ich habe nichts zu tun mit diesen Leuten, die ich spiele.
Isabelle Huppert (* 1953), französische Film- und Theaterschauspielerin

18. April 2017

„Je dämonischer gespielt wurde, umso zufriedener war er“, berichtet August Stradal, Pianist und Schüler Franz Liszts über dessen Klavierunterricht. Zwei Dinge hatten für den Meister ganz besondere Bedeutung: Zum einen das Singen, das „Cantabile auf dem Klavier“, zum anderen die individuelle Wiedergabe des Werkes. Eugène d’Albert, ebenfalls prominenter Schüler Liszts, erinnert sich: „Was kümmert ihn die Genauigkeit des Vortrags, wenn nur Leben darin steckt! Weg mit der pedantischen Schulmeisterei!“ Besonders verhasst war Liszt die „anständige Mittelmäßigkeit“ – nicht wenige seiner Schüler schickte er aufs Konservatorium und unterrichtete sie nicht länger selbst. Einige haben seinen galligen Satz, wonach man seine Schmutzwäsche zu Hause reinigen sollte, in bitterer Erinnerung behalten. Doch der kapriziöse Maestro konnte auch humorvoll und großzügig sein. Mit einigen seiner Schüler unternahm er gemeinsame Ausflüge und spielte leidenschaftlich gern Whist, verlor dabei aber nur ungern. Seine Schüler dachten an die nächste Klavierstunde, tauschten daher unter dem Tisch ihre Karten und ließen den Meister gewinnen.

Liszt

16. April 2017

Am Ende ist uns wohler, wenn wir nicht soviel von der Welt wollen und das, was sie uns freiwillig gibt, als gelegentlichen Fund betrachten.
Gottfried Keller (1819 – 1890), Schweizer Dichter und Romanautor

In der Tat liegt in zu großen Erwartungen häufig die Hauptursache für Enttäuschungen, Konflikte oder Verzweiflungen. Wir malen uns aus, wie etwas eintreten oder sich entwickeln soll und wie Menschen, mit denen wir zu tun haben, handeln oder reagieren werden. Insbesondere wenn wir Anerkennung, Freude oder Dankbarkeit erwarten, sind wir nicht selten enttäuscht, wenn die Realität mit unseren Erwartungen nicht übereinstimmt. Dann hadern wir nicht mit uns selbst, sondern mit anderen und bereiten damit den Boden für weitergehende Auseinandersetzungen. Im Falle der Erwartung von schlechten Entwicklungen, Desastern oder Katastrophen ist uns dagegen nur ein schwacher Trost, dass etwa 70% der negativen Dinge, die wir uns vorstellen, nicht eintreten. Zweckpessimismus malt ja häufig das Kommende in düsteren Farben, um die Fallhöhe zum wirklich Eintretenden künstlich zu vergrößern. Wollen wir den Griff in die Kiste mit der Aufschrift „Psychotricks zur Selbstanwendung“ vermeiden, hilft vielleicht der Satz von Peter E. Schumacher: „Erwartungshaltung sollte aus einem Prozent Erwartung und neunundneunzig Prozent Haltung bestehen.“

15. April 2017

Goethe war’s. Herzlichen Dank fürs Mitmachen!

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Allen Leserinnen und Lesern ein frohes Osterfest!

13. April 2017

„Wenn ich den Mops meiner Geliebten zum Verwechseln ähnlich abzeichne, habe ich zwei Möpse, aber noch lange kein Kunstwerk.“ Wer hat’s gesagt?

Goethe
Toulouse-Lautrec
Caruso
Loriot

Auflösung am Samstag, 15. April. Teilnahme nur per E-Mail.

12. April 2017

Um die Nymphe Calisto für sich zu gewinnen, ist Jupiter jedes Mittel recht. Er geht sogar so weit, sich als Frau zu verkleiden – der Ausgangspunkt für zahlreiche Irrungen und Wirrungen. Welches Mittel wird Jupiters Frau Juno finden, um sich für die Untreue ihres Mannes zu rächen?

Frustrated

Mit diesem Kurztext wirbt die Opéra national du Rhin Strasbourg für ihre Neuinszenierung von Francesco Cavallis La Calisto. Regisseurin Mariame Clément wird – davon ist auszugehen – für zeitgemäße Fragestellungen und Pointierungen sorgen, nicht ohne ironische Transfers und entsprechende Demaskierungen. Das Publikum darf sich auf Gesangsgrößen wie Vivica Genaux und Guy de Mey freuen, ebenso auf den Barockspezialisten Christophe Rousset, der das von ihm gegründete Ensemble Les Talens Lyriques dirigiert. Am Sonntag, 30.04. um 15.00 Uhr bin ich auch dabei, leider nur im Parkett.

11. April 2017

Wer all seine Ziele erreicht, hat sie zu niedrig gewählt.
Herbert von Karajan (1908 – 1989)

10. April 2017

Veronika Mandl ist eine renommierte österreichische Musik- und Konzertpädagogin. Sie ist seit Jahren auf dem Gebiet der Entwicklung von musikdidaktischen Konzepten und Konzertformaten tätig und bietet unterschiedliche Programme für ein „junges Publikum ab drei Jahren“ an, und das mit bestem Erfolg. „Kürzlich war eine Oma da,“ erzählt sie, „die meinte: Heute sind die Enkel leider krank, da bin ich allein gekommen. Das ist für mich das schönste Kompliment!“ Mandls Credo ist, dass Erwachsene die Aufgabe haben, die eigene Faszination zu leben. „Wenn ich für Musik brenne, dann bin ich imstande, dieses Feuer auch bei anderen zu entfachen und weiterzugeben.“ Ganz recht, und zwar an junge Leute, Alter egal.

9. April 2017

Der erwähnte Dialog zwischen Ulisse und Eumete besteht im Original aus sechzehn im 6/4-Takt geschriebenen Takten, wobei die ersten zehn ein absteigendes Ostinato enthalten (g-fis-e-d) und anschließend in eine kadenzierende Schlussformel übergehen. Über diese wunderbare, sanfte Musik, die mich in Dijon sehr gefangen genommen hat, habe ich heute in der Kirche improvisiert. Am Schluss, wenn gemeinhin ein „Rausschmeißer“ erwartet wird, wirkt diese introvertierte und beinahe entrückte Musik umso mehr. Und siehe da, sie hat ihre Wirkung auch diesmal nicht verfehlt! Am Schluss, nach der Wiederholung der Schlusskadenz im piano, war in der Stille sogar ein Seufzer zu hören. Und das am Palmsonntag, an dem des umjubelten Einzugs Jesu Christi in Jerusalem gedacht wird! Aber da ist sie, die Sehnsucht nach leisen, behutsamen Tönen, nach Besinnung und Recreation. Erklingt eine solche Musik, spüren wir, wonach wir so lange gesucht haben. Es ist, als kämen wir nach langer emotionaler Odyssee wieder nach Hause.

7. April 2017

Man muss mit den Instrumenten und Stimmen, durch ihre Schwingungen erregt, gleichsam selbsttönend mitschwingen, um wahrhaft musikalische Eindrücke zu erhalten.
Hector Berlioz (1803 – 1869)

Selbsttönend mitschwingen, das klingt gut. Entscheidend für musikalische Erlebnisse der besonderen Art ist immer, was gespielt wird, wie gespielt wird und wer spielt. Und bei aller Bewunderung für herausragende Interpreten und exquisite Darbietungen vergessen wir die Komponisten nicht! Der Schweizer Dirigent Karl Anton Rickenbacher (1940 – 2014) meinte sinngemäß, es sei erstaunlich, dass die Werke Mozarts, Schuberts oder Brahms‘ immer noch leben, wo doch jeden Tag vielfach auf sie eingedroschen wird. Umso schöner, so ergänzen wir gerne, dass die Untoten mit Hilfe kongenialer Übersetzer (nicht Nachlassverwalter) immer wieder eindrucksvoll zu Wort bzw. Ton kommen und dabei zeigen können, was in ihnen und in uns steckt. Letzteres geschieht zwar nur selten, aber es geschieht. Dann erhalten wir die besagten „wahrhaft musikalischen Eindrücke“ und begegnen gleichzeitig uns selbst.

5. April 2017

Zurück aus Dijon. Eine schöne Stadt, gutes Wetter, hervorragendes Essen. Doch das alles spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ich habe Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ erlebt, oder um es auf französisch zu sagen, “ Le retour d’Ulysse dans sa patrie“. Der Schlussakkord liegt keine drei Tage zurück, und noch immer klingt diese Musik nach. Genauer gesagt, die Musik und die Art und Weise, auf die sie gespielt, gefeiert und zelebriert wurde. Ich weiß nicht, ob ich im Theater überhaupt schon mal etwas derart Beglückendes erlebt habe.

Natürlich sind die Hauptrollen mit Rolando Villazón (Ulisse) und Magdalena Kožená (Penelope) spektakulär und erlesen besetzt, doch auch die Nebenrollen werden von ausdrucksstarken Sängerinnen und Sängern gestaltet, insbesondere von Anne-Catherine Gillet (Minerva) und Callum Thorpe (Antinoo). Mariame Cléments Inszenierung ist fantasievoll, originell, zuweilen ironisch und schreckt vor etlichen Stilbrüchen nicht zurück, was keine Überraschung ist. Ulisses Verwunderung über den aufgestellten Cola-Automaten findet jedenfalls im Publikum Verständnis. Das ist ein grandioses, doppelbödig-geistreiches Spiel mit verschiedenen Ebenen der Erwartung – wunderbar!

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Emmanuelle Haïm leitet die Aufführung wie immer, wenn sie musiziert – hochsensibel, extrem spielfreudig und vor allem mit einer atemberaubenden Ausgestaltung musikalischer Spannungsverläufe. Das Duett zwischen Ulisse und dem Hirten Eumete klingt beinahe romantisch und rührt affektiv zu Tränen, die Lamenti Penelopes sind geprägt von einem verschwenderischen Umgang mit Tempo und Dynamik, die tänzerischen Instrumentalsätze sind launig, couragiert und klingen einfach unwiderstehlich. Die Akteure auf der Bühne, von spanisch anmutenden Rhythmen inspiriert, versprühen eine Art der Lebensfreude, die man als Zuschauer nur ungläubig bestaunt. Fast vier Stunden dauert dieser Rausch, und er verflüchtigt sich glücklicherweise nur langsam.

31. März 2017

Morgen geht es für drei Tage nach Dijon, wo ich am Sonntag in der Oper Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria sehen werde. Die Vorfreude ist in Erwartung von Rolando Villazón (Ulisse), Magdalena Kožená (Penelope) und Emmanuelle Haïm (Musikalische Leitung) sehr groß. Ich habe das Stück vor vielen Jahren ein paar Mal auf der Bühne gesehen, damals im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. Die Oper wurde in der Einrichtung von Siegfried Matthus gespielt, in deutscher Sprache und mit ausgesetzten, von Streichern begleiteten Rezitativen. Ich weiß noch, dass Neptun in einer Szene mit seinem Dreizack aus dem Orchestergraben stieg, mit wirrem, bläulichem Haar, den Körper übersät mit Algen und Seetang, und seinen imponierenden Bass erklingen ließ, was mich schwer beeindruckt hat. Die Aufführung in Dijon dürfte sehr anders ausfallen – mit allen Erkenntnissen historischer Aufführungspraxis, im italienischen Original und zweifellos mit einigen Überraschungen der französischen Opernregisseurin Mariame Clément.

29. März 2017

Unzählige alte, ausgetretene und brüchige Stufen. Wohin führen sie? Was wartet am Ende der Treppe, die hinaufzusteigen vielleicht mühsam ist? Eine schöne Aussicht, ein Forum, ein Palast? Oder nichts davon? Was stattdessen? Stellen wir nicht so viele Fragen, gehen wir einfach los …

Alte Treppe sw

28. März 2017

Apropos Charles Laughton: Im Frühjahr 1944 traf der britische Schauspieler in Kalifornien auf Bertolt Brecht und Hanns Eisler. Laughton war gerade im Begriff, für die Plattenfirma Decca Texte aus der Bibel aufzunehmen („The Story Of The Three Wise Men“ und „The Oldest Christmas Story“) sowie das Weihnachtskapitel aus Charles Dickens‘ Roman „The Pickwick Papers“. Hanns Eisler machte den Vorschlag, dazu Begleitmusiken in Quintett-Besetzung zu schreiben, womit Laughton sofort einverstanden war. Die Schellack-Aufnahmen erfolgten im September 1944 im Decca-Studio Hollywood. Sie sind jetzt als Doppel-CD mit 116-seitigem (!) Booklet und einer Gesamtspielzeit von 128 Minuten wieder erhältlich (Bear Family Records).

Charles Laughton
Charles Laughton (1940)
(Foto: Carl van Vechten)

27. März 2017

Matty Malneck (1904 – 1981) ist hierzulande nur wenigen Kennern der Filmmusik ein Begriff. Malneck war ein US-amerikanischer Jazzmusiker, der auch arrangierte und Filmmusiken komponierte, darunter die zu Witness for the Prosecution (Zeugin der Anklage, USA 1957) und Some Like It Hot (Manche mögen’s heiß, USA 1959). Eine gewisse Tragik liegt in dem Umstand, dass zwar die Filme weltberühmt wurden, die Musik von Malneck jedoch nicht – die von Marilyn Monroe gesungenen Lieder I Wanna Be Loved by You, Running Wild und I’m Through with Love sind populäre Songs der 20er Jahre und wurden nicht von Malneck komponiert.

Gestern Abend bin ich – ich weiß nicht zum wievielten Mal – bei Zeugin der Anklage hängen geblieben. Dafür gibt es viele Argumente wie natürlich Charles Laughton, Tyrone Power und Marlene Dietrich inklusive der Synchronstimmen von Eduard Wandrey, Paul Klinger und Tilly Lauenstein. Die Vorlage von Agatha Christie sowie Drehbuch und Regie von Billy Wilder sind weitere beste Gründe, den Film zum x-ten Mal zu sehen. Doch die Musik gehört nicht dazu, wenngleich sie genreüblich konveniert und im Wortsinne passende Takte liefert. Allein diese bleiben eben nicht haften, wir können sie nicht jederzeit aus dem Gedächtnis abrufen. Hingegen sprechen wir einzelne Sätze und Dialoge der genannten Akteure auswendig und mühelos nach, beinahe im Schlaf. Willste mir ’n Kuss geben, Dicker?

24. März 2017

Misstraue der Begeisterung des immer Begeisterten. Er braucht sie als Kollektiv seiner Gleichgewichtsstörungen. Der Kreisel muss sich drehen, wenn er nicht umfallen will.
Alfred Polgar (1873 – 1955)

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23. März 2017

Laut einer aktuellen Studie, veröffentlicht von der Association for Psychological Science, hält sich ein Gefühlshoch nach gutem Sex bis zu 48 Stunden. Danach erlischt das sogenannte sexuelle Nachglühen. Paaren wird deshalb empfohlen, alle 48 Stunden Sex zu haben, um in den Genuss eines frischen Glühens zu kommen. Alternative Wege zu überschwänglichen Gefühlen über die Wahrnehmung kultureller Angebote (Theater, Museen, Restaurants etc.) beschreibt die Studie nicht. Möglichkeiten der Kombination wie z. B. Sex im Kino werden gleichfalls nicht erwähnt, auch Sport ist kein Thema. Gleichwohl ist der Rat zum 48 Stunden-Rhythmus einigermaßen entlastend, denn ab einem gewissen Alter lässt man doch schon mal einen Tag aus.

22. März 2017

Nach dem am Montag in New York veröffentlichten Weltglücksbericht 2017 nimmt Norwegen nunmehr die Spitzenposition ein und hat Dänemark damit als glücklichstes Land der Welt abgelöst. Auf den Plätzen drei und vier folgen Island und die Schweiz. Deutschland kommt wie im vergangenen Jahr auf Platz 16, nahm aber 2015 noch Rang 26 ein. Schlusslicht der Glückstabelle ist die Zentralafrikanische Republik.

Als Hauptursache für Glück macht der Bericht nicht pekuniären Reichtum, sondern ein funktionierendes soziales Netz aus. Die Spitzenreiter des Rankings – darunter Finnland, Schweden, die Niederlande, Kanada, Australien und Neuseeland – haben dem Bericht zufolge hohe Zufriedenheitswerte in den Bereichen soziale Fürsorge, Gesundheit, Freiheit und gute Regierungsführung.

Geld allein macht nicht glücklich, heißt es. Richtig! Und schönes Wetter ist überbewertet. Vielleicht sind die Menschen in Haugesund ja am glücklichsten. Bei ihnen im Hafen sitzt Marilyn Monroe. Tagtäglich, zum Glück.

Marilyn Monroe Skulptur Haugesund
Marilyn Monroe Skulptur
Haugesund, Norwegen
(DeFacto)

20. März 2017

Arnold Schönberg lebte bereits in Los Angeles, als er sich 1937 des Klavierquartetts g-Moll op. 25 von Johannes Brahms annahm und aus der originalen Vorlage eine fulminante Orchesterfassung in schillernden, bunten Farben entstehen ließ. Vielleicht war Schönberg, von den Nazis vertrieben, seiner Heimat Österreich in jenen Tagen emotional besonders nah, so dass aus dem kammermusikalischen Original ein so pulsierendes, wuchtiges und klangverliebtes Orchesterwerk werden konnte.

Natürlich entsteht bei einem so gewichtigen Eingriff in die Besetzung resp. der Klangfarbe ein neues, anderes Stück, das freilich seine Herkunft nicht verleugnet. Morgen werden wir uns im Kammermusik-Kurs beide Fassungen „erhören“ und miteinander vergleichen. Wer Lust hat, kann anschließend im Filmmusik-Seminar dann „Die Verlobung des Monsieur Hire“ bewundern. Regisseur Patrice Leconte hat für seinen wunderbaren, ästhetischen Film von 1989 den Mittelteil des Brahms’schen Finalsatzes (Rondo alla Zingarese) gewählt, um die subjektive Erlebniswelt des Titelhelden musikalisch zu kennzeichnen. Drei Meisterwerke – Kammermusik, Orchesterwerk, Spielfilm!

19. März 2017

Wie es mit der Musik dort steht, wo Sie sich jetzt befinden, ahne ich nur in Umrissen. Ich habe die Vermutung, die ich in dieser Hinsicht hege, einmal auf die Formel gebracht: ich sei nicht schlechthin sicher, ob die Engel, wenn sie im Lobe Gottes begriffen sind, gerade Bach spielen – ich sei aber sicher, dass sie, wenn sie unter sich sind, Mozart spielen und dass ihnen dann doch auch der liebe Gott besonders gerne zuhört.
Karl Barth (1886 – 1968, evangelisch-reformierter Theologe) in seinem „Dankbrief an Mozart“ 

17. März 2017

Schalke 04 Logo

Glückwunsch, Knappen! Und weiterhin viel Erfolg in der Europa-League! Vielleicht klappt es ja zwanzig Jahre nach dem überraschenden Gewinn des UEFA-Cups wieder mit dem großen Coup. Spiegel Online liegt ganz richtig: „Zwar ist weiterhin schwer vorstellbar, dass ein Team mit derart deutlichen fußballerischen Schwächen tatsächlich einen Europapokal gewinnt. Aber das war auch vor 20 Jahren so.“

16. März 2017

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Breathe. And give yourself some credit.
Erin Andrews

15. März 2017

Für die Salzburger Festspiele 1989 hatten Herbert von Karajan und der britische Regisseur John Schlesinger (Die Herrin von Thornhill, Der Marathon-Mann, … und der Himmel steht still u. a.) ein gemeinsames Konzept für die Inszenierung von Verdis Maskenball entwickelt. Die Besonderheit bestand darin, dass die Oper in Verdis ursprünglicher, aber von der Zensur verhinderten Fassung gespielt werden sollte, nämlich am Hofe des schwedischen Königs Gustav III. in Stockholm. Nach dem Tode Karajans am 16. Juli in Salzburg – die Bühnenproben für die Eröffnungspremiere hatten bereits begonnen – übernahm Sir Georg Solti die musikalische Leitung.

Der Wiener Kurier nannte die Produktion damals ein „Opernfest für die Nachwelt“ und war der Ansicht, die Zeit prächtiger Kostüme und opulenter Szenerien sei vorüber. Altmodische und konventionelle Inszenierungen, so war man überzeugt, würden einem anstehenden und unaufhaltsamen Zeitgeistwandel zum Opfer fallen. Heute wird die Inszenierung vor allem dafür gelobt, dass sie alle Ingredienzien in sich vereint, welche die Faszination Musiktheater ausmachen. Das ist das Entscheidende, notabene: Ob wir angesprochen, gefesselt, berührt werden. Ob Kopf und Herz, Verstand und Gemüt inspiriert und bereichert werden. Dazu gibt es viele Wege – den von 1989 sehen wir heute Abend im Kurs.

14. März 2017

Die Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 „Orgelsinfonie“ von Camille Saint-Saëns ist ein imposantes, eindrucksvolles Werk. Vor allem der Finalsatz, eingeleitet durch ein wuchtiges Maestoso und eine „klassische“ sechzehntaktige und melodisch eingängige Periode, verfehlt seine Wirkung nicht. Gestern Abend nun, in unserer Kurswanderung durch die Musikgeschichte, haben wir zunächst diesen Sinfoniesatz gehört, um anschließend den 1978 erschienenen Song „If I Had Words“ von Scott Fitzgerald und Yvonne Keeley auf uns wirken zu lassen.

„If I Had Words“ benutzt das o. g. Hauptthema und unterlegt es mit einem Reggae-Beat. Der gesamte Song besteht ausschließlich aus den genannten sechzehn Takten, die über dreieinhalb Minuten lang ständig wiederholt werden. Text und Arrangement sind von Jonathan Hodge. Der Song kam in Großbritannien auf Platz 3 der Charts und war außerdem ein Hit in Irland, Belgien, den Niederlanden, in Skandinavien, in Australien und Neuseeland. Insgesamt wurden weltweit über eine Million Platten verkauft.

Saint-Saens

Es ist nicht weiter erstaunlich, dass sich sechzehn mehr oder weniger gleichbleibende Takte mit unterlegtem Reggae-Beat besser verkaufen als das sinfonische Original. Saint-Saëns galt zu Lebzeiten als ein eher konservativer, altmodischer Komponist. Vielleicht hätte er sich über die unerwartete Popularität fast sechzig Jahre nach seinem Tod trotzdem gefreut.

12. März 2017

Das Stadttheater Gießen spielt zurzeit Der Barbier von Bagdad von Peter Cornelius. Musik und Text bleiben unangetastet, doch die gesamte Handlung ist in ein surreales Tierreich verlegt. Der verliebte Nureddin ist eine Hummel, Gehilfin Bostana ist ein Maulwurf, der Barbier ist eine Schildkröte. Von ein paar anderen Figuren weiß man nicht so recht, was sie sind. Über die Inszenierung (Roman Hovenbitzer) verliert das Opernheft kein Wort. Die Handlung wird darin wie in jedem konventionellen Opernführer wiedergegeben, so als ob tatsächlich Der Barbier von Bagdad zur Aufführung käme.

Doch die Gießener machen aus einer liebenswerten Komödie eine absurd-clowneske Posse, die keinen nachvollziehbaren Transfer des Originals erkennen lässt. Schlüsselszenen der ursprünglichen Handlung werden bagatellisiert oder bleiben unsichtbar, das Beziehungsgeflecht der handelnden Personen (jetzt Tiere) wird kaum wiedergegeben. Das bunte Bühnenbild und die schrillen Kostüme geben der imaginären Wald- und Wiesenfauna sämtliche Alibis, die sie für ihre Aktionen benötigt, welche zumeist willkürlich und beliebig kreiert werden. Was das Publikum über zwei Stunden lang ertragen muss, ist ein bemerkenswerter Etikettenschwindel, der den Barbier von Bagdad bis zur Unkenntlichkeit entstellt und durch alberne Abwegigkeiten zum Klamauk verkommen lässt. Einige musikalisch gut gelungene Passagen, ein paar schöne Töne reichen da als Entschädigung nicht. In der Pause gibt’s Sekt, das hilft ein bisschen.

10. März 2017

Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt.
Mahatma Gandhi

Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird dir sein, als leuchten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können.
Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz

8. März 2017

In der Erwartung, für einen ganzen Spielfilm zu müde zu sein, habe ich gestern Abend den Spielfilm Letzter Moment (NDR/Arte 2009) zur Aufnahme programmiert. Ich habe die ersten Minuten gesehen, dann die erste halbe Stunde, schließlich den ganzen Film. Sathyan Ramesh (Buch und Regie) erzählt die Geschichte von Isabel (Ulrike C. Tscharre), die sich kurz vor ihrer Hochzeit in einen fast vierzig Jahre älteren Mann (Matthias Habich) verliebt, trotzdem heiratet, dann aber ihre eigene Hochzeitsfeier im Augenblick der Erkenntnis verlässt. Bei der ersten Begegnung ihres neuen Freundes mit ihren Eltern erkennen sich der Liebhaber und Isabels Mutter wieder. Sie waren vor Jahrzehnten ein Liebespaar, sahen sich seither nicht, doch haben einander nie vergessen. Das ist der Ausgangspunkt für alle Beteiligten, unzählige Fragen zu stellen, ohne die meisten von ihnen wirklich zu benennen. Sind viele gemeinsame, vertraute und geräuschlose Jahre mit wenig Liebe besser als wenige, unwägbare und problematische Jahre mit viel Liebe? Was ist wirklich wichtig, worauf kommt es an?

Letzter Moment ist ein sehr lebenskluger, sensibler und poetischer Film, in dem Ulrike C. Tscharre und Matthias Habich absolut herausragend agieren. „Habichs Mundwinkel und Tscharres Augen drücken mehr aus, als die meisten deutschen Schauspieler vermögen. Ich liebe diesen Film! Lasst euch verzaubern!“, lautet ein Kommentar auf TV Spielfilm. Und eure Müdigkeit wird verfliegen, füge ich hinzu.

6. März 2017

Tatort Logo.

Vor ein paar Tagen lief im NDR-Fernsehen die Wiederholung des Tatorts „Weil sie böse sind“ (2010). Keine herausragende Folge, aber immerhin prominent besetzt, u. a. mit Markus Boysen (der leider früh ermordet wird), Peter Lerchbaumer (der leider zu wenig Text hat) und Matthias Schweighöfer (der leider den Kasperl gibt, obwohl er das Krokodil ist). Der Film beginnt mit einer minutenlangen Sequenz, welcher das Allegretto aus Beethovens 7. Sinfonie unterlegt ist. Währenddessen – wir sind sozusagen noch im Vorspann – lesen wir, wer die zuständigen Personen für Szenenbild, Schnitt, Ton, Kamera etc. sind. Für die Musik wird Fabian Römer genannt. Noch immer läuft Beethoven, der ungenannt bleibt und auch im Abspann keine Erwähnung findet. Wer das Stück kennt und den Komponisten noch dazu, der mag sich wundern. Am Schluss dann die Aufklärung: Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.

Pause bis zum 5. März 2017

24. Februar 2017

Richtig, das Foto zeigt Georg Friedrich Händels Wohnhaus in London, heute das Handel House Museum in 25 Brook Street, London. In diesem Haus lebte Händel von 1723 bis zu seinem Tod im Jahr 1759. Der 23. Februar ist Händels Geburtstag. Normalerweise begehe ich diesen Tag mit Earl Grey und Shortbread. Gestern gab’s stattdessen heiße Zitrone und Hühnersuppe, erkältungsbedingt. John Mainwaring, Händels erster Biograf, verschweigt übrigens den allgemein bekannten, übermäßigen Appetit des Meisters nicht und bestätigt dessen „beständige und reichliche Versorgung mit Lebensmitteln“. Über Händels Essgewohnheiten bei grippalen Infekten äußert er sich nicht. Aber Kapaune, Schinken, Austern und Liköre ließen sich schon damals recht gut eine Weile lang aufbewahren.

23. Februar 2017

Frage des Tages:
Was ist auf dem Bild zu sehen? Einsendungen bitte per E-Mail. Es gibt was zu gewinnen, versprochen.

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(Foto: Andreas Praefcke)

21. Februar 2017

Fürst Leopold von Anhalt-Köthen war Dienstherr, Freund und Förderer von Johann Sebastian Bach. Leopold hatte als dilettierender Gambist den Wunsch, sich hier und da mit einfachen Partien an gemeinsamer Kammermusik zu beteiligen. So enthält das Brandenburgische Konzert Nr. 6 eine recht leichte Gambenpartie. Zwar gehen die Anforderungen über das Spielen leerer Saiten hinaus, doch sind insgesamt die technischen Hürden wahrlich nicht hoch. Bach hat seinem Arbeitgeber dessen Herzenswunsch gerne erfüllt. Unter Verzicht auf die Mitwirkung von Violinen gestaltete er die übrigen Stimmen umso kunstvoller und verhalf dem Konzert zu einer Sonderstellung innerhalb der ganzen Sammlung.

Auch von Mozart wissen wir, dass er mit seinem Konzert in F-Dur für drei Klaviere und Orchester KV 242 einer befreundeten Salzburger Familie ein besonderes Geschenk „zum Mitspielen“ machte. Komponiert ist das Werk für die Gräfin Antonia Lodron und ihre beiden Töchter Aloisia und Josepha. Insbesondere der dritte Klavierpart ist sehr leicht, so dass in einer Aufnahme aus dem Jahr 1981 der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt die Stimme übernehmen konnte, im Zusammenspiel mit Christoph Eschenbach und Justus Frantz an den übrigen Klavieren.

Bleibt die Frage, wer heute den Zelebritäten dieser Welt etwas zum Mitspielen schreiben könnte. Und wer die Klasse hätte, sich dessen würdig zu erweisen, nicht nur musikalisch.

19. Februar 2017

Der Mensch will beschäftigt sein. Darum muss viel sprechen, wer wenig denkt.
Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues (1715 – 1747)

17. Februar 2017

Logo Swan Inn

Point Rd, Little Haven
Haverfordwest SA62 3UL
UK

Erinnerungen. Die Tage verbringen wir mit langen Küstenwanderungen entlang des Pembrokeshire Coast Paths, mit Ausflügen nach St. Davids, Porthgain oder Tenby. Wir besuchen Kirchen und Museen, Antiquariate, Häuser und Gärten des National Trust. Wir bestellen Cream Tea mit Scones, Clotted Cream und Strawberry Jam, kaufen einen Kalender fürs nächste Jahr, ein paar Postkarten. Vor dem Abendessen gehen wir auf ein Bier ins Swan Inn, früher eine spelunkige Schmugglerkneipe, heute ein ambitionierter Pub mit entsprechender Speisekarte. Zum Essen gehen wir ins Castle, das ist nicht ganz so fein, dafür erschwinglich und mit sehr nettem Personal. Ob Tom, der aussieht wie der junge Burt Lancaster, noch dort arbeitet? No worries. Boondoggle. Any excuse.

16. Februar 2017

Heute geht es im Filmmusik-Kurs um leitmotivische Technik. Am Beispiel von Once Upon A Time In The West („Spiel mir das Lied vom Tod“) werden wir sehen und hören, wie jede der handelnden Personen eine eigene musikalische Signatur erhält und somit auf akustischem Wege Hinweise gegeben werden, die von der Leinwand selbst nicht ausgehen. Richard Wagner lässt grüßen – schon in dessen Musikdramen steht das Liebespaar auf der Bühne, aber aus dem Orchestergraben erklingt die Musik des Rivalen. Das Glück ist bedroht – nicht sichtbar, aber unüberhörbar! Wir Zuschauer sind dem Liebespaar voraus, wir wissen mehr, wenigstens im Theater…

In den folgenden Wochen kümmern wir uns dann um verschiedene Arten der Filmmusik – nicht zu verwechseln mit Musik im Film, wie z. B. in Out of Africa („Jenseits von Afrika“) mit dem 2. Satz aus Mozarts Klarinettenkonzert oder Monsieur Hire („Die Verlobung des Monsieur Hire“) mit dem Finale aus dem Klavierquartett von Brahms. Auch eklektizistische Techniken werden wir behandeln, Paradebeispiel ist Hannah and her Sisters („Hannah und ihre Schwestern“) von und mit Woody Allen. Ganz wunderbar ist hier die Taxiszene mit dem Anfang aus Puccinis „Madame Butterfly“ – Fugato gleich Verstrickung, besser geht’s nicht. Ein Film mit Bach, Oper und Jazz, und das mit Mia Farrow, Barbara Hershey, Michael Caine und Max von Sydow. Ein Meisterwerk! Damit nicht genug – Le Roi danse („Der König tanzt“) aus der Gattung Historienfilm mit der Originalmusik von Lully ist sozusagen ein Pflichtstück, ebenso wie The Innocents („Schloss des Schreckens“) aus der Abteilung Horrorfilm – hier besteht die Musik aus einer unbegleiteten, übersetzt schutzlosen Kinderstimme, solo und a capella in einem Gruselschloss, wie wunderbar! Und, nicht zu vergessen: Vivement dimanche! („Auf Liebe und Tod“), der letzte Film von François Truffaut, aus der Sparte Kriminalkomödie mit der Musik von Georges Delerue.

15. Februar 2017

Nach einer neuen Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts musizieren gegenwärtig über drei Millionen Menschen in Deutschland in einem Chor, einem Instrumentalensemble oder einem Orchester. Nur knapp 70.000 davon sind Profis. Im Zusammenhang mit der steigenden Nachfrage nach Musikunterricht beschreibt Claudia Wanner vom Verband Deutscher Musikschulen (VdM) die Suche nach qualifizierten Lehrern als problematisch. Viele Fachlehrkräfte sind nicht für die Breitenausbildung zu gewinnen, so der Befund, und wollen vorrangig auf die Bühne. Und außerdem: „Lehrer an Musikschulen verdienen zu wenig.“ So schlicht, so wahr.

Die seit geraumer Zeit am stärksten boomende Gruppe ist übrigens die der Senioren, die ihr früher einmal gelerntes Instrument auffrischen und dann in sogenannten „Silberlocken-Orchestern“ ihren Spaß haben. Und die, die einfach mehr über Musik wissen wollen und sich weiterbilden in Seminaren zur Musikgeschichte, in Hörkursen, auf Opern- und Konzertreisen sowie in konzertpädagogischen Veranstaltungen.

13. Februar 2017

Plácido Domingo soll einmal gesagt haben, die Partie des Don José in Bizets Oper Carmen sei seine Lieblingsrolle, da die Darstellung des Verlustes von Selbstachtung und Selbstwertgefühl des verzweifelten Liebhabers in keiner anderen Oper ähnlich eindrucksvoll sei. Vielleicht hat der gute Plácido das tatsächlich gesagt, es wäre durchaus nachvollziehbar. Doch Vorsicht, nach einer anderen Quelle soll er gesagt haben, er habe keine Lieblingsrolle: „Das ist, als fragte man die Eltern einer spanischen Großfamilie, welches ihr liebstes Kind ist. Man liebt sie alle. Aber die wichtigste Rolle ist immer die, die ich gerade singe. Ihr gehört meine ganze Kraft und Energie.“

Das hört sich ebenfalls gut an. Wahrscheinlich hat er sowohl das eine als auch das andere gesagt. Wer jahrzehntelang Interviews gibt, der sagt halt viel, und auch schon mal das Gegenteil. Wie auch immer, wir hören heute den ersten Akt der Carmen aus der legendären Aufführung der Wiener Staatsoper 1978 (R.: Zeffirelli; Domingo, Obraztsova, Buchanan; Kleiber). Eine Sternstunde der Oper! Der Schlussbeifall nahm die Länge der ganzen Oper an, glaubt man dem damaligen Kritiker der Süddeutschen Zeitung. Wahrscheinlich stimmt es, wie auch das Gegenteil.

10. Februar 2017

Vettriano The Temptress
Jack Vettriano, The Temptress

Besonders aufregend und lange in Erinnerung sind Situationen, in denen unklar, aber entscheidend ist, wodurch die empfundene Verführung entsteht und ob wir ihr nachgeben werden. Manche Fragen stellen sich zur Unzeit.

9. Februar 2017

Die 1997 bei EMI Classics erschienene DVD mit Schuberts Streichquartett Nr. 14 „Der Tod und das Mädchen“ enthält außer der fantastischen Aufnahme mit dem Alban Berg Quartett auch Bonusmaterial. Neben diversen Kommentaren zur Komposition sowie zur Interpretation und Gestaltung sind Unterrichtssituationen mit dem damals sehr jungen Artemis Quartett zu sehen. Sehr schön daran ist, dass auch Laien erkennen, besser gesagt erhören können, wie sich kleinste dynamische oder agogische Veränderungen auswirken und – je nach Dosierung – schnell zu viel oder zu wenig des Guten getan werden kann. Als „special guests“ sind obendrein noch Julia Varady (Sopran) und Dietrich Fischer-Dieskau (Klavier) zu hören. Bei aller Wertschätzung für Frau Varady, aber so gut wie jeder hätte sich wohl eine sängerische Interpretation von Fischer-Dieskau gewünscht. Dass er sich stattdessen ans Klavier setzt, ob aus eigenem Entschluss oder auf Wunsch der Produktionsfirma, ist nichts weiter als snobistisch und für die erwartungsvolle Zuhörerschaft schlicht enttäuschend.

6. Februar 2017

Hin und wieder übernehme ich vertretungsweise Orgeldienste, so auch gestern. Manchmal ist das ganz schön, je nach Instrument, Kirche, Gemeinde und Tagesform. Gestern ist zunächst das Notenbuch mit den Liturgieabläufen nicht zu finden. Dann ist die Pfarrerin erkältet und will nicht singen, ich soll das bitte übernehmen. Dann eine lange Predigt über Moses in der Wüste. Ich bekomme Durst, wahrscheinlich fehlt mir deswegen beim Postludium die Inspiration. Es wird eine Improvisation im Schröder-Stil, etwas sperrig und mit vielen Quartparallelen. Ich höre mit einer leeren Quinte auf, mehr fällt mir nicht ein.

Im Fitness-Studio schaffe ich 30 Minuten auf dem Stepper ziemlich problemlos, mein Puls ist im grünen Bereich. Ich hänge noch ein paar Einheiten für Muskeln und Gelenke an. Zu Hause freue ich mich auf einen entspannten Nachmittag und mache Kaffee. Auf Kuchen verzichte ich, schließlich will ich die verlorenen Kalorien nicht gleich wieder draufschaffen. Ich stehe am Küchenfenster und sehe in den blauen Himmel. Swansea verliert in der Nachspielzeit. Irgendwie hält man immer mit den Falschen, sage ich. Nein, antwortet meine Tochter, du hältst mit den Richtigen. Die verlieren nur oft.

4. Februar 2017

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das erröten kann. Es ist aber auch das einzige, was Grund dazu hat.
Mark Twain (1835 – 1910)

2. Februar 2017

Heute beginnen wir mit einem neuen Filmmusik-Seminar, das bis zu den Sommerferien laufen wird, ggf. auch länger. Wir wollen uns mit einigen Kompositionstechniken vertraut machen, den Einsatz von Instrumenten oder Instrumentengruppen untersuchen (gelten eigentlich immer die gleichen Regeln für Krimis, Western, Liebesfilme, Sozialdramen etc.? – natürlich nicht!), klangliche Vorbilder zum Vergleich heranziehen (besonders die Freunde von Wagner, Debussy und Strawinsky kommen hier auf ihre Kosten) und uns im weiteren Sinne mit der Frage beschäftigen, welche Funktionen Filmmusik hat und welche Wirkungen sie erzeugen kann.

Psycho Logo

Standesgemäß beginnen wir mit Psycho (USA 1960). Eine der Fragen wird sein, warum Hitchcock den Mord unter der Dusche ausgerechnet mit brutaler Begleitung der Streicher gedreht hat, wo diese doch üblicherweise den Verliebten zu Hilfe kommen. Hier schon mal die Auflösung für die, die heute nicht kommen können: Hitchcock wollte die Szene ursprünglich ganz ohne Musik drehen, aber Komponist Bernard Herrmann konnte ihn von den Streichern überzeugen (oder überreden). Wir wissen, dass Hitchcock in einem seiner früheren Filme einmal eine Szene drehte, in der ein Rettungsboot auf hoher See treibt. Hitchcock wollte die Szene völlig ohne Musik drehen und stellte die rhetorische Frage, wo denn um Himmels willen die Musik mitten auf dem Ozean herkäme. Komponist David Raksin war um eine Antwort nicht verlegen: „Fragen Sie Hitchcock, woher die Kamera kommt, und ich sage ihm dann, woher die Musik kommt.“

31. Januar 2017

Mit Franz Schubert komme ich in meinen Kursen eigentlich nie ungelegen. Heute, an seinem 220. Geburtstag, hatte ich seine große C-Dur Sinfonie dabei („statt Blumen“, wie eine Teilnehmerin sagte), in einer Aufnahme des Europakonzerts der Berliner Philharmoniker unter Riccardo Muti aus dem Jahr 2009. Der Austragungsort, das Teatro di San Carlo in Neapel, ist seit meinem dortigen Besuch im letzten Sommer ohnehin etwas Besonderes für mich. Doch auch ohne dieses außergewöhnliche Ambiente wäre das Hören und Sehen wieder ein Erlebnis gewesen. Es ist einfach eine großartige Musik und – bei aller Bewunderung für Schubert – selbst für diesen Komponisten eine herausragende Komposition. Und Riccardo Muti dirigiert ganz unaufgeregt, sehr ökonomisch und in gutem Sinne streng. Sehr angenehm, sowohl für die Musiker als auch für das Publikum!

30. Januar 2017

Mit einer spektakulären Matinee von La Moresca gehen gestern die 2. Wetzlarer Improvisationstage zu Ende. Mit seinem Crossover-Programm „The Lady’s Cup of Tea“ begeistert das Ensemble für Alte Musik sowohl Liebhaber höfischer Barockmusik als auch Anhänger irisch-keltischer Folklore. Technisch auf herausragendem Niveau, begleitet von Spielwitz und hoher Improvisationskunst bescheren die Akteure dem Publikum einen gleichermaßen eigenwilligen wie außergewöhnlichen Hörgenuss. Dazu stellen die Musiker in launigem Ton ihre Instrumente vor, darunter Theorbe, Erzlaute und keltische Harfe. Das Publikum hat nach über zwei Stunden noch immer nicht genug und erzwingt mit stürmischem, lang anhaltendem Beifall zwei Zugaben.

La Moresca Kopie
(Foto: Andreas Müller)

Etwa eine Stunde nach Konzertschluss erhalte ich diese SMS einer Besucherin: „Welch ein glücklich machender Sonntagmorgen. Hätte am liebsten gleich einen Flug nach Irland gebucht. Vielen Dank.“

An den zwei Tagen zuvor sorgen das Berliner Ensemble Bassa und die Gießener Gruppe QuadrArt für ungewohnte Klänge. Bassa präsentiert mit seinem Programm „Tango Azul“ Tanzmusik auf der Grenze zwischen Komposition und Improvisation. Musik zur blauen Stunde, zu hören in Salons und Bars, nachts oder frühmorgens, traumverloren und melancholisch. Der Wetzlarer Schwarz-Rot-Club ist mit zehn Tanzpaaren vertreten. Ihnen ist das Vergnügen anzumerken, sich nach dieser besonderen Musik bewegen zu können. Das Publikum zieht es dagegen vor, lieber nur zuzuhören. Die Einladung zum Mittanzen schlägt es aus. Vielleicht ist die Musik einfach zu schön.

QuadrArt verzichtet bei seiner experimentellen Musik auf traditionelle Parameter wie Harmonie oder Melodie. Die Klänge sind stark rhythmisch geprägt und leben von einer großen dymamischen Bandbreite. Die Tonerzeugung ist zuweilen kalkuliert verrrückt. Klaviertasten werden auch schon mal mit der Nase betätigt, der Saxofonist bläst zwei Instrumente gleichzeitig, der Cellist streicht und zupft nicht nur, sondern reibt, streichelt und massiert. Dazu entstehen großformatige Leinwandbilder von Valentin Gerstberger mit unterschiedlichsten Farbkompositionen. Klangfarbe, Farbklang. Assoziative Bilder zu spontaner, im selben Moment kreierter Musik. Das Ganze geht über zweieinhalb Stunden, und zu jeder Zeit sind alle Malplätze besetzt. Wunderbar!

27. Januar 2017

Gestern Abend, Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule, erstes Konzert der diesjährigen Wetzlarer Improvisationstage. Das Berliner context-Ensemble ist zu Gast und bietet eine eigenwillige Mixtur aus Tönen, Texten, Klängen und Geräuschen, überwiegend leise und geradezu hörerziehend. Wer sich öffnen kann für die Wahrnehmung verhangener, verschütteter Zwischentöne, für die Wirkung von versonnener Nachdenklichkeit und Stille, der kommt unbedingt auf seine Kosten. Wenige eruptive und nicht antizipierbare Passagen, zumeist perkussiv und klaviergestützt, sind zuvor ungehörte Kontraste zu abgetönten, suchenden und beinahe sedativen Klängen. Ein Abend für Wache und Hörwillige. Und für die, die buchstäblich die Ruhe weg haben und sie nur zu gerne wiederfinden würden.

26. Januar 2017

Vor gut zwei Wochen habe ich hier auf The Hidden Heart hingewiesen, eine DVD-Dokumentation über Leben und Werk von Benjamin Britten. Seitdem haben wir uns in mehreren Kursen mit Peter Grimes beschäftigt, dem 1945 uraufgeführten und stürmisch bejubelten Opernerstling Brittens. Im Anschluss an den heutigen Vormittagskurs sagte eine Teilnehmerin, dass sie noch niemals zuvor von einer Oper so berührt gewesen sei wie von Peter Grimes (wir haben die gemeinsame Produktion von BBC und English National Opera aus dem Jahr 1994 gesehen). Eine schönere Bestätigung kann es kaum geben, sowohl für das Werk als auch für die eigene Arbeit!

Das Hessische Staatstheater Wiesbaden bringt Peter Grimes ab dem 4. Februar in einer Neuinszenierung auf die Bühne. Für die Vorstellung am 18. Februar haben sich bereits 12 Kursteilnehmende zum gemeinsamen Opernbesuch angemeldet.

25. Januar 2017

Spätestens seit Match Point (2005) bin ich ein Bewunderer der Schauspielkunst von Scarlett Johansson. Sie spielt in dem Melodram (oder ist es ein Thriller?) hochsensibel und treffsicher auf der gesamten Klaviatur von Schuld und Sühne und Glück und Zufall und Liebe und Tod. Johanssons außergewöhnliche Performance kam nicht zuletzt durch die Inspiration und das Encouragement von Woody Allen zustande. Match Point ist einer der besten Filme Allens, wenn nicht sein bester. Scarlett Johansson hat seither noch viele Filme gedreht, in einigen davon ist ihre Ausstrahlung ähnlich intensiv wie in Match Point.

Scarlett Johansson
(Foto: Elen Nivrae)

Johanssons Engagement für Entwicklungshilfe und soziale Gerechtigkeit sowie für Umwelt- und Schulprojekte ist seit Jahren bekannt. Hätten wir nicht ohnehin schon lange große Sympathien für sie gehegt, wäre es jetzt so weit gewesen, nach ihrer Rede beim Women’s March in Washington im Anschluss an die Amtseinführung von US-Präsident Trump.

„President Trump, I did not vote for you. That said I respect that you are our president-elect and I want to be able to support you. But first I ask that you support me. Support my sister. Support my mother. Support my best friend and all of our girlfriends. Support the men and women here today that are anxiously awaiting to see how your next moves may drastically affect their lives.“

24. Januar 2017

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Improvisation – das ist, wenn niemand die Vorbereitung merkt.
François Truffaut (1932 – 1984)

23. Januar 2017

Puppenspieler, König.

König: „Puppenspiel – ist das schwer?“
Puppenspieler: „König ist schwerer.“
König: „Und dennoch will er es werden?“
Puppenspieler: „Gestattet Ihr mir eine Frage, Hoheit? Seht Ihr die Vögel? Wie sie glücklich durch die Lüfte tanzen?
Was wäre dabei, wenn Eure Töchter es ihnen gleichtäten?“
König: „Wir trauern um die verstorbene Königin.“
Puppenspieler: „Ja, das weiß ich wohl. Aber auch, dass das Leben weitergeht.“
König: „Seines vielleicht nicht, Puppenspieler.“
Puppenspieler: „Dann wünsch ich mir, dass auf meinem Grab getanzt wird.“
König: „Nutze er die Nächte, die ihm noch bleiben.“

Die zertanzten Schuhe (Ljubek, David, Hallervorden u. a.; R.: Eißler. ARD 2011)

22. Januar 2017

Gestern habe ich im Gießener Kinopolis Roméo et Juliette von Charles Gounod gesehen, live aus der Metropolitan Opera. Es war mein erster Versuch, Oper im Kino zu erleben. Am Ende, nach gut drei Stunden, bin ich mit sehr zwiespältigen Gefühlen heimgefahren, was mit der Aufführung selbst nichts zu tun hat. Nebenbei: Diana Damrau war eine exzellente Juliette, Vittorio Grigolo ein mehr als überzeugender Roméo, Dirigent Gianandrea Noseda sorgte für differenzierte Orchesterklänge. Die Nebenrollen waren gut bis ordentlich besetzt, der Chor agierte präsent und sicher. Die Inszenierung ging keine Risiken ein, auch Ausstattung und Kostüme waren konventionell und ohne Verschreckungspotential.

Oper im Kino, live aus der Met. Für € 31,50 hat man einen schönen Platz, sitzt darauf auch bequem und sieht und hört gut. Letzteres allerdings nur, wenn die Tontechnik die Voraussetzungen dazu schafft. Mit viel Fantasie kann man sich vielleicht eine Weile lang einbilden, wirklich in der Met zu sein. Wenn das Bild wackelt oder ganz stehen bleibt, wie etwa zwanzig Minuten vor Schluss geschehen (da wechselten auch die Untertitel von deutsch zu englisch), wird es mit der Autosuggestion schon schwieriger. Dann kann man sich immer noch vergegenwärtigen, dass ein Großteil des Publikums fein angezogen ist, wie in der Oper eben. Es gibt vorher und während der Pause (gegen Vorbestellung!) Sekt, Wein oder sonstige Getränke. Man darf die Gläser sogar mit zum Platz nehmen, was in der Oper gottseidank nicht erlaubt ist. Wir sind im Kino, vergessen wir das nicht. Es ist größer als das heimische Wohnzimmer, und man ist unter Leuten, immerhin. Ansonsten ist es Oper im Kino, das so tut, als sei es die Oper. Das ist wie teure Tütensuppe oder Premium Wandtapete „Backstein“. Lassen wir’s dabei.

20. Januar 2017

Ich glaube nicht, dass ich in meinen Beziehungen zu den Sängern übermäßig eitel gewesen bin. Bei der alljährlichen Rückkehr von Birgit Nilsson an unser Haus zelebrierte ich jedesmal das Ritual, dankbar vor ihr auf die Knie zu fallen. Nachdem ich 1971 in den Adelsstand erhoben worden war, kommentierte sie: „Sie machen das viel besser, seit Sie es für die Königin geübt haben.“ Einmal fielen Bon Herman und ich gemeinsam auf die Knie, um Franco Corelli anzuflehen, bei einer Vorstellung in Cleveland für den erkrankten Carlo Bergonzi einzuspringen. Allerdings stellte sich heraus, dass wir an die falsche Zimmertür geklopft hatten. Eine ältere Dame streckte den Kopf heraus und erblickte zu ihrem Erstaunen zwei Männer, die auf dem Läufer vor ihrer Tür auf den Knien lagen.

Ich gestattete Joan Sutherland, uns ihren Mann als Dirigenten vorzuschreiben, und erlaubte Renata Tebaldi, uns zu einer Neuinszenierung von „Adriana Lecouvreur“ zu zwingen, eine Oper, die ich verabscheue. Frau Tebaldi war immer sehr liebenswürdig und sehr hartnäckig; ich plegte zu sagen, sie habe Grübchen aus Eisen.
Sir Rudolf Bing (1902 – 1997), aus „5000 Abende in der Oper“

Sir Rudolf Bing war von 1950 bis 1972 Generalmanager der Metropolitan Opera in New York.

19. Januar 2017

Gestern Abend haben wir uns, wie jeden Mittwoch, im Kreis der Opernfreunde getroffen und uns Donizettis Lucia di Lammermoor angesehen. Die Aufnahme aus der Metropolitan Opera aus dem Jahr 1983 zeigt Joan Sutherland in der Titelpartie auf der Höhe ihrer Gesangskunst, Alfredo Kraus ist ein fast ebenbürtiger Edgardo. Richard Bonynge am Pult wählt zumeist frische Tempi und kommt damit den Bühnenakteuren sehr entgegen. Die Inszenierung ist eher konventionell und unspektakulär, Kostüme und Ausstattung sind dagegen opulent und treffen den Geschmack derjenigen, die es gern üppig bis protzig mögen. Donizettis Kunstgriff, in der „Wahnsinnsarie“ die Flöte im Orchestergraben sozusagen als Alter ego der um den Verstand gebrachten Lucia zum Einsatz zu bringen, ist ein kompositorisches Bravourstück der gesamten Belcanto-Epoche.

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Gaetano Donizetti, Lithografie von Joseph Kriehuber (1842)

Dem vernichtenden Urteil meines Dirigierlehrers zur Studienzeit („Über Donizetti kann man sagen: Die Callas hat das toll gesungen“) habe ich schon damals widersprochen, und zwar nicht wegen der Callas. Weder mein Lehrer noch ich kannten alle 71 Opern, die für Donizetti nachweisbar sind (das wird sich bis heute kaum geändert haben). Das gesamte Œuvre geht weit über Lucia di Lammermoor, L’elisir d’amore, La fille du régiment oder Don Pasquale hinaus. Maria Stuarda, Anna Bolena, Lucrezia Borgia und La favorite, um nur wenige weitere Opern zu nennen, sind dafür bekannte Belege mit zahllosen Aufführungen in allen großen Opernhäusern der Welt. Es dürfte dabei kaum der Anspruch ehemaliger wie heutiger Operndiven oder Startenöre gewesen sein, ihre herausragenden Stimmen an wertlose Partituren zu verschwenden.

17. Januar 2017

Das ist wahrscheinlich eine Naturerscheinung: dass man konservativer wird. Man erwärmt sich automatisch immer weniger für die Zukunft, weil man fürchtet, die Zukunft werde nur eine negative Steigerung der Gegenwart sein.
Max Goldt

15. Januar 2017

Vor genau fünfzehn Jahren, im Januar 2002, spielte das Norsk Barokkorkester unter Rolf Lislevand in Oslo den Zyklus Lachrimae von John Dowland ein, dazu sechs Lieder zusammen mit der Mezzosopranistin Randi Stene. Dowlands Pavanen sind kunstvollste und weltberühmte Beispiele hochemotionaler, melancholischer Instrumentalmusik. Entstanden sind die Stücke wahrscheinlich zu Anfang des 17. Jahrhunderts während Dowlands Zeit am dänischen Königshof unter Christian IV. Dem Norsk Barokkorkester war fraglos bewusst, welche Maßstäbe Dowland hinsichtlich der Faktur wie des Ausdrucksgehaltes mit Lachrimae gesetzt hat. Ebenso dürften dem Ensemble andere Einspielungen namhafter Ensembles bekannt gewesen sein. Gleichwohl oder gerade deswegen ist den norwegischen Musikern eine mitreißende, aufwühlende Interpretation gelungen. Die Aufnahme ist ein einziges Plädoyer der Leidenschaft, technisch herausragend und dabei von atemberaubender Regel- und Zügellosigkeit der Gestaltung. Eine im besten Sinne unbeherrschte Aufnahme, wie sie nur jemand zustande bringt, der mit den Abgründen, Maßlosigkeiten, Verzweiflungen und Seelenqualen der Liebe bestens vertraut ist. Kein Wunder, dass die CD nur noch schwer zu bekommen ist. Wer die Gelegenheit hat, sollte sie unbedingt nutzen.

Lachrimae CD

13. Januar 2017

Zerbrochene Spiegel, unter der aufgestellten Leiter durchgehen, schwarze Katze von links, Salz borgen oder verschütten, Freitag, der 13…. Was sind die Ursprünge dieser vermeintlichen Unheilsboten?

Freitag der 13.

Das Spiegelbild steht für die Seele desjenigen, der hineinschaut. Wenn der Spiegel bricht – also die Seele – braucht sie sieben lange Jahre, um wieder zu heilen. – Mit dem Durchschreiten einer aufgestellten Leiter fordert man das Schicksal heraus. Man verletzt die heilige Form des Dreiecks, das geometrische Zeichen für die Dreieinigkeit, die Trinität. – Salz borgen bringt Pech, beim Verschütten droht Streit. Dieser Aberglaube stammt aus der Zeit, als die weißen Körnchen noch sehr kostbar waren – der Verlust von Salz war also ein Unglück. – Wenn eine schwarze Katze unseren Weg kreuzt, dann hoffentlich von rechts. „Links“ nämlich bedeutet im Volksglauben die Seite des Bösen oder Unheilvollen – die Ausdrücke „linker Vogel“ oder „links liegen lassen“ werden so verständlich.  – Ja, und beim letzten Abendmahl saßen dreizehn Menschen am Tisch – der 13. war der Verräter Judas, und Jesus wurde an einem Freitag gekreuzigt. Adam und Eva sollen übrigens freitags in den verbotenen Apfel gebissen haben. Das hat zur Vertreibung aus dem Paradies gereicht, da hat es dann Spiegel, Leitern, Salz und schwarze Katzen nicht mehr gebraucht.

11. Januar 2017

Die DVD-Dokumentation The Hidden Heart (EMI Classics, 2009) stellt drei große Werke des englischen Komponisten Benjamin Britten (1913 – 1976) in den Mittelpunkt, Peter Grimes, War Requiem und Death in Venice. Familienangehörige, Sänger, Musikkritiker und weitere Zeitzeugen erinnern sich an ihre Begegnungen mit Britten, an Konzerte, Gespräche und Schriftwechsel, und geben einen Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit. Das künstlerische Schaffen Brittens wird – konzentriert auf die genannten Werke – ebenso dargestellt wie die persönliche Beziehung Brittens zu dem Tenor Peter Pears. Der Titel der DVD verweist darauf, dass beide Künstler sich zu ihrer Liebe nicht öffentlich bekennen durften – Homosexualität, dazu noch begleitet von Pazifismus, wurde von der damaligen englischen Gesellschaft mehrheitlich abgelehnt. The Hidden Heart ist ein gleichermaßen liebevolles, verständiges wie berührendes Porträt Benjamin Brittens, dieser bedeutenden Künstlerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts, seines Schaffens und seiner Welt. Sehr empfehlenswert, nicht nur für Britten-und Pears-Fans!

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9. Januar 2017

Ist man verliebt, so meinte einst Victor Hugo, so ziehen Sterne durch die Seele. Über Sternschnuppen, die zwar hell, aber nur kurz leuchten und dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden, hat er nichts gesagt. Dabei sind Sterne, die lange durch die Seele ziehen, doch eher selten und lassen bisweilen den Verdacht aufkommen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Vor allem, wenn sie auch nach längerer Zeit noch mit unverminderter Leuchtkraft strahlen.

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Zwei Regeln habe das Leben, sagt Geheimrat Schlüter in Erich Kästners Drei Männer im Schnee (1955): „Zwei und zwei ist vier, und auf Frauen muss man warten.“ Eigentlich ist der olle Schlüter nicht nur ein sympathischer, sondern auch kluger Kerl, doch hier sind seine Aussagen problematisch. Arithmetik ist Berechnung, also unsicher, und warten muss man nur auf Sterne, die durch die Seele ziehen. Auf Fixsterne wartet man dabei besonders lange, doch manchmal lohnt es sich.

7. Januar 2017

Gestern, auf dem Weg zur Universitätsklinik Gießen, bin ich an einem Hinweisschild mit der Aufschrift „Studierendencafé“ vorbeigekommen. Von meinem Sohn weiß ich, dass er einen „Studierendenausweis“ hat, anders als ich früher, der ich einen Studentenausweis hatte. Während der Fahrt habe ich mich gefragt, ob es nun auch Beifahrendensitz und Nichtschwimmendenbecken heißt. Und ob es in Schulen jetzt Lehrendenzimmer gibt (Raucherzimmer ja wohl nicht mehr, aber vielleicht Rauchendenzimmer?) und Lernendentoiletten? Oder Schüler/-innentoiletten, Schüler*innentoiletten oder SchülerInnentoiletten? (Schüler-Innentoiletten, haha!) Benutzen Bauhandwerkende (!) jetzt Mauerndenkellen? Und muss man jeden Quatsch mitmachen?

5. Januar 2017

Den zu Silvester 2015 gefassten Vorsatz, im neuen Jahr mindestens einmal pro Monat in die Oper zu gehen, habe ich 2016 in die Tat umgesetzt. Gesehen und gehört – in manchen Fällen muss ich sagen „erlebt“ – habe ich Xerse von Cavalli in Caen, Tosca von Puccini in Essen, Die weiße Dame von Boieldieu in Gießen, Rigoletto von Verdi in Mainz, Boris Godunow von Mussorgsky in Wiesbaden, Der goldene Hahn von Rimski-Korsakow in Düsseldorf, La Calisto von Cavalli in Darmstadt, La Juive von Halévy in Mannheim, Aida von Verdi in Neapel, Benvenuto Cellini von Berlioz in Köln, Jephte von Händel in Amsterdam und Ezio von Gluck in Frankfurt am Main.

Für 2017 gilt der gleiche Vorsatz, und drei Vorstellungen habe ich für das Fühjahr bereits fest geplant: Les Troyens von Berlioz in Frankfurt (März), Il ritorno d’Ulisse in patria von Monteverdi in Dijon (April) und The Rake’s Progress von Strawinsky in Frankfurt (April).

Tipp: An der Staatsoper im Schillertheater Berlin hat King Arthur von Purcell am 15. Januar Premiere (Leitung René Jacobs), ein Workshop für Erwachsene findet dazu am kommenden Samstag, 7. Januar von 14 – 18 Uhr statt. Tickets sind an der Theaterkasse erhältlich: (030) 20 35 45 57.

Pause bis zum 5. Januar 2017

21. Dezember 2016

Ein sehr intensives, zuweilen aufregendes und nicht immer leichtes Jahr geht zu Ende. Über die Turbulenzen in Politik und Gesellschaft, in Wirtschaft, Kultur oder Sport wird in zahlreichen Jahresrückblicken berichtet und diskutiert. Wir spüren, dass viele äußere Ereignisse mehr mit unserem Leben zu tun haben, als wir dachten oder zu glauben bereit waren. Doch unsere inneren Sensoren sind noch intakt, und so empfinden wir Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, vielleicht auch den Verlust von Vertrautheit und Geborgenheit. Doch wir dürfen lernen, uns neuen Herausforderungen zu stellen! Gehen wir also daran, Kommendes zu begrüßen und dankbar anzunehmen. Denken wir positiv – wem das Dach weggeflogen ist, der hat freie Sicht auf die Sterne!

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Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich im alten Jahr begleitet haben – Veranstalter, Kursteilnehmende, Konzertbesucher, Leserinnen und Leser, Redakteure, Organisatoren, Helferinnen und Helfer und alle übrigen! Auf dass wir uns auch im kommenden Jahr wieder hören, sehen oder voneinander lesen werden. Ich freue mich sehr darauf! Frohe Festtage und meine besten Wünsche für ein glückliches Jahr 2017!

Ihr und Euer
Thomas Sander

20. Dezember 2016

I’m 36 years old and I don’t mind the age. I like the view from here. The future is here and I have to make the most of it, as every woman must. So, when you hear all the talk about how tardy I am or how often it seems I make people wait, remember: I’m waiting, too. I’ve been waiting all my life.
Marilyn Monroe

19. Dezember 2016

Die Nachricht, dass fast jeder siebte Bürger an den bevorstehenden Feiertagen mehr Alkohol trinkt als üblich, kann kaum überraschen. Eine einschlägige Studie des Verbandes der Privaten Krankenversicherung ergab, dass sich die Gruppe der jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren dabei besonders trinkfest zeigt. Ein Viertel der Befragten dieser Altersklasse erwartet von sich, die Feiertage betrunken zu erleben. Auf die Gründe geht die Studie nicht ein. Ein Zusammenhang von alkoholaffinem Verhalten und fortgesetzter Beschallung mit weihnachtlichem Liedgut, insbesondere durch Jingle Bells und Heidschi bumbeidschi bum bum, wurde offenbar nicht untersucht. Zur Erlangung psychischer Stabilität würde ja für die genannten Lieder auch Kinderpunsch reichen, sogar der ohne Alkohol. Wer allerdings Last Christmas eher als Final Christmas versteht, könnte für sich die Lage als aussichtslos interpretieren und in der Folge verstärkt Hochprozentigem zusprechen. Dann ginge der erhöhte Alkoholkonsum lediglich auf ein semantisches Missverständnis zurück! Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä ist da doch eindeutiger, zudem ist es musikalisch bis Humba, humba täterä nicht weit. Kein bisschen depressiv, sondern heiter bis karnevalesk und fürs Singen unter Alkoholeinfluss unbedingt geeignet.

15. Dezember 2016

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In Strawinskys Jeu des cartes schlagen die scheinbar Kleinen die Großen. Der Joker nimmt zwar die Identität anderer Karten an, handelt intrigant und hinterhältig, verliert aber am Ende doch. Gegen eine ganze Sequenz von Herz-Karten kann er nichts ausrichten. Gut so!

Unser Herzkönig dagegen erntet zwar allenthalben Bewunderung, doch sein Schicksal ist ungewiss. Seine chevalereske Geste führt nicht zwangsläufig ans Ziel. „Nichts ist unsicherer als die Liebe“, befindet John Irving im Hotel New Hampshire. „Garantie gibt VW auf die Lichtmaschine“, würde mein Hausarzt hinzufügen. Nur damit wir nicht herzlos mit erfolgversprechend verwechseln.

13. Dezember 2016

Wir wissen sehr wohl, mit welcher Vertrautheit wir uns durch den Tag bewegen, aber nachts bewegt sich der Tag mit der gleichen Vertrautheit durch uns …
Inger Christensen (1935 – 2009)

12. Dezember 2016

Wetzlarer Neue Zeitung, 11. Dezember 2016
Von Ann-Christin Kuhlmann

Musik trifft Tanz trifft Malerei
IMPROVISATIONSTAGE Kulturamt und Musikschule stellen Programm 2017 vor

WETZLAR. Musik, Tanz, Malerei vereint – Ende Januar ist es wieder soweit: Die 2. Wetzlarer Improvisationstage beginnen. Besucher können sich auf ein breites Spektrum an Veranstaltungen freuen. Nach dem erfolgreichen Auftakt in diesem Jahr gehen das Kulturamt und die Musikschule mit den Wetzlarer Improvisationstagen 2017 in die zweite Runde. Denn die Premiere stieß beim Publikum auf positive Resonanz oder wie Kulturamtsleiterin Kornelia Dietsch zusammenfasst: „Das neue Format war ein Wagnis – wir wagten und gewannen.“

Auch Musikschulleiter Thomas Sander ist zufrieden: „Das Konzept sprach vermutlich so viele Menschen an, weil Improvisation an keine festen Vorgaben wie Spielanleitungen oder Noten gebunden ist. Die verschiedenen Künste waren zwar bekannt, ihre Ausformung während der Veranstaltung jedoch nicht. Das machte es spannend.“ Manche Besucher kamen sogar zu allen vier Veranstaltungen. Für das neue Programm gelte, was auch 2016 der Fall war: „Im Zentrum steht die Kunst der Musik, die wir mit anderen Künsten vernetzen möchten“, so Sander.

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Freuen sich auf die zweite Auflage der Improvisationstage (von links): Kulturdezernent Jörg Kratkey, Kornelia Dietsch, Thomas Sander, Maike Jäckel und Sven Martens. (Foto: Kuhlmann)

Los geht’s am 26. Januar um 19.30 Uhr mit dem „ensemble context“ für frei improvisierte Musik und Sprache. Es ist im Konzertsaal der Musikschule zu Gast. Kooperationspartner in 2017 sind das Forum Wetzlar und ece-Centermanagement sowie der Schwarz-Rot-Club Wetzlar. Sie bringen sich auch im Programm ein. So der Schwarz-Rot-Club. „Auch Tango ist Improvisation“, sagt Tanzlehrerin Maike Jäckel. „Die Wetzlarer Tangoszene ist in den letzten zwei Jahren explodiert, wir freuen uns, dabei zu sein.“ Und so ist am 27. Januar (19.30 Uhr) in der Musikschule nicht nur ein Tanzpaar des Clubs zu erleben, sondern auch die Tangoband „Bassa“ mit ihrem Programm „Tango Azul“. Die dritte Veranstaltung findet im Forum statt. Am 28. Januar um 15 Uhr begrüßt „QuadrArt“ die Besucher zu Musik und Malerei. Forummanager Sven Martens: „Wir wollen die Besucher animieren, mitzumachen.“ Mitmachen heißt in dem Fall: mitmalen. Das Akustische der Musik solle assoziiert und visuell ausgedrückt werden durch Malerei. Und Sander ist sicher: „Durch das Mitmachen kommt der Facettenreichtum vollkommen zum Tragen.“

Den Abschluss der Improvisationstage bildet am 29. Januar um 11.00 Uhr „The Lady’s Cup of Tea“ mit der Gruppe „La Moresca“. Sie bietet eine Verbindung von keltischer Folklore und barocker Kammermusik. „Da können wir ein wirkliches Crossover erwarten“, verspricht Sander. Die Erwartungen an die zweiten Improvisationstage sind klar definiert, so Kulturdezernent Jörg Kratkey abschließend: „Wir wünschen uns wieder viele Besucher und restlose Begeisterung, so dass wir die Improvisationstage auch in 2018 wieder ausrichten können.“ Alle Veranstaltungen sind zwar kostenlos, Spenden aber willkommen. (ack)

10. Dezember 2016

„Hör auf deine innere Stimme“ – wie oft schon ist uns das empfohlen worden, wenn eine schwierige Entscheidung anstand und wir uns damit schwer getan haben! Hör auf deine innere Stimme – das wäre wohl kein Problem, wenn diese nach gregorianischem Muster als einzige zu vernehmen wäre. Zuweilen wird das Treffen von Entscheidungen dadurch erschwert, dass wir es in unserem Inneren mit einem polyphonen Geflecht von Stimmen zu tun haben. Dann nehmen wir nicht nur diese eine, einzige Stimme wahr, auf die zu hören uns geraten wird. Vielmehr müssen wir auf das Zusammenwirken von individuellen, aber doch voneinander abhängigen Stimmen achten, und psychomentale Mehrstimmigkeit kann verwirrend bis anstrengend sein.

Vielleicht hilft Nostalgie. Sie steigert das Wohlbefinden, macht optimistisch, großzügig und glücklich. Lieb gewordene Erinnerungen sind wichtig für das seelische Gleichgewicht und wirken sogar auf den Körper. Wenn wir in Räumen mit niedriger Tempetarur in schönen Erinnerungen schwelgen, können diese nach einer chinesischen Studie die geschätzte Raumtemperatur um bis zu vier Grad erhöhen. Darüber hinaus sind wir (oder die Chinesen?) unter dem Einfluss von nostalgischen Gedanken eher bereit, Kälte zu tolerieren. Sei’s drum, jedenfalls sind wir lieber in kalten Räumen erinnerungsselig als in wohltemperierter Umgebung zukunftsverzweifelt. Und dann klappt’s auch mit der inneren Stimme.

8. Dezember 2016

Zurück aus Gütersloh, wo ich an der VHS den Baustein Musik zum Kulturführerschein betreut und eine Vormittagsveranstaltung der Senioren-Uni geleitet habe. Beide Male war das Thema „Advents- und Weihnachtsmusik durch die Jahrhunderte“. Wir haben Musik vom Mittelalter bis zur Avantgarde gehört, sowohl Vokalkompositionen als auch reine Instrumentalstücke. Dabei haben wir uns gefragt, was das Adventliche oder Weihnachtliche der Musik – sofern wir das in dieser Weise wahrnehmen – eigentlich ausmacht. Wir haben die Perspektive, die der Komponist dazu einnimmt, als wesentlich verstanden und den jeweiligen musikalischen Transfers nachgespürt. Wir haben die musikalischen Ausdrucksmittel wahrgenommen, Satztechniken analysiert und stilistische Besonderheiten einzelner Epochen herausgearbeitet. In beiden Veranstaltungen war das Echo ausgesprochen positiv. Den größten Eindruck haben die O-Antiphonen von Charpentier und die Choralvariationen über „Vom Himmel hoch“ von Strawinsky gemacht, beides Stücke von nicht gerade hohem Bekanntheitsgrad. Eine Teilnehmerin hat die Charpentier-CD fotografiert, vielleicht kauft sie ein Exemplar. Ich bin am Umsatz nicht beteiligt, aber ich freue mich auch so.

6. Dezember 2016

Nikolaus, Weihnachtsmann, Santa Claus. Rentierschlitten, roter Mantel und Mütze, Sack voller Geschenke. Oder doch Mitra, Bischofsstab und Priestergewand? Wen interessiert’s? Die Initiative „Achtung – weihnachtsmannfreie Zone“ zum Beispiel. Sie weist seit Jahren darauf hin, dass „der am Konsum orientierte Weihnachtsmann der Geschenke-lndustrie nur noch wenig mit dem heiligen Bischof gemein hat.“ Letzterer kommt zudem oft in Begleitung. Je nach Region ist das Knecht Ruprecht, Krampus, Klausen, Klaubauf, Pelzmärtel, Rauwuckl, Butz, Rumpelblas oder Schmutzli. Jedenfalls hat es den Nikolaus wirklich gegeben (geboren wurde er vermutlich zwischen 270 und 286 n. Chr.), den Weihnachtsmann nicht. Der ist eine Kunstfigur und eine Erfindung der Werbung. Nur die Geschenke sind echt.

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4. Dezember 2016

Würden uns nach der Rückkehr aus dem Sommerurlaub nicht sogleich Spekulatius, Zimsterne und Dominosteine angeboten, sondern erst ab sagen wir Mitte November, überkäme uns dann gleichwohl schon nach dem 2. Advent dieses Gefühl von frühzeitiger Weihnachtsübersättigung, und zwar nicht nur hinsichtlich des Gebäcks?

1. Dezember 2016

Magnus Carlsen bleibt Schachweltmeister. Der „Mozart des Schachs“, so ist zu lesen, habe verdient gegen Herausforderer Sergej Karjakin gewonnen. Mozart des Schachs – was ist bloß damit gemeint? Genie, Eleganz, Unkonventionalität, Verschwendungssucht? Es kam doch während des Wettkampfes wohl nicht zum Ausschank von Punsch? Die Schlussstellung der letzten Partie gibt darüber keinen Aufschluss, ist aber hübsch anzusehen.

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Weiß: Carlsen
Schwarz: Karjakin

29. November 2016

Hörpädagogische Kurse machen am meisten Spaß, wenn Kursteilnehmende von Stücken, die sie bisher nicht kannten, unerwartet begeistert sind. So geschehen in dieser Woche, als ein Hörer vom Konzert für Orchester von Béla Bartók geradezu überwältigt war. „Ich glaube nicht, dass Sie mir in diesem Kurs noch etwas vorspielen können, das mich mehr fasziniert.“ Das Gefühl, in einer bisher nicht gekannten Klangwelt völlig aufzugehen, gewissermaßen ein kompositorisches Zuhause zu finden – was gibt es Schöneres für denjenigen, der es so erlebt? Und natürlich für den, der es ausgewählt und gehofft hat, dass seine eigene Begeisterung sich wenigstens ein bisschen auf die Zuhörer überträgt! Eigentlich konnte ja nicht viel schief gehen mit den Berliner Philharmonikern und Pierre Boulez – und trotzdem, für viele Hörer ist Bartóks Musik immer noch eine Herausforderung. Umso mehr hat mich die Frage des Kursteilnehmers gefreut, ob es noch mehr davon gibt. Ja, gibt es! Zum Beispiel drei wunderbare Klavierkonzerte, die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta, sechs Streichquartette, die Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug, zwei Violinkonzerte, Herzog Blaubarts Burg….

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27. November 2016

Wenn man ins Theater geht wie in die Kirche oder in den Gerichtssaal, oder in die Schule, das ist schon falsch. Man muss ins Theater gehen wie zu einem Sportsfest. Es handelt sich hier nicht um Ringkämpfe mit dem Bizeps. Es sind feinere Raufereien. Sie gehen mit Worten vor sich. Es sind immer mindestens zwei Leute auf der Bühne, und es handelt sich meistens um einen Kampf. Man muss genau zusehen, wer gewinnt. […] Man sieht in die Leute hinein, man muß nur scharf zugucken, es ist wie bei Ringkämpfen: die kleinen Tricks sind das Interessante. Das hat das Kino nicht, das mehr für die Dummen ist, die das Innere und Schwierigere nicht begreifen. Darum müssen die Klügeren und Feineren in das Theater gehen, aber sie müssen es, wie gesagt, mehr nach der sportlichen Seite hin betrachten.
Bertolt Brecht, 1920

Wir wollen uns nicht die Mühe machen, Beispiele für anspruchsvolles und ambitioniertes Kino um 1920 anzuführen. Und wir erstellen auch keine Liste von geistlosen Theaterproduktionen derselben Zeit. Wir machen uns lediglich bewusst, dass Brecht 22 Jahre alt war, als er die zitierten Sätze niederschrieb. Das stimmt uns milde und nachsichtig.

25. November 2016

Alles, was ich erzähle, ist erfunden. Einiges davon habe ich erlebt. Manches von dem, was ich erlebt habe, hat stattgefunden.
Matthias Brandt zu Beginn seines Erzählbandes „Raumpatrouille“
Kiepenheuer & Witsch, 176 Seiten, € 18.-
ISBN 978-3-46204-5673

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(Foto: Siebbi)

24. November 2016

Heute Vormittag. Wir hören und sehen Góreckis Sinfonie der Klagelieder in der Aufnahme mit der Sopranistin Dawn Upshaw und The London Sinfonietta unter David Zinman. Die Musik, ebenso die schockierenden, kaum zu ertragenden Bilder hinterlassen ihre Wirkung. Eine Hörerin ist tief beeindruckt und spricht dann sehr angetan von der Gestaltung der Gesangspartie. Ich wage zu antworten, dass die Wirkung des Stückes eigentlich schon in der Vorlage selbst liegt, sozusagen auskomponiert ist. Manche Interpretationszutaten sind mir zuviel, der Betroffenheitsausdruck zu groß, das Parfum zu schwer. Das ruft entschiedenen Widerspruch hervor. Nein, distanziert kann man das ja wohl gar nicht singen, bei solch einem Thema geht das überhaupt nicht, man muss doch die innere Anteilnahme spüren…. Was kann ich noch sagen? Dass eine Anklageschrift nicht im Ton der Empörung vorgetragen wird, dass eine Dokumentation durch Versachlichung an Kontur, Schärfe und Glaubhaftigkeit gewinnt? Aber wir sind weder im Gerichtssaal noch in einem wissenschaftlichen Hauptseminar. Schließlich fragt jemand, ob Frauen anders hören als Männer. Das hat gerade noch gefehlt, aber so kommen wir aus der Nummer wenigstens halbwegs heil heraus. Bis zum nächsten Mal.

22. November 2016

Am kommenden Samstag, 26. November um 19.00 Uhr veranstaltet die Deutsch-Italienische Gesellschaft Mittelhessen e.V. einen kulinarisch-musikalischen Abend unter dem Titel Una serata con Rossini (Ristorante Geranio, Am Kurpark 2, 35619 Braunfels). Für die Musik sorgen der Tenor Kornel Maciejowski und Evgeni Ganev am Klavier. Dazu gebe ich ein paar Erläuterungen über Gioachino Rossini und sein kompositorisches Schaffen. Auch Nicht-Mitglieder sind herzlich willkommen! Es gibt ein 3-Gang-Gourmet-Menü nach Rezepten des Feinschmeckers und Komponisten. Preis € 38,00 p. P. ohne Getränke.

Nach eigener Aussage hat Rossini in seinem Leben nur dreimal geweint, nämlich als seine erste Oper durchfiel, dann, als er Paganini die Violine spielen hörte, und zum dritten Mal, als ihm bei einer Bootsfahrt ein mit Trüffeln gefüllter Truthahn ins Wasser fiel. Den Vogel wird es am Samstag also nicht geben, doch vielleicht die berühmten Tournedos á la Rossini, mit denen sich der Maestro nicht selten Kummer von der Seele gegessen hat.

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(Foto: Jonas M. Luster)

21. November 2016

„Nach 1880 ist eben nichts Gescheites mehr komponiert worden“, sagte kürzlich ein Kursteilnehmer im Anschluss an eine Hörstunde mit Szymanowskis 3. Sinfonie. Der Hörer würde wohl auf Nachfrage seine Behauptung nicht ernsthaft aufrecht erhalten wollen, und doch schwingt in solch einem launig klingenden Kommentar auch Geringschätzung und Ablehnung für Musik des 20. Jahrhunderts mit. Warum ist das so? „Wenn Sie sagen, dass es große Kunst ist, dann wird es wohl so sein“ – eine höfliche Konzession, die tiefe Einblicke in subjektive Hilflosigkeiten gewährt. Musik ohne Symmetrien, ohne periodischen Aufbau, ohne Dur/Moll-Tonalität, ohne vertraute Skalen – viele Hörerinnen und Hörer stehen hier immer wieder unerfahren und ratlos vor klanglichen Verläufen, die für sie nicht antizipierbar und somit unverständlich sind. Ein Kollege nennt das den „Ging-allein-Effekt“ – wer „Hänschen klein“ sagt, muss auch „ging allein“ sagen. Zwei und zwei ist vier, und vier und vier ist acht. Und wehe, wenn nicht!

Diese über Jahrzehnte gewachsenen musikalischen Vertrautheiten, Berechenbarkeiten und Verlässlichkeiten – sozusagen von Kindesbeinen an und fortgesetzt in Schule, Ausbildung und Beruf, Freizeit und Hobby – stehen häufig einer unvoreingenommenen Annäherung an Musik der Moderne oder Avantgarde massiv im Wege. Wie oft haben wir die Diskussion geführt, was Musik überhaupt sei oder was sie enthalten müsse! Melodie, Harmonie, Rhythmus, Takt? Bei der Uraufführung von Beethovens „Eroica“ verlangten die Leute ihr Geld zurück, bei Strawinskys „Sacre du printemps“ hat sich das Publikum geprügelt und die Bestuhlung zerlegt. Wären wir nur dabei gewesen, was hätten wir alles lernen können! Verstehen und nicht verstehen ist das eine, mögen und nicht mögen das andere. Achtung: Wissen gefährdet nicht nur die Dummheit, sondern wirkt auch genussfördernd!

19. November 2016

Freundschaft ist, wenn dich einer für gutes Schwimmen lobt, nachdem du beim Segeln gekentert bist.
Werner Schneyder

17. November 2016

In der letzten Ausgabe des Magazins Silberhorn schreibt Hans-Jürgen Schaal zu Beginn seines Artikels „Feuer aus dem Geist schlagen“, Musik sei eine Sache für junge Leute. Von „völligem Mitgerissensein“ ist dann zu lesen, von „maßloser Begeisterung“, von einem „vertrauensvollen Sich-Ausliefern an den Sound“. Dann die Feststellung: „Das gibt es später im Leben einfach nicht mehr“. Es folgen Sätze über das angebliche Erlöschen von Feuer und Risiko im Alter, über das „Gefängnis der Wiederholung“, über „permanenten Lebensfluch“. Was sind Alterswerke? Bachs „Kunst der Fuge“ sei „kontrapunktisches Gehirnjogging gegen die Verkalkung, eine Art von extraschwerem Senioren-Sudoku“, befindet der Autor und fordert wenig später, „Musik sollte Risiko, Regelverstoß und Temperament sein, nicht Vorübung zum Tode“. Da traut sich aber einer was – und besteht die Prüfungen in Provokationssemantik und Verbalnarzissmus mit Auszeichnung.

15. November 2016

Novembertag

Geht ein sonnenloser Tag
wiederum zur Neige,
und der graue Nebel tropft
durch die kahlen Zweige.

Leise atmend ruht die See,
müde, traumumsponnen …
eine Woge, schaumgekrönt,
ist im Sand zerronnen.
Clara Müller-Jahnke (1860-1905)

13. November 2016

Zurück aus Amsterdam, zurück von einer sehr schönen Opernreise. Natürlich ist der Besuch der Vorstellung immer der Höhepunkt einer solchen Reise, und wieder einmal haben wir Glück. Händels Jephta, szenisch aufgeführt in De Nationale Opera, ist musikalisch sehr beeindruckend, zudem lässt die Inszenierung in positivem Sinn Raum für angeregte Diskussionen. Eine dreistündige Stadtrundfahrt gibt Einblicke in die bewegte Geschichte der Stadt, dazu Tipps zu Besuchen weiterer kultureller Einrichtungen wie Theater, Museen, Konzerthäuser etc.

Die Ausstellung Happy Birthday Marilyn zum 90. Geburtstag von Marilyn Monroe (De Nieuwe Kerk) ist ein großes, bewegendes Geschenk. Die zahlreichen Exponate aus dem persönlichen Besitz Marilyns in Augenschein nehmen zu können und dabei das Gefühl zu empfinden, es handle sich um Sensationsfunde, um kostbare Devotionalien – das ist schon etwas sehr Besonderes. Und da sind sie wieder, die von Andreas Jacke beschriebenen Projektionen und Rettungsfantasien, von denen sich unsereins nie ganz befreien wird. Beseelt von einer Mixtur aus Bewunderung, Trauer und stillem Glück verlasse ich den Ort, trinke in irgendeinem Bistro ein Amstel oder Heineken, ziehe weiter durch die Straßen, kaufe eine Dose mit Gebäck und zwei Ansichtskarten. Im Tuschinski-Theater bestelle ich einen Kaffee und bestaune das Interieur. Wieder ein paar Schritte, dann ins Grand Café L’Opera (Rembrandtplein) für eine heiße Schokolade. Es kommt eine falsche Rechnung über fünfzehn Euro. Ich überlege kurz, kommentarlos zu bezahlen und reklamiere dann doch. Es ist spät geworden, die Zeit ist schnell verflogen. Ich würde gern länger bleiben, doch ich bin zum Essen verabredet und muss los.

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9. November 2016

Die eingängige Melodik der Berliner Luft oder der Schlösser, die im Monde liegen sorgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die große Popularität von Paul Lincke. Seine Operetten, Gesangswalzer, Lieder und Charakterstücke waren beim Publikum außerordentlich beliebt. Zuweilen wird seine Bedeutung für Berlin mit der von Johann Strauß für Wien und Jacques Offenbach für Paris verglichen. Der Komponist Paul Dessau zum Beispiel schätzte Linckes Glühwürmchen-Idyll sehr und hielt das Stück für „etwas Großartiges, das mit Kitsch überhaupt nichts zu tun“ hat. Und Richard Strauss antwortete 1941 auf die Frage des NS-Reichpropagandaministers, wen er als Unterhaltungsmusik-Komponisten gelten lasse: „Allenfalls noch Paul Lincke. Die anderen sind doch niedrigstes Niveau.“

Am 7. November, also vor zwei Tagen, feierte die Musikwelt den 150. Geburtstag des Berliner Ehrenbürgers. Die Straße parallel zum Landwehrkanal im Stadtteil Kreuzberg wurde 1956 erst in Lincke-Ufer, zehn Jahre später dann in Paul-Lincke-Ufer umbenannt.

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Berlin, Paul-Lincke-Ufer (Foto: Lienhard Schulz)

7. November 2016

„Für mich muss Weihnachtsmusik festlich sein“, erklärte eine Teilnehmerin zu Beginn des Kurses „In dulci jubilo – Weihnachtsmusik durch die Jahrhunderte“ in der Musikschule Friedrichsdorf. Also getragene Musik für Blechbläser? Was ist Weihnachts- oder Adventsmusik, und wer entscheidet das? Bei textgebundener Musik mag das auf der Hand liegen, wenn es sich um geistliche oder biblische Vorlagen handelt. Aber bei reiner Instrumentalmusik? Mein erstes Klangbeispiel war dann Antidotum tarantulae von Athanasius Kircher. Die Geburt Jesu als Gegengift zu unseren Sünden? Eine interessante Perspektive, ebenso wie die Nr. XVIII aus den Vingt regards sur l’enfant Jésus, „Regard de l’onction terrible“ von Olivier Messiaen. Die Salbung des Herrn als furchtbares Erlebnis für die irdischen Herrscher – acht Minuten Klaviermusik mit aggressiven, dissonanten Klängen. Weihnachtsmusik? Jeder Komponist hat seine eigene Betrachtungsweise, sieht das Geschehen aus ganz persönlichem Blickwinkel und gibt ihm seinen eigenen Sinn.

Natürlich ist uns das Festliche, das Würdevolle und Erhabene sehr vertraut, sozusagen mit Pauken und Trompeten, buchstäblich. Doch es geht auch anders – introvertiert, beseelt und ganz piano, wieder ganz wörtlich. Wie Weihnachten von Max Reger für Orgel solo. Zum Glück verfügen wir über diese enorme Bandbreite an Musikstücken und können wählen, welches für uns die ideale Weihnachtsmusik ist, bis hin zu Muh und Mäh und Täterätätä. Nur Junge, komm bald wieder ist kein Weihnachtslied, obwohl der Titel das durchaus hergäbe. Allerdings mehr im Advent.

5. November 2016

Unsere diesjährige Opernreise geht nach Amsterdam (De Nationale Opera). Im Laufe der letzten Jahre haben wir einige bedeutende Häuser in Europa besucht, z. B. die Mailänder Scala, die Wiener Staatsoper oder die Pariser Opéra Bastille. Für das nächste Jahr ist eine Reise nach London (Covent Garden) geplant. Das Opernhaus in Zürich ist weiterhin ein attraktives Ziel, auch wenn die Schweiz sehr teuer ist. Ebenso sollte das Teatro La Fenice in Venedig in der engeren Wahl bleiben. Bisher sind wir mit dem Bus gereist, mit Aufenthalten vor Ort von jeweils drei bis vier Tagen, immer in sehr schönen Hotels.

Nach London und evtl. Zürich oder Venedig würde ich gerne Ziele ins Auge fassen, die sich aufgrund der Entfernung für Busreisen eigentlich nicht eignen wie z. B. Barcelona oder St. Petersburg. Auch Oslo wäre spannend, als kombinierte Bus- und Schiffsreise, ab Kiel mit der Color Line. Natürlich kommen auch kleinere, gleichwohl großartige Häuser in Betracht wie Toulouse, Bilbao oder Mantua. Ein großer Reiz, übrigens nicht nur für mich, liegt darüber hinaus in noch ferneren Zielen. Die Metropolitan in New York, das Teatro Colón in Buenos Aires, das Sydney Opera House, das Grand Theatre in Shanghai – alles wunderbare Städte und Ziele für die nächsten Jahre! Könnte nur sein, dass die Reisegruppen dann etwas kleiner werden….

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Shanghai, Grand Theatre (Foto: Pyzhou)

2. November 2016

Nicht deswegen habe ich keine Eile,
weil ich mehr Zeit habe,
sondern weil ich weiß,
dass mir die Eile alles zerstört.
Ein Leben in Eile hast du verpasst.

Gelesen letzte Woche in Berlin,
U-Bahnhof Gleisdreieck,
während des Wartens auf die Bahn

31. Oktober 2016

Ein Dirigent sollte nicht zu viel reden, die Musiker mögen das nicht.
Andris Nelsons

Wahrscheinlich stimmt das. Der Dirigent ist der natürliche Feind des Orchesters, heißt es. Nur die wenigsten Orchestermusiker schätzen Erläuterungen. Wenn überhaupt, müssen Erklärungen kurz und knapp ausfallen, egal ob es sich um sachliche, technische Hinweise handelt oder um die Aufforderung, einen violetten Nebel zu spielen, wie Harnoncourt es einmal verlangt haben soll. Warum bloß? Weil Orchestermusiker irgendwann glauben, schon alles zu kennen? Jedes subito piano, jedes rubato, jeden Vergleich, jede Anekdote? Erfahrenes Orchester und junger Dirigent, ist das per se problematisch? Nein! Bernstein, Celibidache, Kleiber – sie alle haben erleben müssen, dass während ihrer Proben mit wirklich großen, namhaften Orchestern geredet, getuschelt und schlicht nicht zugehört wurde. Es ist keine Frage des Alters, es ist eine Frage des Benehmens! Zugegeben, es gibt unter Dirigenten auch Ich-Erzähler und Selbstdarsteller. Dann werden die Orchestergrabenkämpfe nonverbal während der Musik ausgetragen. Beim Speed-Dating entscheidet sich in den ersten sieben Sekunden, ob es funkt oder nicht. Bei Dirigenten und Orchestern sind es vielleicht sieben Minuten. Und wenn es gefunkt hat, darf der Dirigent auch reden. Nur nicht so viel.

30. Oktober 2016

Nochmal zum Thema Literaturnobelpreis. Vor ein paar Tagen hat der peruanische Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa in Berlin die Vergabe des Preises an Bob Dylan als „Ausdruck der zunehmenden Frivolität der Kultur in unserer Zeit“ bezeichnet. Llosa sprach von der „Zivilisation des Spektakels“, die inzwischen bis zur Schwedischen Akademie reiche.

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Mario Vargas Llosa (Foto: Arild Vågen)

Wir dürfen getrost davon ausgehen, dass Vargas Llosa keine Einzelmeinung vertritt. Doch statt einen solchen Klartext zu sprechen, haben viele Beobachter und Kommentatoren es vorgezogen, die Entscheidung als „mutig“ oder „wegweisend“ zu interpretieren. Wahrscheinlich wird demnächst auch ein Nobelpreis für Philosophie vergeben, den dann Richard David Precht bekommen wird. Den Preis für Musik teilt sich Ralph Siegel. Mit wem, darf er sich aussuchen.

Pause bis zum 30. Oktober 2016

13. Oktober 2016

Die Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan begrüßen, aber die Verwendung von Chorizo in der Paella ablehnen – das geht nicht zusammen. Sich hier in Anspruchs- und Niveaufragen flexibel zeigen, dort aber auf Regeln und tradierte Vorschriften pochen – wer soll das verstehen? Macht die Vorliebe für düstere Metaphern in Kreuzreimen schon gute Lyrik? Ist eine würzige Wurst im Reis gleich eine Kriegserklärung an Spanien? Kommt’s Freunde, hätte Harry Valérien gesagt, lasst’s amal gut sein. Der Bob Dylan schreibt und singt ganz schön, der Jamie Oliver kann gut kochen. Der eine steht jetzt in einer Reihe mit Hesse, Mann und Hemingway, der andere muss sich die hämisch-ironische Belehrung gefallen lassen, Fish and Chips bestünde neuerdings aus Auberginen und Ente. Merke: Im Übertreiben unterscheiden sich die Mitglieder des Nobelpreiskomitees nicht von empörungsbesoffenen Hobbyköchen und Internetusern. Bob Dylan und Jamie Oliver werden damit zurechtkommen.

11. Oktober 2016

Anlässlich der Deutschland-Premiere von „Inferno“ weilt Filmstar Tom Hanks in Berlin. Er würde gern mehr Zeit „in der faszinierendsten Stadt der Welt“ verbringen, so sagt er. Voraussetzung sei, dass jemand ihm ein Appartement überließe, am besten eines, von dem aus er zu Fuß die bekannte Würstchenbude „Curry 36“ erreichen könne. Daraus schließen wir, dass Mr. Hanks Berliner Currywurst schätzt, was bei ihm wie „curry worse“ klingt. Er wäre auch mit einem Plattenbau in Ostberlin zufrieden, ergänzt er. Nun, es gibt eben verschiedene Formen der Selbstkasteiung. Ob auch der Besuch von „Inferno“ dazu zählt, können wir erst ab übermorgen beurteilen. Dann kommt der Film in die Kinos.

9. Oktober 2016

Gesualdos Musik klingt, als würde ein hautwandiger Raum von selbst zu klingen beginnen. Das ist das einzige Selbstverständliche an dieser Musik, an der nichts „natürlich“, alles aber herrliche Willkür und außerordentliche Gewalt ist. Gerade hat der Principe noch mit dem Dolch in Leichen gestochert, schon setzt er peinvolle, subtile Kontrapunkte, die schönsten, die es gibt. Es bleibt ohne Beispiel.
Wolfgang Rihm

Gesualdo – Fürst, Mörder, Komponist heißt der Ballettabend, der am kommenden Samstag als künstlerische Spurensuche im Salzburger Landestheater Premiere haben wird. Es hat etwa 400 Jahre gedauert, bis die Madrigale von Carlo Gesualdo (1566 – 1613), Fürst von Venosa, 2013 in seiner Heimat Neapel wieder aufgeführt wurden. Selbstverständlich war auch hier bekannt, dass Gesualdos Musik weltweit bewundert und bestaunt wird. Doch nicht ohne ein gewisses Frösteln sprechen die Neapolitaner von dem berühmten Sohn ihrer Stadt, der in seinem Palazzo seine Frau und deren Liebhaber in flagranti erwischte und brutal ermordete. Es spuke bis heute in seinem Palast, so erzählt man, und Gesualdos Seelenqualen könne man in seiner Chormusik Takt für Takt nachspüren. Kaum eine Passage ohne harmonische Kühnheiten, unerwartete Wendungen und Taktwechsel. Das Werk eines Psychopathen, der sich nach der Tat auf sein Schloss zurückzog. Eine gerichtliche Untersuchung blieb ohne Folgen, denn Ehrenmorde unter Adligen wurden nicht gesühnt. Gesualdo mied fortan die Öffentlichkeit und komponierte den Rest seines Lebens atemberaubende Gesänge. Gesualdo – Fürst, Mörder, Komponist. Wer es am Samstag nicht bis Salzburg schafft, hat noch Zeit bis Mai 2017. Bis dahin gibt es siebzehn Vorstellungen.

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7. Oktober 2016

Eine der kompositorischen Stärken von Dmitri Schostakowitsch ist sein Gespür für einprägsame Rhythmik und Melodik bei gleichzeitiger Knappheit im Ausdruck. Wir haben uns in dieser Woche mit seinem Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur op. 107 befasst, welches die genannten Charakteristika in besonderer Weise zeigt. Gleich das erste Thema, vom Solocello intoniert und später von einzelnen Orchesterinstrumenten und -gruppen in immer wieder veränderter Form aufgegriffen, lässt den Zuhörer nicht los. Es ist ein zupackendes, vitales Thema, das im letzten Satz des Werkes noch einmal wiederkehrt. Schostakowitsch zitiert es sowohl im Original als auch augmentiert, so dass fast der Eindruck entsteht, der Komponist habe einfach nicht davon lassen können. Thematische Verklammerung, Kompositionstechnik oder Intention hin oder her – das Thema ist einfach unwiderstehlich! Ein schöner, willkommener Ohrwurm fürs Wochenende.

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4. Oktober 2016

Bis zum Abschluss des Umbaus der Kölner Oper dient das Staatenhaus am Rheinpark als Interimsspielstätte, voraussichtlich bis zum Ende der laufenden Spielzeit. Bekanntlich kann man sich an Provisorien gewöhnen, sofern diese Bezeichnung hier zutreffend ist. Immerhin führen die baulichen Bedingungen des Staatenhauses zu gravierenden Änderungen der Vorstellungsabläufe. Es gibt keinen Orchestergraben, die Bühne liegt zwischen Publikum und Orchester, der Dirigent hat also Chor und Solisten im Rücken, folglich bekommen diese ihre Einsätze über zusätzliche Assistenten, welche vor der ersten Parkettreihe ihren Platz haben. Der Großteil der Bühnenarbeiten kann von den Zuschauern verfolgt werden, der Auf- und Abbau von Staffagen, Plateaus, Dekorationen etc. vollzieht sich buchstäblich unter Aufsicht des Publikums.

Das Ganze hat den Charakter eines elaborierten Workshops, mit faszinierenden Einblicken in das Making-of der Produktion. Zuweilen hofft man als Gast, zu Aushilfsarbeiten herangezogen zu werden, wenn ein paar Quader gesetzt oder Teppiche verlegt werden müssen. Leider vergeblich, die Bühnencrew schafft alles mühelos allein. Gestern Abend, während der Dernière von Benvenuto Cellini, konnte einem durchaus der Gedanke unterlaufen, dass man das alles sehr vermissen könnte, wenn das Opernhaus am Offenbachplatz eines Tages saniert sein wird. Und wie selbstverständlich, quasi nebenbei war die Aufführung ein Augen- und Ohrenschmaus der Extraklasse. Einzig die langweilige Einführung hielt mit dem Rest des Abends nicht mit. Bitte erzählen statt ablesen! Und der Komponist heißt Berlioz – gesprochen Berlios, nicht Berliosch! Sorgfalt und Qualität sollten auch für die Einführung gelten und sind weder Luxus noch Glücksache.

3. Oktober 2016

Turandot
Eis, das dir Feuer gibt
und durch dein Feuer noch mehr zu Eis wird!
Offenbar und undurchsichtig!
Wenn es frei dich will,
macht es mehr zum Knechte dich.
Nimmt es dich zum Knechte,
so macht es zum König dich!
Das Eis, das Feuer gibt, was ist es?

Kalaf
Mein Sieg, der dich nunmehr
mir gegeben hat!
Mein Feuer taut dein Eis: „Turandot!“

Kleiner Nachtrag zum Thema Eisbrecher…

30. September 2016

Die französische Schauspielerin Audrey Tautou („Die fabelhafte Welt der Amélie“) soll in einem Interview gesagt haben, sie wolle lieber an Bord eines Eisbrechers sterben als in einem Altenheim. Das lassen wir mal so stehen.

28. September 2016

Chorsängerinnen und –sänger in Deutschland sind hinsichtlich zentraler soziographischer Merkmale untypisch für den Bevölkerungsdurchschnitt. Eine Studie des Instituts für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg resümiert gar „ein von der Gesamtbevölkerung eklatant abweichendes Profil“. Einem geringen Anteil von Hauptschülern steht ein hoher Anteil an Chorsängern mit höheren Bildungsabschlüssen gegenüber. Soziokulturelle Einflüsse beeinflussen Mitgliedschaften in Chören, so das Ergebnis.

Gleichzeitig singen in Deutschland nur knapp drei Prozent der Bevölkerung in Chören. Die Quote liegt höher, wohin man auch schaut – ob in Österreich, Irland, Skandinavien, Baltikum, Südafrika, USA. Vor allem Projektchöre machen den etablierten Vereinsformationen seit Jahren Konkurrenz. Wer singen will, so die Ansicht nicht weniger Insider, schließt sich einem Projektchor an. In etablierten Gesangsvereinen haben dagegen Mitglieder eher selten Interesse an Musik. Hier haben Feierabend, Geselligkeit und Austausch Priorität, unabhängig vom Bildungsgrad – was dem Ergebnis der Studie nicht entgegen steht.

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26. September 2016

Am letzten Wochenende war im BR Fernsehen eine Wiederholung des Fernsehfilms Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit (R.: Wolfgang Murnberger, D/A 2015) zu sehen. Die Hauptrollen sind mit Tobias Moretti als Luis Trenker und Brigitte Hobmeier als Leni Riefenstahl besetzt. In Rückblenden, so informiert der Sender auf seiner Homepage, „wird die Geschichte zweier Opportunisten erzählt, die sich, besessen vom Willen nach künstlerischem Erfolg, instrumentalisieren ließen“. Die ZEIT schrieb nach der Erstausstrahlung, der Film sei „auch das Psychogramm zeitgenössischer Alphatiere zwischen Zwergenmut und Größenwahn, Profilneurose und Geltungsbewusstsein, Macht und Ohnmacht“. Tobias Moretti und Brigitte Hobmeier zeigen alle diese Facetten. Moretti hat seinen Trenker gründlich studiert und erweckt vor allem dessen draufgängerische Chuzpe und Schneidigkeit zum Leben. Brigitte Hobmeiers Riefenstahl zeigt deren multiple Persönlichkeit sehr sensibel und mit großer Intensität. Die Erstausstrahlung von Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit im November 2015 wurde in Deutschland übrigens von über dreieinhalb Millionen Zuschauern gesehen – ein beachtlicher Wert.

23. September 2016

Das Nichtschwimmer, ein beliebtes und in doppeltem Sinne ausgezeichnetes Restaurant in Bielefeld, wirbt in seinem Internet-Auftritt u. a. mit Zitaten bekannter Schriftsteller. Den Anfang macht Franz Kafka: „“Das Leben, eine fortwährende Ablenkung, die nicht einmal zu Besinnung darüber kommen lässt, wovon sie ablenkt.“ Nach klugen Sätzen von Heine und Voltaire dann Leonardo da Vinci: „Wenn du meinst, dass im Alter die Weisheit dich nähren soll, dann eigne sie dir in deiner Jugend an, so dass dir im Alter die Nahrung nicht fehle.“ Schließlich der schönste Satz – von Karl Heinrich Waggerl: „Schweigen ist ein köstlicher Genuss, aber um ihn ganz auszuschöpfen, muss man einen Gefährten haben. Allein ist man nur stumm.“ Ablenkung, Nahrung, Genuss – ein gutes Restaurant ist eben alles, nur nicht Geschmacksache.
Nichtschwimmer, Arndtstr. 6-8, 33602 Bielefeld, Tel. 0521-5577530

21. September 2016

Bitte vormerken – die Termine der 2. Wetzlarer Improvisationstage 2017! Es werden wieder vier wunderbare Konzerte von großer stilistischer Vielfalt – mit experimentellen Elementen, gemischt mit vermeintlich vertrauten, gefühlt traditionellen Klängen! Mit ganz verschiedenen Formen und Verläufen, mit visuellen Umsetzungen und der Möglichkeit zum kreativen Mitmachen. Oder einfach nur zum Hören, Sehen und Staunen. Nicht verpassen!

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Do, 26.01.2017
19.30 Uhr, Musikschule
context Ensemble
Improvisations-Ensemble für Stimme und Elektronik,
Sprache, Klavier und Perkussion

Fr, 27.01.2017
19.30 Uhr, Musikschule
Bassa
Tango Azul – Violine, Klarinette, Gitarre, Kontrabass
mit Beteiligung eines Tango-Paars vom Schwarz-Rot-Club Wetzlar e.V.

Sa, 28.01.2017
15.00 Uhr, FORUM Wetzlar
QuadrArt und Annette Winkels
Musik zur Malerei – Malerei zur Musik
Violoncello, Erweitertes Saxophon, Akkordeon, Piano

So, 29.01.2017
11.00 Uhr, Musikschule
La Moresca
Crossover – Höfische Musik, Tanz, Folklore

19. September 2016

Die Oper Köln setzt auch in der neuen Spielzeit ihre „Operntage“ fort. An vier Terminen gibt es Karten zum Einheitspreis von € 15,00 auf allen Plätzen! Den Anfang macht am 3. Oktober 2016 Benvenuto Cellini von Berlioz. Es folgen La voix humaine (Poulenc)/Herzog Blaubarts Burg (Bartók) am 15. Januar 2017, Lucia di Lammermoor (Donizetti) am 9. April 2017 und Die Gezeichneten (Schreker) am 12. Juli 2017.

Das Angebot ist sehr attraktiv – wer Karten erwerben möchte, sollte sich also frühzeitig darum kümmern (Ticket Hotline 0221 – 22 12 84 00)!

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16. September 2016

Ein örtlicher Reiseveranstalter hat uns vor gut zwei Wochen eine Konzertreise zur Elbphilharmonie nach Hamburg für März 2017 angeboten. Jetzt ist die Reise mit über vierzig Anmeldungen so gut wie ausverkauft. Natürlich ist das sehr erfreulich, aber unsereins macht sich doch Gedanken über den Hauptgrund für diesen großen Zuspruch. Ich tippe auf die Elbphilharmonie als Bauwerk, ehrlich gesagt. Das Konzerthaus wird im Januar 2017 nach fast zehnjähriger Bauzeit endlich eröffnet, und Konzept, Architektur, Akustik und äußere Erscheinung sind sicher außergewöhnlich. Allerdings gilt dies auch für die Kosten, denn immerhin schlägt das Projekt für die Steuerzahler mit rund 800 Millionen Euro zu Buche.

Das Interesse am Konzertprogramm folgt im Übrigen den Fragen nach den im Reisepaket inkludierten Serviceleistungen (Hotelstandard, Frühstücksbuffet, Stadtrundfahrt, Kartenkategorie etc.). Das Violinkonzert von Korngold und Elgars 2. Sinfonie stehen für die Teilnehmenden also wohl kaum im Vordergrund ihrer Entscheidung, bei der Konzertreise mit dabei zu sein. Bleibt trotzdem zu hoffen, dass man sich auf der Heimreise nicht nur an den Ort des Geschehens, sondern auch an die Musik erinnern wird. Die nämlich hat es allemal verdient und unterscheidet notabene eine so bezeichnete Konzertreise von einer bloßen Städtetour mit Sightseeing.

14. September 2016

Sonntag, 2. April 2017, 15.00 Uhr
Opéra de Dijon
Monteverdi, Il ritorno d‘ Ulisse in patria
Regie: Mariame Clément
mit Rolando Villazón (Ulisse), Magdalena Kožená (Penelope) u. a.
Le Concert d’Astrée, Ltg. Emmanuelle Haïm
€ 57,00

Es gibt noch Karten (www.opera-dijon.fr, Tel. 00 33 – 3 80 48 82 82 ) und freie Plätze in meinem Auto. Ich bleibe allerdings ein paar Tage und fahre schon am Freitag los.

11. September 2016

40 Jahre Abitur, Klassentreffen mit Führung durch das Gymnasium und Einsichtnahme in die Abiturklausuren – das war schon etwas sehr Besonderes gestern, mit vielen Erinnerungen, Anekdoten und „Weißt du noch“-Geschichten. Nur etwa ein Drittel des Jahrgangs war gekommen, doch die berührenden Momente, das wirklich Bewegende erlebt ohnehin jeder allein und ganz für sich. Der Eintritt durch das alte Hauptportal, der Weg durch die Flure, das Lehrerzimmer, die Klassenräume. Die alte Turnhalle mit dem Parkettboden, der immer noch so aussieht wie damals, der Naturwissenschaftstrakt mit Biologie, Physik und Chemie, das ehemalige Sprachlabor, Kunstraum, Handarbeit (heute „Textiles Gestalten“). Dann der mit Spannung erwartete Musikraum, im 2. Obergeschoss, äußerlich kaum verändert, mit den eingelassenen Schränken gegenüber den Fenstern. Hier habe ich gesungen und Rhythmen geklatscht, später dann Kadenzen an die Tafel geschrieben und zum ersten Mal Alban Bergs „Wozzeck“ gehört. Nebenan der Instrumentenraum, wo tatsächlich noch das alte Sperrhake-Cembalo steht und auf dem wahrscheinlich nie jemand spielt, also alles wie gehabt. Höhepunkt aber die alte Aula! Hier fanden die Schulkonzerte statt, bei denen ich als Mitglied des Schulorchesters mitgewirkt habe. Geprobt wurde immer samstags in der 5. Stunde, nach Ende des regulären Unterrichts. In der Aula hatte ich meinen ersten öffentlichen Auftritt als Dirigent und natürlich das Konzert am 26.06.1976, in dem ich als 18-jähriger Abiturient schwer verliebt meine „Fuga sabina“ uraufgeführt habe, eine Komposition für Sabine, ein Mädchen aus der achten Klasse. Noch einmal auf dieser Bühne zu stehen mit ihren kleinen Seitenaufgängen, dem dunklen Vorhang, den alten Requisiten, dem Steinway-Flügel…. Ein bisschen Wehmut schwingt mit, das ist ganz normal. Es hat auch mit den immer wiederkehrenden Themen des Lebens zu tun, mit Fragen nach Zeit und Sinn und Ziel – was war, was ist, was hätte werden können und was wird noch sein? Dass ich bei der Lektüre meiner Deutsch-Abiklausur feststellen musste, dass die korrigierende Frau Studienrätin meine Arbeit schlicht nicht verstanden hatte, tat nicht weh. Dafür war das Geschenk, überhaupt noch einmal vor Ort sein zu dürfen, zu schön.

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8. September 2016

Gestern Abend im Opernkurs: „Les Troyens“ von Hector Berlioz, 3. Akt. Die Londoner Produktion (Royal Opera House) von 2012 liefert ein weiteres starkes Argument für die Beschäftigung mit der großen französischen Oper, diesem so speziellen Zweig des Musiktheaters. Mitreißende Chöre, kunstvolle Arien und Ensembles, eingebettet in intensive und differenzierte Orchesterklänge – dazu spielt Berlioz klug und virtuos mit den Mitteln der Dramaturgie, insbesondere mit retardierenden Momenten. Die Trojaner treffen in Karthago ein, und jeder von uns wartet mit Spannung auf die erste Begegnung zwischen Dido und Aeneas – nach der Lektüre des Librettos wissen wir, dass sie in überwältigender, tragischer Liebe zueinander entflammen werden. Dido kennt ihren künftigen Geliebten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und so warten wir zusammen mit ihr. Doch Berlioz lässt seinen Helden erst mit einiger Verspätung auftreten, dafür allerdings imponierend kraftvoll und siegessicher. Dido ist tief beeindruckt, sie wird Aeneas in rasender Leidenschaft verfallen und ahnt bereits jetzt, dass sie ihren Gefühlen schutzlos und unkontrollierbar ausgeliefert sein wird. Wir dürfen ihr bei jedem Schritt in die Katastrophe zusehen, wir fiebern mit ihr, wir möchten ihr mit guten Ratschlägen zu Hilfe kommen, eigentlich müssten wir längst selbst auf der Bühne sein. In diesen Momenten lieben wir Berlioz und die Grand opéra und wissen, dass er stimmt, dieser Satz: Wir können alles, denn wir sind die Oper.

6. September 2016

Bereits in der letzten Woche haben wir uns in zwei Kursen mit Richard Strauss‘ Alpensinfonie beschäftigt, nun folgt heute und am Donnerstag die 2003 entstandene Alpensinfonie in Bildern von Tobias Melle. Die Musik von Richard Strauss ist nicht zuletzt wegen der großen Besetzung – es spielen weit mehr als 100 Musiker u. a. Windmaschine, Donnermaschine, Glockenspiel und Herdengeläute – und der damit verbundenen kunstvollen Verwendung klanglicher Möglichkeiten ausgesprochen bildhaft. Insofern war es Tobias Melles selbstgestellte und wohlverstandene Aufgabe, die unsichtbar vorhandenen Bilder sichtbar zu machen, ohne die Musik zum Soundtrack zu degradieren. Vielmehr habe er einen „Eyetrack“ geschaffen, so Melle, und liegt damit ganz richtig. Kommt üblicherweise zu bereits vorhandenen Bildern – ob Kino, Malerei oder Fotografie – die Musik erst hinzu, so unterfüttern hier sozusagen die Bilder bereits vorhandene Klänge – auf Augenhöhe, so das Wortspiel erlaubt ist.

Mit der Alpensinfonie in Bildern ist ohne Zweifel die Erfahrung einer Wanderung gelungen, wie sie Boris Baginski im Booklet der DVD beschreibt: Das ist es doch, was ein Bergerlebnis ausmacht: Die Anstrengung des Anstiegs, die Ruhe, Stille, Würde und Erhabenheit der wilden, unberührten Natur, mit all ihren Gefahren – das ermöglicht eine Selbsterfahrung, ein großes Erlebnis, ein Sich-Einordnen in die Dimensionen der Natur – und auch eine „Reinigung“. Heute scheint diese Geisteshaltung fast altmodisch, angesichts von Funsport und Erlebnisparks – aber ist nicht eine solche Form des Erlebens die weitaus großartigere und im eigentlichen Sinne die wertvollere?

Strauss Alpensinfonie

4. September 2016

In zahlreichen Büchern hat der amerikanische Psychiater und Bestseller-Autor Irvin D. Yalom über seine Erfahrungen und Erlebnisse mit Patienten berichtet. Aus Gründen der Vertraulichkeit hat er die jeweilige Identität der einzelnen Patienten stark verschleiert, wie er schreibt, und immer deren Zustimmung oder schriftliche Genehmigung zur Veröffentlichung eingeholt. Die einzelnen Episoden sind durchweg unterhaltsam, der Erzählstil ist leichtfüßig und unkompliziert. Die Besonderheit liegt weniger im Inhalt bzw. in den verschiedenen Dispositionen und Ausgangssituationen seiner Besucher, sondern vielmehr in komprimierten, verblüffenden Sätzen, die sowohl seinen Patienten als auch ihm selbst entfahren. „Sie müssen die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufgeben“, sagt er zum Beispiel oder spricht über Menschen, „die zu einem Klassentreffen gehen und sich dort Hals über Kopf verlieben, manchmal in eine alte Liebe, oft in jemanden, den sie früher nicht einmal gut kannten.“ Yalom nennt das „Liebe via Assoziation“ und identifiziert „träumerische Erwartungen an ein aufregendes Leben, das sich märchenhaft und unermesslich“ vor ihnen ausbreitet, als Grund für die Übertragung auf eine Person, die zum Symbol für Glück und Erfüllung wird, oft mit verheerendem Ausgang. An anderer Stelle geht es um kleine und große Geheimnisse. „Ich arbeite bei Starbucks“, postet jemand auf einer anonymen Website, „und wenn Kunden unfreundlich sind, gebe ich ihnen koffeinfreien Kaffee.“
Tipp: Irvin D. Yalom, Denn alles ist vergänglich; btb Verlag, München 2015

30. August 2016

Die Wahrheit nachbilden mag gut sein, aber die Wahrheit erfinden ist besser, viel besser.
Giuseppe Verdi (1813 – 1901)

Giuseppe_Verdi_by_Giovanni_Boldini

29. August 2016

2016 ist das Internationale Jahr der Hülsenfrüchte. Unter der Leitung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen soll das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit für die ernährungsphysiologischen Vorzüge von Hülsenfrüchten und den Nutzen für eine nachhaltige Landwirtschaft gestärkt werden. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung führt im Jahr der Hülsenfrüchte Veranstaltungen durch, um die Wahrnehmung des Potentials der Hülsenfrüchte in der Öffentlichkeit zu verstärken.

2016 ist auch das Wissenschaftsjahr der Meere und Ozeane, ausgerichtet vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ein wichtiger Aspekt des Themas ist der Schutz der Meere vor den Auswirkungen von Klimawandel, Rohstoffabbau und Vermüllung.

Und 2016 ist das Jahr der Harfe, eines der ältesten Musikinstrumente der Menschheit! Schon seit ca. 3000 v. Chr. sind Hinweise auf Harfeninstrumente erhalten. Die Harfe ist ein äußerst vielseitiges Instrument und als Klangfarbe im Orchester bedeutend, eignet sich aber auch vorzüglich als Soloinstrument. Die Harfe findet nicht nur in der klassischen Musik Verwendung, sondern wird auch in anderen Genres wie Pop, Jazz und Folk eingesetzt.

So, und wer verlinkt jetzt diese Widmungen? Ozeane, Harfen und Hülsenfrüchte müssten doch zueinander gebracht werden können! Wie wär’s mit einer Neufassung der „Meuterei auf der Bounty“? Ein 2016er Infotainment-Abenteuer mit daily mushy peas und Harp Lager vom Fass. Claude-Oliver Rudolph als Käpt’n Bligh trägt eine Sonnenbrille von oceanblue. In weiteren Rollen Tom Cruise (!), Claus Kleber und Gundula Gause.

27. August 2016

Das Jahresende 1963 war ereignishaft darin, daß der Tod seine Sense schwang. Die schwarzen Raben flogen. Sie flogen auch zu Winfried Zillig. Musiker, Kapellmeister und Komponist. Schönberg-Schüler. […] Einmal wird man die Biographie dieser Generation schreiben müssen, die eine verfluchte Zeit hindurch nicht sein konnte, was sie sein wollte. Die Widerstände hätten sie stärker gemacht? Ach, die Widerstände haben sie nicht zu dem kommen lassen, was „Leben“ heißt! […] Zillig gehörte – als Komponist und Dirigent – zu jenen großen Talenten, in denen das Genie gereift wäre, wenn man ihnen Zeit dazu gelassen hätte. Statt dessen gibt man ihm Ämter.

So schrieb die ZEIT zum Jahresende 1963 und würdigte den Musiker und Autor Winfried Zillig. Was passiert – die Frage drängt sich auf – wenn das Talent die ihm angebotenen Ämter zum Zwecke der eigenen Entwicklung und Reife ausschlägt? Später im Text heißt es, es „geht jetzt darum, dass die Dirigenten die Partituren – die sehr kunstvollen und kraftvollen Partituren Zilligs – auf die Notenpulte legen“. Also doch? Was soll sich entwickeln, der Künstler oder der Kunstbetrieb? Vertragen sich Talent und Amt wirklich nicht? Nicht jedes Talent erhält ein Amt, soviel ist sicher. Doch auch nicht jeder, der ein Amt hat, hat auch Talent.

25. August 2016

Man muss einem Kritiker nur in aller Offenheit versichern, dass man kein Künstler ist, und schon führen sie ein Gespräch mit uns, als verstünde man von Kunst so viel wie sie.
Max Frisch (1911 – 1991)

23. August 2016

In der aktuellen Ausgabe von üben & musizieren findet sich eine Besprechung von Hänsel und Gretel für Streichquartett. „Eingängige Melodien, samtiger Streicherklang und romantische Hörner“ seien – neben den Stimmen der HauptdarstellerInnen (wir behalten sowohl die Schreibweise als auch die Wahl der Parenthese bei) – „die wichtigsten Bestandteile von Engelbert Humperdincks Opern-Dauerbrenner“. In der Quartett-Fassung fehlen indes die Singstimmen ebenso wie die Hörner. Dies sei der „aufgeräumt“ wirkenden Partitur geschuldet, heißt es in der Rezension. Überhaupt sei es „gar nicht so sehr um die Illusion des großen Orchesterklangs“ gegangen“ (!), „sondern mehr um eine sachgerechte Transformation in ein ganz anderes musikalisches Genre“. Überhaupt klinge ja Humperdincks Originalpartitur „teilweise etwas aufgesetzt und schwülstig“, befindet der Autor und stellt fest, die Bearbeitung „projiziert“ dies aber nun „auf ein durchsichtiges, klares und etwas neutraleres Klangideal“.

Dass heutzutage jeder für sein Instrument oder für seine Besetzung alle verfügbare Musik bearbeitet, arrangiert oder sonstwie passend macht – daran haben wir uns bis hin zu Werbetrailern, Videoclips und Handy-Klingeltönen längst gewöhnt. Wir konzedieren auch gerne, dass Bearbeitungen zuweilen etwas Charmantes, gar Erschließendes, etwas pädagogisch Sinnvolles oder schlicht Schönes anhaften kann. Dazu aber vermeintliche Schwächen des Originals zu reklamieren, ist nur albern. Immerhin aber sind wir nun mit Hänsel und Gretel für Streichquartett um ein Oxymoron reicher.

20. August 2016

„Du glaubst nicht recht, was du weißt, nicht wahr?“
„Doch, schon. Ich weiß, ich liebe dich. Und ich weiß, dass Flügel eines Schmetterlings eine Blüte in China streifen können und dadurch einen Hurrikan in der Karibik auslösen – das glaube ich. Man kann sogar die Chancen ausrechnen. Ist nur nicht wahrscheinlich. Und es dauert so lange.“
Havanna. R.: Sydney Pollack. Drehbuch: Judith Rascoe, David Rayfiel. USA 1990. Deutsche Synchronfassung.

18. August 2016

Während der letzten Woche habe ich ein paar Tage in Berlin verbracht und dort u. a. eine Aufführung der Shakespeare Company Berlin miterlebt: „Macbeth!“ nach William Shakespeare. Die Company selbst schreibt in ihrem Flyer, dass sie mit einer der großen Tragödien Shakespeares neue Wege geht und im Spiel zugleich ihrer Tradition des Volkstheaters treu bleibt. Eine neue Übersetzung, Live-Musik und Chorgesang als Hexenprophezeiung sind dabei Bestandteile einer Reise jenseits der eigenen Ängste.

Insgesamt bieten die sechs Schauspieler in verschiedenen Rollen über 2½ Stunden Theaterkunst auf hohem Niveau, wenngleich sich manche Änderung im Vergleich zum Original nicht unmittelbar erschließt. So leuchtet nicht recht ein, warum Teile des Schlussmonologs Macbeth’s gleich zu Anfang aus dem Munde von Lady Macbeth zu vernehmen sind und obendrein trotz des abgründig-zynischen Inhalts recht salopp klingen. Auch über den einen oder anderen Aktualitätsbezug hätte sich Shakespeare vermutlich gewundert, und wohl nicht nur er. Doch sei’s drum – das Ensemble findet zu einer starken, ausdruckswilligen Gesamtleistung. Insbesondere die Musikbeiträge sind kunstvoll improvisiert und von madrigaleskem Charme. Outdoor! – zu fortgeschrittener Stunde setzt wegen der geringen Abendtemperatur ein spürbares Frösteln ein (oder doch wegen des Machthungers der Lady?), aber da haben Herz und Gemüt längst Feuer gefangen und wärmen von innen.

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16. August 2016

Posillipo ist ein Stadtteil von Neapel und liegt südwestlich des historischen Zentrums. Der Name leitet sich ab vom antiken Pausilypon, was soviel wie „schmerzstillend“ oder „Ende des Leidens“ bedeutet, ähnlich wie Sanssouci. Die antike Villa Pausilypon ist über die Grotta di Seiano zu erreichen, einen 770 Meter langen Tunnel, der während der Regierungszeit des Tiberius erbaut wurde. Es gibt zahlreiche Schönheiten, mit denen Posillipo aufwartet, die Villa Pausilypon ist nur eine davon. Eine großzügige Villa mit eigenem Amphitheater bot bereits vor zweitausend Jahren jeden erdenklichen Komfort. Am aufregendsten ist der Blick auf La Gaiola, eine kleine vorgelagerte Insel. Auf dem nur wenige Quadratmeter großen Eiland ließ ein italienischer Politiker im 19. Jahrhundert eine prächtige Villa erbauen, die noch heute dort steht, geheimnisumwittert und verfallen, gleichwohl mit bezwingendem Charme. Mit ein paar Schwimmzügen erreicht man La Gaiola, schaut aufs Meer, zum Strand oder paddelt zwischen den Felsen hindurch. Oder, wie gesagt, man bleibt oben auf dem Hügel und schaut dem Treiben zu. Auf dem Weg zurück ins Stadtzentrum von Neapel bewundert man den Palazzo Donn’Anna, eine spektakuläre, direkt am Wasser liegende und teilbewohnte Ruine aus dem 17. Jahrhundert. Danach isst man bei „Reginella“ eine Pizza con melanzane grigliate, die es nirgendwo besser gibt. „La dolce vita“ kann ganz einfach sein.

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Pause bis zum 15. August 2016

12. Juli 2016

Die Wetzlarer Neue Zeitung schreibt zum Abschlusskonzert des diesjährigen Chorprojektes der Wetzlarer Musikschule:

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Haydn trifft Genzmer
Wetzlar. Seit zwölf Jahren lädt die Musikschule zum sechsmonatigen Chorprojekt ein. Jedes Jahr zu einem anderen Thema. Diesmal haben sich die 30 Sängerinnen und Sänger Chormusik aus zwei unterschiedlichen Jahrhunderten vorgenommen. Die Spannung zwischen den Werken habe den Reiz ausgemacht, erklärte Schulleiter Thomas Sander vor 70 Besuchern im Saal der Musikschule. Ausgewählt hatte er Chormusik von Haydn (1732 – 1809) und Harald Genzmer (1909 – 2007). Dass verschiedene Jahrhunderte verschiedene musikalische Ausdrucksformen hervorbringen, stellte der Chor eindrücklich vor. Sander erläuterte die Besonderheiten der Stücke. War Genzmer eher unbekannt, so folgte mit Haydn ein überaus bekannter Komponist. Aus dessen mehr als 1000 Werken hatte Sander drei Stücke ausgesucht, die dieser nach Texten aus dem frühen 13. Jahrhundert geschaffen hat. Das Publikum in der Musikschule hatte seine Freude und dankte mit viel Applaus.
(Text und Foto: Lothar Rühl)

10. Juli 2016

Nach fast drei Tagen wirkt die Aufführung von La Juive im Nationaltheater Mannheim immer noch nach. Ein großes Opernerlebnis, eindrucksvoll und bewegend. Das macht zum einen die Musik von Halévy, die jede emotionale Stimmung auf den Punkt bringt und im wahrsten Sinne des Wortes situativ und taktgenau den richtigen Tonfall trifft. Zum anderen liegt die Wirkung im Ausdrucksvermögen der Sängerinnen und Sänger – hier bietet vor allem Roy Cornelius Smith in der Rolle des Éléazar eine glänzende Vorstellung und rührt mit seiner Arie „Rachel, quand du Seigneur“ das Publikum zu Tränen. Unter der musikalischen Leitung von Alois Seidlmeier kreieren die übrigen Solisten ebenso wie Chor und Orchester eindrückliche, intensive Klänge. Die Inszenierung von Peter Konwitschny positioniert sich zum Thema der Oper, also zu den Auswüchsen ideologischer Verblendung und den verheerenden Folgen von religiösem Fanatismus, in beklemmenden Bildern. Noch lange wirkt das Finale des dritten Aktes nach – der Chor agiert hier als intolerante, gehässige, aufgeputschte Menge und produziert im rhythmischen Staccato Sprengstoffgürtel am Fließband. Die Szene geht sehr unter die Haut und zeigt auf  flamboyante Weise, wozu Theater fähig ist.

In Mannheim wird La Juive während der kommenden Spielzeit leider nicht mehr zu sehen sein. Die Opéra National du Rhin in Straßburg zeigt das Stück in Konwitschnys Inszenierung im Februar 2017. In der Inszenierung von Calixto Bieito bringt die Bayerische Staatsoper La Juive im Oktober dieses Jahres.

8. Juli 2016

Es gibt nur zwei Arten von Musik: gute und schlechte. Es kommt nicht darauf an was du spielst, sondern wie du spielst.
Louis Armstrong (1901 – 1971)

6. Juli 2016

Heute ist Tag des Kusses. Wissenschaftler sagen, dass Küssen das Immunsystem stärken und Stress abbauen kann. Außerdem würden beim Küssen alle 34 Gesichtsmuskeln trainiert. Die meisten Philematologen, also Kussforscher, sehen im Küssen ein romantisch-sexuelles Verhalten. Die im 19. Jahrhundert verbreitete These, dass Chinesen den Kuss der Europäer für eine abstoßende Spielart von Kannibalismus halten, findet heute außer bei Kabarettisten und Sakralsektierern keine Anhänger mehr. Interessanter übrigens als die Erkenntnis, dass ein Mensch in 70 Lebensjahren durchschnittlich mehr als 76 Tage mit Küssen verbringt, ist das Ergebnis einer Studie, wonach zwei Drittel der Menschen beim Küssen den Kopf nach rechts neigen. Wenn man der Theorie anhängt, dass das Küssen seine Wurzeln nicht in der tierischen Brutpflege und in Fütterungsritualen hat, sondern die Ursprünge im Beschnüffeln und Belecken des Hinterteils bei Begegnungen von Vierbeinern liegen und diese Geste sich beim Aufrichten des Menschen von unten nach oben verlagert hat – ja, dann ergibt die Aufforderung „Du kannst mich mal am A…. lecken“ einen ganz neuen Sinn! Ob der Großteil der Vierbeiner das Hinterteil dabei nach rechts geneigt hat, ist wissenschaftlich nicht erforscht.

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4. Juli 2016

Termin der Woche: Do, 7. Juli, 19.00 Uhr, Nationaltheater Mannheim: Fromental Halévy, La Juive
Koproduktion des Nationaltheaters Mannheim mit dem Kunsthuis Opera Vlaanderen (Belgien)

Die Derniére, doch für mich gleich zwei Premieren: Ich war noch nie im Mannheimer Nationaltheater, und ich habe Halévys La Juive noch nie auf der Bühne gesehen. Eine mitreißende, packende Geschichte von Hass, Rache und religiösem Fanatismus, von Fromental Halévy, dem Schwiegervater Georges Bizets, ebenso stark und beeindruckend vertont!

Kardinal Brogny und der Jude Eléazar haben eine gemeinsame Vorgeschichte: Brogny verurteilte die Söhne des Juden zum Tod auf dem Scheiterhaufen, Eléazar rettete unerkannt Brognys Tochter aus einem brennenden Haus. Unter dem Namen Rachel zieht er sie in jüdischem Glauben auf. Ihrem leiblichen Vater hat er jedoch nie verziehen. Reichsfürst Léopold verliebt sich in die schöne vermeintliche Jüdin, obwohl er bereits mit der Nichte des Kaisers verbunden ist. Eine Ehe mit Rachel ist unmöglich, doch Vater und Tochter fühlen sich verraten. Rachel macht ihre Beziehung mit Léopold öffentlich, Brogny lässt hierfür alle drei in den Kerker werfen. Eine nachträgliche Entlastung rettet Léopold, der Jude und seine vermeintliche Tochter aber werden zum Tode verurteilt. In dem Moment, in dem Rachel stirbt, eröffnet Eléazar Brogny ihre wahre Identität. Die Handlung bettet einen Privatkonflikt in eine historische Situation ein, das Konzil von Konstanz 1414, und eröffnet Halévy vielfältige kompositorische Möglichkeiten. Einerseits charakterisiert er die Hauptfiguren auf eindringliche Weise, was sich in expressiver Melodik zeigt. Andererseits nutzt er die Volksszenen zu großen Tableaus, die in ihrer Kraft bestechen und einen starken klanglichen Sog entfalten. Hierbei verwendet Halévy eine damals neuartige Klangmischung, in der er die tiefen Bläser hervorhebt. Der anhaltende große Erfolg dieser Oper machte Halévy zum wichtigsten Vertreter der Grand opéra nach Meyerbeer. (Quelle: NTM)

1. Juli 2016

Die Uraufführung von Gustav Mahlers 6. Sinfonie – wir haben uns in dieser Woche mit dem Werk näher beschäftigt – fand 1906 im Essener Saalbau statt. Es spielten die Essener Philharmoniker, gemeinsam mit dem Utrechter Sinfonieorchester, unter der Leitung des Komponisten. Der Essener Saalbau war nur zwei Jahre zuvor feierlich eingeweiht worden, es dirigierte Richard Strauss. 1913 führte Max Reger hier seine Böcklin-Suite zum ersten Mal auf, und auch in den nachfolgenden Jahren war der Saalbau mehrfach Schauplatz großartiger musikalischer Darbietungen. Bei einem Bombenangriff im Juli 1943 erlitt das Konzerthaus schwerste Schäden, wie im Übrigen die gesamte Essener Innenstadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand ein modernisierter Wiederaufbau im schlichten Stil. In den Jahren 2002 bis 2004 wurde der Saalbau als Sitz der Philharmonie Essen vollständig renoviert und mit neuer technischer Ausstattung versehen. Am 4. Juni 2004 fand die Wiedereröffnung des neuen Konzert- und Veranstaltungsortes statt.

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Saalbau Essen, 2004
Foto: Thomas Robbin

Heute lese ich, dass der frühere Bundeswirtschaftsminister und derzeitige Chef der RAG-Stiftung, Werner Müller, einen Solidarpakt im Volumen von 50 Milliarden Euro für das Ruhrgebiet fordert. Mit dem Geld könnten Straßen saniert und ganze Stadtviertel attraktiv gemacht werden, ebenso könnte man Unternehmen ansiedeln. Mindestens 200 Milliarden Euro seien in den Aufbau Ost geflossen, so Müller, auch viel Steuergelder der Bürger des Ruhrgebiets. Auf den Aufbau Ost müsse nun der Aufbau West folgen. Müller beklagt, dass die Infrastruktur und manche Stadtteile „verkommen“, dass es Viertel in Duisburg, Dortmund und im Essener Norden gibt, „da möchte niemand wohnen oder seinen Betrieb haben. Wir können die gut fünf Millionen Menschen im Ruhrgebiet nicht hängen lassen.“

Wir pflichten dem bei, ohne Vorbehalt. Und hoffen inständig, dass der ersehnte Solidarpakt so rasch wie möglich auf den Weg gebracht wird und – nicht minder wichtig – dabei die richtigen Prioritäten gesetzt werden, gerne in Erinnerung an ein Wort des ehemaligen Landesvaters von Nordrhein-Westfalen und späteren Bundespräsidenten Johannes Rau: „Wenn wir Musik und Sport und Kunst für die Sahne auf dem Kuchen halten und nicht für die Hefe im Teig, dann verstehen wir unsere Gesellschaft falsch.“

29. Juni 2016

Mit ein bisschen Glück kann ich vor meiner Neapel-Reise noch an einem Crash-Kurs Italienisch teilnehmen. Das wäre schön, denn im Ausland gebietet die Höflichkeit, wenigstens ein paar Versatzstücke der Konversation in der Landessprache zu beherrschen. Etwas mehr als „buongiorno“, „il conto per favore“ oder „non è possibile“ würde ich schon gerne sagen können. Doch kein Italiener erwartet, dass ich mit ihm die Rolle Italiens in der EU diskutiere, schon gar nicht auf italienisch. Vielleicht doch noch auf englisch? Seit dem Brexit wird ja unter den EU-Delegierten darüber gesprochen, was denn nun Verhandlungssprache sein soll, so ganz ohne die Briten. Also wie wär’s mit italienisch? Lässt sich schnell lernen und vor allem gut singen (wenn’s mal mit dem Verhandeln schwierig werden sollte). Und „fruttivendola“ klingt einfach schöner als „fruiterer“, das würde jede Obstverkäuferin bestätigen.

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Vincenzo Campi, La Fruttivendola

27. Juni 2016

Nachdem Jerome Boateng nun sein erstes Länderspieltor geschossen hat, noch dazu im Achtelfinale eines wichtigen Turniers und obendrein mit verhärteter Wadenmuskulatur, wollen ihn wohl endgültig alle als Nachbarn haben. Naja, vielleicht nicht alle. Wann klappt’s denn mit dem Nachbarn? Dazu könnten sich Raab oder Böhmermann mal was Kreatives überlegen. Vielleicht eine Sendung ohne Bild und Ton, sozusagen Kopfkino ohne Einschalten, dafür mit Abschalten. Wir sehen fern, sehr fern. Glotzenlose Nachbarschaftshilfe als psychomentale Recreation. Zu anspruchsvoll? Lieber eine Sendung mit Entertainplacebo, variierenden Bildpausen und spontaner Irritation? „Ist der Bildschirm schwarz, oder gibt Boateng gerade ein Interview?“ Deutschland sucht den Supernachbarn, Alexander Gauland im Gespräch mit Thorsten Legat. „Wie sind Sie zum Fußball gekommen?“ „Immer die Castroper Straße hoch.“ Aus, aus, aus, aus!!! Das Spiel ist aus!!!!

24. Juni 2016

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There is nothing either good or bad, but thinking makes it so.
Shakespeare, Hamlet

22. Juni 2016

Die nächste Opernreise der Wetzlarer Musikschule findet vom 10. – 13. November 2016 statt und geht nach Amsterdam (De Nationale Opera). Auf dem Programm steht eine szenische Aufführung des Oratoriums Jephta von Georg Friedrich Händel (Regie Claus Guth). Die Titelpartie singt Richard Croft, in weiteren Rollen sind Wiebke Lehmkuhl, Anna Prohaska, Bejun Mehta, Florian Boesch und Anna Quintans zu hören. Es spielt Concerto Köln, die musikalische Leitung hat Ivor Bolton.

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„Wir versuchen immer“, so hat die Regisseurin Lydia Steier einmal erklärt, „einen Draht zu ziehen zwischen einer anderen Zeit und unserer Zeit, sonst hat es keinen Sinn, diese Stücke zu präsentieren.“ Nach der Lektüre der Amsterdamer Homepage dürfen wir in diesem Sinne von einer Inszenierung ausgehen, welche die alttestamentarische, persönliche Tragödie Jephtas mit einer aktuellen Botschaft in der Bedeutung der Mahnung, des Mementos verknüpft. Claus Guth erzählt die alte Geschichte eines Verlierers, der versucht, dem unseligen Kreislauf seines Lebens zu entkommen. Das Individuum trifft falsche Entscheidungen und vergibt Chancen – desozialisiert, zermürbt und aufgerieben zwischen Hoffnung und Angst.

Jephta ist Händels letztes Oratorium. Er vollendet es, beinahe vollständig erblindet, im August 1751. Im zweiten Akt vermerkt er beim Chor „How dark, O Lord, are Thy decrees“ in deutscher Sprache „biß hierher komen den 13 Febr. 1751 verhindert worden wegen so relaxt des gesichts meines linken auges“.

20. Juni 2016

Katzenjammer ist was Schönes, solange es sich um die Folk-Rock-Band aus Norwegen handelt. Anne Marit Bergheim, Solveig Heilo und Turid Jørgensen (bis 2015 auch Marianne Sveen) spielen eine stilistisch schwer einzuordnende Musik, die zuweilen nach Tanz und Jahrmarkt klingt, nach Bar und Zirkus, nach Sonne und Wind. Die Stücke sind häufig sehr sinnlich und erzählen von Sehnsucht und Lust, von Schmerz und Verzeihen, von Träumen und Aufbruch. Katzenjammer singt vom richtigen Leben, so wie wir es uns wünschen, wie es sein kann, wie es ist.

Katzenjammer

17. Juni 2016

Hitchcock hat noch ganz andere Sachen gesagt, zum Beispiel: “Ich finde, die englischen Frauen, die Schwedinnen, die Norddeutschen und die Skandinavierinnen sind interessanter als die romanischen, die Italienerinnen und die Französinnen. Der Sex darf nicht gleich ins Auge stechen. Eine junge Engländerin mag daherkommen wie eine Lehrerin, aber wenn Sie mit ihr in ein Taxi steigen, überrascht sie Sie damit, dass sie Ihnen in den Hosenschlitz greift. […] Ich brauche Damen, wirkliche Damen, die dann im Schlafzimmer zu Nutten werden. Der armen Marilyn Monroe konnte man den Sex vom Gesicht ablesen, auch Brigitte Bardot, und das ist nicht besonders fein. […] Die [haben] nur schlechte Filme gedreht. Warum? Weil es mit ihnen keine Überraschung gibt, folglich auch keine guten Szenen.

Marilyn Monroe und Brigitte Bardot haben mit Regisseuren wie Howard Hawks, Billy Wilder, Otto Preminger, John Huston, George Cukor, Anatole Litvak, Henri-Georges Clouzot und Louis Malle gearbeitet. Es ist unwahrscheinlich, dass Hitchcock den genannten Regie-Kollegen oder den Schauspielerinnen seine Ansichten auf direktem Wege übermittelt hat. Vielleicht hat er ihnen Kondome zukommen lassen – mit Packungsaufdruck: Warnung! Griffe in den Hosenschlitz beeinträchtigen das Urteilsvermögen.

16. Juni 2016

Kunst kommt für mich vor Demokratie.
Alfred Hitchcock (1899 – 1980)

14. Juni 2016

Vor vielen Jahren hielt mich spätabends die Gelsenkirchener Verkehrspolizei an, weil ich auf der B 227 sehr langsam unterwegs war. Die Beamten fragten nach dem Grund meiner sedierten, tranceartigen Fahrweise, und ich erklärte, dass ich gerade im Musiktheater ein Sinfoniekonzert mit Mahlers Dritter gehört hatte: „Sie wissen schon, die mit dem entrückten D-Dur-Adagio.“ Die etwas ratlosen Polizisten verzichteten auf einen Alkoholtest, empfahlen ein für eine Schnellstraße angemessenes Tempo und wünschten einen guten Heimweg.

Ich hatte bis zu diesem Tag keine Vorstellung davon, dass der Schlusssatz (Langsam. Ruhevoll. Empfunden) wie ein Zaubertrank wirkt und – wie la-belle-epoque schreibt – „uns in den Zustand der inneren Erschöpfung, aber auch der geistigen und seelischen Erfüllung und des vollkommenen Glücks“ hebt. Der programmatische Zusatz „Was mir die Liebe erzählt“ verweist auf ein sinfonisches Finale, wie es kein vergleichbares gibt. Wir besprechen Mahlers 3. Sinfonie heute und am Donnerstag im Kurs.

13. Juni 2016

Es ist – ich gebe es zu – einer meiner Lieblingsfehler, und es war klar, dass er pünktlich zu den Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft wieder auftauchen würde. Meiner Erwartung entsprechend sagte also gestern der Kommentator während seiner Live-Reportage wieder gewunken statt gewinkt. Daran habe ich mich mit heiterer Resignation gewöhnt und zitiere hier gerne Eduard Engel, der schon 1918 in seinem Werk Gutes Deutsch. Ein Führer durch falsch und richtig schreibt: „Von winken gibt es in Süddeutschland ein, dort ernst gemeintes, gewunken; in Norddeutschland wird es nur bewußt drollig gebraucht.“ Ob der besagte Fußballkommentator Süd- oder Norddeutscher ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Noch 1998 stellt der Duden fest: „Das unregelmäßige 2. Partizip gewunken dringt heute, obwohl es hochsprachlich nicht als korrekt gilt, über das mundartliche hinaus.“ Doch schon in der Ausgabe von 2005 steht gewunken kommentarlos neben dem als Hauptform gekennzeichneten gewinkt. Leider empfiehlt auch das grammatische Informationssystem des Instituts für deutsche Sprache (ids), dass der „Verteufelung von gewunken das Lebewohl zugewunken“ werden sollte und rät dann allen Ernstes, bei einem eher konservativen Adressaten vielleicht doch großzügig gewinkt zu schreiben.

Ich bin da weniger konziliant. Erst wenn die Sterne geblunken haben und ich mit gezunkenen Karten über die Straße gehunken bin – dann werde ich auch gewunken akzeptieren.

10. Juni 2016

Den Uhund haben eine Schülerin und ich vor Jahren während einer Klavierstunde entdeckt. Wir sprachen über Zählzeiten im Dreivierteltakt und behandelten die Unterteilung in Achtel und Sechzehntel. „1 – 2 – 3“ zählten wir gemeinsam die Viertel, dann „1 und 2 und 3 und“ die Achtel.
„Jetzt die Sechzehntel“, sagte ich. „1 uhund 2 uhund 3 uhund….“
„Uhund?“, fragte meine Schülerin.
„Ja, Uhund. Das Sechzehntel-Tier“, bestätigte ich.
„Das Sechzehntel-Tier?“
„Ja, eine Kreuzung aus Uhu und Hund. Uhund eben. Ein Tier für unterteilte Zählzeiten.“
„Ich verstehe. Ist bestimmt sehr musikalisch. Ruft und bellt nur in Sechzehnteln, oder?“
„Genau. Und sieht cool aus.“

Uhund

8. Juni 2016

Hab jetzt 6 Solosonaten für die Geige allein geschrieben. Mir geht’s gut, wie’s den Geigen geht dabei, weiß ich nicht.
Max Reger, 1905

Eine Bewertung des Werkes von Max Reger (1873 – 1916) fällt der Musikwelt seit jeher nicht leicht. Von einer konsensualen Einschätzung kann keine Rede sein, wenngleich der kompositorische Rang nie bestritten wird – von Igor Strawinsky einmal abgesehen, der Regers Musik ebenso wie dessen Erscheinung abstoßend fand. Der junge Sergei Prokofjew hingegen war von Reger fasziniert, und von Paul Hindemith sind die Sätze überliefert: „Max Reger war der letzte Riese in der Musik. Ich bin ohne ihn gar nicht zu denken.“ Reger selbst erwartete, dass man ihn als reaktionär bezeichnen und zum alten Eisen werfen würde. Vielleicht wäre er über die zahlreichen Veranstaltungen, Konzerte und CD-Produktionen anlässlich seines 100. Todestages einigermaßen erstaunt.

Max Reger 1913

Regers Musik ist schwer, technisch wie musikalisch. Bisweilen entziehen sich Interpreten den Mühen der Einstudierung, zumal ein ungeteilt positives Echo im Konzertsaal nur von ausgewiesenen Kennern zu erwarten ist. Reger hat seine eigene Gemeinde von Bewunderern, doch das Abonnentenpublikum tut sich schwer. Ein erster Zugang kann sich – wenn überhaupt – nur über den Ausdrucksgehalt der Musik erschließen, ein satztechnisches oder harmonisches Verständnis ist für Laien so gut wie unmöglich. In Abwandlung des oben genannten Zitats wäre die Frage „wie’s dem Hörer dabei geht“ nur allzu berechtigt, nicht nur in Bezug auf die Sonaten für Geige.

5. Juni 2016

Wetzlarer Neue Zeitung, 5. Juni 2016

SCHWELGEN IN ERINNERUNGEN
EIN ABEND FÜR MARILYN MONROE

WETZLAR. Es sollten 90 Minuten für 90 Jahre werden. So Thomas Sander am Mittwochabend in der Musikschule. Eine Ehrung für Marilyn Monroe, die am 1. Juni 90 Jahre alt geworden wäre. Tatsächlich wurde der Vortrag etwas länger, aber es hatten sich auch deutlich mehr als 90 Besucher eingefunden, um sich in die Zeit von Hollywoods Glanz und Glamour entführen zu lassen und in alten Liedern und Erinnerungen zu schwelgen.

Er sei weniger ein Fan als vielmehr ein Bewunderer und Kenner des Werks der meistfotografierten Frau des 20. Jahrhunderts, sagte Sander im Anschluss seines Vortrags. Das war dem Leiter der Musikschule im Verlauf des Abends deutlich anzumerken. Ohne Notizen hielt der den über anderthalbstündigen Vortrag frei. Er touchierte kurz die Kindheit der Schauspielerin und ging dann nahtlos zu der Zeit über, in der aus der von Pflegefamilie zu Pflegefamilie abgeschobenen und bereits mit 16 Jahren verheirateten Norma Jeane Baker die Filmikone Marilyn Monroe wurde.

Model und B-Movie-Darstellerin sei sie zunächst gewesen, aber spätestens mit Sanders erklärtem Lieblingsfilm „Niagara“ (1953) habe sie zeigen können, welches schauspielerische Talent in ihr steckte. Doch Niagara sei nicht nur ein brillant inszenierter Thriller gewesen, konstatierte Sander. Auch durch den monothematischen Einsatz der Filmmusik, dem Song „Kiss me“, habe sich dieser Film von anderen seiner Zeit hervorgehoben. Zur genaueren Untermalung seiner These setzte sich Sander ans Klavier und spielte die musikalische Sequenz, die im Film orchestral, jazzig, lasziv gesummt und unter der Dusche gesungen auftaucht und sogar vom Geläut der Kirchenglocken intoniert wird. Erst die letzte Szene des Films verzerrt die Melodie durch eine düster-bedrohliche Verschiebung in Moll. „Sie sind so still,“ bemerkte Sander die Wirkung, die sein Spiel hatte, lächelnd.

Doch nicht allein Marilyns künstlerisches Schaffen hatte er im Visier. Er zitierte Passagen aus Biografien und zeichnete so ein facettenreiches Bild der zu Lebzeiten oft verkannten Schauspielerin. Immer wieder sorgte Marilyn Monroe für Überraschungen. Plante der Regisseur vier Tage für eine komplizierte Szene, reichten 20 Minuten. Dafür musste der Satz „Wo ist der Whisky“ aus „Some Like it Hot“ 65 Mal gedreht werden. Die Filmausschnitte waren hervorragend gewählt. Das Publikum schwankte zwischen Tränen und Gelächter, erinnerte sich an Lieblingsfilme und entdeckte neue. 90 Minuten reichten bei Weitem nicht aus, um alles über Marilyn Monroe abzudecken. (bon)

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Thomas Sander erinnerte auch musikalisch an die Schauspielerin Marilyn Monroe (Foto: Bonacker)

3. Juni 2016

Zum Frühstück lese ich heute in der Tageszeitung, dass die Entscheidung darüber, ob Uli Hoeneß nochmals einen hochrangigen Posten bei Bayern München übernimmt, bis Ende dieses Monats fallen wird. So steht es tatsächlich geschrieben – bis Ende dieses Monats. Dieses, nicht diesen. Oh Wunder! Wie hatten wir uns schon an Wendungen wie „zum Ende diesen Quartals“ oder „Kinder diesen Alters“ gewöhnt! Komisch, niemand spricht bisher von den „Fenstern diesen Hauses“ oder den „Früchten diesen Feldes“. Aber das kommt womöglich noch, wer weiß. Vielleicht bis zum Ende diesen… äh, dieses Jahres.

Weiter lese ich, dass der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, eine ausreichende öffentliche Finanzierung für Theater und ihre Beschäftigten fordert. Völlig zu Recht stellt er fest, dass die Mitarbeiter an Theatern immer mehr arbeiten, aber dabei nicht mehr, sondern eher weniger verdienen. Darüber hinaus fällt uns immer dann ein, so Bolwin, dass der Staat zu wenig Geld hat, wenn es um Bildung und Kultur geht. An Bund und Länder appeliert er, Kommunen in ausreichender Weise mit Steuermitteln auszustatten, „schließlich gehört das kulturelle Angebot zur Lebensqualität einer Stadt. Es zieht doch keiner nach Dortmund, weil dort so ein gut funktionierendes Einwohnermeldeamt existiert.“

30. Mai 2016

In einem seiner letzten Interviews sprach Roger Willemsen auch über Paarbeziehungen und unterschied dabei deduktive von induktiven Herangehensweisen. Viele Menschen, so sagte er sinngemäß, pflegen einen deduktiven Zugang in der Weise, dass sie genaue Vorstellungen hinsichtlich einer Beziehung haben und sich danach den Partner aussuchen. Er selber dagegen könne nur induktiv vorgehen und zunächst einen Partner finden, um anschließend zu sehen, was mit diesem in welcher Form zusammen möglich ist.

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Das erinnerte mich sofort an Robert Carsens Pariser Tannhäuser-Inszenierung. Darin läuft der tragische Held während der ganzen Zeit mit einem fertigen Rahmen durch die Welt und sucht dazu das passende Bild. Er könnte sich viel Kummer ersparen, wenn er zunächst das Bild finden würde, für das er sich entscheiden will. Anschließend könnte er sich in Ruhe überlegen, welcher Rahmen dazu passen könnte, ja ob sein Bild überhaupt gerahmt werden muss oder soll. Machen wir also uns und andere nicht unglücklich durch das Festhalten an alten Rahmen und Begrenzungen! Überprüfen wir unsere eigenen Denkmuster, dann können wir mit George Bernard Shaw sagen: „Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Jedesmal nimmt er neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Annahme, sie würden noch auf mich passen.“

28. Mai 2016

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ich bestimmte Geschichten so oft erzählt habe, dass ich nicht mehr weiß, ob ich sie wirklich erlebt habe. Ich wusste eine Zeitlang noch, dass ich sie wirklich erlebt habe, aber irgendwie haben die sich dann verselbständigt. Geschichten drängen sich zwischen die Wirklichkeit, und man weiß es nicht mehr. Also, ich weiß, dass ich nie mit der Monroe geschlafen habe und daher auch nie ’ne Geschichte darüber erfunden habe.
Hellmuth Karasek (1934 – 2015) im Jahre 2012 in einem Interview auf die Frage, ob der Regisseur Billy Wilder für eine gute Geschichte das eine oder andere zurechtgebogen habe, wie glaubwürdig dessen Erzählungen seien und ob Wilder nicht jemand ist, der „die Wahrheit sagt, selbst wenn er lügt“.

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Foto: JesterWr/C. Grube

An einer anderen Stelle des Gesprächs ist von „heiligen Stätten“ die Rede und wie man sich freut, wenn man selbst dort ist. Orte, an denen die großen Stars übernachtet oder sich anderweitig aufgehalten haben. Das kann ich gut verstehen. Ich würde zum Beispiel gerne mal eine Nacht im Hotel Crowne Plaza Niagara Falls verbringen, Zimmer 801. Marilyn Monroe hat dort während der Dreharbeiten zu Niagara gewohnt. Sollte dieser Wunsch jemals in Erfüllung gehen, wäre es schön, wenn ich hinterher wüsste, dass ich es wirklich erlebt habe. Wenn nicht, würde ich die Geschichte wahrscheinlich erfinden. Sie wäre sogar wahr.

25. Mai 2016

Mir fehlt etwas, wenn ich keine Musik höre, und wenn ich Musik höre, fehlt mir erst recht etwas. Dies ist das Beste, was ich über Musik zu sagen weiß.
Robert Walser (1878 – 1956)

24. Mai 2016

Das Wichtigste beim Komponieren sei der Radiergummi, hat Igor Strawinsky einmal gesagt. Die Kunst, ganz wörtlich, liegt also im Weglassen. Weglassen kann in der Kunst aber nur jemand, der die Fülle kennt und weiß, welche Extrakte, Konzentrationen und Verknappungen überhaupt formuliert werden können. Vom Herzen in den Kopf, dann aufs Papier. Über den Klang in die Köpfe und Herzen der Zuhörer, ins Leben.

Beim kürzlich ausgetragenen Eurovision Song Contest (ESC) belegte der deutsche Beitrag den letzten Platz. Bei der Jury wie auch bei den Fernsehzuschauern fiel der Beitrag durch. Sängerin Jamie-Lee (18) glaubt zu wissen, woran es lag: „Ich glaube, mein japanischer Manga-Style. In Deutschland hatten die Leute genug Zeit zu verstehen, warum ich so rumlaufe. Bei Europa war es zu wenig Zeit, mich kennenzulernen und zu verstehen, denke ich.“ Hm, der japanische Manga-Style…. Vielleicht lag es schlicht am fehlenden Radiergummi?

22. Mai 2016

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20. Mai 2016

„Operetten gelten als muffig und spießig – ein Irrtum, denn diese unerhörte musikdramatische Kunst birgt bei aller Ironie ein utopisches Potential, das spielerisch die Welt aus den Angeln heben möchte.“ Der Literaturwissenschaftler Volker Klotz kommt zu diesem Befund und bezeichnet die Operette als „unerhörte“ Gattung (wie schön!), als ein im besten Fall dramaturgisch wie musikalisch „aufsässiges Bühnenstück, das wider erstarrte und verhockte Lebenshaltungen“ anrennt.

Spielerisch die Welt aus den Angeln heben – wer von uns wollte das nicht oder hat nicht wenigstens einmal davon geträumt? Und wollten wir nicht sowieso gegen erstarrte und verhockte (oder war es verbockte … verzockte?) Lebenshaltungen anrennen? Was ist daraus geworden? „Früher war mehr Operette“, so könnten wir in Abwandlung eines bekannten Bonmots sagen, und damit sind nicht nur die Spielpläne der Theater gemeint. Warten wir nicht immerfort und tun so, als hätten wir ewig Zeit! Und halten wir uns an ein Wort von Robert Stolz, einem der größten Komponisten von Operetten und Filmmusiken: „Es bleibt einem im Leben nur das, was man verschenkt hat.“

18. Mai 2016

It’s true we don’t know what we’ve got until its gone, but we don’t know what we’ve been missing until it arrives. Pleasure of love lasts but a moment, pain of love lasts a lifetime.
Bette Davis (1908 – 1989)

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16. Mai 2016

Hier noch einmal zwei Passagen aus Lord Alfred Tennysons Ulysses (1833, veröffentlicht 1842). Der zweite Teil wird zitiert im James-Bond-Film Skyfall (2012). Ein Gesang der Erkenntnis, Beharrlichkeit und Zuversicht, umspielt von milder Trauer, dabei sehr klug und von großer Klarheit.

Ich kann nicht rasten vom Reisen, ich will das Leben
trinken bis zum letzten Tropfen. Ich habe es jederzeit sehr genossen,
habe sehr gelitten, sowohl mit denen,
die mich liebten, als auch allein.

Sind wir auch länger nicht die Kraft,
die Erd‘ und Himmel einst bewegte,
so sind wir dennoch was wir sind;
Helden mit Herzen von gleichem Schlag,
geschwächt von Zeit
und von dem Schicksal;
doch stark im Willen
zu ringen, zu suchen, zu finden.
Und nie zu weichen.

15. Mai 2016

Ich war im 5. oder 6. Semester, als ein Kommilitone aus der Abteilung Gesang einmal meinte, Dietrich Fischer-Dieskau sei kein großartiger Sänger, aber ein herausragender Interpret. Damals kam mir diese Ansicht geradezu blasphemisch vor, doch im Laufe der Jahre konnte ich der Einschätzung immer mehr abgewinnen. Mir gefiel die Unterscheidung – sprechen wir über die Stimme, also über Timbre, Register, Volumen etc. oder über Wandlungsfähigkeit, Gestaltungswillen, Überzeugungskraft? Aus allen einzelnen Facetten wird doch das Ganze, wie im richtigen Leben – oder etwa nicht? Wir haben allerdings – und das ist die gute Nachricht – keine Verpflichtung zur Objektivität, wenn wir jemanden verehren.

So geht es mir mit Mélanie Laurent und ihrem 2011 beim Label „Atmosphériques“ erschienenen Debütalbum En t’attendant. Zwölf Lieder, überwiegend in einem rezitativisch-nachdenklichen Tonfall, versonnen und melancholisch. Das Album wirkt reif und ausbalanciert, ganz wunderbar. Mein Studienfreund würde vielleicht sagen, sie ist keine großartige Sängerin, aber eine gute Chansonnette. Mir wär’s egal. Ich bin bei Mélanie Laurent sowieso nicht objektiv, und das ist ganz in Ordnung so.

Inglourious Basterds Premiere Nashville
Foto: Bev Moser

12. Mai 2016

Glaubhaftigkeit. Man muss eine Figur annehmen mit allen Stärken und Schwächen – ohne sich neben sie zu stellen und sie zu kommentieren. […] Man muss in die Haut der Figur schlüpfen. Dabei kommt man von der Distanz zur Nähe. Es geht darum, eine Figur völlig zu akzeptieren und in ihr aufzugehen. Das ist ein Prozess, den man jedes Mal neu durchläuft. Zuallererst wird die Partie intellektuell erschlossen. Man versucht, sie zu verstehen und mehr und mehr mit ihr zu verschmelzen. Man kann nicht naiv sagen, ich spiele jetzt mal den Hänsel. Das wird nicht funktionieren. Ich muss jeden Satz auf seine Wahrheit und das Warum abklopfen. Wer das nicht schafft, dem wird man nicht glauben. Ob in einem kleinen oder großen Opernhaus.
Waltraud Meier

Quelle: Mozartfest Würzburg, Magazin 2016. Das Gespräch mit Waltraud Meier führte Intendantin Evelyn Meining.

9. Mai 2016

Nachträglich zum gestrigen Besuch in Düsseldorf lese ich, dass Rimski-Korsakow Opern für „die im Grunde bezauberndsten und berauschendsten Lügen“ hielt und erfahre, dass Märchen zeitlebens einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn ausübten. Kein Wunder also, dass er seiner Oper Der goldene Hahn den Untertitel „Märchen mit Moral“ gab und darin impressionistische Skalen, liedhafte Folklore und sinnlich-orientalische Klangfarben miteinander verschmelzen ließ. Das Libretto von Wladimir Bjelski nach Puschkins Märchen bot ihm dazu alle Möglichkeiten, und als Vertreter einer nationalen Schule mit eigener russischer Musik nutzte er diese weidlich aus.

Die Deutsche Oper am Rhein setzt das Stück grandios um – Regie, Bühnenbild, Kostüme, Sänger und Orchester bieten zweieinhalb Stunden pures Hör- und Sehvergnügen. Der goldene Hahn läuft am 15. Mai zum letzten Mal in dieser Spielzeit, danach als Wiederaufnahme in der Saison 2016/17.

7. Mai 2016

Der alte König Dodon bekommt von einem Astrologen einen goldenen Hahn geschenkt. Dieser soll das Reich bewachen und seine Stimme erheben, wenn Feinde und Gefahren drohen. Einige Zeit später muss Dodon in den Krieg ziehen und verliert dabei seine beiden Söhne. Eine schöne Frau erscheint und gibt sich als Zarin von Schemacha aus. Dodon verliebt sich in sie und kehrt mit ihr zusammen in die Hauptstadt zurück. Dort verlangt der Astrologe die schöne Zarin als Lohn für den Hahn. Dodon weigert sich, den Lohn zu zahlen und erschlägt den Astrologen. Der Hahn tötet daraufhin den Zaren durch einen Schnabelhieb und verschwindet mit der hohnlachenden Schemacha. Das Volk bleibt ratlos zurück. Wie soll eine Zukunft ohne Herrscher aussehen?

Ein philosophisches Märchen für Erwachsene, eine groteske Gesellschaftssatire, eine erotische Komödie – die Deutsche Oper am Rhein spielt Der goldene Hahn von Nikolai Rimski-Korsakow und wirbt mit den wiedergegebenen Bezeichnungen für ein auf deutschsprachigen Bühnen nicht allzu oft gespieltes Stück. In der Oper, die in ihrer Handlung auf das gleichnamige Märchen von Puschkin zurückgeht, wird ein engstirniges zaristisches System ad absurdum geführt. Das konnte den offiziellen Behörden zur Zeit der Entstehung natürlich nicht gefallen. Rimski-Korsakow verbrachte seine letzten Lebensmonate im Kampf mit der Zensur. Eine gedruckte Ausgabe und eine Aufführung des Goldenen Hahns waren verboten. Rimski-Korsakow starb 1908, die Uraufführung fand ein Jahr später in Moskau statt. Ich sehe eine Aufführung der Deutschen Oper am Rhein morgen Nachmittag in Düsseldorf.

morning rooster

6. Mai 2016

Mein Lieblingsfilm mit Marilyn Monroe ist Niagara (Regie Henry Hathaway, USA 1953). Die New York Times schrieb damals, dass 20th Century Fox neben den bekannten sieben Weltwundern zwei weitere entdeckt hätte – die Niagarafälle und Marilyn Monroe, und die Aussicht sei in beiden Fällen atemberaubend. Die Katholische Filmkritik befindet unfreiwillig komisch, der Film zeige ein „amerikanisches Ehedrama mit geschickter Verwendung von Naturschönheiten. Einstufung: Für Erwachsene, mit Vorbehalten.“

Kiss, das zentrale Lied des Films und Vorlage für den monothematischen Einsatz der Filmmusik von Sol Kaplan, wurde komponiert von Lionel Newman (Musik) und Haven Gillespie (Text). „There is no other song“, sagt Marilyn in einer zentralen Szene des Films. Kein Einspruch.

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4. Mai 2016

Der künstlerische Leiter der Göttinger Händel-Festspiele, Laurence Cummings, meinte kürzlich in einem Interview, dass die barocke Da-Capo-Arie mit der Wiederholung ihres A-Teils heutzutage für den Konzertbetrieb kein Problem mehr darstellt. Wir wüssten mittlerweile viel mehr über Verzierungen als früher, und damit seien Wiederholungen jetzt aufregender, so seine Schlussfolgerung. Darüber hinaus, so ein weiterer Gedanke Cummings‘, konzentrierten sich die heutigen Barockorchester darauf, bestimmte Aufführungsbedingungen wieder herzustellen, und möglicherweise würde das Publikum genau das lieben – eine Zeitreise, eine Verbindung zur Vergangenheit.

Das mag ja alles sein. Trotzdem ist etwas anderes entscheidend: Es gab zu allen Zeiten gute und schlechte Musik – und ebenso aufregende oder langweilige Gestaltungen und Interpretationen. Nicht nur Barockmusik wurde und wird viel zu häufig uninspiriert und anämisch gespielt, für Musik aller anderen Epochen gilt dies ebenso. Und wer als Konsument tatsächlich so weit geht, beim Kartoffelschälen Mozart, Brahms oder Debussy zu hören, der sollte sich mit B- oder C-Ware bescheiden. Anders geht es auch nicht! Wird die Musik nämlich aufregend, begeisternd, packend, ja verstörend gespielt, dann muss die Suppe verbrennen. So ähnlich hat es Nikolaus Harnoncourt einmal gesagt. Und noch etwas: Es geht gerade in der Barockmusik nicht zuallererst um Töne, um irgendeine technische Brillanz, um neue oder alte Instrumente, sondern darum, dass die Interpreten diejenigen sind, die den kompositorischen Schaffensprozess zum Abschluss bringen. Ohne Fantasie keine Schönheit, ohne Kreativität keine Kunst.

2. Mai 2016

Morgen wollen wir im Vormittagskurs den Einstieg in das sinfonische Werk von Anton Bruckner finden. Das wird ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen, denn immerhin haben wir es mit insgesamt zehn Sinfonien zu tun, die eine zum Teil sehr weit entwickelte Klangsprache aufweisen. Es ist gut möglich, dass sich eine Diskussion entspinnen wird zum Thema Wirkung, zu Größe und Umfang, anders verstanden als Schwere und Monumentalität. Wir werden darauf zu sprechen kommen, welche Bedeutung der Nationalsozialismus Bruckners Musik zuteil werden lässt, insbesondere für propagandistische Zwecke. Und schließlich: Wer ist dieser Mann, der seine 7. Sinfonie König Ludwig II., die 8. Sinfonie Kaiser Franz Joseph und seine 9. Sinfonie dem lieben Gott widmet? Der sein Leben lang schriftliche, erfolglose Heiratsanträge verfasst, vorzugsweise an junge Frauen um die 20? Für die Betrachtung seines Œuvres ist das nicht unerheblich. Vielleicht hat in der Tat eine explosive Mischung aus militantem Katholizismus und sexueller Unterzuckerung das Entstehen dieser massiven, gewaltigen Klangflächen begünstigt, wer weiß. Jedenfalls geht eine eigenartige Wirkung von Bruckners Musik aus, und nur die wenigsten lässt sie kalt, so oder so.

Bruckner Büste

1. Mai 2016

Mayday

30. April 2016

Gedankensplitter

Wer in einer Sprache angeredet wird, die er/sie nicht gelernt hat, kann nicht wissen, ob das Gesagte bedeutsam oder sinnfrei ist.

In eben dieser Situation befinden sich die meisten beim Betrachten von Bildern und beim Hören von Musik, wenn diese (Bilder wie Musik) nicht hinreichend “vorgekostet“ worden sind.
Dieter Mulch

28. April 2016

Seit ein paar Jahren werden auf deutschen Bühnen wieder häufiger Opern der französischen Romantik aufgeführt. Werke von Gounod, Meyerbeer und Massenet tauchen seit längerem auf Spielplänen deutschsprachiger Theater auf, Stücke von Bizet, Berlioz und Saint-Saëns ohnehin. Doch Opern von Boieldieu, Halévy, Thomas oder Auber waren bisher eher seltener zu finden. Umso schöner, dass sich seit geraumer Zeit einige Häuser – auch kleinere – daran machen, diverse Schätze zu heben. Das Stadttheater Gießen erfreut in der laufenden Spielzeit sein Publikum mit Boieldieus Die weiße Dame, das Nationaltheater Mannheim führt Halévys La Juive (Die Jüdin) auf, übrigens ein von Wagner, Verdi und Mahler hochgelobtes Stück und bis zur Zeit des Nationalsozialismus ein Reißer in deutschen Musiktheatern. Und Achtung!, das Theater für Niedersachsen Hildesheim spielt im Mai und Juni Fra Diavolo von Auber. Wunderbar! Und viele weitere Werke warten darauf, der Vergessenheit entrissen zu werden. Machen wir uns klar, dass allein Massenet über zwanzig Opern geschrieben hat, wir aber bestenfalls Werther und Manon kennen, dazu vielleicht die Meditation aus Thaïs und eine Arie aus Le Cid ! Alle Entdecker, Ausgräber und sonstigen musikalischen Trüffelschweine wollen wir ermutigen, auch weiterhin vergessene Werke aufzuspüren und diese ins Rampenlicht zu stellen. Nicht wenige von ihnen haben es wahrlich verdient.

24. April 2016

Die Liebe betrügt uns nie. Wir sind es, die die Liebe betrügen.
Aus dem Programmheft von „La Calisto“ von Francesco Cavalli, Staatstheater Darmstadt

Diesen Sätzen haben wir eigentlich nichts hinzuzufügen. Doch jenseits des Inhaltlichen wollen wir hervorheben, dass den Darmstädtern eine kreative und fantasievolle Koproduktion mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main gelungen ist. Humorvoll und charmant, bisweilen auch versonnen und nachdenklich wird allen möglichen und unmöglichen Verwicklungen der göttlich-menschlichen Liebesgeschichte nachgespürt. Jupiter, Juno, Merkur, Diana, Calisto, Endimione, Satyr und Pan – sie alle können sich Amors Pfeilen nicht entziehen bzw. kapitulieren vor den Auswirkungen der liebesgöttlichen Launen. Bühne, Kostüme und Regie wirken einfallsreich und schlüssig, die Sängerinnen und Sänger – die allermeisten Gesangsstudierende der Frankfurter Hochschule – finden zu einer geschlossenen, homogenen Ensembleleistung. Hin und wieder, vor allem im 1. Akt, loten die Instrumentalisten den emotionalen Ausdrucksgehalt der Musik zwar nicht vollständig aus, doch dafür gelingt der Schluss berührend schön und wirkt bis weit in den langen Schlussapplaus hinein nach.

Calisto

22. April 2016

In London wird im Juni das erste Nacktrestaurant eröffnet, es gibt bereits über 10.000 Reservierungen. The Bunyadi legt Wert auf die Information, dass den Gästen das unbekleidete Dinieren freigestellt ist – es gibt einen separaten Bereich für diejenigen, die lieber angezogen speisen. Ansonsten sorgen Abtrennungen für Diskretion, Fotografieren ist verboten. Seine Gäste sollen die „wahre Freiheit“ erleben, sagt Restaurantgründer Seb Lyall. Es gibt vegane und nichtvegane Gerichte, serviert auf handgetöpfertem Geschirr. Die Gäste sitzen auf Baumstämmen und bekommen Bademäntel, welche gefaltet und auf den Sitz gelegt werden können. Ob es Tafelmusik geben wird – möglicherweise als naked performance – ist nicht bekannt.

20. April 2016

„Wir haben keine Auswärtsschwäche. Wir haben eine Ergebnisschwäche in Auswärtsspielen.“ Mit diesem Satz hat sich der Fußballer Christian Gentner als feinsinniger Beobachter der deutschen Sprache zu erkennen gegeben, wie schön. Er hätte hinzufügen können, dass Gewerkschaften natürlich nicht die 35-Stunden-Woche fordern, sondern selbstverständlich an der 168-Stunden-Woche festhalten, während dieser jedoch nur 35 Stunden arbeiten wollen.

Öffentliche Musikschulen haben zunehmend das Problem, qualifiziertes Personal zu finden. Das hat mehrere Gründe, liegt aber hauptsächlich daran, dass die Verdienstmöglichkeiten (Achtung, polysemantische Falle – hier ist nur von Geld die Rede!) schlecht sind. Immer weniger Festangestellte, dafür mehr freie Mitarbeiter ohne den Anspruch auf Sozialleistungen. Diejenigen, die noch feste Arbeitsverträge haben, warten auf ausstehende Tariferhöhungen, leisten zum Teil unentgeltliche Mehrarbeit und verzichten auf Sonderzahlungen für zusätzliche Dienste. Unworte des Jahres: Kommunaler Sparzwang, freiwillige Leistung, Wiedervorlage. Welcher Berufsanfänger soll unter diesen Bedingungen in einer öffentlichen VdM-Schule seine Zukunft sehen?

Mittel- und langfristig wird sich zwangsläufig die Qualität des Lehrpersonals verschlechtern – es sei denn, die finanzielle Ausstattung der Musikschulen wird spürbar verbessert und die Schulen unterziehen gleichzeitig ihre Binnenstrukturen einer Effizienzprüfung. Flexibilität (nein, kein Euphemismus für Verschlechterung – im Gegenteil!) und Kreativität müssen auf die Agenda! Sehen wir in Veränderung zuerst Chancen, nicht Risiken! Nur so verhindern wir, dass Christian Gentner eines Tages sagt: „Wir haben keinen Musikschulniedergang. Wir haben einen Niedergang von Niveau und Qualität an Musikschulen.“

17. April 2016

Bei außergewöhnlichen Wasserständen, so heißt es, ist eine Schifffahrt durch die Loreley-Passage immer noch mit beträchtlichen Risiken verbunden. Die gefährlichsten Felsen im Fahrwasser sind zwar gesprengt, doch gibt es immer wieder Unfälle. Aus zuweilen ungeklärten Gründen kommt es zu Grundberührung, zum Ausfall von Antrieb und Steuerung. In der Folge müssen havarierte und manövrierunfähige Schiffe mit großem Aufwand wieder freigeschleppt werden.

Ein schönes Bild. Wenn unser Leben eine Schifffahrt ist, wie vielen Loreleys begegnen wir dann? Und bringt uns nur deren Gesang und Schönheit vom Kurs ab, oder gibt es noch andere „ungeklärte“ Gründe für Steuerungsprobleme und Kontrollverluste? Warum genau werden wir manövrierunfähig? In Brentanos Ballade kommen die Rheinschiffer an den Felsenriffen zu Tode – so arg müssen unsere Lebenshavarien nicht enden, doch die Katastrophen bleiben sozusagen nicht im Schiffsrumpf stecken. Wir spüren sie an uns selbst, und sie sind uns anzusehen. Wählen wir denn im Wiederholungsfall die längere, umständlichere, aber sichere Route, vielleicht wenigstens teilkaskoversichert? Oder entscheiden wir uns wieder für das Unkalkulierbare, das Abenteuer, das Risiko? Loreley live, life for love. Oder war es umgekehrt? Wir könnten uns wappnen und außer unserem Schiff auch uns selbst einem Sicherheits-Check unterziehen. Die Frage ist, ob wir das wollen – und damit womöglich ein noch größeres Desaster einleiten. Immerhin, soweit haben wir verstanden: Wenn wir nicht wenigstens einen der von uns selbst gewählten Häfen sicher erreichen, liegt es wahrscheinlich nicht am Schiff. Und für ein Schiff ohne Hafen ist kein Wind der richtige. Aber das wusste schon Seneca.

kitschlore
Kunstverlag Michel & Co, Frankfurt am Main

14. April 2016

Buchungsbestätigung
Napoli, Teatro di San Carlo
Aida 28/07/2016  20.30
Poltrona III Settore – Intero
17 – 018
50.00 €

13. April 2016

Das Teatro San Carlo in Neapel ist eines der ältesten und angesehensten Opernhäuser der Welt. 1737 wurde es eröffnet, und zahlreiche Komponisten, Sänger und Dirigenten waren hier tätig. Donizettis Lucia di Lammermoor wurde hier uraufgeführt, Enrico Caruso hat als gebürtiger Neapolitaner hier gesungen, Riccardo Muti kommt immer wieder gern in seine Heimatstadt und natürlich auch in dieses wunderbare Opernhaus. Hier wird viel Wert auf ein makelloses Aussehen bei einer Opernaufführung gelegt, und die Einwohner machen ihrer Begeisterung sowie Enttäuschung nicht selten lauthals Luft. Es kann durchaus passieren, dass z.B. jemand „Endlich!“ schreit, wenn auf Caravadossi in Puccinis Tosca im 3. Akt geschossen wird, wenn er schlecht singt. Bis zur Sommerpause stehen u. a. Madama Butterfly und Aida auf dem Programm. Karten sind noch erhältlich und mit € 50 für vordere Plätze nicht teuer. Und, von der Oper mal abgesehen, ist Neapel eine verrückte, aufregende Stadt mit sooo italienischem Leben – und bietet viel mehr als nur Pizza und Straßenverkehr ohne erkennbare Regeln. Andiamo, avanti!

Teatro San Carlo

11. April 2016

Im Rahmen der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele (5. Mai – 5. Juni) wird Martina Gedeck am 11. Mai im Deutschen Hygiene Museum aus dem Leben George Gershwins erzählen. Dessen Musik habe etwas Lebensbejahendes, Mitreißendes, sagt die Schauspielerin und ergänzt, Gershwins Musik habe für sie stark mit dem amerikanischen Lebensgefühl zu tun. Die Musik, so sagt sie, besitzt Eleganz, Nonchalance, Begeisterung „über die vielen Möglichkeiten“ und Melancholie. Es folgt der wichtigste Satz – auf die Frage, ob Gershwins Musik zeitlos sei oder eher Zeitgeschichte illustriere: „Seine Musik spricht – wie jede gute Musik – Geist und Sinne an, und das immer neu. Da gibt es keine zeitliche Begrenzung.“

Gershwin

26. März 2016

Gestern habe ich im Staatstheater Wiesbaden die Premiere von Boris Godunow miterlebt. In einer schlüssigen, teilweise beeindruckenden Inszenierung von Christian Sedelmayer überzeugten starke Solisten, insbesondere Shavleg Armasi (Boris), Young Doo Park (Pimen) und Monica Bohinec (Marina), ein stimmgewaltiger Chor – die Ensembles aus Wiesbaden und Darmstadt hatten sich zusammengeschlossen – und ein differenziert aufspielendes Orchester unter der sicheren Leitung von GMD Zsolt Hamar. Kleinere Nachlässigkeiten in der Ausgestaltung einzelner Phrasen wollen wir hier nicht bemängeln, auch wenn Boris gerade in seinen melancholisch-versunkenen Momenten bei behutsameren Tempi eine wichtige Facette seines Gemüts stärker hätte akzentuieren können. Sei’s drum, der musikalische Eindruck war imposant, das Bühnenbild von Christian Sedelmayer und Pascal Seibicke eindringlich (vor allem in der Schankszene!), die Kostüme von Caroline von Voss fantasievoll, doch ohne Verleugnung gegebenen Lokalkolorits. Nach über vier Stunden viel Beifall und zahllose Bravo-Rufe, absolut berechtigt.

Vor Beginn der Vorstellung hatte ich meinen Mantel an der Garderobe abgegeben. Ich erhielt meine Marke, fragte nach der Gebühr und erfuhr, dass das Staatstheater mit Beginn der laufenden Spielzeit die Garderobengebühr abgeschafft hat. Sieh mal an! Zum Vergleich: Das Opernhaus Dortmund hat das Garderobenpersonal abgeschafft. Es gibt jetzt Spinde, wie im Schwimmbad (Einwurf 10 Cent, man bekommt die Münze zurück). Auch dort ist also die Abgabe der Garderobe gratis. Und die Garderobefrauen haben jetzt abends frei. Sie könnten in die Oper gehen. Aber wovon?

Pause bis zum 10. April 2016

24. März 2016

If you don’t love yourself, how in the hell are you going to love somebody else?
Gillian Jacobs

love+serie

23. März 2016

Die Osterferien werde ich unter anderem zum Aussortieren von Büchern, CD und DVD nutzen. Wer kennt das nicht – man hat so viel im Regal stehen und hört und sieht doch immer die gleichen Stücke. Wie im Restaurant, wo uns unzählige Vorschläge gemacht werden, und wir doch immer wieder nur aus drei, vier Gerichten unsere Wahl treffen. Ein probates Mittel ist das umgekehrte Ausschlussverfahren – was darf auf keinen Fall weg, sozusagen die erweiterte Top Ten für die imaginäre einsame Insel.

Ich schaue nach Komponisten – Monteverdi, Händel, Mozart, Brahms, Verdi, Debussy, Strawinsky – das darf natürlich alles nicht weg. Von Dirigenten wie Solti, Kleiber, Boulez, Harnoncourt oder Pappano behalte ich natürlich auch alles. Und von Stimmwundern wie Björling, Sutherland, Domingo, Hampson, Netrebko, Yoncheva und vielen anderen kann man doch nichts weggeben! Also wird das nicht groß was mit dem Aussortieren, das sehe ich schon…. Abwechslungsreicheres Hören und Sehen ist wohl die klügere Wahl – vielleicht wartet ja so einiges darauf, neu entdeckt zu werden! Also, auf geht’s!

21. März 2016

Gestern nach dem Abendessen erzählt mein Sohn John, dass er sich wieder mal den Faust mit Gründgens angeschaut hat. Er ist sowohl vom Stück als auch von der großartigen Darstellung des Mephisto durch Gründgens tief beeindruckt, was mich sehr freut. Ich sage, dass die Semperoper Dresden gerade Faust/Margarethe von Gounod spielt und frage, ob er nicht Lust hat sich das anzusehen. Tatsächlich ist er nicht abgeneigt. Daraufhin fragt Emily, meine Tochter, worum es im Faust eigentlich geht.

„Faust verkauft seine Seele an Mephisto“, beginne ich meine Erläuterung. „Er ist getrieben von einer unstillbaren Gier nach Leben, er will Jugend und Liebeslust zurück, er … -“
„Also so‘ n Fantasy-Scheiß“, sagt Emily.
„So haben Goethes Zeitgenossen es vielleicht verstanden“, meint John und lacht.
„Fantasy-Scheiß würde ich nicht sagen“, sage ich kleinlaut. Emily grinst.
Die Gretchenfrage? Nein, lieber nicht.

18. März 2016

Für Freunde der Klaviermusik abseits ausgetretener Pfade ist jetzt im Helbling-Verlag eine bemerkenswerte CD-Ersteinspielung erschienen: Die Geisterszenen von Anselm Hüttenbrenner (1794 – 1868), ergänzt um die Geistervariationen von Robert Schumann (1810 – 1856), gespielt von der Pianistin Julia Rinderle.

Hüttenbrenner hatte in Graz seine Ausbildung zum Juristen abgeschlossen, bevor er in Wien Freund und Studienkollege von Franz Schubert wurde. Beide studierten bei Antonio Salieri, gemeinsam lernten sie Beethoven kennen. Schon zu Lebzeiten war Hüttenbrenner als Komponist, Pianist und Lehrer sehr geschätzt und angesehen. Zu seinem gesamten Œuvre zählen Opern, Messen, Requien, Kammermusik, Lieder sowie Chor- und Klaviermusik. Viele seiner Werke sind verloren oder verschollen. Aus heutiger Sicht, zumal im Vergleich mit Schubert, wollen wir die Einschätzung Peter Gülkes nicht unterschlagen, der Hüttenbrenner eine nur „mittlere Begabung“ und einen „Charakter von provinziellem Zuschnitt“ bescheinigt. Nun, neben einem Riesen ist jeder noch so groß Gewachsene klein. Was Sternstunden nicht ausschließt….

Die jetzige Veröffentlichung der Geisterszenen ist jedenfalls nicht nur aus editorischen Gründen von großem Wert. Eine gewaltige „Naturfantasie“, in Klang gegossene romantische Tonbilder – wir hören (und sehen) gewittriges Donnergrollen, Nebelschwaden, Gebirgsbäche. Der Zugang zu den 22 Szenen ist leicht, spontan und bereitet hinsichtlich des Schaffens assoziativer Bilder keinerlei Anstrengung. Julia Rinderle ruft die gesamte Palette ihrer pianistischen Gestaltungsmittel ab und beeindruckt mit spukhaften, halsbrecherischen Klangkaskaden ebenso wie mit idyllischer, kantabler Linienführung. Ein 56-seitiges, aufwändig gestaltetes und glänzend recherchiertes Booklet begleitet die sehr gelungene Einspielung.

RZ_HEL_Cover CD_Geisterszenen

17. März 2016

Ein heiterer Morgen. Blauer Himmel, kein Wölkchen. Die Vorhersage verspricht einen klaren Tag mit Temperaturen bis zu 13°. Dazu passend hören wir Brahms‘ 2. Sinfonie, über die der Musikkritiker Eduard Hanslick 1878 schrieb, sie „scheint wie die Sonne auf Kenner und Laien“. Nichts Schweres, Unheilvolles haftet dieser Sinfonie an, es dominieren tänzerische Passagen und geradezu idyllische Abschnitte. Wir warten auf das NDR-Pausenzeichen. Da-di-di, da-di-dihi-da-daha. Carlos Kleiber dirigiert die Wiener Philharmoniker, elegant und unnachahmlich. Wirklich ein schöner Tag. Meteorologisch, musikalisch.

Auch sonst ist alles gut. Papst Franziskus übt scharfe Kritik an der Politik der Abschottung vor den Flüchtlingen, Hans-Ulrich Jörges vom Stern will zum selben Thema endlich Taten sehen, Frauke Petry boykottiert das ZDF-Morgenmagazin, Bayern München dreht ein verloren geglaubtes Spiel, Oliver Pocher und Sabine Lisicki sind kein Paar mehr. Alles gut.

15. März 2016

Wer rechnet, ist immer in Gefahr, sich zu verrechnen. Die dumme Kuh trifft immer das richtige Gras.
Theodor Fontane (1819 – 1898)

Olle Fischer Kuh

14. März 2016

Over The Top With Franz – die von David Alden 1997 für das Fernsehen inszenierte Fassung von Schuberts Winterreise mit Ian Bostridge (Tenor) und Julius Drake (Klavier) zeigt den schmalen Grat, auf dem sich eine visuelle Umsetzung der Partitur zwangsläufig bewegen muss. Nicht grundlos standen die Musiker den Fragen des Regisseurs nach Identität, Herkunft und Intention des Erzählers zunächst sehr skeptisch gegenüber. Wie hätte es auch anders sein sollen? Ein Liederzyklus, also ein Werk mit Text und Musik, kann und will ja gerade nicht alles sichtbar machen, sondern in Fantasien, Träumen und Sehnsüchten begründete und gleichzeitig dem eigenen Erleben und Begreifen entsprechende Gestaltungsräume schaffen. Sich der Mittel des Szenischen, des Opernhaften zu bedienen, bedeutete für beide Musiker einen mutigen, unkonventionellen Schritt, durchaus begleitet von Unbehagen und der Sorge, den eigenen künstlerischen Ansprüchen untreu werden zu können. Umso bemerkenswerter ist das Ergebnis der Zusammenarbeit – eine fesselnde, lange nachwirkende Darstellung menschlicher Einsamkeit und Verlassenheit. Wir sehen und hören das Werk heute Abend im Kurs.

Schubert Winterreise Cover

12. März 2016

Heute mach ich mir kein Abendbrot. Heute mach ich mir Gedanken.
Wolfgang Neuss (1923 – 1989)

Chapeau!, trotzdem werde ich etwas essen, und zwar „Tartiflette“, das ist gebackener Käse mit Kartoffeln und Speck. Das kommt davon, wenn man ZEIT online liest. Das Gericht, so heißt es da, „ist kalorienmäßig gut geeignet, wenn man den ganzen Tag Ski fahren war oder auf dem Bau arbeitet. Aber […] es schmeckt auch sehr gut, wenn man den ganzen Tag herumgesessen hat und sich nur, wenn es gar nicht anders ging, erhoben hat.“ Sehr praktisch. Ich will mich hier nicht darüber verbreiten, wie mein heutiger Tag ausgesehen hat. Nur soviel: Ski fahren oder auf dem Bau arbeiten war ich nicht.

Tartiflette-recipe

10. März 2016

Wollten Sie nicht schon immer von einem Schwan geliebt werden? Von einem Goldregen verführt? Oder sogar endlich etwas mit Ihrer Vorgesetzten anfangen? Alles ist möglich, wenn Jupiter, der Gott aller Götter, Sie liebt, zumal im paradiesischen Arkadien…

Mit diesen Worten wirbt das Staatstheater Darmstadt für seine Produktion von La Calisto, eine der berühmtesten Opern von Francesco Cavalli (1602 – 1676). So genial sein Lehrer Claudio Monteverdi auf dem Gebiet des Dramatischen ist, so herausragend zeigt sich Cavalli im Melodischen. Die Entwicklung des Ariosen ist meisterhaft und bis ins Detail kunstfertig (eine der betörendsten Arien ist Endimiones „Lucidissima face“). Cavalli komponierte seine karnevaleske Verwechslungskomödie vor über 350 Jahren – mit berührenden Melodien und hinreißenden Arien. Und die Götter sind in Liebesdingen auch nur Menschen, wie schön! – Eifersucht, Ehekrise und Liebeskummer inklusive. In Kooperation mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt und gefördert von der Hessischen Theaterakademie, bringen die Darmstädter nun diese wunderbare Oper auf die Bühne. Premiere ist am 15. April.

8. März 2016

quotation bethenny frankel

7. März 2016

Nikolaus Harnoncourt ist tot. Der große Dirigent, Autor, Musikphilosoph und Vermittler der „Klangrede“ starb am Samstag im Alter von 86 Jahren, wie seine Familie am Sonntag mitteilte. Harnoncourt sei nach einer schweren Erkrankung friedlich im Kreis seiner Familie entschlafen, hieß es in einer Erklärung der Familie. „Trauer und Dankbarkeit sind groß. Es war eine wunderbare Zusammenarbeit“, schrieb seine Frau Alice im Namen der Verwandten. Harnoncourt hatte sich erst im Dezember aus gesundheitlichen Gründen vom Dirigentenpult zurückgezogen.

Damals sprach er in einer Botschaft an sein Publikum von einer „ungewöhnlich tiefen Beziehung zwischen uns am Podium und Ihnen im Saal“, freute sich über diese so lange währende „glückliche Entdeckergemeinschaft“ und wusste: „Da wird wohl vieles bleiben.“

Trauer und Dankbarkeit sind groß – das gilt auch für uns, wenngleich in anderer Weise. Was wir ihm zu verdanken haben, ist unermesslich. „Musik muss die Seele aufreißen“, hat er einmal gesagt und verwies immer wieder auf die Bedeutung der Kunst für das menschliche Dasein. „Die Kunst ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein.“

4. März 2016

Vor ein paar Tagen haben wir „La Valse“ besprochen – Maurice Ravels gnadenlose Zerstörung musikalischer Walzerseligkeit, Abbild des Desaströsen und fratzenhaftes, verzerrtes Aufblitzen ehemals heller und glänzender, jetzt finster und morbide erscheinender Farben. Vor dem Hintergrund der Bilder des Ersten Weltkrieges hören wir zahlreiche Vorahnungen der unaufhaltsamen Katastrophe – mit verschwimmenden Rhythmen und Harmonien, schmerzenden Dissonanzen und verstörenden Klangfarben. Das ganze Stück wirkt wie ein Albtraum, wie eine unkontrollierbare Zugfahrt, der wir nicht entrinnen können. Wie der Dirigent Stéphane Denève sagt, klingen Klarinetten, Celli und Kontrabässe „wie Erbrochenes, wirklich furchtbar“.

Die Berliner Philharmoniker haben das Werk beim Silvesterkonzert 2015 unter der Leitung von Sir Simon Rattle aufgeführt. Gut, niemand hat bisher die Qualität der New Yorker Philharmoniker unter Pierre Boulez erreicht (unbedingt die Aufnahme aus den 70er Jahren kaufen!), doch hätten wir uns trotzdem insbesondere das Brachiale, das Eruptive eindringlicher, schroffer, mutiger gewünscht. Nun, jedenfalls wurde das Konzert auf arte live übertragen und von Annette Gerlach moderiert. Während die Homepage des Senders das Stück zutreffend als „Walzer-Taumel, der am Ende vollends aus den Fugen gerät“ charakterisiert, meinte Frau Gerlach sinngemäß „herrliche Walzer- und Champagnerklänge“ zu vernehmen. Jemand hätte ihr das Stück vorher erklären sollen. In unserem Kurs sind noch Plätze frei.

2. März 2016

Ein guter Film hilft. Etwas Intelligentes lesen hilft. Jemanden treffen, der einem etwas Neues über das Leben erzählt. Das gibt mir die Kraft weiterzumachen. Und meine Kinder natürlich. Und Liebe. Liebe zwischen Mann und Frau. Ich glaube, Liebe ist das Einzige, wofür ich mich wirklich interessiere.
Laetitia Casta

29. Februar 2016

Leonardo DiCaprio hat seinen ersten Oscar gewonnen. Endlich, und vor dem Hintergrund seiner Glanzleistungen in diversen Filmen (Gilbert Grape, Titanic, The Departed, Aviator, The Wolf of Wall Street, The Great Gatsby, um nur einige zu nennen) absolut berechtigt. Der Film, für den er die begehrte Auszeichnung jetzt erhielt (The Revenant), gibt diese zwar eigentlich nicht her, aber so ist das im Leben. Dinge passieren spät, bisweilen zu spät, und nur selten ohne Grund. DiCaprio ist jetzt 41, die Filmwelt durfte also davon ausgehen, dass er nicht auf ewig leer ausgehen würde (es gibt prominente Beispiele, ich weiß). Trotzdem haftet diesem Oscar jetzt der Beigeschmack des Versäumten, ja der Ausdruck des Schuldbewussten an. Im Fußball wäre das ein unberechtigter Strafstoß nach zahllosen nicht geahndeten Fouls, eine gewissenhafte Konzessionsentscheidung, die den Anlass gesucht hat und wusste, dass es ihn geben wird. Der Ausgezeichnete wird sich dennoch freuen. Er hat den Preis mehr als verdient, nicht ausgerechnet jetzt, sondern schon längst, und das bei weitem nicht nur, wie David Hugendick auf Zeit online schreibt, weil keiner „so innerlich verwahrlost in eine leere Milchflasche pinkeln“ kann wie er. Das ist launig geschrieben, aber verstellt den Blick. Leonardo DiCaprio ist ein sehr wandlungsfähiger, großartiger Charakterdarsteller. Und könnte der Oscar sich seine Akteure aussuchen, wäre die Wartezeit wohl deutlich kürzer ausgefallen.

Leonardo DiCaprio

27. Februar 2016

Gestern Abend im Staatstheater Mainz war ich früh genug, um der Einführung zu Rigoletto beizuwohnen. Dramaturg Lars Gebhardt lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums dankenswerterweise auf einige wesentliche Aspekte, so z. B. die freie Entscheidung Gildas, sich für den Herzog zu opfern und für ihn in den Tod zu gehen. Üblicherweise wird die plausible Sichtweise Sparafuciles und Maddalenas – dass nämlich der Zufall die verkleidete Gilda den Tod finden lässt, da sie die erstbeste Person ist, die dem gedungenen Mörder über den Weg läuft – auch der Zuhörerschaft nahe gebracht. Wie wohltuend, dass die Mainzer Produktion (Inszenierung Lorenzo Fioroni) sehr deutlich werden lässt, dass Gildas Tod von ihr selbst bestimmt ist. Die vermeintlich Schwache, die Unerfahrene und von der Gesellschaft Ferngehaltene ist souverän und letztlich von allen handelnden Personen die stärkste. Hand in Hand damit geht die Zeichnung der Titelfigur. Rigoletto ist zu keiner Zeit in der Lage, den Fluch des Grafen Monterone (die Oper sollte ursprünglich „La Maledizione“ heißen) und seine eigene Erinnerung daran richtig zu deuten. Unfähig, sein Verhalten zu ändern, hält er am Ende folgerichtig nicht seine vermeintlich so geliebte Tochter in den Armen, sondern steht ein paar Schritte von ihr entfernt, nach wie vor „blind im Inneren, gegenüber sich selbst und seinem Tun“, wie es im Programmheft sehr zutreffend heißt.

Die Inszenierung ist packend und liefert opulente Bilder. Es schneit, es brennt, es stürmt. Im zweiten Akt entledigen sich die Höflinge ihrer Kostüme („wir spielen hier nur Theater“), ziehen sich später auf der Bühne wieder um, beobachten das Geschehen und schlagen sich sozusagen auf  die Zuschauerseite. Clemens Schuldt, einer der vielversprechendsten Dirigenten Deutschlands der jüngeren Generation (er wird ab der Spielzeit 2016/2017 Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters), beweist Sicherheit in der Wahl der Tempi, der Orchesterklang ist intensiv und dicht, trotzdem haben die Sänger alle Freiheiten. Werner Van Mechelen ist ein großartiger Rigoletto, sängerisch wie darstellerisch. Paul O’Neill (Herzog), Marie-Christine Haase (Gilda) Tamta Tarieli (Maddalena) und Hans-Otto Weiß (Sparafucile) sind in ihren jeweiligen Rollen glaubhaft und stimmlich sehr präsent. Mit Rigoletto gelang Verdi der endgültige Durchbruch als Komponist. Er selbst hielt das Werk für eines seiner gelungensten Stücke, die Uraufführung war ein überwältigender Erfolg. Die Mainzer zeigen in dieser Spielzeit, warum.

Rigoletto, Mainz

26. Februar 2016

Das Wasser, das du nicht trinken kannst, lass fließen.
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Puschkin, Gemälde

24. Februar 2016

Wir alle schleppen tonnenweise Ballast mit uns herum, aus der Art, wie wir erzogen wurden und aus unseren ersten Beziehungen. Wenn wir jemand Neues treffen, sind wir im Grunde schon total versaut. Für eine Weile gelingt es uns, dem anderen weiszumachen, dass wir gesund sind, aber ganz allmählich merkt der andere, dass mit dir etwas nicht stimmt. Wie soll das nur gehen mit der Liebe?
Judd Apatow (*1967, US-amerikanischer Filmregisseur, Drehbuchautor und Produzent)

Apatow ist mit Komödien seit 2004 kommerziell sehr erfolgreich. Gerade läuft die Netflix-Serie Love an, mit Paul Rust und Gillian Jacobs in den Hauptrollen. Apatows Protagonisten zeigen sich ungeniert, unromantisch, peinlich, sympathisch, ehrlich und machen weder einander noch sich selbst etwas vor. Die feine Ironie des Erzählstils entgeht uns nicht. Der Grat ist schmal, und das Konzept geht auf – wir lachen über die beiden. Und dann über uns selbst, hoffentlich.

23. Februar 2016

Ab der nächsten Woche beginnen wir ein neues Chorprojekt. Auf dem Programm stehen Vierstimmige Gesänge von Joseph Haydn, Chorlieder nach mittelhochdeutschen Texten von Harald Genzmer und Stücke für Sprechchor von Carl Orff. Über die Sprechchor-Stücke schreibt der Schott-Verlag, diese zeigten Möglichkeiten, das dichterische Wort als ein ursprünglich und wesenhaft Erklingendes zu verwirklichen. Die Sprache großer Dichtung von Sophokles / Hölderlin über Schiller, Goethe bis zu Klangspieletüden wird rhythmisiert oder von einem rhythmisch durchgestalteten Klanggrund getragen. Neben a-cappella-Sätzen stehen Einrichtungen mit Instrumenten, die den Ablauf gliedern und akzentuieren. Die Stücke für Sprechchor (Kammerensemble oder große Besetzung) sind Endformen sprachlicher Gestaltung.

Es stellt eine große Herausforderung dar, diese Stücke präsentabel zu erarbeiten. Ihr Vortrag verlangt rhythmische Sicherheit, Gefühl für Tempo, Puls und Metrum sowie eine gewisse deklamatorische Übung. Wir wagen so etwas zum ersten Mal, jedenfalls im Rahmen eines Chorprojektes. Aber wer singen will, muss sprechen können, i.e. die Regeln der Sprache kennen. Und da sind wir wieder: Musik als Klangrede, mit eigener Grammatik und verschiedensten Stilmitteln der Rhetorik. Wem dazu noch Sinn für Theater und Bühne gegeben ist, der wird seine helle Freude haben.

21. Februar 2016

„Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über parship.“ Das wirft Fragen auf. Erstens, wie macht der das bloß? Zweitens, oder ist das gar nicht immer derselbe? Drittens, braucht es zur glücklichen Liebe nicht zwei? Gut, von glücklich war nicht die Rede. Viertens hat Parship 4,5 Millionen Mitglieder. Wenn sich jemand neu anmeldet, und sich alle 11 Minuten ein Single verliebt, kommt der dann in 8,5 Jahren dran? Oder anders gefragt, ist bei der genannten Anzahl an Mitgliedern wirklich in etwa 94 Jahren jeder bedient?

Wir wollen nicht kleinkrämerisch sein. Die Liebe ist doch was Schönes, mal im Ernst. Auch wenn sie tragisch endet, wie gestern wieder im Essener Aalto-Theater. Tosca liebt Cavaradossi, ganz ohne parship, jedenfalls war keine Werbung zu sehen. Scarpia hat’s wie in jeder Vorstellung bei der Schönen versucht, aber wie immer erfolglos und obendrein tödlich. Doch Vorsicht, statistisch gesehen ist auch er irgendwann dran. Tosca ist dann alt und grau, aber darum geht es nicht. Ein neuer Regieansatz könnte alle überleben und ihre Premium-Mitgliedschaften vorzeitig beenden lassen. Wie so viele vor ihnen, statistisch alle 8 Minuten. The parship-theater proudly presents….

19. Februar 2016

Wetzlarer Neue Zeitung, 19. Februar 2016

Brillant und lehrreich zugleich
Abschlusskonzert des Chorprojektes der Musikschule in Naunheims Kirche

von Andreas Müller

Wetzlar-Naunheim. Zu einer geistlichen Abendmusik hatte die Evangelische Kirchengemeinde Naunheim in Zusammenarbeit mit der Wetzlarer Musikschule in die evangelische Kirche Naunheim eingeladen. Thomas Sander, Leiter der Wetzlarer Musikschule, hatte das Projektensemble und den Projektchor sehr gut vorbereitet. In einem Benefizkonzert für die Kinder- & Jugendförderung stellte er Vokalmusikmusik des Hochbarock Instrumentalmusik der frühen Moderne gegenüber. Im Instrumentalensemble, besetzt mit drei Violinen, Bratsche, Cello und Kontrabass, spielten Dozenten der Musikschule mit Musikern anderer Ensembles zusammen. Die sechs Musiker waren optimal aufeinander eingespielt und harmonierten sehr gut. Sowohl als Begleitung und Stütze des Chores als auch bei den „Fünf Stücken für Streichorchester“ op. 44/4 von Paul Hindemith demonstrierten sie großes musikalisches Können und sorgten mit ihrem feinsinnigen Spiel für ein besonderes Klangerlebnis. Der Projektchor, bestehend aus 22 Sängern, hatte seit November geprobt.

Konzert Naunheim 02-2016 groß

Thomas Sander gab zu Beginn, aber auch immer wieder zwischen den einzelnen Stücken, wertvolle Erklärungen zu den Stücken und den Komponisten und wies außerdem auf Besonderheiten der Kompositionstechniken hin. So konnten sich die Zuhörer sehr gut auf die einzelnen Stücke einstellen. Rosenmüller hat seine Werke in schlichter Klangtechnik, aber mit großer Ausdrucksschönheit ausgestattet, erklärte Sander. Rosenmüller war für den Posten des Thomaskantors in Leipzig vorgesehen. Aufgrund des Vorwurfes der Päderastie wurde er es dann aber nicht. Sozusagen als Kontrapunkt zwischen die Barockgesänge stellte Sander immer die gleichen zwei Sätze (1. Satz: Langsam; 2. Satz: Langsam. Schnell) aus Hindemiths „Fünf Stücken für Streichorchester“. Über Hindemith wusste Sander zu berichten, dass er sein Publikum mit ungewohnten Klängen oft verschreckt habe. In Nazi-Deutschland durfte er schließlich nicht mehr gespielt werden, worauf Hindemith zunächst in die Schweiz, später in die USA auswanderte. Hindemith habe viel von „Gebrauchsmusik“ gehalten, berichtete Sander über den hessischen Komponisten. Er habe Musik begreifbar machen wollen. Sowohl Laien als auch Profis sollten Verständnis für die Musik erlangen. Um dies dem Naunheimer Publikum zu erleichtern, griff Sander zu dem Trick der Wiederholung. Somit war der Wiedererkennungseffekt gegeben und die Zuhörer konnten sich besser in diese Musik hineinhören.

Das erste Hindemith-Stück stand in einem ruhigen 4/4-Takt. Parallel zu den Gesangsstücken aus dem Barock wechselte auch das zweite Hindemith-Stück von einem langsamen Viertel-Takt in einen schnellen 3/2-Takt. Die Streicher intonierten sehr melancholisch und unterstrichen deutlich betonte Noten. War der erste Choral von Rosenmüller, „Alle Menschen müssen sterben“, in Moll notiert, steht der zweite „Nun Gott Lob, es ist vollbracht“ in Dur. Sander erklärte, dass damit musikalisch die Textstelle „jauchzen und springen“ und die Hoffnung, was nach dem Tod kommt, umgesetzt wurde. Er nannte Rosenmüller einen Klangmagier in der Übertragung von Bildern in Musik. Bei seinem Dirigat versank er tief in der Musik, ging förmlich in ihr auf und modulierte die Klänge mit seinen Bewegungen. Nach der dritten Wiederholung von Hindemith folgte ein sehr schlichter, dritter Begräbnisgesang.

Den Abschluss des Konzertes bildete der Schlusschor aus dem Oratorium „Jephte“ von Giacomo Carissimi (1605-1674). Dieser war als Lehrer sehr geschätzt. Sein berühmtester Schüler dürfte wohl Marc-Antoine Charpentiere gewesen sein, aus dessen „Te Deum“ die berühmte Eurovisions-Fanfare stammt. Carissimi baut im Schlusschor die Stimmen nacheinander bis zur Sechsstimmigkeit auf und sorgt in den drei Takten von Jephtes Wehklagen für eine im Barock ungewöhnliche Anhäufung von Dissonanzen. Mit langem Applaus dankten die Zuhörer für das besondere Konzert.

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… freut mich sehr, gerade heute – am 135. Geburtstag von Armin Knab.

16. Februar 2016

Die Schweizer Resilienzforscherin Professor Pasqualina Perrig-Chiello von der Universität Bern erforscht die Gründe dafür, warum es einigen Menschen besonders gut gelingt, gravierende Schicksalsschläge zu verarbeiten und hat dabei eine ganze Reihe von Charaktereigenschaften ausgemacht, die widerstandsfähige Menschen kennzeichnen. Optimismus, Humor und Dankbarkeit für das Schöne im Leben gehören dazu, ebenso die Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen. Vor allem aber ist es die Lust daran, das eigene Leben selbst zu gestalten. Pasqualina Perrig-Chiello: “Resiliente Menschen nehmen ihr Leben kreativ, mutig und lösungsorientiert in die eigene Hand. Sie sind entscheidungsstark und verfolgen ihre Ziele sehr engagiert. Wenn sich ihr Leben verändert, können sie ihre Ziele aber auch anpassen.”

Alles richtig, aber geht es auch ein bisschen konkreter? Was ist mit Musizieren, Chorsingen, Theater- und Opernbesuchen? Das Leben kreativ, mutig und lösungsorientiert in die eigene Hand nehmen, das eigene Leben selbst gestalten – was ist das anderes? Unbekanntes Terrain betreten, entdecken, erobern! Emotionen spüren, kennenlernen, ihnen nachgeben! Bedürfnisse und Sehnsüchte erkennen, Risiken eingehen und Ziele anpassen – ja, bei letzterem sind wir gebrannte Kinder und verbinden mit „Anpassung“ steigende Gebühren oder sinkende Renditen, jedenfalls nichts Positives – aber wer untersagt uns, Ziele nach oben zu korrigieren und höher hinaus zu wollen? „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, hat Karl Valentin einmal gesagt. Resiliente Menschen haben es also nicht leicht, aber gut. Wenn das kein Ziel ist!

14. Februar 2016

Gestern haben wir in der Evangelischen Kirche Wetzlar-Naunheim unser Chorprojekt mit einer „Geistlichen Abendmusik“ zum Abschluss gebracht. Auf dem Programm standen drei Begräbnisgesänge von Johann Rosenmüller, der Schlusschor aus Jephte von Giacomo Carissimi und zwei Sätze aus Fünf Stücke für Streicher 0p. 44/4 von Paul Hindemith. Ich habe dem Publikum, wie ich es gern tue und auch immer wieder dazu ermutigt werde, Erläuterungen zur Musik gegeben – zu historischen und biografischen Hintergründen, zu Satztechniken, zum Wort-Ton-Verhältnis und manchem mehr. Unter anderem sprach ich über die Taktwechsel in den Chorälen –  über den Platz für Trauer und Klage in den geradtaktigen ersten Abschnitten, über Erlösungs- und Seligkeitsversprechen in der jeweils folgenden Tripla.

Binnen weniger Tage habe ich jetzt zwei Interviews mit Roger Willemsen gesehen, beide aus dem letzten Jahr, kurz vor seinem 60. Geburtstag, aufgenommen zu einem Zeitpunkt, als er seine Krebsdiagnose noch nicht kannte. Im Gespräch mit Juri Steiner spricht er über die normale, dem Alter entsprechende körperliche „Materialermüdung“ und sagt, dass er diesbezüglich keine großen Dramen auf sich zukommen sieht. Dann ergänzt er, dass er ein „stark reduziertes Interesse an der Zukunft“ hat und beschließt das Interview mit der Antwort auf die selbstgestellte Frage, wer er sei: „Ein Entflammter, ein Vermittler.“

Nach einer Woche ist sein Tod für mich immer noch unwirklich. Seine Rhetorik, seine Erzähl- und Fabulierlust sind vielfach bestaunt und gerühmt worden, zu Recht. Mehr als das aber rühren mich seine empathische Leidenschaft und das tiefe Gespür dafür, was wirklich wichtig ist in diesem Leben. „Ich würde gerne glauben, aber ich kann nicht“, hat er einmal gesagt, und der Sinn des Lebens „besteht darin, die gegebene Frist sinnvoll zu nutzen. Nicht nur Spaß zu haben.“ Wenn die Frist dann um ist, was ist mit einem Leben nach dem Tod? „Darüber kann ich nichts wissen, und das betrübt mich nicht.“

12. Februar 2016

Gestern fragt mich mein Sohn: „Papa, was ist der Unterschied zwischen einem Comedian und einem Kabarettisten?“ Kurze Pause, dann gibt er die Antwort selbst: „Der Comedian macht es wegen dem Geld. Der Kabarettist macht es wegen des Geldes.“

9. Februar 2016

Die Nachricht vom Tode Roger Willemsens berührt mich sehr. Ich hatte das Glück, ihn persönlich kennenlernen zu dürfen, nach einer seiner Lesungen im Dortmunder Harenberg City-Center. Eine ganze Weile zuvor hatte ich ihm als begeisterter Zuschauer von Willemsens Woche meine John McEnroe gewidmete Court Music geschickt, für die er sich in einem handgeschriebenen Brief bedankt und versprochen hatte, mich in seine Sendung einzuladen, wenn McEnroe einmal zu Gast sein sollte. Nun saß er also am Autogrammtisch, und ich stellte mich vor. Er erinnerte sich sofort an die CD, an die Verbindung von höfischer Musik mit dem Tennissport und sagte, dass die Musik bei ihm immer mal liefe und ich ihm damit wirklich eine Freude gemacht hätte. Dann signierte er für mich mit sehr lieben Worten ein Exemplar seiner Deutschlandreise. Es ist lange her, und doch ist die Erinnerung daran sehr frisch. Gute Reise, Roger Willemsen!

Roger Willemsen

8. Februar 2015

Andrea De Carlo geht in seinem Roman „Sie und Er“ schon ziemlich zu Anfang der Frage nach, wer oder was eigentlich welche Saite in uns zum Schwingen bringt. Er gibt auch gleich die Antwort, indem er sagt, dass viele voneinander unterschiedliche Züge, Neigungen und Dispositionen in uns angelegt sind und von vielen Menschen, denen wir begegnen, zum Leben erweckt werden. Kurioserweise passiert dies am ehesten bei flüchtigen Begegnungen wie z. B. in der U-Bahn oder an der Supermarktkasse. Wir stellen uns für eine kleine Weile das Kaleidoskop der Möglichkeiten vor, das wir mit diesem oder jenem Menschen zusammen erleben könnten oder schon hätten erleben können. Dann ist dieser Mensch fort, und wir befassen uns wenig später mit einer nächsten, äußerlich und innerlich völlig anderen Person. Und wieder spüren wir verpasste Chancen, vertane Gelegenheiten, nicht genutzte Optionen. Es gibt sie nicht, diese eine, einzige Saite! Wir können, wie jedes taugliche Instrument, so oder so oder so klingen, immer in Abhängigkeit von anderen. Was hätte aus uns, aus unserem Leben werden können? Was wird noch daraus? Wer sind wir?

De Carlo, Sie und Er

5. Februar 2016

[…] Nur eine finanziell und ideell maximal aufgewertete Kultur- und Bildungspolitik wird in der Lage sein, die gewaltigen anstehenden Probleme der Flüchtlingswelle grundgesetzkonform und human zu bewältigen.

Ob dazu Figuren wie Bayerns Ministerpräsident in spe Söder (erhielt gerade irgendwie zu Recht den Orden wider den tierischen Ernst), ein verknorzter de Maizière, der Mehrwert-Steuermann Schäuble oder der Meinungs-Brummkreisel Gabriel die richtige Besetzung abgeben, darf stark bezweifelt werden. Für sie reduziert sich die diffus herbeigesehnte deutsche Leitkultur doch auf eine Art Wohlverhaltens-Knigge. Wer als Flüchtling sein Fahrrad falsch parkt oder eine deutsche Frau anguckt, wird verhaftet und ausgewiesen. Es lebe das deutsche Dschungelcamp-Kulturverständnis.
Theo Geißler in der nmz, Nr. 2/16

1. Februar 2016

Es gibt Bücher, denen man eine gewisse literarische Qualität nicht absprechen kann und die man durchaus gerne liest, doch für die der Begriff „große Literatur“ zu hoch gegriffen wäre. So ist es mir jetzt mit Späte Einsichten von David Leavitt gegangen (im Original The Two Hotel Francforts, New York/USA 2013). Das Buch hat Originalität und zuweilen auch Witz, und doch bleibt eine ganz andere Passage haften, die eher versonnen-nachdenklich klingt und umweht ist von leiser Melancholie. Und für diese Stelle allein hat sich die Lektüre des ganzen Romans dann gelohnt.

[…] Meine große Schwäche ist, dass ich den Fluss der Zeit nicht akzeptieren kann. Ich will gegen das Verblassen der Erinnerungen durch die Zeit ankämpfen. Ein ganz und gar vergeblicher Versuch, weil – vielleicht hast du das auch bemerkt – gerade die Erinnerungen, die wir am häufigsten beschwören, am schnellsten verblassen und durch – wie soll ich sagen – durch eine Art Erinnerungsfiktion ersetzt werden. Wie ein Traum. Wohingegen die Dinge, die wir völlig vergessen haben und die uns nach dreißig Jahren plötzlich mitten in der Nacht überfallen, eine gespenstische Frische haben. […]

29. Januar 2016

Ich war siebzehn Jahre alt, als ich meine erste Wagner-Oper hörte. Ein Freund nahm mich mit in eine Vorstellung von Lohengrin an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Das war etwas vollkommen Neues für mich, der ich zuvor nur Opern von Cavalli, Händel, Mozart, Lortzing und Rossini gesehen hatte. Nun also Wagner, ich war sehr gespannt. Und mit welcher Wucht schlug dieses Werk ein! Ich war fasziniert von der Musik, natürlich sofort von diesem unglaublichen Vorspiel zum 1. Akt, das ja die ganze Handlung musikalisch zusammenfasst, extrem komprimiert und inhaltlich proportional zur gesamten Spieldauer der Oper. Begeistert war ich von den Sängern, dem Bühnenbild, dem Orchester mit seinen Blechbläsern, die ich noch nie auf diese Weise spielen gehört hatte.

Meine Eltern bekamen damals regelmäßig Besuch von einem passionierten Opernliebhaber. Er versorgte über Jahre die ganze Familie mit Opernquerschnitten, Sängerportaits, Messen, Kantaten etc., alles auf Langspielplatten und Musikkassetten. Am jenem Nachmittag, als ich Lohengrin sah, war er wieder einmal zu Gast und bemerkte meine Abwesenheit. „Thomas ist in Düsseldorf und sieht sich Lohengrin an“, sagten meine Eltern. „Wenn er wiederkommt, ist er Wagner-Fan“, so die Antwort. Genauso war’s und hielt auch eine Weile lang an.

Wir haben in dieser Woche im Opernkurs die Aufnahme aus der Bayerischen Staatsoper von 2009 gesehen (Bayerisches Staatsorchester, Nagano; Kaufmann, Harteros, Koch, Schuster, Fischesser). Natürlich bin ich bei Lohengrin sozusagen prädisponiert, aber wer bei diesem Stück unbeeindruckt bleibt (lassen wir ein paar Unverständlichkeiten der Inszenierung beiseite), dem hilft auch keine andere Wagner-Oper. Ein grandioses Erlebnis, mein lieber Schwan!

Lohengrin

27. Januar 2016

Heute trinken wir Punsch, zu Mozarts 260. Geburtstag. Sein Lieblingsgetränk! Vielleicht gönnen wir uns einen Wachpunsch, so wie Constanze ihn am Abend vor der Uraufführung des Don Giovanni zubereitet hat, damit Wolfgang länger aufbleiben konnte. Es war ein gutgemeinter Versuch ihm Zeit zu verschaffen, denn Mozart war mit dem Komponieren im Rückstand. Er schlief trotzdem ein und musste am nächsten Morgen, also am Tag der Aufführung (!) noch die Ouvertüre komponieren und sämtliche Stimmen schreiben. Und so hat er’s auch gemacht, vermutlich mit müden Augen… Glückwunschpunsch!

Mozart Sonnenbrille

20. Januar 2016

Der französische Film „Coco & Igor“, von Jan Kounen 2009 gedreht, mit der Musik von Gabriel Yared, erzählt die kurze, aber heftige Liaison zwischen Coco Chanel und Igor Strawinsky. Gestern war diese in sehr ästhetischen Bildern erzählte Geschichte wieder auf ZDFkultur zu sehen. Kounen beschäftigt sich weniger mit der Frage, was die beiden Protagonisten eigentlich verbindet, sondern lässt die Atmosphäre der Zeit aufleben. Er wählt jeden Drehort sorfältig aus, lässt jedes Ambiente stilgerecht wiedererstehen und scheut beim Abbilden großer Konzertszenen keinen Aufwand. Anna Mouglalis und Mads Mikkelsen sind sehr präsent, und doch, wie gesagt, wissen wir nicht so recht, worum es wirklich geht – um Spannung, um Erotik oder Leidenschaft, um Liebe? Der Schluss zeigt uns Strawinsky wieder allein, von seiner Ehefrau verlassen. In der letzten Szene sehen wir sein Bild, als Foto im Schlafzimmer von Coco, die ihren neuen Liebhaber empfängt. O Fortuna!

poster art

18. Januar 2016

Gestern Abend auf ARD-alpha: „Spötterdämmerung – Gespräche mit Friedrich Hollaender“, zum 40. Todestag des Künstlers („Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“). In Rainer Bertrams Film aus dem Jahr 1972 erzählt der damals 76-jährige Hollaender aus seinem Leben, über die vielen Menschen, denen er begegnet ist. Er hat mit zahlreichen Größen aus Film, Revue und Musical gearbeitet und war mit Schauspielern, Regisseuren und Produzenten, mit Kameraleuten und Musikern gut bekannt, mit einigen von ihnen eng befreundet. Wir hören fasziniert zu, wie er über die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erzählt, über die 20er Jahre, die Berliner Kulturszene, später dann über die Zeit im amerikanischen Exil, auch über Hollywood. Besonders schön, hintersinnig und verschmitzt erzählt Hollaender, wie Marlene Dietrich eines ihrer Comebacks gibt. Sie ist also zurück, sagt er, nach Jahren der Abwesenheit ist sie also nun wieder da und posiert wie eh und je. Dann schaut sie sich das Ergebnis an und sagt zum Kameramann: „Na, da hast du mich aber gar nicht so schön fotografiert wie sonst!“ Woraufhin der Kameramann antwortet: „Na, weißt du, Marlene, ich bin ja auch seit dem letzten Mal ein bisschen älter geworden.“

Friedrich Hollaender

16. Januar 2016

Reichtum, Ansehen, Macht, alles ist unbedeutend und nichtig gegen die Größe des Herzens – das Herz allein ist das einzige Kleinod auf der Welt, in ihm wohnt das Glück.
Adalbert Stifter (1805 – 1868)

15. Januar 2016

Andreas Müller schreibt heute in einem Vorbericht in der Wetzlarer Neuen Zeitung über die 1. Wetzlarer Improvisationstage:

Abseits ausgetretener Pfade
1. Wetzlarer Improvisationstage vom 21. bis 24. Januar

Wetzlar. Musikfreunde, die sich gerne auch abseits ausgetretener Pfade bewegen, können nun in Wetzlar fündig werden. Denn vom 21. bis 24. Januar finden die 1. Wetzlarer Improvisationstage statt. Damit will das Kulturamt der Stadt gemeinsam mit der Musikschule neue Wege gehen. Kooperationspartner im ersten Jahr wird die Phantastische Bibliothek sein, deren Leiterin Bettina Twrsnick den Kontakt zum Trio „Mafare“ hergestellt hat. „Wir haben nach etwas Einzigartigem gesucht, etwas, was es in der Region um Wetzlar weit und breit nicht gibt“, erzählt Thomas Sander, Leiter der Wetzlarer Musikschule und künstlerischer Leiter der Improvisationstage. „Die Musik soll natürlich im Mittelpunkt stehen“, erklärt er.

Foto Improvisationstage Jan 2016

„Dabei wollen wir die Kunst der Improvisation in den Vordergrund stellen und zusätzlich zur Musik mit anderen künstlerischen Sparten kombinieren. Durch die Vernetzung sollen die Besucher ein neuartiges Hörerlebnis haben“, wünscht sich der Schulleiter. Mit Improvisation verbindet er die Kunst der Veränderung, Abwandlungen, Verfremdungen, Spiegelungen und das Spielen mit nichtmusikalischem Material. In der ersten Runde der neuen Reihe wird Musik mit Literatur einhergehen. Für die folgenden Jahre sollen dann andere Kooperationspartner ausgewählt werden. Die auftretenden Künstler kennt Sander persönlich oder hat sie auf Empfehlung ausgesucht.

Auftakt- und Abschlussveranstaltung werden in der Musikschule am Schillerplatz 8 stattfinden. Am 21. Januar um 19.30 Uhr wird dort Fine Kwiatkowski zu improvisierter Musik ihres Mannes Willehad Grafenhorst eine Tanztheaterperformance zeigen. Weil auch ein sakraler Baustein im Konzept sein sollte, wird Thomas Lennartz, Professor für Improvisation und Liturgisches Orgelspiel, am 22. Januar um 19.30 Uhr unter dem Titel „vORGELesen“ auf der Domorgel Improvisationen durch die Jahrhunderte spielen.

Jazz und Poesie gibt es am Samstag, 23. Januar, um 19.30 Uhr in der Phantastischen Bibliothek, Turmstraße 20. Das Trio „Mafare“ wird zusammen mit dem Künstlerpoeten Peter Assmann „Fantastic Jazz-Lit-Impro“ präsentieren. Zum Abschluss des Festivals erwartet das Publikum am Sonntag, 24. Januar, um 11 Uhr wiederum in der Musikschule experimentelle Musik, inspiriert durch große Sinfonien. Gilda Razani und Hans Wanning werden mit „About Aphrodite“ eine Verschmelzung aus akustischen Instrumenten und Elektronik vorführen. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

Übrigens: Thomas Sander berichtet zu den 1. Wetzlarer Improvisationstagen auch am Samstag, 16. Januar, um 17 Uhr in hr2 Kultur.

13. Januar 2016

Um ein tadelloses Mitglied der Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.
Ralph Waldo Emerson (1803 – 1882)

11. Januar 2016

Abends, zurück aus der Normandie. Noch berauscht von Cavalli und Lully, von Xerse gestern Abend im Théâtre Caen mit Le Concert d’Astrée, Emmanuelle Haïm und wunderbaren Sängerinnen und Sängern, vor allem dem Countertenor Tim Mead und der Sopranistin Emöke Baráth. Die Musik, ohnehin betörend, irisierend und von unverschämtem Charme, wird im Liebesduett der beiden zum Erlebnis für sämtliche Sinne. Und Cavalli, dieser Zauberer, findet Mitstreiter auf Augenhöhe: Emmanuelle Haïm entlockt ihrem Orchester nobelste Klänge, leicht und transparent, sinnlich, verliebt, verspielt. Haïms Dirigat ist hochvariabel, zuweilen schlank, knapp, dann fordernd und draufgängerisch, dann wieder zärtlich, behutsam und abwartend. Der Auftakt, mit beiden Händen von unten in Zeitlupe kommend, mit den Handinnenflächen nach oben, lädt das Continuo zum selbstgewählten Zeitpunkt des Einsatzes ein. Es folgen entrückte Klänge, sanft und zeitvergessen. Dann, zu den Ballettmusiken von Lully, positionieren sich die Instrumentalisten im ersten Rang, auf gegenüber liegenden Balkonen, zum doppelchörigen Musizieren. Die Rhetorik ist virtuos, wir können einstudierte Verzierung und spontane ornamentale Improvisation nicht unterscheiden. Wir wagen nicht uns zu rühren, werden in unserem Sessel immer kleiner und bestaunen die fantasievollen Choreografien der sechs Tänzer der Compagnie Leda. Nach vier Stunden ist das Fest zu Ende. Ein berührender, grandioser Abend.

Emmanuelle-Haim

Emmanuelle Haïm

7. Januar 2016

Am Vorabend zum Dreikönigstag ist Pierre Boulez im Alter von 90 Jahren gestorben. Wie ich gerade höre, hat Wolfgang Rihm – vielleicht nicht ganz zufällig – einen Vergleich mit den drei Weisen bemüht und gemeint, so sei nun also „der Letzte der Heiligen Drei Könige“ gestorben (mit den anderen beiden dürfte er Stockhausen und Ligeti gemeint haben). Und Daniel Barenboim wird zitiert mit den Worten „Er (Boulez) hat mit dem Kopf gefühlt und mit dem Herzen gedacht“. Nun ja, was nach einem hübschen Bonmot klingt und die Besonderheit, wenn nicht die Einzigartigkeit von Boulez ausdrücken soll, ist in Wahrheit für Künstler nicht ungewöhnlich (und nicht nur für Künstler). Wir wollen nicht zuviel in so einen Satz hineingeben, aber spätestens seit Saint-Exupéry wissen wir doch, dass man nur mit dem Herzen gut sieht. Allerdings, das sei hier konzediert, war Pierre Boulez kein kleiner Prinz, sondern ein großer Musiker. Provokant, elegant, visionär, mutig, humorvoll. Er selbst verstand sich mehr als Komponist denn als Dirigent. Indes, sein „Jahrhundert-Ring“ hat in den siebziger Jahren in Bayreuth und weit darüber hinaus größte Wellen geschlagen und die Wagner-Rezeption nachhaltig beeinflusst, ja signifikant verändert. Und seine Interpretationen der Werke von Igor Strawinsky und Maurice Ravel, letztere mit dem New York Philharmonic Orchestra, sind unerreicht und werden es lange bleiben.

6. Januar 2016

Auf Einladung des Hessischen Rundfunks bin ich am Samstag, 16. Januar um 17.00 Uhr in der Sendung hr2-kultur zu Gast. Ich werde mit Christiane Hillebrand eine Stunde lang über die 1. Wetzlarer Improvisationstage sprechen und dabei auch die Künstler mit ein paar Hörproben vorstellen. Was für eine schöne Gelegenheit, das Festival zu bewerben! In der Woche vor Beginn der Improvisationstage wird darüber hinaus ein Beitrag auf hr4 gesendet, ebenfalls mit Klangbeispielen und zwei kurzen, bereits aufgenommenen Interviews.

4. Januar 2016

Was ich wirklich sagen möchte ist, dass das, was die Welt braucht, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ist. Jeder: Stars, Arbeiter, Schwarze, Juden, Araber – wir sind alle Geschwister. Bitte machen Sie mich nicht lächerlich. Ich habe nichts dagegen, Witze zu machen, aber ich will nicht selbst wie einer wirken.
Marilyn Monroe am Ende eines Interviews mit dem Life Magazin 1962. Es sollte ihr letztes sein. Sie starb – unter bis heute nicht völlig geklärten Umständen – am 5. August 1962.

Monroe

Am 1. Juni 2016 würde Marilyn Monroe 90 Jahre alt. Für diesen Tag lade ich schon jetzt zu einer Hommage „Happy Birthday, Norma Jeane!“ in den Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule ein. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Pause bis zum 4. Januar 2016

20. Dezember 2015

„Eine beschwingte Partitur mit optimistischem Grundton. Originell und mit vielen Aha-Effekten …“, schreibt die Frankfurter Rundschau, und die Welt am Sonntag befindet: „Schlaflosigkeit und Burn-out sind die neuen Volkskrankheiten. Der Psychologe Stephan Grünewald empfiehlt ein altbewährtes Hausmittel gegen die Erschöpfung: Nehmen Sie Ihre Träume ernst!“ Wasser auf meine Mühle! Die Rede ist von Grünewalds Buch Die erschöpfte Gesellschaft (Herder 2015, ISBN 978-3451067006). Mein Last Minute-Tipp für Weihnachten, zum Verschenken oder – besser – zum Selberlesen!

Weihnachtssterne

Frohe Festtage! Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich im alten Jahr begleitet haben – Veranstalter, Kursteilnehmende, Konzertbesucher, Redakteure, Organisatoren, Helferinnen und Helfer und alle übrigen! Auf dass wir uns auch im kommenden Jahr wieder zu den unterschiedlichsten Themen und Anlässen hören, sehen oder voneinander lesen werden. Ich freue mich sehr darauf! Auf ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2016!

Ihr und Euer
Thomas Sander

19. Dezember 2015

Wetzlarer Neue Zeitung, 18. Dezember 2015

In Wetzlar wird improvisiert
Premiere – Am 21. Januar startet eine neue Konzertreihe von Musikschule und Stadt

Wetzlar. Das Kulturleben der Stadt wird um eine Attraktion reicher. Denn zum ersten Mal öffnen die „Wetzlarer Improvisationstage“ am 21. Januar 2016 ihre Pforten. Bis zum 24. Januar steht dann musikalische Improvisation im Mittelpunkt, um aber Verbindungslinien unter anderem zu Tanz oder Musik zu ziehen. Veranstaltet wird das Festival von der Musikschule und dem Kulturamt, die diesmal als Dritten die Phantastische Bibliothek ins Boot holen. „Dieses Festival ist etwas ganz Neues“, freute sich Kulturamtsleiterin Kornelia Dietsch, die das Programm gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter und Chef der Musikschule Thomas Sander vorstellte.

Impro Dietsch Sander

Ein wenig sei die Idee zum Festival aus der Tradition der „Wetzlarer Gitarrentage“ entstanden. Über viele Jahre habe man sie erfolgreich durchgeführt, um sie jetzt durch Neues zu ersetzen. „Die Gitarrentage waren so lange wunderbar, so lange sie für die Stadt ein Alleinstellungsmerkmal waren“, ergänzte Sander. Mittlerweile sei es jedoch nicht mehr so einfach, Künstler exklusiv zu bekommen. Da es zudem nun auch Gitarrentage an anderen Orten gibt, wurde ein neues Alleinstellungsmerkmal gesucht – und in den Improvisationstagen auch gefunden. Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe ist dabei immer die Musik, aber der dritte Partner und sein Beitrag sind nicht festgelegt. Diesmal ist dies die Phantastische Bibliothek, es kann beim nächsten Mal ein ganz anderer sein, etwa ein Fotograf.

Der Startschuss für die Erstauflage fällt am 21. Januar um 19.30 Uhr in der Musikschule. Unter dem Motto „nogonie“ wird Fine Grafenhorst Tanz-Performance-Theater präsentieren. Natürlich zu improvisierter Musik. Weiter geht es am 22. Januar um 19.30 Uhr im Dom mit Thomas Lennartz’ Orgelimprovisation durch die Jahrhunderte unter dem Titel „Vorgelesen“. Die musikalische Darbietung des Professors für Improvisation und Liturgisches Orgelspiel sowie Leiters des Kirchenmusikalischen Instituts der Leipziger Hochschule für Musik und Theater wird durch Textvorträge ergänzt.

Am 23. Januar um 19.30 Uhr geht es in die Phantastische Bibliothek zu Jazz und Poesie mit Künstlern aus der Schweiz und Österreich. Konkret werden der Künstler-Poet Peter Assmann und das „Trio Mafare“ eine so genannte „Fantastic Jazz-Lit-Impro“ darbieten. Festivalabschluss ist dann am 24. Januar um 11 Uhr wieder in der Musikschule mit Gilda Razanis und Hans Wannings „About Aphrodite“. Zu erwarten sind musikalische Darbietungen mit Saxofon, Theremin, Piano und Electronics. Der Eintritt zu den Konzerten ist frei, eine Spende wird erbeten. (sh)

17. Dezember 2015

1993, drei Jahre vor ihrem Tod, entwarf Ruth Berghaus, die „Grande Dame des Regietheaters“, Carl Maria von Webers Freischütz für das Opernhaus Zürich. Über fast alle Produktionen von Ruth Berghaus wurde kontrovers diskutiert, und auch der Freischütz bildet keine Ausnahme. Oft, so heißt es in der DVD-Ausgabe von Zweitausendeins, hat sie mit ihrem Stil dem Naturalismus eine radikale Absage erteilt. Bildsprache, Signale, Gestik und visuelle Brüche waren ihr wichtiger als das Nacherzählen der Handlung. Der Live-Mitschnitt aus dem Zürcher Opernhaus von 1999 (Harnoncourt; Nielsen, Hartelius, Seiffert, Salminen, Polgár) dokumentiert das auf beeindruckende Weise.

Ruth-Berghaus

Unbedingt vormerken: Matti Salminen singt im Frühjahr 2016 im Staatstheater Wiesbaden in der Neuinszenierung von Mussorgskys Boris Godunow die Titelpartie! Premiere ist am 25. März (Karfreitag).

Salminen

14. Dezember 2015

Gestern, beim Benefiz-Weihnachtskonzert Wetzlarer Schulen, spielten vier Jugendliche der Goetheschule den „Weihnachtskanon“ von Johann Pachelbel, in der Besetzung für drei Violinen und Klavier. Nun, eigentlich heißt das Stück schlicht „Kanon“ und ist die wohl populärste Komposition Pachelbels. Dem Kanon folgt im Original eine Gigue, die jedoch gestern entfiel. Dem Rahmen der Veranstaltung entsprechend hieß also das Stück „Weihnachtskanon“, macht ja nichts. Doch wie klingt eigentlich Weihnachtsmusik? Was ist das überhaupt? 6/8-Takt, mezzopiano, Violinen? Letztere, sagen wir es mal so, können zum Generieren einer gewissen Empfindsamkeit hilfreich sein, und das ganz positiv, wie gestern. Streichinstrumente sind Emotionsträger. Der Himmel hängt voller Geigen – und eben nicht voller Klarinetten, Gitarren oder Marimbaphonen. Doch auch für die gibt es Weihnachtsmusik, von lieblich bis laut, von schön bis schräg. Und nebenbei, Geigen können auch ganz anders, siehe „Psycho“. Doch ein Hitchcock-Thriller ist kein Weihnachtsfilm, und der Nikolaus ist kein Osterhase, wie wir von Uli Hoeneß gelernt haben. Wie ich heute lese, muss Glühwein laut Gesetzgeber mindestens sieben Prozent Alkohol beinhalten. Da wird uns doch gleich warm ums Herz, ganz ohne Weihnachtsmusik.

12. Dezember 2015

Wozu das Künstlergeschwätz, die endlosen Gespräche über Kunst, die Auseinandersetzungen in den Künstlercafés bis zwei Uhr nachts, wo man den lieben Gott in der hohlen Hand zu halten meint?
Auf dem Wege, inmitten dieses flachen Landes, habe ich die Empfindung, als hätte ich niemals etwas verstanden, niemals etwas gesehen, als kennte ich nicht mehr davon wie der schwarze Käfer, der über die Straße läuft und sich im Staube abmüht.
Vor einigen Tagen habe ich bei dem Direktor einer Kunstzeitschrift gesessen.
„Was halten Sie von den modernen Kunstrichtungen? Ist die Rückkehr zum Neo-Naturalismus eine Gefahr?“ fragte er mich.
Am Ende der Straße senkt sich das Tal, und auf dem anderen Abhang liegt die kleine Stadt Nesles: Schieferdächer, grüne und rote Vierecke scheinen den blauen Himmel zu berühren und in ihm aufzugehen.
„Ist der Neo-Naturalismus eine Gefahr?“
Ungleich lieber hätte ich die einfache Frage gehört: „Wie finden Sie mein Dienstmädchen?“

Ich habe erfahren, dass es Augenblicke gibt, wo die Worte Seligkeit, Glück, Eingebung, Schwärmerei nichts mehr ausdrücken. Ich erinnere mich an innerlichst bewegte Minuten, da ich mich außerhalb der Zeit befand. Wenn dann jemand seine Hand auf meine Schulter gelegt und gesprochen hätte: „Sag‘ einen Wunsch, verlange, was du haben möchtest. Willst du reich sein? Willst du ein Schloss haben? Dienerschaft? Oder Mitglied der Ehrenlegion werden?“ würde ich antworten: „Nein, nichts, es kommt, wie es kommt…“
Die Straße weiter hinauf, in der Nähe des kleinen Tümpels, liegt der Friedhof. Die Gitterpforte ist immer geöffnet, den ganzen Tag scheint die Sonne darauf. Eine einzelne Tanne ragt über die Mauer. Kein Lärm stört die Ruhe der Ebene. Im Winter fliegen die Raben vorbei und im Sommer junge Rebhühner… und so wiederholt es sich immer…
Dort ruht mein Vater. Wie einfach das ist, er hat gelebt.
Wenn er mich hören könnte und ich ihn fragte: „Wünschest du etwas?“, würde er mir antworten: „Nein, nichts… jeder zu seiner Zeit. Im Augenblick bist du an der Reihe… Liebe das Leben… liebe es um seiner selbst willen…“
Maurice de Vlaminck (1876 – 1958), „Gefahr voraus!“ Aufzeichnungen eines Malers. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1930. Übersetzung von Jürgen Eggebrecht
Original: Tournant dangereux, souvenirs de ma vie

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10. Dezember 2015

Plovdiv wird Kulturhauptstadt Europas 2019! Endlich! Das heißt, wir können uns jetzt drei Jahre lang darauf freuen und dann hinfahren. Nein, wir fahren vorher hin und schauen uns diese unglaubliche Stadt an und tauchen ein in eine wunderbare, andere, neue, alte Welt. Wie schön!

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Das antike Theater aus dem 2. Jahrhundert, das von Kaiser Marc Aurel angelegt wurde und heute 3000 Zuschauern Platz bietet, wenn in den Monaten Mai, Juni und September klassisches Theater gespielt wird und viele Konzerte stattfinden.

8. Dezember 2015

Internet-Fundstück, aus einem Interview im Oktober 1996, veröffentlicht in RONDO 5/97.

RONDO: Sie haben mal geschrieben: „Wir steuern auf einen allgemeinen kulturellen Zusammenbruch zu“ …
Harnoncourt: Das ist nicht zu übersehen. Aber es ist eigenartig, dass ein Pessimist wie ich, der überhaupt keinen Ausweg sieht, irgendeinen Funken hat, dass es doch nicht so ist. Aber das ist wahrscheinlich der menschliche Wahnsinn.
RONDO: … der einen überleben lässt …
Harnoncourt: Vielleicht.

7. Dezember 2015

Am Vorabend seines 86. Geburtstags, den er gestern feierte, hat Nikolaus Harnoncourt seinen Rückzug vom Dirigentenpult bekannt gegeben. „Meine körperlichen Kräfte gebieten eine Absage meiner weiteren Pläne“, schrieb er in einem Brief an sein Publikum. Alle noch anstehenden Termine sind abgesagt. Vor einem Jahr noch, in einem Interview mit der WELT, sagte er: „Jetzt werde ich dauernd für mein Lebenswerk lobgestrudelt. Furchtbar. Das klingt so abgeschlossen. Ich bin doch noch nicht fertig! Oder wollt ihr, dass ich alter Trottel aufhör‘?“

Nun hört er auf, und wir können ihm nicht genug danken für alles, was er uns in Wort, Schrift und Ton geschenkt hat. Reich sind wir geworden durch ihn, haben die Musik besser verstanden, sie neu gehört, als „Klangrede“ mit eigener Syntax, Grammatik, Rhetorik. Ich habe das Glück gehabt, ihn mit seinem Concentus Musicus Wien im dortigen Konzerthaus zu erleben, mit einem reinen Bach-Programm, im Herbst 1983. Schon vorher habe ich ihn sehr bewundert, das ist bis heute so geblieben. Für die Zukunft nur das Beste, Nikolaus Harnoncourt!

Nikolaus Harnoncourt

6. Dezember 2015

Nikolaushaus

Tipp: Köln, Weihnachtsmärkte. Dom, Neumarkt (besonders schön!), Alter Markt, Heumarkt.
Schöne Verkaufshäuschen, großes kunstgewerbliches Angebot, vielseitige Gastronomie,
geschmackvolle Dekoration, keine nervtötende Musik. Sehr empfehlenswert!

3. Dezember 2015

Was übrigens meinen besonderen Unmut erregt, ist die Allgegenwart des Sports in der aktuellen Berichterstattung. Was passiert denn da? Da verkündet ein Leistungssportler, dass er gewinnen möchte und der Gegner nicht zu unterschätzen sei oder ähnliche Plattitüden. Sport ist natürlich nichts Schlimmes, wenn man ihn selbst betreibt, aber müssen wir uns das ständig als Objekt gesellschaftlicher Auseinandersetzung bieten lassen?
Christian Gerhaher

Buchtipp:
Christian Gerhaher
Halb Worte sind’s, halb Melodie. Gespräche mit Vera Baur
Henschel Verlag, Leipzig 2015
ISBN 978-3894879426
Gebunden, 176 Seiten, € 22,95

Gerhaher, Gespräche

1. Dezember 2015

Ich finde, es gehört zum Leben dazu, dass es kompliziert ist und am Ende als Rechnung nicht aufgeht.
Christian Gerhaher

29. November 2015

Spectre, so wird allenthalben orakelt, könnte Daniel Craigs letztes Abenteuer als James Bond gewesen sein. Manche Beobachter meinen, die vier Filme mit Craig seien inhaltlich wie formal als Tetralogie zu verstehen, Spectre habe erkennbar den Schlusspunkt gesetzt. Andere glauben, Craig sei schlicht bondmüde, was für ein schönes Wort. Schon befasst sich die Filmwelt mit der Frage, ob nicht die Zeit reif ist für eine Frau in der Rolle von 007Jamie Bonda, vielleicht dunkelhäutig, oder alleinerziehend, oder lesbisch (Bonda-Boys welcome). Oder alles gleichzeitig. Vielleicht mit familiären Wurzeln in Ostdeutschland (zur Not ginge auch Bielefeld). Bei insgesamt nunmehr 58 Beischlafpartnern in 25 Filmen und der Lizenz zum Vö… äh, Töten wäre HIV-positiv noch eine Option. Das Büro leitet Manni Penner, ggf. mit Schwerbehinderung, der Gleichstellungsbeauftragte lässt grüßen. Frau Broccoli sollte sich beizeiten Gedanken machen, doch nicht zu viele. Manche Ideen zur cineastischen Abbildung gesellschaftlicher Wirklichkeiten zerstieben zuweilen schneller als 007 schießen kann.

26. November 2015

Mir fällt gerade auf, dass ich in diesem Jahr nur auf ein halbes Dutzend Opernbesuche kommen werde. Doch immerhin, es waren Aufführungen in sechs verschiedenen Städten, mit sehr schönen Abenden: Mozarts Idomeneo in Essen, Donizettis Linda di Chamounix in Gießen, Cestis Orontea in Frankfurt, Puccinis La Bohème in Wien, Mozarts Schauspieldirektor in Berlin, Verdis La Traviata in Dortmund. Und das nächste Jahr beginnt mit einem Paukenschlag, gleich im Januar: Cavallis Xerse in Caen! Darauf freue ich mich sehr, vor allem auf Emmanuelle Haïm und Le Concert d’Astrée. Ich war zum letzten Mal vor vier Jahren in Frankreich (Paris, Tannhäuser in der Bastille), doch mein letzter Besuch in der Normandie liegt ewig zurück. Damals allerdings war ich nicht als Operntourist unterwegs, sondern schlicht als urlaubender Mittdreißiger, der sich für Cafés, Restaurants, Häfen und Strandpromenaden interessiert. Ich habe mir damals Deauville, Honfleur und Étretat angesehen, daran habe ich schöne Erinnerungen. Ein Abstecher nach Caen war auch dabei, nur für ein paar Stunden und ohne Theater, im wahrsten Sinne des Wortes. Das wird jetzt anders sein, wie schön!

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24. November 2015

Heute Morgen las eine Sprecherin mit deutlich hörbarem Sigmatismus die Nachrichten auf hr-online. Webdefinitionen bestimmen das Lispeln als Form der Dyslalie. Diese gilt in der deutschen Sprache als – Achtung – „Sprechfehler“. Wohlgemerkt „Sprechfehler“, nicht „Sprachfehler“. Ich hatte von Anfang an den Verdacht, dass die Bezeichnung „Sprachfehler“ wohl unziemlich ist. Angeblich lispeln manche Menschen nicht, wenn sie singen. Stimmt, ich zum Beispiel. Aber ich lispele auch sonst nicht. Naja, die Sprecherin, also die mit dem Sprechfehler, hätte ja die Nachrichten singen können. Aber vielleicht kann sie auch das nur fehlerhaft, wer will das wissen? Und wenn schon! Es gibt ja auch Leute, die für die Zeitung oder für den Videotext arbeiten und nicht fehlerfrei schreiben können. Da hilft dann auch Singen nicht. Wer nicht hören will, kann ja lesen? Oder singen? Falsches Sprechen, falsches Schreiben, falsches Singen – alles halb so wild heutzutage, alles irgendwie egal. Man kann eben aus einem Pisspott keine Mokkatasse machen. Wozu auch?

23. November 2015

Franz von Suppé, eigentlich Francesco Ezechiele Ermenegildo Cavaliere Suppé-Demelli (was ja viel schöner klingt!), verdankt seine Popularität hauptsächlich den Ouvertüren zu „Leichte Kavallerie“ und „Dichter und Bauer“, zudem seiner Operette „Boccaccio“. Dass er insgesamt über 200 Bühnenwerke schrieb, ist nur wenig bekannt. Immerhin aber wird sein 1855 komponiertes Requiem in d-Moll gelegentlich aufgeführt. Ein bemerkenswertes Stück, das klingt, als ob Suppé hat sagen wollen „Hört mal her, das kann ich auch“, und in der Tat findet er hier zu einer ganz eigenen romantischen Tonsprache. Wie schön für uns, dass er ein paar Jahre zuvor Jura und Medizin zu den Akten gelegt hatte! Die frühen, persönlichen Begegnungen mit Rossini, Donizetti und Verdi hatten ihn sehr beeinflusst, der spätere Erfolg gab ihm die Bestätigung, mit der Wahl der Kapellmeisterei und des Komponierens richtig entschieden zu haben. Also – hin und wieder nicht nur „Dichter und Bauer“ hören, sondern Franz von Suppé kennenlernen!

22. November 2015

Du bist verrückt mein Kind

19. November 2015

Heute Abend werden wir uns im Kurs „Es gibt was auf die Ohren – Klassische (?) Musik im 20. Jahrhundert“ mit den Streichquartetten von Peter Ruzicka beschäftigen. Ruzicka hat sehr viele Talente und ist in der Hauptsache Komponist, Dirigent und Intendant. In letzterer Eigenschaft leitete er von 2003 – 2006 die Salzburger Festspiele, mit herausragenden Produktionen, vor allem Mozarts „Titus“ und „Don Giovanni“ auf schier unfassbarem künstlerischen Niveau. Seine Streichquartette, um darauf zurückzukommen, haben stets etwas Suchendes und wirken häufig wie Ausdrucksexperimente auf neuem, unbekanntem Terrain. Die Produktion sämtlicher Quartette erstreckt sich über Jahrzehnte, und doch verbindet die einzelnen Stücke das Fragende, Erspürende, Explorierende. Über sein 5. Streichquartett „STURZ“ (2004, also im 21. Jahrhundert komponiert!) schreibt er, dem Werk liegt die Vorstellung eines abwärts stürzenden Ausbruchs zu Grunde, der nach einem langen, tastenden Klangfeld im Zentrum des Stückes erreicht wird. Der Ausbruch hinterlässt ein instabiles klangliches Echo, das wie ein Klangschatten auf das zuvor Erklungene verweist. Auskomponierte Orientierungssuche, zeitlos und voller Zweifel. Sehr spannend, auch für Anfänger.

17. November 2015

Am Ende haben wir wohl doch geglaubt, er sei unsterblich. Dass er älter wurde, gebrechlicher – das war augenfällig. Aber dass er eines Tages tatsächlich sterben könnte, war ein Gedanke, den wir nicht mehr zugelassen haben. So beginnt ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo seinen Artikel zum Tode von Helmut Schmidt, heute vor einer Woche. Und er findet für den Schluss seines Textes diese Worte: Helmut Schmidt ist tot, und wir, die ihn überlebt haben, müssen jetzt erwachsen werden. Ob wir es wollen oder nicht. 

Ein wenig helfen vielleicht die Mozart-Klavierkonzerte KV 242 und KV 365, die Helmut Schmidt 1981 zusammen mit Christoph Eschenbach, Justus Frantz und dem London Philharmonic Orchestra aufgenommen hat. Hören wir einfach zu!

Schmidt Mozart Cover

16. November 2015

„Trauernd am Lagerfeuer“ überschreibt Lenz Jacobsen seinen Artikel auf ZEIT online über die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu den Terroranschlägen von Paris:  […] In den antiken Tragödien repräsentiert der Chor häufig eine politische Gemeinschaft und hat die Funktion, das Geschehen auf der Bühne zu interpretieren und mit Gefühl und Deutung zu begleiten. Diese Rolle übernehmen an diesem Abend auch ARD und ZDF: Sie sind der Fernsehchor zu diesem Terrordrama. Claus Kleber ist der bundesdeutsche Chorleiter.  […]

Das liest sich ganz süffig, zugegeben, und Herr Jacobsen mochte wohl auf diese Pointe nicht verzichten. Doch im antiken Drama gibt es keinen Chorleiter, und abgesehen davon gibt es Chöre im heutigen Sinne – also mehrere Singende pro Stimme im Gegensatz zu solistischer Besetzung – erst seit gut dreihundert Jahren, somit ist der Berufsstand des Chorleiters, so wie wir ihn heute verstehen, nicht älter. Selbst der singende Hofnarr, der ja kein Chorleiter ist, reicht historisch nicht weit genug zurück. Immerhin schützt ihn die Narrenfreiheit, was er mit manchen Fernsehmoderatoren und Journalisten gemein zu haben scheint.

13. November 2015

Samstag, 14. November 2015, 20.00 Uhr
Große Orangerie im Schloss Charlottenburg, Berlin
W. A. Mozart, Der Schauspieldirektor
Kategorie A, freie Platzwahl
Große Vorfreude!

Schauspieldirektor, lang

11. November 2015

Vor ein paar Tagen habe ich den Thriller „Departed – Unter Feinden“ gesehen (USA/Hongkong 2006, Regie Martin Scorsese). Der mehrfach oscarprämierte Film ist absolut sehenswert, vor allem wegen der psychologischen Zeichnung der Hauptdarsteller. Die Besetzung ist grandios: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Alec Baldwin, Vera Farmiga. Der Film hat mehrere herausragende Sequenzen, doch eine steht über allem: Die Szene, in der Leonardo DiCaprio und Vera Farmiga einander wortlos verführen, unterlegt mit der Live-Version von „Comfortably Numb“, gesungen von Van Morrison, Roger Waters und The Band (vom The-Wall-Konzert 1990 auf dem Potsdamer Platz, ursprünglich von Pink Floyd). Die besagte Szene dauert gut drei Minuten und ist damit nur etwa halb so lang wie der gesamte Song, der das Parfum des Zelebrierens, des Hymnischen trägt. Martin Scorsese hat über den Film gesagt, dass für ihn weniger die Handlung als vielmehr die Personen und deren Einstellung zum Leben im Vordergrund gestanden hätten. Zu Tränen gerührt sieht man den beiden zu und braucht keine Erklärungen mehr. The child is grown, the dream is gone.

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Pause bis zum 10. November 2015

24. Oktober 2015

„Ich verabscheue die Musik als Weltanschauung und rate, die Musik um ihrer selbst willen zu lieben und nicht der Gefühle wegen, die sie im Hörer hervorruft.“ Von Igor Strawinsky ist dieser Satz, und er fügte hinzu, viele Menschen gäben in die Musik etwas hinein, das diese von sich aus gar nicht enthält – und meinte damit keineswegs nur ein assoziatives, bildhaftes Hören. Ist aber das emotionale Verknüpfen, das individuelle Generieren von außermusikalischen Koordinaten nicht verständlich, ja schlechterdings nur menschlich? Musik wird doch deswegen nicht zum Vehikel, zum Werkzeug, nur weil die Liebe zu ihr sich nicht ausschließlich auf Rhythmus, Melodik, Harmonik und Klangfarbe bezieht! Die Musik ist mehr als die Summe der Töne, heißt es richtigerweise. Wir könnten auch sagen, die Liebe zur Musik erschöpft sich nicht im Bestaunen von Parametern. Die Liebe zur Musik geht über das analytische Durchdringen und Bewundern satztechnischer oder formaler Kunstfertigkeiten weit hinaus. Wie die Liebe überhaupt, die große zumal, mehr ist als ein Palimpsest nachvollziehbarer Leidenschaften – ein Mysterium, das sich dem Erklärbaren, dem wirklichen Verstehen letztlich entzieht.

22. Oktober 2015

Wenn wir uns der Vergangenheit nicht stellen, wird alles Leben aus der Lüge kommen.
Javier Marías

Seit zwanzig Jahren warte ich darauf, dass sich ein Librettist des Romans Mein Herz so weiß (Corazón tan blanco, Barcelona 1992) annimmt, ein Textbuch daraus macht und einen Komponisten findet, der die Musik zur Oper schreibt. Mein Herz so weiß ist ein herausragendes Meisterwerk, eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe – insofern ist der Wunsch, es möge eine Oper daraus entstehen können, wohl verständlich. Ein zentrales Thema des Romans ist die Sprache. Welche Wirkungen können Gedanken, innere Wünsche und Geheimnisse auslösen, wenn sie einmal ausgesprochen sind? Betrug und Wahrheit, Verbrechen und Sühne, Verzweiflung und Liebe – was, mein Herz (so weiß), verlangst du mehr? Das obige Zitat ist dem Klappentext des in diesem Jahr bei Fischer in Frankfurt erschienenen Buches So fängt das Schlimme an entnommen (Así empieza lo malo, Madrid 2014). Marías ist als Topograf seelischer Abgründe und Leidenschaften eine Ausnahmeerscheinung, eines Beweises hat es nach so vielen Jahren großer Romane nicht bedurft. Umso stärker und unvermittelter erzeugt seine Sprache gleich auf den ersten Seiten einen unwiderstehlichen Sog. Wir wissen, wie recht er hat und lesen trotzdem weiter. Wir müssen weiterlesen, auch wenn wir im Vorhinein wissen, dass wir Erschütterungen in unserem Leben nicht umgehen können, auch die größten nicht, und dass es keine Gerechtigkeit gibt. Ein Moralist und Pessimist sei er, meint Sigrid Löffler. Vielleicht stimmt das ja. Aber wir erkennen beim Lesen die Vexierbilder unseres eigenen Lebens! Auflösen allerdings müssen wir sie schon selber.

21. Oktober 2015

Wünsche sind nie klug. Das ist sogar das Beste an ihnen.
Charles Dickens (1812 – 1870)

Dickens

19. Oktober 2015

„Die gefährlichste Weltanschauung ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben“, wusste schon Alexander von Humboldt . Was aufs Sehen oder Anschauen zutrifft, gilt ebenso gut für das Hören. Dass es manchen Zeitgenossen gefällt, sich zu allem und jedem zu äußern, ohne durch einschlägige Sachkenntnis vorbelastet zu sein – daran haben wir uns gewöhnt. Was aber, wenn jemand vor dreißig, vierzig, fünfzig Jahren mal ein Stück von Händel oder Haydn gehört hat, das Gehörte sterbenslangweilig fand und dieser Musik seither aus dem Weg gegangen ist? Wie wollen wir das Urteilsvermögen eines solchen Hörers bewerten? „Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?“, fragte Georg Christoph Lichtenberg. Wir können aber auch fragen: Wenn eine Musik langweilig klingt, liegt das allemal am Komponisten? Wenn unser fiktiver Hörer (in Wirklichkeit gibt es unzählige davon) heute dasselbe Stück hören würde, aufregend und berührend gespielt, vielleicht von Les Musiciens du Louvre oder von Le Concert d’Astrée – was würde er sagen? Vielleicht würde er erkennen, dass die Totgeglaubten ja leben – vor allem ihre Partituren! Vielleicht würde er sich an ein lange zurückliegendes, uninspiriertes Gefiedel erinnern und erstaunt feststellen: „Händel? Nie gehört.“

16. Oktober 2015

Dieses Unterscheiden zwischen einem Meisterwerk und einem nur interessanten Werk ist ein mitteleuropäisches Phänomen. Natürlich gibt es Meisterwerke, ohne Frage. Aber dieses Ranking, was ist die beste Bruckner-Sinfonie, das beste Bartók-Ballett… Viele Leute denken, das wichtigste Repertoire sei das, was Karajan dirigierte. Und was er nicht dirigiert hat, sei nicht wichtig. Sagen wir so: Das ist nicht der einzige Weg, die Dinge zu sehen.
Sir Simon Rattle

Ich bin weiß Gott nicht immer begeistert von Sir Simon, egal ob er dirigiert oder ein Interview gibt – aber hier hat er recht! Schönes Wochenende!

1. Wetzlarer Improvisationstage

21. – 24. Januar 2016
Kooperation des Kulturamts der Stadt Wetzlar
und der Wetzlarer Musikschule e.V. mit
der Phantastischen Bibliothek Wetzlar
Künstlerische Leitung: Thomas Sander

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Die 1. Wetzlarer Improvisationstage finden vom 21. – 24. Januar 2016 statt. Mit dem viertägigen Festival gehen das Kulturamt der Stadt Wetzlar und die Wetzlarer Musikschule neue Wege. Der Jahrhunderte alten Kunst der Improvisation wird damit ein neues Forum gegeben, bei dem die Musik im Mittelpunkt steht. Verknüpfungen und Querverbindungen zu anderen Sparten wie Literatur, Malerei, Fotografie, Tanz u. a. ermöglichen dabei neue Blickwinkel und Gestaltungspotentiale. Bei der Premiere der Improvisationstage ist die Phantastische Bibliothek Wetzlar Kooperationspartner. Renommierte Künstler aus dem In- und Ausland garantieren ein spannendes und facettenreiches Programm. Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei, eine improvisierte (!) Spende wird erbeten.

Do, 21. Januar 2016, 19.30 Uhr
Wetzlarer Musikschule
nogonie
Tanz-Musik-Video-Performance
Duo cri du coeur
Fine Kwiatkowski und Willehad Grafenhorst

Fr, 22. Januar 2016, 19.30 Uhr
Wetzlarer Dom
vorgelesen –
Orgelimprovisationen durch die Jahrhunderte
Prof. Thomas Lennartz, Orgel

Sa, 23. Januar 2016, 19.30 Uhr
Phantastische Bibliothek
Fantastic Jazz – Lit – Impro
Jazz & Poesie
Trio MAFARE und Peter Assmann

So, 24. Januar 2016, 11.00 Uhr
Wetzlarer Musikschule
About Aphrodite
Gilda Razani, saxophone/theremin
Hans Wanning, piano/electronics

Flyer Wetzlarer Improvisa

13. Oktober 2015

Wie alt müssen wir werden, um Mozart zu lieben? Wie viele Jahre müssen ins Land gehen, wie viele Erlebnisse und Erinnerungen müssen wir verarbeitet haben, um das „Andante cantabile“ der Jupitersinfonie, das „Qui tollis“ der c-Moll Messe oder den Schluss des „Don Giovanni“ annähernd verstehen zu können? Lieben, Bewundern, Wissen, Begreifen. Worüber reden wir? Liebt man mehr, wenn man versteht? Was lieben so viele Menschen an Mozarts Musik? Einen vermeintlich „galanten“, „leichten“, „verspielten“, „gefälligen“ Tonfall? Sozusagen als „impression in residence“, gerne hartnäckig und möglichst untherapierbar? Sehen wir, was wir sehen wollen? Hören wir, was wir hören wollen? „Ich mach‘ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.“ Wirklich?? Dann sollte Mozart nicht dazugehören. Denn er zwingt uns, wie Nikolaus Harnoncourt sagt, „in seelische Abgründe zu schauen, und im nächsten Moment in den Himmel.“ Das ist für manche einfach zuviel. Zuviel des Guten, ironischerweise.

Mozart Lange

11. Oktober 2015

Filmtipp: Sicario, ein US-amerikanischer Krimi über den Drogenhandel an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Das zweistündige Drama – Regie von Denis Villeneuve nach einem Drehbuch von Taylor Sheridan, Musik von Jóhann Jóhannsson – hatte bei den diesjährigen Film Festivals in Cannes und Toronto Premiere. In den Hauptrollen sind Emily Blunt, Benicio del Toro, Josh Brolin und Victor Garber zu sehen. Soweit die nüchterne Beschreibung. Anders ausgedrückt ist Sicario ein dicht inszenierter, knallharter und dunkel-brutaler Drogenthriller, der mit Bildern eines erbarmungslosen Höllentrips aufwartet. Warnung vor seelischer Ruhestörung! Die Eindrücke wirken lange nach, bis weit in die Nacht und länger! Nichts für zart Besaitete!

Sicario

8. Oktober 2015

Ich sitze im Café und blättere im Stern Nr. 40 vom 24.09.2015. Unter „Top Ten“ finde ich auf Platz 10 das neue Puccini-Album (CD und DVD) von Jonas Kaufmann. Über „Nessun dorma“ lese ich: […] Kaufmann singt unerschrocken auf den Höhepunkt der Arie zu – auf jenes überlange, hohe zweigestrichene H, das einen umbringen kann. Kaufmanns Ton steht wie eine Eins. Er verstummt. Das Orchester spielt noch ungefähr 15 Sekunden weiter. Und in Kaufmanns Gesicht bebt und zuckt es. Er scheint fast zu explodieren vor Kraft. Das Stück endet. Tobender Applaus. Kaufmann lacht. Wie ein Mann. – „Niveaulimbo“ würde mein Sohn zu dieser jounalistischen Leistung sagen und läge richtig.

6. Oktober 2015

Lisa Batiashvili hat gerade das Violinkonzert von Brahms mit der Staatskapelle Dresden eingespielt. Sie habe sich schon früh sehr in diese Musik verliebt, sagt sie. „Es ist für mich eine leidenschaftliche Musik. Als Kind braucht man zugegeben etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Doch wenn man das einmal getan hat, dann kommt man nicht mehr davon los. Brahms’ Musik ist so menschlich.“ Auf den Hinweis, Pablo de Sarasate habe das Werk abgelehnt mit der Begründung, die einzige Melodie des Konzerts dürfe die Oboe spielen, antwortet Lisa Batiashvili lachend: „Was soll ich dazu sagen? Mein Mann ist Oboist!“

Batiashvili Brahms

5. Oktober 2015

Letzte Nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum. Angeführt vom FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und zusammen mit ein paar mir unbekannten Helfern habe ich eine Bank ausgeraubt. So etwas hätte ich weder Kubicki noch mir selber zugetraut. Ich kann mich an eine eigene Maskierung nicht erinnern, doch Kubicki hat eine petrolfarbene Wollmütze mit Sehschlitzen über den Kopf gezogen, das weiß ich noch. Wir stehen hinter einem Kleintransporter, er reckt seinen tätowierten Unterarm in die Luft und gibt wortlos Anweisungen. Alles sehr entspannt. Im Gebäude sehe ich den Filialleiter. Mit hochgekrempelten Hemdsärmeln sitzt er auf einem Hocker, stimmt seine Gitarre und lässt uns gewähren. Dann werde ich wach. Wieso Kubicki? Wieso eine Bank überfallen? Wer ist der Filialleiter? Und warum spielt er ausgerechnet Gitarre? Da hätte es doch weiß Gott andere Optionen gegeben… Haarscharf am Albtraum vorbei, mit Wohlwollen. Beim nächsten Mal brechen wir in die Oper ein, am besten mit Harnoncourt, Hampson und Schäfer. Wir kidnappen Mozart, hauen mit ihm ab und kommen nicht zurück. Natürlich hinterlassen wir Spuren, wie immer. Schließlich wollen wir gesucht und gefunden werden.

3. Oktober 2015

Trotz meines hohen Alters schmeckt mir die französische Küche immer noch, esse ich immer noch Poulet mit Champignons, Beefsteak mit Kartoffeln, Rebhuhn mit Kohl und verwechsle weder Küche mit Apotheke, noch Land mit Sanatorium, Arbeit mit Produktion, Laster mit Liebe.
Maurice de Vlaminck

Vlaminck Carriéres-sur-Seine

30. September 2015

Ich bedaure jene, die das Elend nicht kannten, und ich bedaure auch jene, die sich nicht aus eigenen Mitteln daraus erheben konnten. Das Elend hinterläßt tiefe Spuren. Die Tränen des Liebeskummers vergißt man nicht; sie bewahren ihre Bitterkeit, an deren Geschmack sich der Mund erinnert. Wenn man gute Zähne hat und hungrig ist, schmeckt hartes Brot ausgezeichnet. Wer eine schöne Stimme hat, wird dem Elend zum Trotz singen.
Maurice de Vlaminck (1876 – 1958)

Vlaminck

29. September 2015

Wir wollen nicht verzagen / in unsrer trüben Zeit,
die Kerze weitertragen / in schwarze Ewigkeit
und nimmermehr vergessen / des, der die Flamme speist
mit Kräften unermessen: ich weiß nicht, wie er heißt.
Gerhart Hauptmann (1862 – 1946)

27. September 2015

Heute hat Freddy Quinn Geburtstag – herzlichen Glückwunsch! 84 Jahre ist der Sänger und Schauspieler nun alt und kann auf ein sehr bewegtes, ereignisreiches Leben zurückblicken. Als Sohn eines irischen Kaufmanns und einer österreichischen Journalistin wurde er 1931 geboren, wahrscheinlich in Österreich (Wien oder Niederfladnitz), vielleicht aber auch in Istrien (Pula) – sein Geburtsort steht nicht zweifelsfrei fest. Freddy Quinn wuchs in den USA, in Belgien, in Ungarn und in Österreich auf. Schon als Minderjähriger reiste er per Autostopp durch Südeuropa und Nordafrika. Er arbeitete für Zirkusunternehmen, spielte in Bars vor Fremdenlegionären Gitarre und sang Lieder über Sehnsucht und Heimweh, bevor in den 50er Jahren in Deutschland seine außergewöhnliche Karriere begann. Mit Titeln wie Heimweh, Die Gitarre und das Meer, La Paloma und Junge, komm bald wieder wurde Freddy Quinn zum ersten bundesdeutschen Schallplattenmillionär.

Obwohl ihm später größere Hits nicht mehr glückten, blieb er mit zahlreichen Tourneen, Gastspielen, Film- und Fernsehauftritten einem größeren, mit ihm älter gewordenen Publikum stets präsent. So trat er in den Musikshows Musik aus Studio B und Zum Blauen Bock auf, spielte in der Heinz-Erhardt-Hommage Noch ’ne Oper (1979) mit und übernahm kleinere Fernsehrollen, z. B.  in Großstadtrevier. Von 2009 an zog er sich zunehmend aus dem Rampenlicht zurück, trat nicht mehr auf und verzichtete auf Interviews. Freddy Quinn lebt in Hamburg.

German singer and entertainer Quinn is pictured before the start of his trial in the northern ...

25. September 2015

Even if I don’t believe it’s true, I’ll send my heart on you.
Titelsong aus „Woran dein Herz hängt“ (D 2009, Musik von Michael Klaukien und Andreas Lonardoni)

Liebeskummer.Ortsausgang

24. September 2015

I don’t know. How much does Toscanini have?
Benny Goodman (1909 – 1986) vor einem Konzert in der Carnegie Hall 1938 auf die Frage, wie lang die Pause dauern soll

Benny Goodman

23. September 2015

Nach allem, was wir wissen, hat Sergei Rachmaninow große Probleme damit gehabt, seine eigenen Werke auf „romantische“ Weise zu spielen. Er war nicht nur Komponist, sondern – wie viele seiner Kollegen im 19. Jahrhundert – auch Virtuose. Die uns erhalten gebliebenen Tondokumente mit Interpretationen eigener Klaviermusik weisen einen merkwürdig sachlichen, nüchternen Tonfall auf. Die Tempi sind häufig absurd schnell, über weite Strecken klingt die Musik oberflächlich und gehetzt. Warum? Der mit Rachmaninoff befreundete Dirigent Eugene Ormandy erzählte einmal in einem Interview 1961: “He hated his own music and was usually unhappy about it when he performed or conducted it in public.“ – Rachmaninows Musik sei „gefühlvolle Jauche“, hat Richard Strauss gesagt. Wenig schmeichelhaft! Empfand Rachmaninow das vielleicht ganz ähnlich? Und hat er deswegen auf dem Podium „dagegengesteuert“? Beim Hören des 2. Klavierkonzertes c-Moll op. 18 (1901) – es ist sein populärstes Stück – scheinen uns solche Gedanken ganz abwegig zu sein. Trotzdem ist Rachmaninows idiosynkratischer Umgang mit seinen eigenen Werken nicht zu leugnen. Die letzten Gründe dafür werden wir wohl nie erfahren.

Rachmaninov

20. September 2015

Könnte ich auf die berüchtigte einsame Insel nur ein einziges Klavierkonzert mitnehmen, würde ich ohne zu überlegen das von Schumann wählen. Ich weiß, dass Mozart, Chopin, Brahms und Tschaikowsky grandiose Solokonzerte geschrieben haben, ich weiß es wirklich, beruhigt euch! Trotzdem ist das Schumann-Konzert sozusagen „dasjenige welche“, und zwar wegen der „Bauchstelle“ im dritten Satz. Die Stelle – eine Sequenz mit Vorhaltsbildungen, erst in Dur, dann in Moll, nach Dreiklangsbrechungen im Klavier – kommt zweimal vor, jeweils doppelt, also viermal insgesamt. Regelmäßig, wie auf Bestellung und verblüffend zuverlässig reagiert mein Bauch bei dieser Stelle. So, als würde der sehnlichst erwartete Anruf kommen oder als stünde die Angebetete plötzlich vor der Tür. Das Verrückte ist, dass es immer funktioniert, wirklich immer. Unter einer Voraussetzung: Es muss die Aufnahme mit Géza Anda und den Berliner Philharmonikern unter Rafael Kubelík sein (1964). Sonst klappt es nicht. Bei niemandem. Nicht bei Perahia, nicht bei Zimerman, nicht bei Brendel, nicht bei Argerich. Es klappt nur mit Géza Anda. Das ist einfach unverwechselbar und unvergleichlich! Bei den anderen ist es so, als würde man mit einer klugen, attraktiven und charmanten Frau zum Essen ausgehen und hinterher sagen, dass es ein schöner Abend war. Bei Géza Anda – um im Bild zu bleiben – haben die Götter den Tisch gedeckt, das Menu ist überwältigend. Und die Herzdame verspricht Genüsse jenseits der Kulinarik.

16. September 2015

Vor ein paar Tagen ist Arvo Pärt 80 Jahre alt geworden. In zahlreichen Musikzeitschriften, auf Kulturseiten und in Feuilletons waren zu diesem Anlass erfreulich verständige Artikel über den estnischen Komponisten zu lesen. Viele Beiträge beschäftigten sich mit dem, was die Gesellschaft zur Verleihung des Internationalen Brückepreises in zwei Sätzen auf den Punkt gebracht hat: „Sein Schaffen genießt so große Akzeptanz wie bei keinem anderen Komponisten der zeitgenössischen Musik. Sein Werk macht das menschliche Grundbedürfnis nach einer Verbindung von Ästhetik, Ethik und Spiritualität, die in unserer überwiegend säkularisierten Gesellschaft so oft der Politik und der Ökonomie untergeordnet werden, deutlich und erlebbar.“

Ästhetik, Ethik und Spiritualität – das sind die Schlüssel zum Verständnis erstens von Pärts Musik, zweitens der Wertschätzung, die seinem Œuvre entgegengebracht wird. Noch kürzlich war eine Kursteilnehmerin tief beeindruckt vom Cantus in memoriam Benjamin Britten, einem Werk für Glocke und Streichorchester (1977/1980). Sie erkundigte sich per E-Mail genauestens über den Komponisten und den Titel des Werkes, da sie die CD unbedingt kaufen und wieder hören wollte. Viele Menschen erleben Pärts Musik als Ausdruck einer archaischen, tief sitzenden Sehnsucht nach Trost und Sanftmut, nach Verständnis und Liebe. Die Musik hat zuweilen etwas Therapeutisches und kann mit ihrer meditativen Ruhe und Stille, auch durch Schmerz und Trauer, Begleiterin sein in Phasen oder auf einzelnen Wegen unseres Lebens. Dabei geht es nicht um Stilmittel, Techniken oder Strukturen, sondern um Erfahrung und Erkenntnis, also um uns selbst.

Pärt

14. September 2015

Gut zwanzig Jahre ist es her, dass die Schauspielerin Sunnyi Melles in einer Talkshow der ARD zum Thema Verliebtsein sagte: „Man wird so furchtbar unehrgeizig.“ Amüsiert war sie, leise, verletzlich, schalkhaft, verliebt eben. Das ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Und wie wahr ist dieser Satz! „Man wird so furchtbar unehrgeizig.“ Kein Grund, sich Sorgen zu machen, im Gegenteil. Erst wenn Ambitionen und Ideen sich zurückmelden, wenn neue Pläne und ihre Ausführungen Gestalt annehmen – dann wird es ernst. Geschweige denn, wenn wir wieder geregelt essen, trinken und nachts durchschlafen, mit den bekannten Träumen. Wenn wir wieder das „heute-journal“ gucken, Heizölpreise vergleichen, samstags Rasen mähen und im Internet den nächsten Urlaub buchen, nach eingehendem holidaycheck selbstverständlich. Dann sollten wir vielleicht anfangen darüber nachzudenken, ob etwas nicht stimmt.

Klatschmohn

13. September 2015

Gewiss, der Freischütz ist ein unvergleichliches Kunstwerk, aber er ist keine Große Oper. Auf einer geräumigen Bühne, im riesigen Zuschauersaal verliert das Werk, einem Genrebild vergleichbar, das in einer Kunstausstellung zu hoch aufgehängt wurde. Und doch ist es auch keine Opéra comique, obwohl in der Originalgestalt die Musikstücke von gesprochenen Szenen unterbrochen wurden. Der Freischütz ist die Große Oper für eine Kleinstadt – in seiner von Grund auf germanischen Mentalität hat er sich in jedem anderen Land nur schwer akklimatisieren können.
Camille Saint-Saëns (1835 – 1921)

Das Zitat ist einem Aufsatz entnommen, den Saint-Saëns für L’Estafette am 10. Juli 1876 schrieb. An anderer Stelle lässt er einen anonymen Operndirektor auf ironische Art sagen, dem Freischütz mangele es an Klarheit und Spannung, obendrein fehle es an schönen Stoffen, an Samt und Seide, vor allem aber sei die Szene in der Wolfsschlucht kein bisschen lustig, man müsse daher ein Ballett einfügen. Es gebe da bloß Windesrauschen, Donnergrollen und das Knirschen der vom Sturm gerüttelten Tannen… Kein bisschen lustig. „Germanisch-depressiv“ hat das eine Kabarettistin kürzlich genannt. Vielleicht ist da ja was dran, so insgesamt. Aber am Freischütz wollen wir es nicht ernsthaft festmachen, oder?

10. September 2015

Vögelurlaub

Na, das ist doch mal was! Schnell anmelden, in einem Monat geht’s los!
Hier noch ein paar Musiktipps für den perfekten Urlaub:

Jean-Philippe Rameau, Le rappel des oiseaux
Robert Schumann, Vogel als Prophet
Ottorino Respighi, Gli uccelli
Igor Strawinsky, Le chant du rossignol
Charlie Parker, Bird of Paradise
Ludwig Hirsch, Komm großer schwarzer Vogel
Hans Hartz, Die weißen Tauben sind müde

9. September 2015

Mehr als drei Jahrzehnte lang währte das Interviewprojekt des ungarischen Musikredakteurs und -publizisten Bálint András Varga: Er stellte bedeutenden Komponisten jeweils dieselben drei Fragen. Das Ergebnis liegt jetzt in deutscher Ausgabe auf 320 Seiten vor – Drei Fragen an 73 Komponisten, conbrio-Verlag, Hardcover, € 29,90. „Eine unerlässliche Lektüre für alle, denen die Musik unserer Zeit am Herzen liegt“, so Sir Simon Rattle. Also rasch auf den Wunschzettel damit, Weihnachten kommt manchmal schneller als einem lieb ist!

7. September 2015

Der Kunstlehrer zeigt ein Bild und fragt die Schüler: „Was wird hier dargestellt, ein Sonnenaufgang oder ein Sonnenuntergang?“ Darauf Marie: „Ein Sonnenuntergang. Kein Künstler steht so früh auf.“

Warum heißt es wohl „Götterdämmerung“, könnten wir uns fragen… War Wagner etwa Langschläfer? Auch das noch? Nach allem, was wir schon wissen, würde uns das allerdings nicht mehr schrecken. Laut Nietzsche war Wagner „das unhöflichste Genie der Welt“, und – da wir Urteile von Philosophen in besonderer Weise schätzen, nicht wahr, Günter? – Peter Sloterdijk meinte kürzlich, „Wagner gebührt ein Vorzugsplatz unter denen, die man nicht persönlich gekannt haben möchte.“

Bei der Gelegenheit, bitte unbedingt lesen: Peter Sloterdijk, „Bayreuther Assoziationen, ZEIT online vom 25. August 2015 – ein herrlicher Text, süffig, sprachverliebt, souverän. Interessiert sich jemand für Inhalte?

6. September 2015

Checkpoint Bravo war ein von den Amerikanern genutzter alliierter Kontrollpunkt am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden-Drewitz. Seit dem 15. Oktober 1969 befand er sich auf der neu gebauten Verlängerung der AVUS (A115) entlang der Transitstrecke zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin. Die heute unter Denkmalschutz stehenden Abfertigungsgebäude, das Brückenhaus (Zollstelle), die Tankstellen und die Raststätte wurden zwischen 1968 und 1972 errichtet.

Die knallrote Pop-Art Raststätte ist wohl das markanteste Gebäude am Grenzübergang, entworfen von Architekt Rainer G. Rümmler, der auch viele der Berliner U-Bahnhöfe zur damaligen Zeit baute. Modern, ambitioniert und mit einem Anflug von Verwegenheit konzipiert, hatte sie dennoch an diesem Standort keine Chance und wurde kaum genutzt. Wer in die Bundesrepublik wollte, hatte meist gerade erst gefrühstückt, wer von dort kam und die Durchfahrt durchs DDR-Niemandsland geschafft hatte, wollte einfach nur schnell nach Hause. Nur neun Monate nach der Eröffnung wurde die Raststätte wegen Publikumsmangel wieder geschlossen.

raststaette_dreilinden

4. September 2015

Wie wird heute Musik gehört? Verändern die digitalen Medien das Musikhören grundlegend? Kann man das Musikhören erlernen? Welche neuen Trends des Musikhörens gibt es im Konzertbetrieb? Wie nachhaltig sind diese? Welche Impulse ergeben sich daraus wiederum für den Musikunterricht und die Musikvermittlung? Wie funktioniert barrierefreies Musikhören?

Im Nikolaisaal Potsdam sind am 13. und 14. November 2015 Musikliebhaber und Fachpublikum eingeladen, gemeinsam mit Wissenschaftlern, Konzertveranstaltern und Musikvermittlern diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Ein Wochenende zur Zukunft des Musikhörens – ich bin dabei!

Musikhören

2. September 2015

Ein Papierschiff segelt erst schnell davon, dann sinkt es. Man weiß schon vorher, dass so ein Schiffchen sinken wird, aber man faltet es trotzdem, steckt einen Zweig als Mast hindurch, befestigt ein Segel aus Papier daran und setzt es vorsichtig aufs Wasser. „Schau mal, wie schön es segelt“, sagt man zu seinem Kind, während man schon weiß, dass das Kind gleich weinen wird, wenn das Schiffchen untergeht. Man weiß Dinge, die man lieber nicht ausspricht. Auch sich selbst gegenüber nicht. Und wenn das Papierschiff gesunken ist, faltet man ein neues.
aus: Toine Heijmans, Irrfahrt

1. September 2015

Der Fußballspieler Kevin De Bruyne wechselt für 80 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg zu Manchester City. Für etwa diese Summe, so schreibt der Journalist Armin Lehmann auf WDR 2 Klartext, wurde vor einigen Jahren der Borussia-Park in Mönchengladbach gebaut. Edmund Stoiber, ehemaliger bayerischer Ministerpräsident und Mitglied des Aufsichtsrates beim FC Bayern München, schätzt die gesamte Größenordnung des Deals inklusive Gehalt und Prämien gar auf 150 Millionen Euro und ergänzt: „Das ist die halbe Allianz-Arena.“

Armin Lehmann nennt das „Irrsinn“ und findet, „der Fußball ist mittlerweile in finanzielle Dimensionen vorgestoßen, die ihn auf Sicht zerstören werden. […] Wenn ein Spieler schon teurer ist als das Stadion, in dem er spielt, dann läuft etwas gewaltig schief in den Arenen dieser Welt.“ Es ist zu befürchten, dass wir erst am Anfang einer verheerenden Entwicklung stehen, und es ist nicht abzusehen, welche Deformationen diese der „schönsten Nebensache der Welt“ zufügen wird.

Nun wird ein talentierter oder technisch versierter Kicker zuweilen auch „Ballkünstler“ oder „Fußball-Rastelli“ genannt. Ist das vor dem Hintergrund der beschriebenen Auswüchse wirklich angemessen? Mit dem aufzubringenden Geld, das im Konzertbetrieb für die Verpflichtung beispielsweise einer Hilary Hahn oder eines Jonas Kaufmann nötig ist, kann man jedenfalls keine Philharmonie bauen, auch kein Opernhaus! Herr De Bruyne ist Fußballer, kein Künstler. Wäre er es, müsste er im Übrigen wohl mit weniger als den geschätzten 20 Millionen pro anno auskommen (Fragen zur Versicherungspflicht beantwortet die Künstlersozialkasse). Doch mit Kunst haben De Bruyne und ähnlich hofierte Vereinswechsler wenig zu tun. Und eines Enrico Rastelli würdig ist dabei höchstens die Begabung ihrer Zahlenjongleure, vulgo Finanzberater.

31. August 2015

Letzte Woche war ich in Leipzig. Es war mein erster Besuch in dieser Stadt, die bekanntlich seit geraumer Zeit einen immensen Zulauf erfährt und mittlerweile zur am schnellsten wachsenden Großstadt Deutschlands avanciert ist. Es gibt genügend gute Gründe, Leipzig zu besuchen, doch unsereins fährt in erster Linie der Kultur und Geschichte wegen dorthin. Und so schreibt sich das Besuchsprogramm beinahe von ganz allein: Thomaskirche, Bach-Museum, Nikolaikirche, Gewandhaus, Oper, Zeitgeschichtliches Forum, Altes und Neues Rathaus, Naschmarkt, Völkerschlachtdenkmal, Auerbachs Keller – die Liste der Sehenswürdigkeiten ließe sich verlängern. Mit am beeindruckensten war der Besuch des Mendelssohn-Hauses in der Goldschmidtstraße. Das Haus bietet die Möglichkeit, die letzte und einzige erhaltene Privatwohnung des Komponisten zu besichtigen. Still und mit nobler Zurückhaltung kommen mir diese großzügigen Räumlichkeiten entgegen. Ich bewundere originales Mobiliar, Noten, Briefe, Aquarelle. Geradezu ehrfürchtig gehe ich ins Arbeitszimmer, wo der „Elias“ entstand, in die Küche, den Schlafraum, den Salon. Wer möchte, darf computeranimiert ein virtuelles Orchester dirigieren, ganz „richtig“ mit Partitur und Taktstock. Schließlich, wie zufällig, finde ich an der Wand einen Ausspruch von Johannes Brahms: „Ich wollte meine sämtlichen Werke dafür hingeben, wenn mir ein Werk wie die Hebriden-Ouvertüre gelungen wäre.“ Ausgerechnet er sagt so etwas! Ich verlasse das Haus bereichert, beglückt.

Mendessohn_Bartholdy

Pause bis zum 31. August 2015

Eiskonfekt

16. August 2015

Gestern Abend, Kinopolis Gießen. Zusammen mit etwa 400 Besuchern (!) habe ich mir „Mission Impossible – Rogue Nation“ mit Tom Cruise, Rebecca Ferguson, Sean Harris, Alec Baldwin u. a. angesehen. Der Film ist ein temporeicher und im besten Sinn unterhaltsamer Actionthriller und der mittlerweile fünfte Teil der äußerst erfolgreichen MI-Reihe. Eine über zweistündige Spionagestory mit zahreichen Täuschungen und doppelten Böden, Verfolgungsjagden, atemberaubenden Stunts und perfekt gesetzten Spannungshöhepunkten. Vor allem aber mit einer ordentlichen Portion Selbstironie, die in einer Sequenz aus der Wiener Staatsoper ihren Höhepunkt findet. „Turandot“ wird gegeben, und wir sehen ein hingerissenes Publikum, das vom erbitterten Kampf, der gleichzeitig (und zeitgleich!) zwischen den Agenten hinter den Kulissen tobt, nichts weiß. Wir sehen beides, Agentenplot und Opernhandlung, und denken sofort an „James Bond – Ein Quantum Trost“, mit den genial verwobenen „Gut gegen Böse“-Szenen von Film und Oper, damals mit „Tosca“ von der Seebühne in Bregenz. Nun also wieder Puccini, wieder mit ausgeklügelten Bühnenmaschinerien, wieder mit Agenten in aussichtsloser Lage, aber beneidenswerter körperlicher Verfassung. Diesmal müssen die Bösen allerdings den Moment für den tödlichen Schuss in der Partitur finden – ja, können denn Killer Noten lesen?! Herrlich! Und schließlich „Nessun dorma“, der Schlager schlechthin. Wir hören in der beschriebenen Szene das Original, dann in mehreren Sequenzen bearbeitete, verfremdete, aber gut erkennbare Zitate. Besonders wirkungsvoll ist dieser Kunstgriff am Schluss, wenn Cruise und Ferguson sich trennen, und sie sagt: „Du weißt, wo du mich findest.“ Das sagt Turandot in der Oper zwar nicht, doch dafür singt sie von „amore“, das reicht.

MissionImpossible5_Plakat

14. August 2015

Heute wird Wim Wenders 70 Jahre alt – von hier aus die herzlichsten Glückwünsche! Zum Frühstück habe ich auf hr-info (das Informationsradio des Hessischen Rundfunks, wirbt mit „wer es hört, hat mehr zu sagen“) ein Interview mit dem Schauspieler Rüdiger Vogler gehört, dessen Kinokarriere über zwei Jahrzehnte lang mit dem Namen von Wim Wenders eng verbunden war. Vogler erzählte zunächst über Wenders‘ Ausnahmeblick für Motive und Bilder („er ist auch ein hervorragender Fotograf“), danach über den mittlerweile historischen Wert einzelner Filme (vor allem Paris, Texas  und Der Himmel über Berlin), schließlich über Wenders‘ Anliegen, stets das Innere seiner Protagonisten aufzuzeigen und die Beweggründe ihres Handelns verständlich zu machen. „Bei Wenders geht es darum: Wie sollen wir leben? Wie können wir leben, überhaupt?“ Was für ein schöner Start in den Tag!

Wenders

13. August 2015

sale

Ausverkauf. „Sale“ heißt das heute, wenn Schnäppchen auf uns warten, wenn wir „richtig“ sparen können. Wenn das mal keine Kunst ist, das „richtig“ sparen! Warum? Weil wir doch sonst, wenn gerade nicht „Sale“ angesagt ist, in allem so verschwenderisch sind? Was ist uns lieb und teuer, unbedingt und vorbehaltlos? Und zahlen wir noch in harter Währung, also in Liebe, Leidenschaft, Hingabe und Verantwortung? Was ist daraus geworden? Richtig, ein „Sparprogramm“! Sale! Wir sparen fast jeden Tag an uns, an unseren Gefühlen, an unseren Wünschen und Sehnsüchten. Wir sind „mit weniger“ zufrieden, und es fehlt nicht viel bis „ohne“. Widersetzen wir uns dem! Wir müssen nicht sparen, sondern uns „verausgaben“. Und nicht mit bis zu 50% weniger, sondern mit bis zu 100% mehr – das wär’s!

11. August 2015

Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.
Seneca (4 v. Chr. – 65)

Seneca

Seneca, Marmor-Büste. Anonym, 17. Jahrhundert.
Museo del Prado, Madrid.

9. August 2015

Ich habe alte Dinge mit neuem Blick betrachtet, mehr nicht.
Claude Debussy

Kleine Brötchen backen, wenn du mal große gebacken hast, ist nicht so leicht.
Michael Kessler als Stefan Effenberg in „Kessler ist…“ (ZDFneo)

Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.
Konfuzius

Wenn auch alle drei Sätze aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen stammen, gesprochen oder geschrieben vor dem Hintergrund ganz individueller Erfahrungen und Empfindungen, so haben sie doch etwas gemeinsam. Sie handeln von schwierigen Aufgaben, deren Anspruch und Schwere, von Mut und Bereitschaft, sich den Herausforderungen bestimmter Lebenssituationen zu stellen. Wann ist es Zeit für einen neuen Blick auf vermeintlich Bekanntes, Vertrautes? Wann wird uns abverlangt innezuhalten, eine Pause zu machen, ja einen Schritt zurück zu gehen? Was, wenn wir erkennen, dass wir dem Glück nachjagen, uns aber dabei die Puste ausgeht und wir nur immer erschöpfter werden? Was, wenn uns Hören und Sehen buchstäblich vergangen ist? Und wenn bisherige Erfahrungen und Rezepte nicht weiterhelfen? Dann ist die Zeit für Veränderung gekommen, für Ruhe und Langsamkeit, für Stille, für Besinnung und Reife. Nehmen und geben wir uns diese Zeit!

8. August 2015

Gestern habe ich Freiluftschach gespielt, mit großem Vergnügen, in der Wetzlarer Fußgängerzone. Nach gutem Beginn habe ich irgendwann den Faden verloren und musste aufgeben. Danach erfuhr ich von meinem Gegner, dass er Experte in klassischer Feldtheorie der Physik ist und sich mit Skalarpotentialen, Divergenzoperatoren etc. beschäftigt. Du meine Güte! Mir hätten gestern etwas bessere Kenntnisse in schachspezifischer Spielfeldtheorie schon weitergeholfen. Doch am Ende sah ich mich ganz unerwartet einer Dame gegenüber (was mich außerhalb des Schachfelds eher selten erschreckt) und gab die Partie in aussichtsloser Stellung verloren. „Schach ist das schnellste Spiel der Welt, weil man in jeder Sekunde Tausende von Gedanken ordnen muss“, hat Albert Einstein gesagt. Der kannte sich bestimmt auch in Feldtheorie aus.

Freiluftschach

5. August 2015

„In Kooperation mit Mozart“ heißt das Gesprächskonzert, das für den 18. Februar 2016 mit der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar verabredet ist. Ich werde versuchen, diesen vielleicht größten Komponisten der Musikgeschichte mit Texten, Bildern und Klangbeispielen zu porträtieren. Ihn, über den Nikolaus Harnoncourt sagt, dass wir nicht mit ihm fertig werden. Er selber, Harnoncourt, versucht es seit über acht Jahrzehnten. Ich habe zwei Stunden, und ich freue mich sehr darauf!

4. August 2015

„Wenn die Männer klüger wären, würden sie nicht versuchen, die Frauen zu dominieren.“ So steht es geschrieben, nachzulesen in der Sammlung Tausendundeine Nacht. Sheherazade erzählt darin u. a. das Märchen der Prinzessin Turandot, die nur den Mann heiratet, der ihr intellektuell ebenbürtig ist und sich imstande zeigt, unter Einsatz seines Lebens ihre schwierigen Rätsel zu lösen. Eine anspruchsvolle, fordernde, selbstbewusste Frau. Allerdings – das wollen wir bei aller Grausamkeit ihrer Spielregeln doch konzedieren – lässt sie den Vorteil, seinen Namen zu kennen, ungenutzt. Immerhin hätte sie dieses Wissen von der Verpflichtung zur Eheschließung entbunden, sie hätte den Namen nur aussprechen müssen…. Ein kluger Prinz, dieser Kalaf – er gibt der Angebeteten alle Trümpfe in die Hand, und wir werden Zeugen des Erfolgs dieser Strategie. Hat sie das erkannt, von Anfang an? Gehört das zum Spiel dazu, hat sie deswegen kapituliert? Geht das Spiel weiter? Oder hat hier schlicht die Liebe gesiegt, nicht mehr und nicht weniger? Das wäre schön. Geradezu wie im Märchen.

Turandot

2. August 2015

Die Ehe, so stellte Gottfried Benn fest, sei „eine Institution zur Lähmung des Geschlechtstriebs“. Nach langen gemeinsamen Jahren erstirbt offenbar die Lust auf das bis zum letzten Leberfleck erkundete Terrain des anderen Körpers. Dieses Phänomen trägt den Namen „Coolidge-Effekt“. Er beruht auf einer hübschen Anekdote. Calvin Coolidge, in den zwanziger Jahren Präsident der Vereinigten Staaten, besuchte mit seiner Frau eine Farm. Grace Coolidge sah einen Hahn beim Besteigen einer Henne, und man erklärte ihr, dass das Tier sich den Spaß bis zu zwölfmal am Tag gönne. „Sagen Sie das meinem Mann“, bat Frau Coolidge. Die Botschaft wurde ausgerichtet, prompt erkundigte sich der Präsident, ob der Hahn immer dieselbe Henne besteige. Nein, lautete die Antwort. Coolidge: „Sagen Sie das meiner Frau.“

18 Uhr, 29°. Wir essen einen Salat mit gebratenen Hähnchenfiletstreifen (!), Weizenreis, Gurken, Tomaten, Staudensellerie, Lauchzwiebeln, Feta, Ingwer und Knoblauch. Dazu trinken wir gekühlten Weißwein und hören Händel, „Ode for St. Cecilia’s Day“.

1. August 2015

Mozartkugeln selbst gemacht

200 g Nougat (Nuss-Nougat-Masse)
200 g Marzipan-Rohmasse
2 EL Kirschwasser
10 g Pistazien, fein gehackt
125 g Puderzucker, gesiebt
100 g Kuvertüre

Zubereitung:
Die kalte Nuss-Nougat-Masse in Würfel (ca. 1 x 1 x 1 cm) schneiden, zu Kugeln formen, kalt stellen. Marzipan-Rohmasse geschmeidig rühren, Kirschwasser und feingehackte Pistazien hinzufügen. Puderzucker unterkneten. Marzipanmasse zu einer etwa 2 cm dicken Rolle formen. In so viele Stücke schneiden, wie Kugeln vorhanden sind. Die Marzipanstücke auf einer mit Puderzucker bestäubten Tischplatte flach auseinander drücken. Die Nougatkugeln darauf legen. Die Marzipanmasse zusammenschlagen, an den Rändern gut andrücken, zu Kugeln formen. In Kuvertüre tauchen.

Die Kugeln schmecken super, mindestens so gut wie die gekauften. Gehen natürlich direkt auf die Hüften, aber was soll’s. Mozart, Musik, süß – das liegt allerdings schwer im Magen. So wie Wagner-Weia-Waga-Wellen (Stockfisch mit Kapern, Knoblauch und Crème fraîche). Wagalaweia! Auweia! Sapperlot und Donnerknispel! Da hilft nur ein Bahrscher Bitter. Oder zwei.

31. Juli 2015

Verliebte sind Liebende im Neugeborenenzustand, so hilflos in der Liebe, wie das kleine Kind, das lebt, ohne das Geringste vom Leben zu wissen. Alles Alltägliche ist ihnen neu. Jede Kleinigkeit kann zum Symbol werden. Nichts steht im Weg. Die ganze Welt scheint zugeschnitten auf die Schwebe der Verliebten: auf ihre Schwebe des Glücks mit dem Anderen, den sie kaum mehr als Anderen erleben, eher als Verlängerung ihrer selbst. Sie schwärmen von der Liebe, aber lieben nicht. Verliebte und Liebende trennen Welten, aber wer weiß das schon immer? […] Dem hellen Schwärmen folgen die ewigen Sekunden der Lust, Tage, die zu Nächten werden, Nächte, die zu Tagen werden, während hinter dem Rücken schon langsam ein Alltag der Liebe einsetzt. Für die wenigsten bleibt es dabei, auf die meisten kommen noch zwei Akte zu: Trennung und Einsamkeit.
Bodo Kirchhoff im Vorwort zum Lesebuch „Niemandstage der Verliebtheit“

Nicht-Musiker finden während der letzten „zwei Akte“ Trost bei Bach, Mozart oder Debussy, jedenfalls wird es so erzählt. Ich selber habe das Hören dieser Musik in entsprechenden Situationen oder Phasen nie als hilfreich empfunden. Wenn „Herz und Mund und Tat und Leben“ zur Ruhe kommen sollen, sich sammeln müssen, um neue Kraft und Zuversicht zu gewinnen, dann helfen lange Spaziergänge und eine anständige Gastronomie. Liebe geht durch den Magen, so heißt es. Doch auch den Zurückgelassenen, durch Liebesmühen Geschwächten und Entliebten sei dies anempfohlen: geht raus, genießt die Natur, die frische Luft – und esst was Gescheites.

Vergissmeinnicht

29. Juli 2015

Apropos: Orson Welles wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Die ZEIT hat vor ein paar Wochen aus diesem Anlass ein Interview mit Senta Berger geführt, die darin u. a. von ihrem ersten Zusammentreffen erzählt: Ich wurde abgeholt von seinem persönlichen Assistenten, Peter Bogdanovich. Und dann fuhren wir downtown. Wir fuhren da lange, lange an all diesen aufgegebenen Vierteln vorbei, die früher einmal das Zentrum von Los Angeles waren. Dann kamen wir zu einem alten Theater: roter Plüsch, staubig, mehr oder weniger in einem Hinterhof. Und dann trat Orson Welles aus dem Bühneneingang hinaus. Dieses dröhnende Lachen habe ich noch im Ohr. Es folgte eine feste Umarmung. Er nahm mir gleich alle Angst und machte Späße mit meinem Namen. Senta gab’s ja im Englischen gar nicht. Da war ich dann „Santa Baby“ für ihn. […] Er hat immer geschrieben, hat immer Ideen gehabt, hat diese Ideen immer allen erzählt. Und während er sie erzählte, hat er auch schon so ein bisschen das Interesse daran verloren. Er war ein großer Märchenerzähler. Wie er „Moby Dick“ erzählt, nur wie er es erzählt! Wenn Sie das hören, wissen Sie schon, was ich meine mit dem Geschichtenerzählen. Wenn es ein Beruf gewesen wäre, und er hätte davon leben können, dann wäre es seine Berufung gewesen.“ – Von Orson Welles sind im Übrigen ein paar schöne Zitate überliefert, darunter dieses: „Liebe ist ein Zeitwort, ein Verhältniswort, ein Zahlwort oder ein Umstandswort – je nachdem.“

25. Juli 2015

Heute zeigte mir mein Sohn das nachstehende Foto von Orson Welles und meinte, wir, Welles und ich, sähen uns ähnlich. Nach meinem Verständnis heißt das übersetzt „Papa, du musst was tun“. Die Sommerferien – sie haben gerade begonnen – sollten sich für entsprechende Veränderungen wohl eignen. Von Gemeinsamkeiten hinsichtlich des künstlerischen Genies sprach mein Sohn übrigens nicht. Doch ich will da keine Absicht unterstellen. Wem von uns unterlaufen nicht zuweilen kleine Nachlässigkeiten…?

Orson Welles

22. Juli 2015

Gestern Abend in Friedrichsdorf, Einführung zum Kurs „Es gibt was auf die Ohren! – Klassische (?) Musik im 20. Jahrundert“ (Beginn 10. September). Wir hören und sehen Maurice Ravels „La Valse“. Das Ende des eleganten Wiener Kaiserhof-Flairs, eine Walzer-Apotheose der brachial-gewalttätigen Art,  ein Zertrümmern musikalischer Walzerseligkeit – bizarr, fratzenhaft, verzerrt. Zudem eine hörbare Vorahnung des kommenden Ersten Weltkriegs, der drohenden Zerstörung, mit einem Finale von Gewalt und Chaos. „Überall macht er die schönsten Melodien“, sagt der Dirigent Stéphane Denève, „aber mit einer Begleitung, die manchmal klingt wie eine schlechte Verdauung […] Diese Klänge in Klarinetten, Cello und Kontrabass! Es klingt wie Erbrochenes, wirklich furchtbar.“ Eine Hörerin meint, „einem Herzkranken sollte man das nicht vorspielen. Aber Sie hatten uns ja vorgewarnt.“ Ich finde, ehrlich gesagt, Herzkranke sollten sich von ganz anderen Stücken fernhalten. Dowland, Monteverdi, Mozart, Strauss – die Liste ließe sich fortsetzen. Aber dazu später mehr.

20. Juli 2015

Zum selben Thema schreibt heute die Wetzlarer Neue Zeitung:

Von Lothar Rühl

Musikschule geht auf die Straße
Aktionstag: Konzerte an vielen Stellen in der Stadt bringen Wetzlar zum Klingen

WETZLAR Zum Tag der offenen Tür hat die Wetzlarer Musikschule erstmals nicht darauf gewartet, dass die Besucher zu ihr kommen. Hunderte Musikschüler und ihre Lehrer sind stattdessen auf die Straßen gegangen. Sie begegneten den Wetzlarern in der Fußgängerzone, im Forum und auf dem Schillerplatz. Und Musikschulleiter Thomas Sander und sein Team konnten zufrieden sein mit dem Verlauf des ersten Aktionstages.

Viele Kontakte entstanden, als die Musikschüler in öffentlichen Konzerten ihren Leistungsstand präsentierten. Nach Angaben von Sander hat die Wetzlarer Musikschule derzeit 1400 Schüler, die von 36 Lehrkräfte unterrichtet werden. In den Räumen am Schillerplatz können Interessenten alle gängigen Instrumente erlernen, derzeit 24 verschiedene. Darunter sind auch Exoten wie Alphorn, Didgeridoo und Mundharmonika. Neben der Grundstufe gibt es die Fachbereiche Blasinstrumente, Tasteninstrumente, Zupfinstrumente und Streichinstrumente. Dazu kommen die Fachbereiche Rockwerkstatt, Gesang und Tanz sowie die musikalische Erwachsenenbildung mit Chorprojekten, Opernreisen, Hörkursen und Musikgeschichte.

Eröffnet wurde der Aktionstag unter dem Motto „Musik bewegt dich“ mit einem musikalischen Umzug der Grundstufenkinder. Sie kamen mit Eltern und Geschwistern und zogen mit bunten Luftballons vom Schillerplatz zum Domplatz und zurück. Immer wieder stoppte der Umzug von rund 150 Teilnehmern, um ein Lied anzustimmen. Auf die Melodie von „Ein Vogel wollte Hochzeit machen“ erklang der Werbesong „Auf dem Schillerplatz, da ist was los, da feiert die Musikschule ganz groß“. Auf einer eigens errichteten Bühne vor der Musikschule traten Gruppen der Musikschule nonstop auf. Darunter war auch die Big Band „Tuxedo Drive“, die mir ihrem Swing die Passanten und Besucher der Biergärten unterhielt.

Auch im Forum nutzte die Musikschule die Bühne am Brunnen. Die Fachbereiche Tasten und Streicher sowie die Rock-Werkstatt fanden ihr Publikum unter den Kunden des Einkaufszentrums. Am Eisenmarkt war das Bläserensemble zu hören. Weitere Veranstaltungsorte waren die Gaststätte Harlekin und die Untere Stadtkirche, wo sich der Fachbereich Zupfinstrumente mit vier Konzerten dem Publikum zeigte. In der Musikschule konnten Kinder und Erwachsene am Schnupperunterricht teilnehmen. Hier gab es auch eine Notenbörse, ein Infostand und Kaffee und Kuchen sowie kalte Getränke. Das sonnige Wetter sorgte dafür, dass die Musikschüler ideale Bedingungen vorfanden, um für ihr Hobby zu werben.

19. Juli 2015

Über den Aktionstag „Musik bewegt Dich“ der Wetzlarer Musikschule am 18. Juli schreibt das Sonntag-Morgenmagazin heute (Text und Fotos von Valentin Gerstberger):
SoMoMa19.07.2015

16. Juli 2015

Es gibt nicht so viele Komponisten, deren Werke wir – bezogen auf unsere Stimmung oder Seelenlage – immer hören können. Oder sagen wir besser fast immer, denn unausweichlich kommen wir alle zuweilen in Situationen, in denen wir bewusst aufs Musikhören verzichten. Von diesen Momenten abgesehen, ist die Bandbreite der Wahlmöglichkeiten ziemlich groß: Von Bachs Orchestersuiten über Mozarts Sinfonien bis hin zu Klaviermusik von Debussy trifft vieles unsere alltägliche Gemütsverfassung relativ passgenau und konvenient. Mit Berlioz, Wagner und Schostakowitsch tun wir uns schon schwerer. Hier müssen wir auf einen geeigneten Tag warten, auf eine bestimmte Stunde. Und wie selten erst sind wir frei für Gesualdo, Wolf oder Hartmann! Sollten wir uns nicht häufiger aufmachen und das Entlegene, das Unbekannte entdecken? Wie neugierig sind wir noch, und wie offen? In dieser Woche haben wir in den Kursen Ravels „Daphnis und Chloe“, Chopins 1. Klavierkonzert, Glucks „Iphigenie auf Tauris“, Mendelssohns Violinkonzert und seine 3. Sinfonie gehört. Auch das alles, um auf den Anfang zurückzukommen, können wir nicht „immer“ hören. Aber vielleicht häufiger als bisher. Weil wir gelernt haben und immer wieder die Erfahrung machen, dass vieles auf und zu uns passt, von dem wir bislang bestenfalls eine vage, unbestimmte Ahnung hatten, wenn überhaupt. So vieles wartet auf uns….

14. Juli 2015

Über das Abschlusskonzert des diesjährigen Chorprojekts schreibt heute die Wetzlarer Neue Zeitung:

Madrigale erfreuen die Zuhörer
Gelungenes Konzert in der Musikschule

Wetzlar. „Madrigale und höfische Lieder“ waren das Thema des Chorprojekts der Wetzlarer Musikschule, das von Schulleiter Thomas Sander geleitet wurde. Am Samstagabend fand das Abschlusskonzert im Konzertsaal statt. In seiner Rolle als Moderator freute er sich über die gute Resonanz – trotz der brütenden Hitze. „Leider musste das angekündigte Klarinettenensemble absagen, weil zu viele Mitglieder wegen Klassenfahrten und ähnlichen Gründen abwesend sind“, bedauerte der engagierte Musiker.

Der mehr als 30-stimmige Chor stellt sein hohes Niveau unter Beweis

Das erste Werk „Im kühlen Maien“ (Hans Leo Hassler) konnte trotzdem doppelchörig vorgetragen werden – dank des Blechbläserensembles. Schon hier wurde das hohe Niveau des mehr als 30-stimmigen Chors deutlich, in dem einige bekannte Gesichter aus Wetzlarer Chören zu finden waren. Als weitere Mitstreiterin war die Mezzo-Sopranistin Annette Meisner gekommen, die auch mit Erkältung eindrucksvoll Werke von John Dowland und Georg Friedrich Händel intonierte. Sehr lebendig und mit viel Gefühl gelangen die Liebeslieder des Renaissancekomponisten Dowland zu einem echten Ohrenschmaus: Von Sander am Klavier begleitet, erklangen „A Shepard in a Shade“ und „Come again, sweet love doth now invite!“ Ebenso beeindruckend waren Georg Friedrich Händels „Verdi prati“ (Alcina) und „Silent Worship“ (Tolomeo).

Der Chor hatte bekannte wie eingängige Stücke einstudiert und zeigte sich bestens aufgelegt. Romantische Dinge standen auch hier im Mittelpunkt, wie die „Drei schönen Dinge fein“ von Daniel Friderici oder Hasslers „Tanzen und Springen“ oder Heinrich Alberts „Du mein einzig Licht“. „Musica die ganz lieblich Kunst“ (Johannes Jeep), Standardrepertoire vieler Chöre mit langer Tradition, durfte natürlich nicht fehlen. Mit viel Spaß und „Lirilirum“ wurde Johann Scheins „Ihr Brüder, lieben Brüder mein“ vorgetragen. Als besonderes Highlight präsentierte Sander „Innsbruck, ich muss Dich lassen“ (Heinrich Isaac), das vom Reimschema als dreihebiger Jambus und auch von der Melodie mit relativ geringem Tonumfang etwas Besonderes ist. „Der wehmütige Charakter entsteht vor allem durch die Zeilenschlüsse im Seufzermotiv und die häufige Berührung der Terz“, erläuterte Sander. Das Publikum zeigte sich begeistert von dem sehr passend gewählten Liedgut und sparte nicht mit Applaus.

Text und Foto: Heike Pöllmitz

Chorprojekt 2015

13. Juli 2015

In letzter Zeit, es fällt mir selbst auf, habe ich in meinen Kursen viele Einspielungen mit Daniel Barenboim verwendet. Dieser außergewöhnliche und mit zahllosen Preisen und Auszeichnungen dekorierte Musiker ist, wer wüsste das nicht, seit Jahrzehnten auf allen renommierten Bühnen der Welt zu Hause, als Dirigent wie als Pianist. Kürzlich sagte mir ein Kollege, es sei ihm ein Rätsel, wie dieser Mann bei den unzähligen Verpflichtungen auf derart hohem Niveau Klavier spielen kann. Woher nimmt er die Zeit zum Üben? Er dirigiert und spielt, unterrichtet, leitet Projekte, engagiert sich in der Politik und vieles mehr. Umso erstaunlicher ist, was wir hören und sehen: Die Klavierkonzerte von Mozart, Beethoven, Chopin, Brahms, Tschaikowsky und anderen, dazu die vielen Sinfoniekonzerte, nicht nur zu Silvester und Neujahr, mit den großen Orchestern der Welt, dazu die Ramallah-Konzerte, die Aufführungen mit dem Orchester des West-Östlichen Divans und und und… 72 Jahre ist Barenboim nun alt, und es sieht nach allem aus, nur nicht nach Ruhestand. Wie schön.

Austria; Vienna; Director Daniel Barenboim in an interview by "Der Spiegel"

11. Juli 2015

Heute feiert der große schwedisch-amerikanische Dirigent Herbert Blomstedt seinen 88. Geburtstag. Wir gratulieren auf das Herzlichste! Nachfolgend ein Auszug aus dem Buch Der Taktstock – Dirigenten erzählen von ihrem Instrument von Eckhard Roelcke (Paul Zsolnay Verlag, Wien 2000). Sympathisch und überzeugend erzählt Herbert Blomstedt über sein Verständnis des Dirigenten, dessen Funktion und Aufgabe, und nicht zuletzt über die Bedingungen für das Entstehen von schöner Musik.

Der Taktstock als Machtsymbol ist nicht mehr aktuell. Der Dirigent ist kein Halbgott. Das war er vielleicht vor hundert Jahren. Oder er wurde als Halbgott angesehen. Er war unfehlbar und wurde immer angestaunt. Kollegen, die diesen Typus noch verkörpern, werden immer seltener und immer lächerlicher. Ich sehe ab und zu Fotos von Kollegen, wie sie den Taktstock fast wie eine Waffe, wie einen Dolch halten. Der Taktstock als Symbol von Macht und Kraft: Das ist mir äußerst zuwider! Die meisten Kollegen verwenden den Taktstock aus praktischen Gründen und nicht als Machtsymbol. Der heutige Dirigent muss, um wirklich erstklassige Ergebnisse zu erzielen, mit seinen Musikern kooperieren und das beste aus ihnen herauslocken. Das tut man bestimmt nicht mit Drohungen oder mit „Taktschlägereien“. Der Dirigent ist vor allem ein Diener der Musiker. Der Dirigent sollte keine eitle Erscheinung sein. Das hasse ich. Das hat nichts mit Musik zu tun oder sehr wenig. Man ist Diener der Musik und Diener seiner Musiker. Wir lieben doch alle die Musik. Nur wenn wir ein gemeinsames Liebesverhältnis zur Musik haben, kommt wirklich etwas Schönes heraus.

Blomstedt

8. Juli 2015

„Man geht kaum zu weit, wenn man diese Gluck-Tragödie als das vollendetste Werk unter seinen »Reformopern« bezeichnet: Seit der Pariser Uraufführung am 18. Mai 1779 hat sie ihren Siegeszug fortgeführt. Der Grund hierfür liegt vor allem in der nach Glaubhaftigkeit und emotionaler Wahrhaftigkeit strebenden Operndramaturgie, die auf alles Dekorative und Effektheischende verzichtet. Iphigenie auf Tauris ist antikes Drama pur, angereichert mit einer unglaublich berührenden Musik.“

Mit diesen Worten warb das Staatstheater Kassel Ende 2014 für seine Aufführungen von Glucks prominentester Oper nach Orpheus und Eurydike. Letzte Chance am 24. Juli – wenn es irgendwie geht: hinfahren und erleben!

Gluck

7. Juli 2015

Mit den Werken von Frédéric Chopin habe ich mich bisher insgesamt eher selten beschäftigt. Er hat nicht ein einziges Stück für eine Besetzung ohne Klavier geschrieben, damit ist das gesamte Œuvre doch eher schmal. Keine Sinfonie, kein Streichquartett, keine Oper, nicht ein einziges Vokalwerk. Abgesehen davon, ich gebe es gerne zu, war mir schon während des Studiums seine Klaviermusik technisch zu anspruchsvoll. Mit meinen kleinen Händen habe ich lieber andere Stücke gespielt – Bach, nicht zu Schweres von Schumann und Brahms, Hindemith. Das war technisch zu schaffen, und es lag mir einfach mehr – so ist es bis heute. Heute im Kurs werden wir nun Chopins Klavierkonzerte hören – schöne Musik, keine Frage. Manch einem wird sogar das Herz aufgehen.

5. Juli 2015

Eigentlich wollte ich ab heute wieder schreiben. Aber es ist zu heiß, ich bitte um Verständnis – noch ein paar Tage Geduld! Danke!

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24. Juni 2015

Helmuth Lohner ist tot. Der Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor ist in der Nacht zum Dienstag nach schwerer Krankheit im Alter von 82 Jahren gestorben. Lohner galt als einer der profiliertesten Charakterdarsteller seiner Generation. Sein Tod bedeute einen großen Verlust für das deutschsprachige Theater und großen Schmerz für alle, die ihn kennen und ihm nahestanden, sagte der Direktor des Wiener Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttinger. Dieses Theater war praktisch Lohners Hausbühne. Dort war er nicht nur Schauspieler, sondern von 1997 bis 2006 auch künstlerischer Direktor.

Lohner wirkte in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit, sein ganze Liebe jedoch galt dem Theater. Die Kritiker lobten ihn als facettenreichen, disziplinierten und hochsensiblen Darsteller und „Menschengestalter“. Er feierte Erfolge in den großen Häusern wie in München, Berlin, Düsseldorf und Zürich. In den 80er Jahren band er sich als Schauspieler fest an das Wiener Burgtheater. Neben dem tiefernsten Fach konnte der Opernbegeisterte, im Alltag ein eher leiser Mensch, mit seiner komödiantischen Ader die Zuschauer zum Lachen bringen. Ab den 90er Jahren inszenierte Helmuth Lohner als Regisseur auch Opern und Operetten. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählten u. a. die Kainz-Medaille, der Johann-Nestroy-Ring und der Titel Österreichischer Kammerschauspieler. (Quelle: carz/dpa)

Gerhard Stadelmaier schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über vieles, was mit Helmuth Lohner unvergessen bleiben wird, und erinnert sich an eine sehr berührende Szene: „Als Stephan von Sala in Thomas Langhoffs Salzburger Inszenierung von Schnitzlers „Der einsame Weg“ (1987) stand er still und staunend und unendlich traurig vor dem, was das Leben und eventuell die Liebe von einem Menschen fordern könnten: nichts als Hingabe – bis in den Tod.“

Lohner

Pause bis zum 4. Juli 2015

21. Juni 2015

Gestern habe ich anlässlich eines Geburtstages wieder ein Exemplar meines Lieblingsbuches verschenkt, ich weiß nicht zum wievielten Mal – „Ein letzter Sommer“ von Steve Tesich. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bespricht einen „Roman voll übermütigem Witz, herzzerreißender Melancholie, Klugheit und Poesie“. Stefan Kellerer rezensiert einen „wunderbaren Roman, in dem jeder Satz auf erschütternde Art und Weise wahr und wahrhaftig ist, dass man gar nicht mehr aufhören kann und will mit dem Lesen“. Christine Westermann nennt das Buch ein „Meisterwerk“ und schreibt: „Steve Tesich war ein begnadeter Drehbuchautor, ich vermute mal, dass er beim Schreiben immer schon ans Kino, an die Bilder gedacht hat. Und die projiziert er mühelos und mit großer Leichtigkeit in die Köpfe seiner Leser.“ Elke Heidenreich fasst sich kurz: „Das ist ganz große Literatur.“ Auf amazon gibt es über fünfzig Rezensionen, die meisten mit fünf (Höchstwertung) oder vier Sternen. Ich kenne das Buch erst seit 2010, ich habe es damals im Urlaub in einer Bücherkiste gefunden und geradezu verschlungen, tief beeindruckt und sehr bewegt. Es ist sozusagen mein Buch. So etwas verstörend Richtiges, so etwas verzweifelt Komisches habe ich weder zuvor noch danach je gelesen.

Steve Tesich wurde 1942 in Užice geboren und kam im Alter von vierzehn Jahren nach Indiana/USA. Er studierte russische Literatur an den Universitäten von Indiana und Columbia und promovierte 1967. Er schrieb zahlreiche Stücke und Drehbücher, u. a. das mit einem Oscar ausgezeichnete Drehbuch für den Film »Breaking Away« und für »Garp und wie er die Welt sah«. Bei Kein & Aber erschienen seine Romane »Ein letzter Sommer« (2005) und »Abspann« (2006). Steve Tesich starb 1996 im Alter von 53 Jahren.

Ein letzter Sommer

19. Juni 2015

Eine Frau macht niemals einen Mann zum Narren; sie sitzt bloß dabei und sieht zu, wie er sich selbst dazu macht.
Frank Sinatra (1915 – 1998)

„Frankie Boy“ würde in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiern. Er wurde als Sohn italo-amerikanischer Eltern am 12.12.1915 in Hoboken, New Jersey geboren. Als Sänger, Schauspieler und Entertainer wurde er in einer beispiellosen Karriere zu einer der bekanntesten und angesehensten Persönlichkeiten der Musik- und Filmbranche im 20. Jahrhundert. Seine Alben mit Titeln wie Strangers in the Night, My Way und New York, New York machten ihn weltberühmt und wurden über 150 Millionen Mal verkauft. Er gewann den Oscar (für „Verdammt in alle Ewigkeit“) und mehrere Grammys, dazu unzählige weitere Film- und Musikpreise sowie hochrangige internationale Auszeichnungen. Zu seinen Filmpartnern gehörten Dean Martin, Sammy Davis jr., Edward G. Robinson, Tony Curtis, Doris Day, Shirley MacLaine, Grace Kelly und viele andere. Er arbeitete u. a. mit Regisseuren wie Otto Preminger, Mervyn LeRoy, Robert Aldrich und John Huston zusammen und führte in einigen Produktionen auch selbst Regie. Frank Sinatra starb am 14. Mai 1998 in Los Angeles.

Sinatra

17. Juni 2015

Heute Abend erleben wir im Opernkurs Ingmar Bermans „Die Zauberflöte“ (Trollflöjten, Schweden 1975). Der Kinofilm wurde zum 50-jährigen Jubiläum des Schwedischen Fernsehens realisiert und mehrfach hochrangig ausgezeichnet: 1975 erhielt Ingmar Berman den Sonderpreis der National Society of Film Critics (für den Beweis wie unterhaltsam Oper im Film sein kann), 1976 war das Werk die „Beste fremdsprachige TV-Produktion“ bei den British Academy Television Awards. Außerdem war „Die Zauberflöte“ 1976 sowohl für den César als auch den Golden Globe Award für die Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ nominiert. Auch bei der Oscarverleihung 1976 wurde er in der Kategorie „Bestes Kostümdesign“ nominiert.

Hellmuth Karasek schrieb damals in „Der Spiegel“ (11/1976): „Der Librettist Schikaneder, der Mozart eine Vorlage nach der damaligen Volkstheatermode des spätbarocken Wiener „Zauberspiels“ lieferte, hat zwar, so meint man, verteufelt viel Humanität, aber um so weniger Opernlogik zu Papier gebracht. Zuerst zieht ein Prinz im Namen einer guten Fee zu einem bösen Geist, das Monstrum Sarastro wird dann plötzlich gütig-weise, die Königin der Nacht klirrend böse — was tut’s, dass man die Tochter nun nicht mehr für die Mutter, sondern von der Mutter befreit? – Diese Ungereimtheiten, die sich noch mit den in der Regel unerträglich albernen Papageno-Drolerien potenzieren, nimmt man wegen Mozart achselzuckend in Kauf — und behilft sich als Regisseur schlecht und recht mit Steifftierchen-Charme, treuherziger Märchennaivität („Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …“) und einem bisschen Kulissendonner und Kulissenblitz. Oper ist, wenn man nicht gerade die Augen zumachen muss. – Es ist also immer leicht, Mozart auf Kosten Schikaneders zu rechtfertigen, mit sogenannten Einfällen über den Text hinwegzutäuschen. Doch Ingmar Bergman tut das genaue Gegenteil. – Schikaneder ist ihm nicht Vorwand für Mozart, sondern Musik und Geist, Spiel und Idee sind eine Einheit, die Bergman – und weniger pathetisch lässt sich das leider kaum sagen – als das schönste Vermächtnis einer verbrüdernden Humanität verwirklicht: die Oper als beglaubigte Utopie.“

Und Das Lexikon des Internationalen Films schwärmt: „Mozarts komödiantisches Schauspiel vom Kampf der Mächte des Lichts und der Finsternis, von himmlischer und irdischer Liebe in einer kongenialen Filmfassung von Ingmar Bergman. Obwohl als TV-Produktion konzipiert, kommt die auf große Wirkung angelegte Gestaltung erst im Kino voll zur Geltung. Bergman hat sich nicht damit begnügt, eine Bühnenaufführung abzufilmen, sondern benutzt die Kamera als schöpferisches Mittel und Mitspieler im Geschehen; die Geschichte, in der sich Naives und Mythisches mischen, wurde auf ein menschliches Maß reduziert und fürs heutige Publikum begreifbar gemacht. […] Ein optischer und musikalischer Genuß von seltener Ausgewogenheit und Schönheit.“

Bergman Zauberflöte

14. Juni 2015

Eurovision Song Contest statt royaler Tradition

Wer am Samstag die Hochzeit von Schwedenprinz Carl Philip und der Model-Yogalehrerin Sofia Hellqvist am Bildschirm verfolgt hat (Gott sei Dank, ohne dass ein Moderator alles kaputtgequatscht hätte), konnte seinen Ohren nicht trauen. Seinen Augen schon, denn außer den putzigen Marinemützen der royalen Herren, gab es viele prächtige Roben zu bestaunen, nebst dem passenden Geschmeide. Was aber das Brautpaar sich da an musikalischer Begleitung ausgesucht hatte, zeigt, dass beim drittgeborenen Prinzen wohl schon alles egal ist. Hier hat kein Protokollwächter und kein Hofprediger mehr korrigierend eingegriffen. Einzug in die Kirche zu den Klängen eines gälischen Popsongs. Dann – immerhin – ein Choral, der sich anhörte wie unser evangelisches „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“. Paul Gerhardts „Geh aus mein Herz und suche Freud“ mit anderer Melodie (schwedisch halt), aber dann kam es: Rihanna und Coldplay-Songs, dargeboten von schwedischen Schlagersängern, die sich auf einer Bühne wähnten. Der Knaller dann am Ende: Auszug zu Gospelklängen, wobei der Sänger ein frenetisches „Everybody clap your hands!“ in die Kirche brüllte, woraufhin die gekrönten Häupter pflichtschuldigst mitklatschten und mit dem Kopf wippten. Entweder waren sie einfach froh, sich nach der langen Trauung wieder bewegen zu können, oder sie hatten Angst, sonst eine schlechte Presse zu bekommen, à la „guck mal, wie steif die Margrete ist“. O tempora, o mores! Auf den Adel ist auch kein Verlass mehr, nicht mal in Geschmacksdingen. Was ich gewählt hätte? Kantate 147. Das ist schön, eingängig und – Bach.

Autorin: Kicherliese (Kreisleiche) – Danke für die Zuschrift!

12. Juni 2015

„Ein Leben, in dem wir uns nicht selbst erforschen, ist es nicht wert, gelebt zu werden.“ Dieser Satz von Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) wirft ein entscheidendes Licht darauf, wie wir unseren Erfahrungen ihre jeweiligen Bedeutungen geben. Wie wir etwas erleben, wie wir es bewerten, welchen Rang wir ihm verleihen – das alles hängt in hohem Maße davon ab, wie gut wir uns selber kennen. Was sind die Motive und Ursachen unseres Handelns, unserer Empfindungen, unserer Überzeugungen? Welche Erlebnisse prägen uns oder haben es in der Vergangenheit getan? Ja, wie gut kennen wir uns selbst? In welchen Situationen verfallen wir in bekannte Muster und Verhaltensweisen? Wie oft stehen wir uns dabei selbst im Weg? Und warum können wir nicht unseren Blickwinkel verändern, eine andere Sichtweise einnehmen? Wo sind sie – die Wege zum Glück? „Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden“, sagt der französische Schriftsteller Nicolas Chamfort (1740 – 1794). Also los! Fangen wir endlich an, uns selber zu begreifen – ohne Angst vor Abgründen und Gefahren! Wir Menschen sind darauf angelegt, tiefe und verlässliche Bindungen einzugehen und zu erfahren. Aber dabei muss nicht alles, was uns vertraut ist, auf ewig so bleiben – das kann es gar nicht! Der amerikanische Psychiater und Schriftsteller Irvin Yalom (Bild) sagt es so: „Ich habe viele Menschen bis zu ihrem Tod begleitet. Es war niemand dabei, der am Ende seines Lebens gesagt hat ‚Ach, hätte ich doch noch mehr gearbeitet‘. Die meisten haben bedauert, dass sie nicht mehr und länger ihre Beziehungen gepflegt haben.“

Irvin Yalom

11. Juni 2015

„Der Klaviervirtuose und Musikwissenschaftler hat nicht nur profundes Wissen über die Stücke, mit denen er sich auseinandergesetzt hat, sondern seine besonderen Entertainerqualitäten machen den Besuch seiner Vorträge zu einem lehrreichen und außergewöhnlich kurzweiligen und humorvollen Abend.“ So schreibt es das Stadttheater Gießen in seinem Newsletter über Stefan Mickisch. Zum Abschluss des Strauss-Jubiläumsjahres spielt und erklärt Mickisch morgen Abend um 19.30 Uhr im Großen Haus Ausschnitte aus Der Rosenkavalier, Also sprach Zarathustra und Till Eulenspiegels lustige Streiche. „Wer Mickisch kennt, kommt, wer Mickisch nicht kennt, muss kommen!“, meint die Neue Zürcher Zeitung. Also, ich werde auf jeden Fall da sein.

9. Juni 2015

Heute Vormittag, Kurs „Sinfonien und Instrumentalkonzerte“, Beethovens Neunte. „Ode an die Freude“, „Seid umschlungen, Millionen“, „Europahymne“. Ehrfürchtiges Publikum. Und ich wage zu sagen, dass der Finalsatz Längen hat und manche Passagen an Kirmesmusik erinnern! Dieser ganze Abschnitt mit Marschmusik, Triangel und Tamtam – aufgesetztes Pathos und endlose Wiederholungen! Eine Zuhörerin sieht mich mit großen Augen an: „Sie sagen etwas gegen Beethoven!?“ „Sogar gegen seine Neunte!“ Ist das erlaubt? Naja, Wetzlar ist viel gewohnt als Goethe-Stadt. Darf man über den großen Dichter etwas Kritisches sagen? Wetzlar ist auch Optik-Stadt! Das macht es leichter. Mit Mikroskopen, Lupen und Okularen sieht (oder liest) man einfach besser. So halten wir unsere Sinne beisammen, uns könnte sonst Hören (wie Beethoven) und Sehen vergehen.

8. Juni 2015

Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.
Anton Bruckner (1824 – 1896)

5. Juni 2015

Sechzig Jahre ist es her, dass Harald Genzmer (1909 – 2007) die „Fünf Chorlieder nach mittelhochdeutschen Texten für 4-8stimmigen gemischten Chor a cappella“ komponierte. Erst ein einziges Mal habe ich diese Stücke öffentlich aufgeführt, in den 80er Jahren in einem Konzert mit dem Hertener Kammerchor. Für das nächste Chorprojekt steht der Zyklus ganz oben auf meiner Wunschliste. Es ist eine kleine Sammlung von wirklich zauberhaften Liedern, eines schöner als das andere. Das emotionale Herzstück ist die Nr. 4, „Dû bist mîn“. Ein Stück in einem einzigartigen Tonfall – innig, zart, entrückt.

Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.
anonym, 12. Jahrhundert

3. Juni 2015

Eines Tages kam ich auf das Metronom und dessen Zweckmäßigkeit zu sprechen. „Wozu ein Metronom?“ warf Herr Mendelssohn ein, „das ist ein recht überflüssiges Instrument. Ein Musiker, der bei dem Anblick eines Musikstückes nicht sofort dessen Zeitmaß errät, ist ein Stümper.“ Ich hätte ihm erwidern können, dass es viele Stümper gibt; doch ich schwieg. Ich hatte damals fast noch gar nichts komponiert. Eines Tages wünschte er die Partitur der Ouvertüre zu „King Lear“, die ich schon in Nizza geschrieben hatte, zu sehen; er las sie zuerst aufmerksam und langsam durch, dann setzte er die Finger auf das Klavier, um sie zu spielen (was er mit unvergleichlichem Geschick tat), und sprach: „Geben Sie mir doch Ihr Tempo an.“ „Wozu? Haben Sie mir nicht neulich gesagt, jeder Musiker, der beim Anblick des Stückes das Tempo nicht errät, sei ein Stümper?“ Er wollte es sich nicht merken lassen, aber dieser Nachhieb oder vielmehr diese unerwarteten Kolbenstöße missfielen ihm sehr. Er benahm sich, sobald von Musik die Rede war, wie ein Stachelschwein; man wusste nicht, wo man ihn anfassen sollte, um sich nicht zu verletzen.
aus: Hector Berlioz, Erinnerungen – Beschreibung der Begegnung mit Felix Mendelssohn in Rom 1830/31

Wie schön, dieser letzte Satz! Ja, das gibt es in der Tat: Wir wissen nicht, wie wir jemanden anfassen sollen, weil wir uns verletzen werden, so oder so. „Er benimmt sich wie ein Stachelschwein“ – herrlich! „Sie benimmt sich…“ geht natürlich auch (und kommt genauso vor). Nebenbei bemerkt, hätten wir das Mendelssohn gar nicht zugetraut, diesem „Mozart der Romantik“, wie Schumann sich ausdrückte. Aber Vorsicht, Stachelschweine sind sensibel! Alle Schweine sind das (dass Stachelschweine Nagetiere sind, soll jetzt keine Rolle spielen). Besonders empfindsam zu sein wäre also eine echte Sauerei…

1. Juni 2015

„Was die Liebe für die Seele ist“, sagte Rossini einmal, „ist der Appetit für den Leib. Der Magen ist der Kapellmeister, der das große Orchester unserer Leidenschaften dirigiert. Essen, Lieben, Singen, Verdauen sind die vier Akte der komischen Oper, die wir das Leben nennen.“

Es heißt, Rossini habe in seinem Leben dreimal geweint: einmal, als sein „Barbier von Sevilla“ ausgepfiffen wurde, ein zweites Mal, als er eine Arie seines Landsmanns Carafa hörte, und schließlich, als ihm auf einer Bootsfahrt ein getrüffelter Truthahn ins Wasser fiel.

Einst saß er mit dem erwähnten Carafa zu Tisch. Sie kamen auf Wagner zu sprechen, den Rossini nicht leiden konnte – zu gegensätzlich waren ihre Temperamente -, den der Freund dagegen glühend verteidigte. Ein prachtvoller Stör mit Kapernsauce wurde aufgetragen. Rossini füllte Carafas Teller mit viel Sauce und nichts anderem. „Du hast vergessen, mir Fisch zu geben“, warf ihm Carafa vor. „Ich habe es nicht vergessen, ich habe dich nur nach deinem Geschmack bedient. Viel Sauce, kein Fisch – das ist Wagner.“

aus: Cédric Dumont, Allegro con gusto – Rezepte und Geschichten von komponierenden Feinschmeckern, kochenden Kapellmeistern und verwöhnten Primadonnen

Rossini

29. Mai 2015

„Die Berliner Philharmoniker gelten als extrem selbstbewusst, ja notorisch arrogant. Die Arbeit mit ihnen, soll Rattle einmal gesagt haben, sei, als habe man irren Sex mit jemandem, den man partout nicht leiden könne.“ So stand es zu lesen, vor knapp drei Wochen in der Zeit, noch bevor das Orchester entschied, sich in der Frage der Nachfolge Rattles zunächst nicht festzulegen. Immerhin, sofern das Zitat authentisch ist, wissen wir nun, dass der Maestro gewagte Vergleiche nicht scheut. Und das Spitzenensemble darf sich kapabel wähnen, seinem natürlichen Feind, dem Dirigenten, Delirien außergewöhnlichen Zuschnitts zu bescheren. „Irrer Sex mit jemandem, den man partout nicht leiden kann“… das regt die Fantasie an, nicht wahr? Und wem von uns fiele dazu nichts ein?

27. Mai 2015

„Ich bin dafür, jetzt erstmal mit der Relation im Dorf zu bleiben.“
Uwe Seeler

Ja, das finden wir auch. Irgendwann ist es mal gut. Wir könnten zwar „alles nochmal Paroli passieren lassen“, wie Horst Hrubesch meinte. Aber „man soll nicht alles so hochsterilisieren“ (Bruno Labbadia). Damit ist alles gesagt.

26. Mai 2015

Heute fiel mir ein Leserbrief in die Hände, der vor Jahren in der Brigitte erschien. Geschrieben hat ihn Stephanie Neurath aus Fürth. Ich habe den Beitrag damals kopiert und bis heute aufbewahrt. Ein schöner Text – süffig, verspielt, charmant, ironisch. Im Nachgang zum gestrigen Eintrag passt er obendrein – und geht dabei weit über spezifische Lehr- und Lerninhalte des Unterrichtsfachs Musik hinaus.

„Wahrscheinlich gibt es nicht viele Berufe, an welche die Gesellschaft so widersprüchliche Ansprüche stellt wie an unseren: Gerecht soll er sein, der Lehrer, und zugleich menschlich und nachsichtig, straff soll er führen, doch taktvoll auf jedes Kind eingehen, Begabungen wecken, pädagogische Defizite ausgleichen, auf jeden Fall den Lehrplan einhalten, wobei hoch begabte Schüler gleichermaßen zu berücksichtigen sind wie begriffsstutzige. Mit einem Wort: Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nacht und Nebel durch unwegsames Gelände in nord-südliche Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.“

25. Mai 2015

„Der Takt regelt die Betonungen in der Musik.“ Wie oft, wenn wir in Kursen oder im Unterricht Begriffe wie Takt, Rhythmus, Tempo etc. behandeln, ist dieser Satz schon gefallen! An dieser Stelle spreche ich dann gerne über „Hänschen klein“, um zu zeigen, dass dieses Lied leider fast immer volltaktig statt auftaktig abgedruckt wird. Also singen wir bedenkenlos „Hänschen klein ging allein“ statt „Hänschen klein ging allein„. Es ist aber völlig nebensächlich, dass der kleine Junge Hans heißt und ging – er könnte auch Franz, Karl oder Max heißen und gefahren oder geschwommen sein! Entscheidend ist, dass er klein ist und sich allein auf den Weg gemacht hat! Also müssten diese Worte betont sein und somit am Taktanfang stehen. – Letzte Woche, Helmholtz-Gymnasium Frankfurt am Main, Musikunterricht in Klasse 7. Rhetorische Frage in der naiven Erwartung, dass alle Arme nach oben gehen: Wer kennt „Hänschen klein?“ Fünf Meldungen bei 25 Schülerinnen und Schülern. Sieh an. „Unterschiedlichkeit und Vielfalt bringen auch die Herkunft der Schülerinnen und Schüler aus allen Schichten der Bevölkerung mit sich, ihre verschiedenen Nationalitäten und religiösen Zugehörigkeiten.“ Dieser Satz steht auf der website der Schule. Alles gut. Solange man im Musikunterricht den Begriff Takt nicht am Beispiel von „Hänschen klein“ erläutern will.

22. Mai 2015

„Die Villa steht leer?“ fragte ich. Der alte Mann legte den Rechen zur Seite und zeigte auf die großen Erkerfenster. „Sie haben acht Monate hier gewohnt, dann waren sie plötzlich fort.“
Er seufzte. „Einige Möbel sind noch da. Die Küche, ein rotes Ledersofa,  noch ein paar andere Sachen.“
Ich schaute auf die bewachsene Fassade. Blauregen und Geißblatt blühten, der Duft war betörend.
„Una bella coppia“, sagte er. „Es war immer schön, wenn er am Flügel saß und spielte. Bach, Mendelssohn, Puccini… Naturalmente. Manchmal hat sie dazu gesungen.“
Er sah auf die Olivenbäume und legte ein paar Gartengeräte auf einen alten Holztisch.
„Eines Tages werden sie zurückkommen“, sagte er.
„Meinen Sie wirklich?“
Er lächelte. „Ma di certo! Il meglio viene ultima.“
aus:
Ric Hesekiel und Andreas H. Most (Hrsg.), Jahrestag

Pause bis zum 22. Mai 2015

7. Mai 2015

Silberhorn, das Magazin von nmz und jazzzeitung, veröffentlicht in seiner diesjährigen Sommerausgabe ein Interview mit Joachim Reiber. Der Germanist, Historiker und Essayist spricht u. a. über sein Buch „Duett zu dritt – Komponisten im Beziehungsdreieck“ (Kremayr & Scheriau Verlag, Wien 2014) und verweist am Schluss auf glühende Liebesbriefe des österreichischen Komponisten Gottfried von Einem (1918 – 1996), die dieser seiner Nichte schrieb. Nicht um eine Dreiecksbeziehung sei es dabei gegangen, „aber doch um eine Geschichte, die ganz stark spüren lässt, welchen Antrieb die Sehnsucht nach der (unerreichbaren) Geliebten für die Kunst geben kann. […] Es gibt, selbstverständlich, vergleichbare zeitgenössische Fälle – und die wird es geben, solange Menschen sich liebend verstricken.“

5. Mai 2015

Die Neue Westfälische schreibt begeistert über Händels Oper „Xerxes“ am Bielefelder Theater: „Es ist einer dieser beglückenden Opernabende, bei denen alles stimmt“, so heißt es, „einer, der gut unterhält, intellektuell anregt und emotional bewegt.“ Es folgen Elogen auf die ausführenden Musiker, das Bühnenbild, die Regie. Und dann das Schönste: „Die Sänger dürfen in ihren Arien die emotionalen Landschaften ihrer Figuren ausloten. Grandios etwa, wenn Xerxes von seinem entflammten Herzen singt und sich dabei ein Feuer per Videoprojektion durch zwei gestaffelt im Bühnenraum stehende Rahmen frisst.“ Das entflammte Herz, das Feuer der Leidenschaft bringt den Türrahmen, an den Xerxes sich lehnt, zum Brennen – was für ein Bild!

4. Mai 2015

Über den Abend „Musik in Österreich – Klassik und Romantik“ schreibt jetzt der Wetzlar Kurier in seiner Mai-Ausgabe:

Bei der DÖG: Thomas Sander stellte „Musik in Österreich“ vor

(wf). Mit der Musik in und aus Österreich von der Klassik bis zur Romantik beschäftigte sich Thomas Sander, Leiter der Musikschule Wetzlar, in einer inhaltsreichen und kurzweiligen zweistündigen Darstellung im Konzertsaal der Musikschule am Schillerplatz. Eingeladen zu diesem Exkurs der etwas anderen Art hatte die Deutsch-Österreichische Gesellschaft Wetzlar. Thomas Sander verstand es, dem Publikum anhand seiner fundierten und faktenreichen Kenntnisse des jeweiligen Werkes, der Zeitumstände und der Biografien der großen Komponisten mit ihren vielen unbekannten Details und Zusammenhängen lebhaft und lebendig zu Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozert, Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Franz Schubert einen nicht alltäglichen Zugang zu verschaffen.

Dabei bediente sich Sander nicht nur eigenhändig und gewohnt sicher des Flügels im Konzertsaal, sondern brachte zur Erläuterung versteckter Details wie „großer Linien“ zahlreiche Konzertausschnitte anhand ausgesuchter, hochwertiger CDs und DVDs zu Gehör, stets versehen mit interessanten Anmerkungen zu Stilmitteln, überraschenden musikalischen Wendungen und Motivation an den richtigen Stellen, die den Zuhörern zahlreiche neue Einblicke und „Aha-Erlebnisse“ bescherten.

„Ein exzellenter Überblick, der Lust auf mehr macht“, stellte Hans-Jürgen Irmer, Präsident der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar, bilanzierend fest. Deshalb werde die DÖG im nächsten Jahr eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Mozart anbieten, in der es um Leben und Werk dieses großen Komponisten geht.

Irmer bedankte sich namens der beiden DÖG-Vizepräsidenten Ingeborg Koster und Martin Dietz sowie des beeindruckten Publikums bei Thomas Sander für den sehr gelungenen Abend und überreichte ein Weinpräsent aus der Steiermark, in der auch Wetzlars Partnerstadt Schladming „zu Hause“ ist.

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3. Mai 2015

Am 8. Mai 2015 jährt sich zum siebzigsten Mal das offizielle Ende des 2. Weltkrieges. Aus diesem Anlass lädt der Förderverein Schlosskirche Braunfels am Freitag, den 8. Mai um 19 Uhr alle Interessierten herzlich zu einer ökumenischen Gedenkandacht in die Braunfelser Schlosskirche ein. Nach einem Orgelvorspiel und der Begrüßung durch Kurt Söhngen, den Vorsitzenden des Fördervereins, wird der Zeitzeuge Ferdinand Betzenberger aus der Braunfelser Chronik lesen. Eine Orgel-Improvisation und ein Dankgebet beschließen die Gedenkstunde, die gemeinsam von der evangelischen und der katholischen Kirche sowie dem Haus Höhenblick gestaltet wird.

Über die Anfrage, ob ich bei der Veranstaltung die Orgel spielen würde, habe ich mich sehr gefreut und spontan zugesagt. Im „früheren Leben“ war ich zwanzig Jahre lang neben Studium und Beruf in der Kirchenmusik aktiv, und auch heute noch übernehme ich gelegentlich Vertretungsdienste. Besondere Freude macht mir dabei das Improvisieren, dafür hatte ich schon immer ein Faible. Umso schöner, dass dazu in dem genannten würdigen Rahmen wieder Gelegenheit besteht.

1. Mai 2015

Ausrufezeichen - Fragezeichen

Zum ersten Mal habe ich das Bild vor Jahren in Bochum gesehen, im Behandlungszimmer meines damaligen Zahnarztes Dr. Wolf Brockhausen. Er erläutert das Bild auf seiner website und schreibt über die entscheidende Bedeutung des Schrittes, alles um sich herum als Ausdruck und Ergebnis seiner eigenen Bewertung zu sehen und nicht als scheinbar unabänderliche „Tatsache“. „Alles eine Sache der Perspektive“, könnte man sagen. Und der Bereitschaft, bisherige Positionen und Einstellungen zu überprüfen und somit Veränderungen möglich zu machen. Ich gebe den erläuternden Text nachfolgend leicht gekürzt wieder.

Stellen wir uns vor, wir schauen entlang der Wand voll auf das Fragezeichen. Aus diesem Blickwinkel ist der Schatten des Fragezeichens auf der Wand, der einem Ausrufezeichen gleicht, nicht sichtbar. Setzen wir nun das Fragezeichen als Symbol für „Ich weiß nicht weiter“, „Ich verstehe das nicht“, „Ich kann das nicht“, kurz gesagt als Ausdruck einer problematischen Situation, dann schaue ich auf dieses Problem, solange ich meinen Standort an der Wand nicht verändere. Bewege ich mich jedoch, verlasse ich also meine alte Position, meinen alten, bisherigen Blickwinkel an der Wand, meinen alten Standort und bewege mich um das Fragezeichen einen Viertelkreis herum, dann schaue auf die Schmalseite des Fragezeichens. Und dann verwandelt es sich in das, was sein Schattenbild darstellt: ein Ausrufezeichen. Und damit wird, nur durch ein Verlassen der alten Position und der Einnahme eines neuen Blickwinkels, aus dem „Problem“ (= Fragezeichen) die Antwort, die Problemlösung (= Ausrufezeichen).

Das ganze Geheimnis, in Zukunft ein stressarmes und zufriedenes, wenn nicht gar glückliches Leben zu führen, liegt also darin, unsere alten Standpunkte zu den Dingen oder Umständen aufzugeben, die wir bisher innehatten. Das Problem bestand also letztlich darin, dass wir unseren Standpunkt für gegeben, für unabänderlich halten, und damit in unserer Einschätzung einer Situation … NICHT in der Situation selbst. Denn das Fragezeichen ist nur ein Fragezeichen, wenn wir es aus einem bestimmten Blickwinkel betrachten. UNSER STANDPUNKT zur Situation ist das Problem, ein „Problem an sich“ gibt es nicht. Glückliche, gelassene Menschen haben also das Kunststück gelernt, Betrachtungswinkel aktiv zu ändern.

30. April 2015

Schaut in euer Herz und ihr werdet erfahren, dass in euch etwas lebt, das kein Feuer verbrennen und kein Meer ertränken kann.
Uesugi Kenshin (1530 – 1578)

29. April 2015

Das Magazin der Dresdner Musikfestspiele, die in diesem Jahr vom 13. Mai bis zum 7. Juni stattfinden, enthält u. a. einen lesenswerten Artikel mit dem Titel „Kaltes Feuer“. Darin geht es um die „Nordlichter“ Grieg und Sibelius, ihre jeweiligen Aufenthalte in Italien und deren Auswirkungen auf das kompositorische Schaffen. Grieg, der seine Grundausbildung in Deutschland erhalten hatte, konnte in Italien seine „Begriffswelt“ erweitern, so erfahren wir, vor allem sei seine Begegnung mit Franz Liszt in Rom bedeutsam gewesen. Auch Sibelius hatte offene Ohren für den Rat eines Freundes: „Spätherbst und Winter verbringen Sie in Italien, dem Land, in dem man cantabile, Maß und Harmonie, Plastik und Liniensymmetrie lernt, wo alles schön ist – auch das Hässliche. Sie erinnern sich wohl, welche Bedeutung Italien für Tschaikowskys Entwicklung hatte und für Richard Strauss.“ Sibelius‘ Eindrücke, die er gleichfalls in Rom gewann, hätten dann zu „seltsamen Gedanken über das Wesen der Musik“ geführt, so lesen wir weiter, und die musikalischen Skizzen, die in Italien entstanden, bildeten schließlich den Ausgangspunkt seiner 2. Sinfonie. Gegen Ende des Artikels dann ein mit Distanz zitierter, gleichwohl trockener Ausspruch von Claude Debussy: „Ist Ihnen schon aufgefallen, wie unerträglich die Nordländer werden, wenn sie Südländer sein wollen?“

Grieg_Sibelius

27. April 2015

Gestern Abend, nach einem gelungenen Konzert zum Abschluss des letzten Chorprojektes, kam mir auf dem Heimweg ein Interview mit dem Dirigenten Kent Nagano in den Sinn. Kürzlich beklagte er in einem Gespräch mit spiegel-online gewisse Formen der heutigen Konzertpraxis und kritisierte Konsum und Ablenkung: „Heute gibt es Konzerte, während derer man Cocktails trinken kann, dazu gibt es Video-Einspielungen, das Licht bleibt an, damit man die Programme lesen kann; alles in der Hoffnung, dass die Konzerte unterhaltsamer werden. […] Wir leben in einer Zeit des Konsums. Alles wird konsumiert: Wein, Musik, das Fernsehen. Gleichzeitig wird alles kompakter, kürzer. Aber dadurch wird uns die Erfahrung von Komplexität und Vielschichtigkeit genommen. Und plötzlich verstehen wir die Welt nicht mehr. Dabei wissen wir alle aus eigener Erfahrung: Wenn es keine Ablenkung gibt, öffnet sich unsere Aufnahmebereitschaft für ein Gedicht, für ein Musikwerk, für Literatur. Natürlich war Unterhaltung immer ein Bestandteil klassischer Musik. Aber da ist eben noch unendlich viel mehr.“ Ganz richtig, da ist eben noch unendlich viel mehr.

25. April 2015

„Wir haben auf Kosten der Sterblichen gelacht“, singt Thespis in Jean-Philippe Rameaus „Platée“. In einem Liebeslied auf Bacchus nach durchfeierter Nacht preist er, der Begründer der griechischen Tragödie, zudem Schauspieler und Theaterleiter, die Wahrheit, Freiheit und Aufrichtigkeit, die der Gott des Weines und des Rausches ihm hat zuteil werden lassen. Müde und schlaftrunken, den Blick auf unzählige Becher und Pokale gerichtet, erinnert er sich an Musik und Tanz, an Spiel und Verführung, an Sinnenfreuden und Genuss. Ungeplant erscheint Amor und besteht darauf, beim Erfinden eines neuen Schauspiels Pate zu stehen: „Wie kann ein Spiel ohne die Inspiration der Liebe sein?“ Da wir zu den Sterblichen zählen, dürfen wir auf unsere Kosten getrost mitlachen. Auch wenn wir während durchfeierter Nächte zuweilen empfinden, wir gehörten nicht dazu.

Thespis

Thespis, Bronzeskulptur
Villa dei Papiri, Herculaneum. Archäologisches Nationalmuseum, Neapel.

24. April 2015

Im Rahmen der Europäischen Kulturwoche, die in Gütersloh jährlich vom dortigen Integrationsbeauftragten und verschiedenen Kooperationspartnern, u. a. der VHS, geplant und organisiert wird, zeigt das Polnische Generalkonsulat in der Volkshochschule eine Ausstellung zu zeitgenössischer polnischer Kultur. Die Ausstellung ist im Haus der VHS vom 27.9. bis zum 4.10.2015 zu sehen. In diesem Rahmen halte ich am Donnerstag, 1. Oktober um 19.00 Uhr einen Vortrag über Musik in Polen mit dem besonderen Fokus auf Komponisten des 20. Jahrhunderts, u. a. Lutosławski, Górecki und Penderecki. Ich freue mich sehr darauf – schon jetzt lade ich alle daran Interessierten herzlich ein!

Die langjährige Kooperation mit der VHS Gütersloh findet darüber hinaus auch 2016 ihre Fortsetzung. Für den Kulturführerschein ebenso wie für die Senioren-Uni gehen wir am 10. und 11. Februar ein spannendes Thema an: „Es gibt was auf die Ohren!“ – Klassische (?) Musik im 20. Jahrhundert.

23. April 2015

Musizieren nicht gestattet

Köln, Innenstadt „Am Hof“, Nähe Dom und Hohe Straße

Liegt nicht das Problem des Straßenmusizierens unter anderem darin, dass sich manch eine(r) bemüßigt fühlt, etwas Tonales zum Besten zu geben, dies mit Rücksicht auf sensiblere Ohren aber besser lassen sollte? „Kunst kommt von wollen: Wer will, der kann auch, und nicht Talent, sondern der Entschluss macht den Künstler und seine Kunst“, sagt der Konzeptkünstler Timm Ulrichs („Betreten der Ausstellung verboten!“). Ist das so? Wollen wir uns wirklich darauf verständigen? Selbstverwirklichung versus Lärmbelästigung!? Zwar können wir unsere Augen schließen und somit Sichtbares für uns unsichtbar machen, wenn wir wollen. Aber wir können nicht unsere Ohren verschließen! Da wäre man zuweilen in Fußgängerzonen gerne Eisbär, Flusspferd oder Maulwurf, ist denen doch diese Fähigkeit gegeben. Beneidenswert, gelegentlich.

21. April 2015

Die „Geistliche Abendmusik“, die im Februar krankheitsbedingt ausfallen musste, erklingt am kommenden Sonntag in der Evangelischen Kirche Wetzlar-Naunheim. Zentrales Werk ist die Kantate „Also hat Gott die Welt geliebet“ für gemischten Chor und Streicher von Johann Rosenmüller. Daneben kommen die Sätze „Danket dem Herren“ von Leonhard Lechner, „Nun lasst uns Gott dem Herren“ von Joachim von Burck sowie das berühmte „Jesus bleibet meine Freude“ aus der Kantate BWV 147 von Johann Sebastian Bach zur Aufführung. Ergänzt wird das Programm durch die Orgelpartita „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ von Johann Pachelbel. Beginn ist um 19.00 Uhr, der Eintritt ist frei. Herzliche Einladung!

19. April 2015

„Mit La Bohème ist Puccini die wahrscheinlich bewegendste und zarteste Liebesgeschichte der Opernliteratur gelungen. Eingebettet in die herrlichsten Melodien lässt die Geschichte der armen Mimì und ihres Rodolfo niemanden im Publikum ungerührt.“ So schreibt es die Wiener Staatsoper auf ihrer website, ganz zu Recht  – und wir fahren hin und schauen uns das an! Vom 5. – 8. November geht die Studienreise der Wetzlarer Musikschule in diesem Herbst also nach Wien (nähere Informationen unter Termine). Hier haben mehr berühmte Komponisten gelebt als in irgendeiner anderen Stadt. Musik liegt hier förmlich in der Luft, nicht nur die „klassische“. Dazu natürlich die zahlreichen Theater, Museen, Plätze, Boutiquen, Antiquariate, Cafés und vieles mehr…. Große Vorfreude!

Wiener Staatsoper

In Kooperation mit mehreren Volkshochschulen, Musikschulen und anderen Bildungseinrichtungen werden Opern- und Konzertreisen stattfinden, sobald dies in gewohnter Weise wieder möglich ist. Einzelheiten werden rechtzeitig bekanntgegeben.

17. April 2015

Die Briefe an die „Unsterbliche Geliebte“ sind ein bis heute nicht gelöstes Rätsel der Beethovenforschung. Nach Ludwigs Beerdigung fand man im Nachlass unter anderem eine beträchtliche Summe Bankaktien und ein Testament, in dem Beethoven alles seiner „Unsterblichen Geliebten“ hinterließ. Leider war kein Name genannt! Zahlreiche Musikwissenschaftler haben sich seither mit der Frage befasst, wer denn nun gemeint gewesen sein könnte – und bis heute haben wir darüber nicht endgültig Aufschluss erhalten. Gleichwohl ist es beinahe spannender zu sehen, in welch seelisch-geistigem Ausnahmezustand Beethoven gewesen sein muss, als er die besagten Briefe schrieb. Wohl oder wehe dem, so sind wir geneigt zu sagen, der zu solchen Empfindungen fähig ist….

… schon im Bette drängen sich die Ideen zu dir meine Unsterbliche Geliebte, hier und da freudig, dann wieder traurig. Vom Schicksaale abwartend, ob es unß erhört – leben kann ich entweder nur gantz mit dir oder gar nicht, ja ich habe beschlossen in der Ferne so lange herum zu irren, bis ich in deine Arme fliegen kann, und mich ganz heimathlich bei dir nennen kann, meine Seele von dir umgeben ins Reich der Geister schicken kann – ja leider muß es sejn – du wirst dich fassen um so mehr, da du meine Treue gegen dich kennst, nie eine andre kann mein Herz besizen, nie – nie –

Beethoven

16. April 2015

Wir müssen nicht jede Emotion zu Ende fühlen und uns fragen, was sie zu bedeuten hat. Und eine Erklärung für sie gefunden zu haben, heißt nicht, dass man die richtige gefunden hat. Wir erklären uns selbst dieses und jenes, um Ruhe zu finden, nicht um die wahrhaftigen Ursachen zu verfolgen. Insgeheim wissen wir das; denn die Ausgangsfrage ist aussichtslos unlösbar und die Lebenszeit zu knapp. Um das Leben zu sehen, zu spüren, anzufassen und manchmal sogar zu pflücken, brauchen wir Pause von uns selbst und nicht immer mehr davon. Loslassen gilt nicht nur für Probleme, Menschen und die Vergangenheit. Loslassen gilt auch einem selbst.
aus: Herz im K♥pf Blog

Als Seelenverwandtschaft bezeichnet man eine Verbindung zwischen zwei Personen, die sich durch eine tiefe, als naturgegeben erscheinende Wesensähnlichkeit verbunden fühlen, was sich in Liebe, Kommunikation, Intimität, Sexualität oder Spiritualität äußern kann. Eine mythische und esoterische Erklärung der Seelenverwandtschaft ist das Konzept der Dualseelen, das von einer überzeitlichen (ewigen) Verbindung zweier Seelen ausgeht, die sich in der irdischen Verbundenheit der betreffenden Menschen zeige.
Quelle: wikipedia

13. April 2015

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12. April 2015

Überleben: Üb erleben!
Walter Ludin

10. April 2015

Verabredungen um eine bestimmte Stunde waren ihm unbehaglich. Er drückte sich um sie, wo immer er konnte. […] Freunde, die ihn pünktlich wünschten, mussten zu allerlei Listen und kleinen Schwindeleien greifen. Die hübscheste Anekdote hat sich in Saint-Jean-de-Luz abgespielt, wahrscheinlich in den zwanziger Jahren. Die kleine baskische Stadt hat einen Kirchenchor von hohem Rang, die Schola Cantorum. Ihr Leiter, der Organist Charles Lebout, hatte Ravels drei Chöre a cappella einstudiert, „Nicolette“, „Trois beaux oiseaux du paradis“ und „Ronde“. Er wollte sie dem Komponisten vorsingen lassen. Man verabredete sich für Mittwoch um drei. Ravel war die Fixierung auf eine bestimmte Stunde peinlich. Er sprach von allen möglichen Plänen für Mittwoch, von einem Ausflug, einer Pelotapartie, nur nicht von der Chorprobe. Er wohnte im Haus Gaudin, Rue Gambetta. Die Damen des Hauses redeten ihm gut zu, man könnte doch nicht Lebout mit der ganzen Schola Cantorum warten oder gar im Stich lassen. Ravel schwieg und rauchte eine Zigarette. Dann ging er zu seinem Morgenbad an den Strand. Die Kinder des Hauses hatten den Vorgang beobachtet. Sie machten einen Kriegsplan. Mittags kam Ravel heim, den Bademantel übergezogen, wie er es gern hatte. Er machte sich zurecht und ging in das benachbarte Restaurant, die Grotte Basque, um zu frühstücken. Als er zurückkam, war es fünf Minuten vor drei. Vor dem Haus stand ein Schubkarren, umringt von Kindern. Anne, die kleine Haustochter und Ravels Liebling, machte einen Knicks und sagte: „Monsieur Ravel, Ihre Wagen sind zur Abfahrt bereit. Welchen wünschen Sie heute?“ Ravel lachte entzückt. „Den Rolls-Royce“, sagte er, ließ sich von den kleinen Freunden zum Schubkarren führen, nahm Platz und fuhr mit Lachen und Hallo vor dem Haus vor, wo der Chor auf ihn wartete. Er bereute es nicht, sondern fand die Wiedergabe der schweren Chorstücke so vollkommen, dass er nichts geändert wünschte. Sein Reich war ein Kinderreich, und wo immer der Alltag mit der kühnsten Fantasie verbunden war, fand er in Ravel jede Bereitwilligkeit zur Illusion.
aus: H.H. Stuckenschmidt, Maurice Ravel – Variationen über Person und Werk

Ravel

8. April 2015

Türkische Wissenschaftler haben angeblich herausgefunden, dass Ratten unter Einfluss von Popmusik homosexuell werden. Hm. Wir könnten dazu mehrere Fragen stellen, z. B. was verstehen wir unter Popmusik? Oder unter homosexuell? Oder unter Ratten!? (Scherz). Stellen wir an uns selber vielleicht auch signifikante Verhaltensänderungen fest, wenn wir mal gerade nicht Bach, Schubert oder Debussy hören, sondern eben Popmusik? Und geht das bis hin zum Changieren sexueller Präferenzen? Heißt es „Pop“musik, weil wir dann popp…. Also bitte!! Und wie haben sich eigentlich die Ratten verhalten, die schon vor Beginn der Laborversuche homosexuell waren? Naja, vielleicht ist alles auch nur ein Missverständnis. Irgendjemand hat „homosexuell“ verstanden, als vom homo sapiens die Rede war. Und die Wissenschaftler haben nur gelesen, geforscht und gerätselt. Ganz seriös, wie Kaffee-Satz-Lese-Ratten.

6. April 2015

„I wanna be loved by you“ – Marilyn. Das Kind in der Frau. Musiktheater von Titus Hoffmann, mit Sophie Berner und Andrea M. Pagani, mit Live-Band. Das Stadttheater Gießen zeigt die Revue in der laufenden Spielzeit als Wiederaufnahme, so auch am gestrigen Ostersonntag im vollbesetzten Großen Haus. „Dieser Blick hinter die Fassade der charismatischen Blondine Marilyn Monroe geschieht zwischen Tragik und Komik auf mehreren Ebenen, komplex und ungemein unterhaltsam“, befand Blickpunkt Musical nach der Premiere, und die örtliche Presse geizte nicht mit Superlativen. In der Tat ist das Kammerspiel von Sophie Berner und Andrea M. Pagani mehr als beeindruckend. Der Spagat zwischen dem „kleinen Mädchen“ Norma Jean Baker und der glamourösen, scheinbar von keinerlei Selbstzweifeln geplagten „großen“ Marilyn Monroe gelingt perfekt und fesselt das Publikum über zwei Stunden. Chapeau!

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3. April 2015

Das gestern eingestellte Foto zeigt das „Rote Haus“ bei Karlskrona in Schweden. Der Schnappschuss ist einmalig, ein fotografisch großer Moment, ein „big shot“. Ein Moment, auf den der Fotograf vielleicht lange gewartet hat. Und worauf, wenn nicht auf das Besondere, Einzigartige und Unverwechselbare warten wir? Und was tun wir, wenn wir es finden, wenn es uns findet? Goethe sagte einmal, „die schönsten Momente im Leben sind nicht die, in denen man atmet, sondern die, die einem den Atem rauben.“ Aber wie finden wir uns zurecht im bisweilen mühsamen Alltag, wie betten wir unsere Sehnsüchte, Träume und „schönsten Momente“ darin ein? Da fiel gestern im Kino, der Film spielt keine Rolle, ganz unerwartet dieser Satz: „Es kommt der Tag, da musst du dich entscheiden zwischen dem, was du brauchst, und dem, was du willst.“

2. April 2015

Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Besondere festzuhalten.

Rotes Haus Karlskrona

31. März 2015

Eine zweitägige Studienreise führt uns im Juni nach Karlsruhe. Im Badischen Staatstheater können Opernbegeisterte am 13.06. die Premiere von „Iphigenie auf Tauris“ erleben. Mit diesem erfolgreichen (und folgenreichen!) Stück hat Christoph Willibald Gluck die Gattung Oper revolutioniert. Es geht um eine neue Ästhetik, um die Wahrhaftigkeit der dargestellten Emotionen und Affekte. Die Musik wird in den Dienst des Dramas gestellt – Iphigenie und Orest sind Figuren „aus Fleisch und Blut“, die leben, leiden und sich gegen das Leid auflehnen, anstatt sich in edler klassizistischer Einfalt zu üben.

Die Studienreise beinhaltet wie immer einen Einführungsabend in der Wetzlarer Musikschule, Fahrt im 4* Reisebus, Unterbringung im 4* Hotel, Opernkarten der Kategorie I oder II (wahlweise) für die Vorstellung am 13.06. und eine dreistündige Stadtführung am Sonntag, 14.06. nach dem Frühstück. Preis auf Anfrage. Anmeldungen nimmt das Sekretariat der Wetzlarer Musikschule ab sofort entgegen.

29. März 2015

Inselmittag

Wir sind Fremde
von Insel
zu Insel.
Aber am Mittag, wenn uns das Meer
bis ins Bett steigt
und die Vergangenheit
wie Kielwasser
an unsern Fersen abläuft
und das tote Meerkraut am Strand
zu goldenen Bäumen wird,
dann hält uns kein Netz
der Erinnerung mehr,
wir gleiten
hinaus,
und die abgesteckten
Meerstraßen der Fischer
und die Tiefenkarten
gelten nicht
für uns.
Hilde Domin (1909 – 2006)

27. März 2015

Eine meiner Lieblingsopern ist „L’incoronazione di Poppea“ von Claudio Monteverdi. Es ist die erste Oper mit historischem Stoff, schon das allein macht sie zu etwas Besonderem. Darüber hinaus zeigt sich Monteverdi hier außerordentlich inspiriert und innovativ hinsichtlich der Dramaturgie und der psychologischen Zeichnung der Figuren. Niemand wirkt sonderlich sympathisch (vielleicht mit Ausnahme von Seneca), doch wir müssen allen Beteiligten sehr menschliche und nachvollziehbare Motive für ihr Handeln unterstellen. Liebe, Eifersucht, Machtgier, Rache, Intrige – die Oper enthält so ziemlich alles, was das Herz begehrt und versteht. Und natürlich ein überragendes Schlussduett, gleichermaßen berauschend wie intim, schlichtweg das Liebesduett der gesamten Opernliteratur. In dieser Woche haben wir im Opernkurs verschiedene Aufnahmen und Einspielungen miteinander verglichen, darunter die von Nikolaus Harnoncourt (Zürich 1977), Marc Minkowski (Aix-en-Provence 2006), Emmanuelle Haïm (Glyndebourne 2008 und Lille 2012) und Alessandro de Marchi (Oslo 2010). Die Bilder des Blutbades in der letztgenannten Fassung sind verstörend bis atemberaubend und unbedingt sehenswert. Wer indes lieber hört als sieht, der kommt an Sonya Yoncheva (Poppea) und Max Emmanuel Cencic (Nerone) nicht vorbei (Le Concert d’Astree, Emmanuelle Haïm; Lille 2012) – musikalisch und sängerisch absolut unwiderstehlich und auf allerhöchstem Niveau, mehr geht nicht.

Poppea Lille

25. März 2015

Wir machen Erfahrungen, die unser Leben verändern. Das passiert in jungen Jahren oder auch später. Wichtig ist, dass wir ihre Bedeutung erkennen und verstehen, für das tägliche Leben genauso wie für die Bühne. Ich sehe da keinen großen Unterschied, denn es ist letztlich doch ein und dasselbe.
Der amerikanische Tenor Sam Dash in einem Interview mit der Zeitschrift „Arts Classical Magazine“

23. März 2015

Life is short

20. März 2015

Die insel-taschenbuch-Ausgabe von Abbé Prévosts “Manon Lescaut” (1731) enthält ein sehr lesenswertes Nachwort von Josef Heinzelmann (1936 – 2010). Der Autor – Dramaturg, Regisseur, Lektor, Opern- und Theaterkritiker, Rundfunkautor, Übersetzer, Bearbeiter fürs Musiktheater und Historiker – beschreibt die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der “Geschichte des Ritters Des Grieux und der Manon Lescaut”, in erster Linie aber das Besondere, das Außerordentliche der Handlung sowie der Romanfiguren selbst. Er führt uns das Bild der Manon vor Augen und zeigt “die Liebenswerte, […] die sich im Überschwang der Liebe nach dem Gold drängt, den Reichtum aber gern der Liebe wieder opfert, […] diese Gestalt aus Oxymora, dieses Wesen aus Rätseln, das so einfach denkt und handelt”, und beschreibt Des Grieux, dem es nicht gelingt, “seine weiterschwelende Liebe zu ersticken”, der “sein Unglück voraussieht, ohne die Kraft zu haben, es zu vermeiden.” Und weiter: “Die Unbedingtheit, mit der die beiden ihrem Geschick verfallen sind, hat Größe […]” Während es über den Roman heißt, seine Handlung sei entwicklungslos, so lernen wir im Anschluss die Manons von Auber, Massenet, Offenbach, Puccini und Henze kennen. Und “hätte Prévost die verschiedenen Porträts seiner Manon in zwei Jahrhunderten voraussehen können, wie wir sie Revue passieren ließen, er hätte sie alle für Abbilder der Einen, Unerklärbaren gehalten.”

Manonlescaut1

18. März 2015

Morgen Abend findet mein Vortrag für die Deutsch-Österreichische Gesellschaft Wetzlar statt (19 Uhr, Musikschule am Schillerplatz, Konzertsaal). Ich stelle sechs Komponisten der Klassik und Romantik vor, einheimische wie „zugereiste“, biografisch wie musikalisch.

Von Haydn gibt es Ausschnitte aus der „Schöpfung“ und den Sinfonien Nr. 45 („Abschied“) und Nr. 94 („mit dem Paukenschlag“), von Mozart die Ouvertüre zur „Zauberflöte“ mit dem Vergleich einer szenischen Aufführung und der Filmfassung von Ingmar Bergman, von Beethoven den 2. Satz aus der 7. Sinfonie und den 2. Satz aus dem 5. Klavierkonzert. Eine Sequenz aus dem Film „Mit meinen heißen Tränen“ gibt einen Einblick in die Lebensumstände von Franz Schubert, ergänzt durch den 1. Satz aus der Sinfonie h-Moll („Unvollendete“) und das erste Stück des Liederzyklus „Winterreise“. Johannes Brahms ist vertreten mit einem Ausschnitt aus dem „Deutschen Requiem“ und dem „Schicksalslied“ für Chor und Orchester. Den Abschluss bilden der Finalsatz der 7. Sinfonie und das Adagio aus dem Streichquintett von Anton Bruckner.

17. März 2015

Auf n-tv online ist zu lesen, dass ein finnisches Forscherteam die Wirkung von klassischer Musik auf das Gehirn untersucht hat. Die Ergebnisse zeigten, so heißt es, dass durch das Hören klassischer Musik kognitive Fähigkeiten wie Lernen und Erinnern gesteigert werden. In diesem Zusammenhang wird im Artikel auf den Begriff vom „Mozart-Effekt“ verwiesen, der seit 1993 die Runde macht. Dieser geht auf eine Forschungsarbeit der University of California zurück, deren Ergebnissen zufolge eine IQ-Steigerung durch klassische Musik möglich ist. Spätere Studien konnten einen derartigen Zusammenhang allerdings nicht belegen. Hierzulande hat sich zu der Frage, ob Musik schlau mache, schon vor Jahren Heiner Gembris, Professor für empirische und psychologische Musikpädagogik und Leiter des Instituts für Begabungsforschung in der Musik (IBFM) an der Universität Paderborn, bemerkenswert entspannt geäußert: „Ich weiß nicht, ob Musik schlau macht. Ich würde eher sagen: Wer schlau ist, macht Musik.“

15. März 2015

Heute, an den Iden des März, an Julius Caesars Todestag, sollte man sich eigentlich Händels Oper „Giulio Cesare“ (1724) zu Gemüte führen (wenn man nicht Shakespeares Drama oder Thornton Wilders Briefroman bevorzugt). Caesars Ermordung wird allerdings in der Oper nicht thematisiert, sondern stattdessen schildert das Stück über dreieinhalb Stunden seine Liebesaffäre mit Cleopatra, mit allem Drum und Dran. Letzteres gilt für die Musik ebenso wie für die Dramaturgie. Es ist die am aufwändigsten instrumentierte Oper Händels, prachtvoll und klangschön, mit grandiosen Arien und Chören. Vor allem aber zeigt sich Händel hier als Meister der psychologischen Zeichnung und der musikalisch-sinnlichen Charakterisierung. Höhepunkt ist die Szene im zweiten Akt, wenn Cleopatra als die Tugend selbst erscheint (ausgerechnet!) und wir der Verherrlichung der sexuellen Leidenschaft ohne Rücksicht auf bestehende Ehebande beiwohnen dürfen. Das damalige Publikum war hingerissen – wie Caesar von Cleopatra….

Giulio Cesare

13. März 2015

23.30 Uhr. Komme gerade aus der Frankfurter Oper. Gesehen, nein – genossen und erlebt habe ich die Dernière von „L’Orontea“, der berühmtesten Oper von Antonio Cesti. Um es kurz zu machen, es ist schon spät: Ein barocker Klangzauber mit wunderbaren Stimmen und großartigen Instrumentalisten! Ein Fest für die Sinne, dargeboten mit großem Können, Stilkenntnis und Geschmack. Ein Erlebnis, fürwahr – sehr, sehr schön!

10. März 2015

Vor einigen Tagen lief im Fernsehen „Das Ende einer Affäre“ (The End of the Affair, USA/GB 1999), eine Liebesgeschichte – und mehr als das – mit Julianne Moore und Ralph Fiennes in den Hauptrollen. Das Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Roman von Graham Greene aus dem Jahr 1951.

Schon die ersten Kritiken sind begeistert und beschreiben den Film als „emotional anspruchsvoll“ und „stilistisch geschlossen“. Neben der Filmmusik von Michael Nyman werden insbesondere die leidenschaftlichen Darstellungen von Julianne Moore und Ralph Fiennes gelobt. Richard von Busack macht in metro auf einen signifikanten Unterschied zwischen Buch und Film aufmerksam: „Fiennes and Moore conduct with physical passion this love affair which is described by Greene almost scientifically, like a doctor’s description of a fever.“

Was darüber hinaus lange nachklingt, im Wortsinne, ist die Musik. Michael Nyman (The Piano, Prospero’s Books, Monsieur Hire, The Cook, the Thief, His Wife & Her Lover u. a.) unterfüttert die elegischen Bilder mit sensibler Melancholie und bitterer Süße. „There are things I can experience only with you.“

Das Ende einer Affäre

7. März 2015

Wir wissen bis heute nicht genau, warum Franz Schubert seine Sinfonie in h-Moll, die Unvollendete, nicht fertiggestellt hat. Möglicherweise hatte er die Absicht oder auch die Hoffnung, das Werk vervollständigen zu können. Jedenfalls blieb er mit der Komposition stecken und resignierte mit fortschreitender Zeit. Er war sich über Anspruch und Niveau der beiden vollendeten, fertiggestellten Sätze im Klaren, und es war ihm unmöglich, eine unangemessene Fortsetzung auch nur zu erwägen. Peter Gülke beschreibt das sehr eindrücklich in seinem Buch Franz Schubert und seine Zeit (1991) und kommt zu der Schlussfolgerung: „So groß die Erfüllungen der beiden Sätze, so schwer wog das Scheitern des Ganzen; dieses Stück aufzugeben muss Schubert viel gekostet haben.“ Noch die letzte von Schubert konzipierte Musik, so heißt es weiter, das Andante aus dem Fragment D 936A vom Oktober 1828, „versucht etwas von dem einzulösen, was er hier schuldig geblieben war“. Das Kapitel schließt mit einem Zitat aus Kein Ort. Nirgends (1979) von Christa Wolf: „Sie könne an eine simple Niederlage nicht glauben, sagt die Günderrode … Manche Kapitulation zeige doch nur die Größe des Widerstands an.“

6. März 2015

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
Hilde Domin (1909 – 2006)

Johannes Brahms, Klavierkonzert Nr. 1 op. 15 d-Moll, 2. Satz: Adagio

4. März 2015

Gestern Abend, zweite Probe des Chorprojektes mit Madrigalen und höfischer Musik, „Innsbruck, ich muss dich lassen“ von Heinrich Isaac (um 1450 – 1517), eines der beeindruckendsten Abschieds- und Trauerlieder aller Zeiten. Heute lese ich bei wikipedia, die Strophenform aus sechs dreihebigen jambischen Zeilen mit dem Reimschema A–A (weiblich)–B (männlich)–C–C (weiblich)–B (männlich) sei für die damalige Zeit ungewöhnlich. Die Melodie, so heißt es weiter, habe einen relativ geringen Tonumfang, und „ihr wehmütiger Charakter entsteht vor allem durch die Zeilenschlüsse mit Seufzermotiv und die häufige Berührung der Terz.“ Na schau an, der Isaac! Der wusste, wie’s geht – dreihebige jambische Zeilen mit ungewöhnlichem Reimschema, Seufzermotiv und Terzberührung….

3. März 2015

Im letzten Dezember habe ich an dieser Stelle den Start des neuen Bond-Films „Spectre“ im kommenden Herbst erwähnt und am Ende die Frage gestellt, wer wohl die Musik dazu schreibt. Auf zeit-online ist jetzt ein kurzer Bericht erschienen, der sich ausschließlich mit dem Umstand befasst, dass Monica Bellucci als neues Bond-Girl 50 Jahre alt ist. Ein Diskussionsbeitrag wirft die Frage nach den Gesetzmäßigkeiten des Filmbetriebes auf und wird deutlich: „Bei den Bond-Frauen geht es nicht darum, wie alt sie sind, sondern darum, welche Oberweite sie haben. Und Monica B. sieht noch lecker genug aus, wie 30 und nicht wie 50. Eine Frau, die ‚alt‘ aussieht, würde auch keine Bond-Film-Nebenrolle bekommen, selbst wenn sie nur 25 wäre. Die Frauen in Bond-Filmen müssen einfach nur die gewisse ‚Fuckability‘ haben, das reicht.“ Die Filmmusik schreibt übrigens Thomas Newman.

2. März 2015

Zum Start des Sommersemesters beginnen in dieser Woche neue Kurse und Vorträge. Den Auftakt machen heute Abend in der Reihe der „Meisterwerke“ die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. Morgen und am Donnerstag folgen „Große Sinfonien und Instrumentalkonzerte“ mit Werken von Mozart und Beethoven, am Mittwoch „Lass dich eropern!“ mit einer musikalischen Reise von der Anfängen der Florentiner Camerata bis zum Musiktheater unserer Zeit. Die Kurse laufen bis zum Herbst, wahrscheinlich eher länger, damit wir wirklich Zeit haben, einzelne Werke genauer kennenzulernen. Und wie bisher, so stehen auch diesmal wieder gemeinsame Opern- und Konzertbesuche an. Ich freue mich sehr darauf – auf das neue, gemeinsame Entdecken und Erleben von großer Musik und ihren Interpretationen! So lassen wir uns wieder verführen, berühren, verstören, betören – und erfahren so viel Neues über die Musik und, wenn wir Glück haben, über uns selbst.

1. März 2015

Karriere ist etwas Herrliches, aber man kann sich nicht in einer kalten Nacht an ihr wärmen.
Marilyn Monroe

marilyn-monroe

27. Februar 2015

Seit Tagen beschäftigt mich ein Stück, das so unverwechselbar, so apart und einzigartig klingt wie nur ganz wenige: Strawinskys letzte Ballett-Komposition Agon. Das Werk entstand über einen Zeitraum von drei Jahren (1954–1957) und hat eine Gesamtspielzeit von zwanzig Minuten. Die Klangsprache ist elegant, höfisch und zuweilen unterkühlt manieriert. Es kommen verschiedene Kompositionsverfahren zum Einsatz, modale und serielle Techniken sind auf einzigartige Weise miteinander vereint. Bei der Konstruktion seines Werkes stützte sich Strawinsky nachweislich auf ein französisches Tanzlehrbuch aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der formalen An­lage nach ist Agon zudem eine Suite, die ihr äußerliches Vorbild ebenfalls im 17. Jahrhundert findet.

Agon erregte im Jahr 1957 in New York großes Aufsehen, das Stück wurde als revolutionär empfunden. Die Ballettkritikerin Arlene Croce von der Zeitschrift „New Yorker“ meinte, sie habe nach der Aufführung des Agon eine ganze Woche nicht schlafen können.

Der choreografische Inhalt des Stückes ist ohne jede inhaltliche Vorgabe, die Komposition ohne jeden Gedanken an ein Bühnenbild oder eine Szenerie. Eine visuelle Ausführung soll ganz der Inter­pretation des Choreographen überlassen bleiben. Wie schön, wenn unsere Gedanken frei sind und wir dem Geschehen einen, nein unseren Sinn geben können….

Stuttgart Ballett

26. Februar 2015

Oper am Vormittag: Boulevard Solitude von Hans Werner Henze (1952). Es handelt sich, so schreibt Klaus Ulrich Spiegel auf seiner website, um den „Manon-Stoff als desillusionierendes Großstadt-Drama“. Mag sein, dass in Henzes Werk die Romantik geschwunden ist, anders als in den Stücken von Puccini oder Massenet. Sicher ist, dass der Transfer in die Moderne nicht folgenlos bleibt – auf das im Original geschilderte, tragische Sterben Manons wird verzichtet. Im letzten Bild geht die Schöne als verurteilte Mörderin im Zuchthaus stumm an ihrem ehemaligen Liebhaber Des Grieux vorüber, so als hätte es niemals einen gemeinsamen Herzschlag gegeben. Sieben Bilder – mehr Darstellungen von Situationen und Figuren als typische Handlungsabfolge – in einer Mischform aus Gesang, Instrumentalmusik, Tanz und Pantomime, mit traditionellen Elementen der Oper wie Arien und Duetten, aber auch mit Einflüssen des Jazz und avantgardistischen Elementen. Ein im Wortsinne „starkes Stück“, auch heute noch, über sechzig Jahre nach seiner Uraufführung.

25. Februar 2015

Tony Curtis war sechsmal verheiratet. Seine erste Ehefrau war Janet Leigh, die Ehe dauerte von 1951 bis 1962. Später sagte er: „For a while, we were Hollywood’s golden couple. I was very dedicated and devoted to Janet, and on top of my trade, but in her eyes that goldenness started to wear off. I realized that whatever I was, I wasn’t enough for Janet. That hurt me a lot and broke my heart.“

*****

Und, passend zum Thema, der Filmtipp: „Tot Ziens“ (Heddy Honigmann, NL 1995) – eine Huldigung an die leidenschaftliche Liebe in ihrer ganzen Dualität: mit ihrer Schönheit und ihren Auswüchsen, mit der Verletzbarkeit, die sie verursacht und der Energie, die sie stiftet, mit ihrem starrköpfigen Egoismus und ihrer bewegenden Großzügigkeit. Regisseurin Heddy Honigmann: „Es genügt, einmal im Leben verliebt gewesen zu sein – und wer war das noch nie? – um zu wissen, dass die Liebe ein zumindest ambivalentes Gefühl ist. Ich wollte über diese Zweideutigkeit, über diese fantastische und nie versiegende Energie der Liebenden einen realistischen Film machen. Sozusagen eine Nahaufnahme der Leidenschaft.“

23. Februar 2015

Am Wochenende zeigte 3sat die zweiteilige Dokumentation „Hollywood Legenden“ von Eckhart Schmidt aus dem Jahr 2004. Der deutsche Filmemacher und Autor lässt als ausgewiesener Spezialist und Kenner der amerikanischen Kinoszene zahlreiche Stars und Filmgrößen, eben „Legenden“ zu Wort kommen, darunter Kim Novak, Tippi Hedren, Jane Russell, Mickey Rooney und Rock Hudson.

Besonders beindruckend und unerwartet bewegend sind die Erzählungen von Tony Curtis. Er erinnert sich an die Anfänge seiner Karriere, natürlich an die Dreharbeiten zu „Some like it hot“ mit Marilyn Monroe und Billy Wilder, an Freunde und Weggefährten. Er spricht über Lernprozesse und Entwicklungen, über das Erarbeiten von Rollen und das Absorbieren von Charakteren. Und schließlich über das wirklich Große, das Unerwartete, „the miracle“. Er sieht nach dem Kriege als arbeitsloser Jungschauspieler die junge, begehrte Ann Blyth anlässlich einer Kinopremiere. Sie ist bildschön, glamourös, schaut ihn eine Minute lang an und verschwindet dann aus seinem Blickfeld. Sieben Monate später hat er in Los Angeles einen Vertrag, und sein Studio arrangiert ein Rendezvous mit Ann Blyth! Seine Augen leuchten, als er das erzählt, es ist über fünfzig Jahre her, und er, jetzt fast achtzigjährig, sagt sehr berührt „Isn’t that wonderful?“, so als passierte es in diesem Moment.

Curtis Blyth

Tony Curtis und Ann Blyth wärend der Oscar-Nominierung im Februar 1956

Pause bis zum 22. Februar 2015

5. Februar 2015

Wer sein Ziel erreicht hat, wer in der Ferne ganz oben, ganz unten angekommen ist, der muss erkennen, dass noch nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter ihm liegt, dass die Flucht zurück ins Vertraute länger und schmerzhafter werden kann als der Weg ins Ungewisse jemals war.
Christoph Ransmayr

Himalaya

4. Februar 2015

Ich finde, die heutige Form des Konzertes ist sehr überdenkenswürdig. Man müsste sich überlegen, wie man Konzerte besser macht. Man lässt die Leute mehr oder weniger ahnungslos kommen, zwingt sie, sich in Reihen hinzusetzen und zu warten. Dann kriegen sie was vorgespielt, sollen sich ruhig verhalten, und dann sollen sie an der richtigen Stelle klatschen und sollen bestimmte Gefühle haben …
Nikolaus Harnoncourt

3. Februar 2015

Die Oper in Frankfurt am Main spielt Orontea von Antonio Cesti!  Das ist nun wirklich etwas ganz ganz Besonderes, wie schön! Die homepage des Hauses beschreibt das Stück als „regelrechten Kassenschlager des 17. Jahrhunderts“, da es sich nach der Uraufführung dreißig Jahre lang auf den Spielplänen der Opernhäuser halten konnte. Es ist, so heißt es, die „populärste Oper Cestis“ und „präsentiert eine karnevalistische und leicht freizügige Intrige, gespickt mit zahlreichen verschleierten Verführungsszenen. Geschmeidig komponierte Rezitative stehen im Wechsel mit evokatorischen Szenen, die Cesti ebenfalls in rezitativischer Form gestaltete. Gleichwohl finden sich berührende Arien – wie das berühmteste Schmuckstück, Oronteas große Arie »Intorno all’idol mio« – , die sich mit den packenden Dialogpassagen zusammen zu einem spannenden und vergnüglichen musikalischen Meisterwerk fügen.“ Also – unbedingt anschauen!

2. Februar 2015

Liebe ist wie das Leben. Nicht immer leicht und nicht immer glücklich. Aber hören wir deshalb auf zu leben? Warum also aufhören zu lieben?
Unbekannt

28. Januar 2015

Hier der ultimative Erlebnis-Tipp für Fans von Opern auf DVD: Lady Macbeth von Mzensk von Dmitri Schostakowitsch (opus arte, 2006) mit Eva-Maria Westbroek, Christopher Ventris und Vladimir Vaneev in den Hauptrollen, dem Chor der Nederlandse Opera und dem Royal Concertgebouw Orchestra unter Mariss Jansons. Ein bahnbrechendes Werk des Musiktheaters im 20. Jahrhundert, mit musikalischen wie darstellerischen Leistungen auf Weltklasse-Niveau, spektakulär und packend auf die Bühne gebracht. Regisseur Martin Kušej schreibt über seine Inszenierung im Textheft:

„… Das Interessante an dieser Oper ist, wie der gesamte Komplex von Eros und Sexualität durch Macht- und Abhängigkeitsgefüge unter Druck gerät, wodurch es zu einer besonderen Form der Machtlosigkeit, unterdrückten Aggression und kriminellen Energie kommt. Lady Macbeth ist keine romantische Geschichte über Liebe und Mord. Es ist eine Tragödie, die weder Mitleid noch Angst erweckt. Es gibt keine Katharsis. Die Figuren sind sowohl Täter als auch Opfer, denn gewalttätige Umstände führen zu gewalttätigen Reaktionen. Die Verfinsterung der Welt wird als unaufhaltbarer Prozess dargestellt, plötzliche Verzweiflungsausbrüche stehen für die Begierde nach Blut und Sex. Wir sehen Erotik, dargestellt durch ungehobelte Sprache und brutale Bilder, böse Intrigen, die animalische Kraft der Gefühle und den Teufelskreis der Isolation.“

Lady Macbeth

26. Januar 2015

Heute lese ich, dass Peter Tschaikowsky am 9. Oktober 1886 in sein Tagebuch schrieb: „Ich spielte einige Kompositionen von diesem schrecklichen Brahms. Was für ein unbegabter Bastard!“ Wie ist das möglich? Was hat ihm so den Blick verstellt? Warum sagt er über Bach „ich erblicke in ihm nicht ein großes Genie“ und über Verdi, dieser habe „die ganze Welt mit seinen Leierkastenmelodien überflutet“? Und über Wagner: „Früher war man bemüht, die Leute durch die Musik zu erfreuen – heutzutage jedoch quält man sie.“ Wir können darüber vielleicht schmunzeln, mäßig amüsiert. Ernst nehmen können wir es jedenfalls nicht. Verlegen wir uns also wieder darauf, Tschaikowsky zu hören statt zu lesen.

22. Januar 2015

Im Nachgang zum gestrigen Eintrag hier noch ein weiterer Kommentar aus dem Diskussionsforum: „Pop ist nicht nur auf ein die Musik bezogenes Phänomen, sondern steht für einen Kulturbegriff überhaupt. Und da das mittlerweile eine Industrie geworden ist, die die Konsumwünsche der Menschen bedient, eine cash cow, werden auch immer weiter Hits produziert werden. Schon deswegen, weil es immer wieder Menschen gibt, die über irgendein Ausnahmetalent verfügen, eine super Stimme, eine virtuose Begabung, gepaart mit einem entsprechendem Bedarf nach Selbstdarstellung, erotischer Ausstrahlung oder was auch immer man zur Verfügung hat, um ein Produkt daraus zu machen. Und das ist es auch, worum es hier geht: Es geht nicht in erster Linie um Musik. Die Musik ist nur insoweit interessant, als sie der Inhalt einer Ware ist.“

Das also nehmen wir mit: Bei Pop geht es nicht in erster Linie um Musik. Beim Film auch nicht, möchten wir ergänzen, trotzdem gibt es erstklassige Filmmusik, die auch ohne Bilder bestehen kann. Und in der Oper? Geht es da in erster Linie um Musik? Oder ist nicht das, was wir sehen, mindestens gleichberechtigt? Wie wichtig ist der Text? Und wie verhält es sich mit dem „Bedarf nach Selbstdarstellung“ und „erotischer Ausstrahlung“ bei Sängern, Tänzern, Dirigenten? Wann und wo geht es wirklich in erster Linie um Musik?

jack-vettriano-singing-butler

21. Januar 2015

Auf zeit-online wird in einem Interview mit dem Musikwissenschaftler Volkmar Kramarz der Frage nachgegangen, warum Hits Hits werden und ob es tatsächlich so etwas wie eine Erfolgsrezeptur oder -formel dafür gibt. Das Thema soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Schon eher die Frage, ob Pophörer „zwar nicht dumm sind, aber dumme Musik hören“, wie jemand im Forum dazu schreibt und die Zustimmung eines weiteren Lesers findet: „Ich hätte auch das von Sloterdijk stammende Wort „Popmusikpisse“ benutzen können.:) Ziehen Sie vom Pop einmal die Show ab (Kostümierung und Gezappel), drehen sie den Lautstärkeregler runter, fragen sie nach dem Verhältnis Text – Musik und schauen Sie, was übrigbleibt. Dürftige musikalische Substanz – und das war es auch schon. Wie sehr Pop differenziertes Hören erschwert, erlebe ich tagtäglich im Unterricht. Ich bleibe dabei: Es ist dumme Musik.“ Ein anderer meint, „auch Bach hat Massenproduktion nach immer gleichem Muster gemacht, weil er damit sein täglich Brot verdient hat.“ Hier lässt die Antwort nicht lange auf sich warten: „Bach aber konnte komponieren. Heute, würde ich mal unterstellen, kann ein Großteil der Popmusiker eben nicht komponieren, geschweige denn ein Instrument spielen, sondern lässt durch das klassisch wirtschaftliche Outsourcing andere für sich schreiben.“

19. Januar 2015

Jack Vettriano (*1951), „Sweet bird of youth“. Drei Personen, zwei Männer und eine Frau, gehen zum Strand. Oder vom Strand weg? Das Gesicht der Frau ist von ihren Haaren verdeckt, der Blick nicht zu sehen. Die Männer wirken ruhig, entspannt, fast zu ernst. Das Ganze wirkt, wie fast immer bei Vettriano, wie eine Filmszene. Der Film erzählt eine Geschichte, die sich zuvor ereignet hat, und die sich fortsetzen wird. „Ich male, was mich bewegt“, sagt Vettriano über seine Bilder. „Diese Menschen, mit denen ich mich zu umgeben scheine, sind ein Haufen von Taugenichtsen… Aber ich liebe ebendiese Welt – eine Welt von Sex und Hedonismus. Ich liebe das, weil ich ein Geschichtenerzähler bin.“ Welche Musik wollen wir dazu spielen? Bach, Schostakowitsch? Oder doch Gershwin?

jack-vettriano-sweet-bird-of-youth

18. Januar 2015

Für ruhige Abende, abseits von geschäftiger Betriebsamkeit und der Unruhe des Tages, hier ein CD-Tipp, seit Jahren, seit Jahrzehnten erprobt, aber verbunden mit der Warnung vor tiefer Melancholie und Wehmut: Oskar Werner liest Gedichte von Mörike, Heine, Saint-Exupéry und Trakl. Der Größte von allen liest, nein zelebriert so wunderbare, so wahre, so berührende Texte, dass es manchmal weh tut. Aber so ist das mit dem Schmerz der Schönheit, das muss so sein, und das mit der Wahrheit wissen wir ja ohnehin. Ein Glas Rotwein dazu ist erlaubt, auch zwei, mehr nicht. Wir wollen doch das, was uns so trifft, ganz bewusst erleben.

Oskar Werner spricht Gedichte

16. Januar 2015

Am Ende des ersten Teiles der DVD-Dokumentation „Musik im 20. Jahrhundert“ (Zweitausendeins) steht ein Blick auf das Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ von Alban Berg. Zuvor wird deutlich, dass Arnold Schönberg als „Erfinder“ der Dodekaphonie gewissermaßen aus Notwehr zum Revolutionär wurde, instruktive Ausschnitte aus „Verklärte Nacht“ op. 4 und „Fünf Orchesterstücke“ op. 16 zeigen das sehr schön. Alban Berg bildet nun in seinem Violinkonzert die Zwölftonreihe im Wechsel von gebrochenen Dur- und Moll-Akkorden, zudem mit einer viertönigen Ganztonreihe, die den Anfang des Bach-Chorals „Es ist genug“ ergibt. Damit führt er sozusagen Altes und Neues zusammen, was, wie es in der Übersetzung heißt, eine „zeitlose“ Musik zum Ergebnis hat. Der Ausdrucksstärke dieses Werks können wir uns nicht entziehen. Wir hören eine ergreifende, große Trauermusik und sind nach dem ruhig verklingenden Schluss bewegt, berührt, erfüllt.

Berg

14. Januar 2015

Vor ein paar Tagen habe ich, nach langer Zeit, wieder das „Ständchen“ (D 920) von Franz Schubert gehört. „Zögernd leise“ für Sopran, Männerchor und Orchester auf den Text von Franz Grillparzer. Ich hatte schon fast vergessen, wie schön das ist! Schon als ich das Stück kennenlernte, als Abiturient, ich besaß eine Aufnahme mit Janet Baker, empfand ich bei der Stelle „Drum statt Worten und statt Gaben sollst du nun auch Ruhe haben“ bzw. der harmonischen Wendung unmittelbar zuvor ein tiefes Gefühl der Rührung. Ich durfte dann Jahre später das „Ständchen“ selbst im Konzert dirigieren (mit Elisabeth Werres, dem Polizeichor Essen und den Bergischen Symphonikern, damals noch im alten Essener Saalbau). Es ist eine so intime, hochsensible, beglückende Musik! Und wie schön ist das Wiederfinden!!

Schubert

12. Januar 2015

Gestern „Idomeneo“ im Essener Aalto-Theater. Überzeugende Sängerinnen und Sänger, starker Chor,  gutes Orchester. Inszenierung, Ausstattung und Dramaturgie akzeptabel bis zufriedenstellend. Das Geknirsche beim Laufen über das unvollständig verlegte Laminat war ziemlich nervtötend, aber lassen wir das. Dreieinhalb Stunden (mit Pause) dauert das Stück, und zum ersten Mal habe ich bedauert, dass die Oper keinen Schlager, keinen Gassenhauer, keinen Ohrwurm enthält. Wir müssen uns hier nicht über die Qualität der Musik auslassen, es ist ein grandioses Werk mit prächtigen Chören, herrlicher Ballettmusik und virtuosen Anforderungen an Vokal- wie Instrumentalsolisten. Und trotzdem: Im Vergleich zu den „Da Ponte-Opern“, zur „Entführung“, zur „Zauberflöte“ kann einem das Drama doch lang werden, so ganz ohne Mitsing-Impuls. Auch das starre Opera-seria-Korsett verstellt den Blick (und das Gehör) auf die großartige Musik. Nicht ohne Grund hat die Nachwelt die Oper lange verkannt, und „Idomeneo“ war nur ein Geheimtipp unter Opernfreunden. Also: Wer „Mozart at his best“ hören möchte, ist hier richtig. Wer mitsingen will (natürlich nur im Stillen, hoffentlich), der sucht sich ein anderes Stück.

Mozart

10. Januar 2015

Das Abschlusskonzert des Naunheimer Chorprojektes mit geistlicher Musik der Barockzeit findet am Sonntag, 8. Februar um 17.00 Uhr in der Evangelischen Kirche in Wetzlar-Naunheim statt. In Form eines Gesprächskonzertes mit Erläuterungen kommt die Kantate „Also hat Gott die Welt geliebet“ von Johann Rosenmüller als zentrales Werk zur Aufführung. Dazu gibt es a cappella Chorsätze von Burck, Lechner und Gumpelzhaimer. Komplettiert wird das Programm durch zwei Orgelwerke von Pachelbel und das berühmte „Jesus bleibet meine Freude“ aus der Kantate BWV 147 von Johann Sebastian Bach.

9. Januar 2015

Nochmal Kirchhoff, immer noch Verlangen und Melancholie, eine Passage aus dem 45. Kapitel: … Tut mir sehr leid, aber ich will nichts mehr hören, das mich nicht aufwühlt vor Anteilnahme oder erröten lässt vor Erregung. Ich will nichts mehr hören, das mich nicht jung macht und mir zugleich sagt, dass ich sterblich bin. Ich will nichts mehr hören, das mich nicht eine Stunde lang mit dem Tod versöhnt oder abhält, aufs Klo zu gehen. Ich will nichts mehr hören, das ich nicht liebe und gegen die Inquisition verteidigen würde, wenn es sie noch gäbe. …

6. Januar 2015

Zurzeit lese ich „Verlangen und Melancholie“ von Bodo Kirchhoff. Der Roman ist nach dem 2012 erschienenen Werk „Die Liebe in groben Zügen“ ein Bestseller auf dem Gebiet der Belletristik, ein Wort im Übrigen, das der Erzähler im Verlaufe des Romans als zu selten verwendet ansieht. „Verlangen und Melancholie“ enthält zu Beginn des siebzehnten Kapitels den folgenden Satz: „Die Erinnerungen an das Schöne, das lange zurückliegt, sie sind größer als man selbst, und ihre Übermacht kommt immer unerwartet, wie aus dem Hinterhalt.“ Mal abgesehen davon, dass die Glücklichen unter uns den Wahrheitsgehalt dieser Aussage nur bestätigen können, so können wir dem Begriff des Hinterhalts auf neue, positive Weise begegnen. Wir haben keinen Grund, das Unerwartete zu fürchten. Wir dürfen uns den Unberechenbarkeiten getrost anvertrauen und sollten, wie ein norwegisches Sprichwort sagt, dem Glück die Chance geben, auch zu uns finden zu können.

Pause bis zum 5. Januar 2015

22. Dezember 2014

Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen – die Träume, die wir spinnen, und die Sehnsüchte, die uns treiben. Damit wollen wir uns bescheiden.
Schlussworte aus „Die Feuerzangenbowle“ von Heinrich Spoerl (1887 – 1955)

Frohe Festtage! Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich im alten Jahr begleitet haben – Veranstalter, Kursteilnehmende, Konzertbesucher, Organisatoren, Helferinnen und Helfer und alle übrigen! Auf dass wir uns auch im kommenden Jahr wieder zu den unterschiedlichsten Themen und Anlässen hören, sehen oder voneinander lesen werden. Ich freue mich sehr darauf! Auf ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2015!
Ihr und Euer
Thomas Sander

17. Dezember 2014

Zur besonderen liturgischen Gestalt des Advents gehören die berühmten O-Antiphonen. Es sind die sieben Magnificat-Antiphonen in der Woche vor Weihnachten (17.-23.12.), die mindestens auf das 7. Jahrhundert zurückgehen. Dem Messias werden im Alten Bund sieben Titel gegeben, unter denen er in den Antiphonen angerufen wird (O Weisheit, O Adonai, O Wurzel Jesse, O Schlüssel Davids, O Aufgang, O König der Völker, O Emmanuel).  Dann schließt sich jeweils eine flehentliche Bitte um sein Kommen an.

Die innigste und ergreifendste Vertonung ist die von Marc-Antoine Charpentier. Während allerorten Händels Messias und Bachs Weihnachtsoratorium musiziert wird, hält man zumeist vergeblich nach einem Konzert Ausschau, in dem dieses Wunderwerk zur Aufführung kommt. Wirklich schade, denn es sind unmittelbar berührende, den Texten hochsensibel nachempfundene Motetten, klangschön und sinnlich. Die Referenz-Aufnahme ist bei harmonia mundi erschienen (musique d’abord), Les Antiennes „O“ de L’avent mit Les Arts Florissants unter Leitung von William Christie.

Charpentier O-Antiphonen

16. Dezember 2014

„Parsifal ist eine Oper, die um sechs anfängt, und wenn man nach drei Stunden auf die Uhr schaut, ist es zwanzig nach sechs…“ Wirklich? Ist es tatsächlich so? Das anonyme Zitat erinnert an einen Ausspruch von Edgar Degas: „In der Oper ist alles falsch: Das Licht, die Dekorationen, die Frisuren der Balletteusen, ihre Büsten und ihr Lächeln. Wahr sind nur die Wirkungen, die davon ausgehen.“

14. Dezember 2014

Die Musik schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußeren Sinnenwelt, die ihn umgibt und in der er alle bestimmten Gefühle zurückläßt, um sich einer unaussprechlichen Sehnsucht hinzugeben.
E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822)

12. Dezember 2014

Über das diesjährige Internationale Weihnachtssingen der Wetzlarer Partnerschaftsgesellschaften schreibt heute die „Wetzlarer Neue Zeitung“:

Weihnachten wird europäisch
Internationales Liedersingen in Sprachen der Partnerstädte und Partnervereine

Wetzlar. Seit über 20 Jahren laden die Partnerschaftsvereine der Stadt Wetzlar zum gemeinsamen Weihnachtsliedersingen in sechs Sprachen in den Konzertsaal der Musikschule ein.

In diesem Jahr war die Deutsch-Französische Gesellschaft Gastgeber, deren Vorsitzender Ingolf Hoefer einen großen Zufalls-Chor von 120 Sängern aus allen Partnerschaftsvereinen begrüßen konnte: von der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen, der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft, der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft, der Deutsch-Englischen Gesellschaft, dem Deutsch-Amerikanischen Club „Die Brücke“, von der Deutsch-Finnischen Gesellschaft Gießen-Wetzlar und von der Europa-Union Wetzlar.

Eingangs intonierte der musikalische Leiter des Weihnachtssingens, Musikschulchef Thomas Sander, die Europahymne, Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ mit dem Text von Friedrich Schiller – und der Besucherchor erhob sich als Hommage an Europa zur ersten Strophe. Hoefer dankte der Wetzlarer „Stadtregierung“ für ihr Engagement beim ehrlichen Bemühen um das Zusammenwachsen Europas an der Seite der Partnerschaftsvereine. Und Partnerschaftsdezernent Karlheinz Kräuter bekundete seine Freude ob der Tatsache, dass Jahr für Jahr mehr Menschen am gemeinsamen Weihnachtssingen der Partnerschaftsvereine teilnehmen.

Und wer wollte, konnte in Sachen Fremdsprachen und damit angesichts eher unbekannten Weihnachtsliedergutes etwas lernen. Zudem leiteten Vertreter aller sieben Partnerschaftsvereine ihren landestypischen Liederbeitrag mit kurzen Informationen, Geschichten und Anekdoten ein. Dann erklangen die Lieder in Finnisch, Italienisch, Tschechisch, Französisch, Englisch und Deutsch, jeweils in ihren musikalischen Eigenarten erläutert von Pianist Thomas Sander, der es trotz sprachlicher Hürden schaffte, „den Chor zusammenzuhalten“. Weihnachtslieder in fünf Sprachen, das gibt es nur in der Gemeinschaft der Partnerschaftsvereine in Wetzlar und Umgebung.

Mit „O du fröhliche“, einem der bekanntesten deutschsprachigen Weihnachtslieder, klang das besondere Konzert in der Musikschule aus, bei dem die Zuhörer zugleich den Chor bilden. Anschließend folgte der gesellige Teil bei Glühwein und Leckereien aus den Partnerländern.

Weihnachtssingen 2014

11. Dezember 2014

Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, und niemand wird bezweifeln, dass er seine Daseinsberechtigung hat, dann muss es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann. Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muss geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müsste geschehen; und wenn man ihm von irgend etwas erklärt, dass es so sei, dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein. So ließe sich der Möglichkeitssinn geradezu als die Fähigkeit definieren, alles, was ebenso gut sein könnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist.
Robert Musil (1880 – 1942)

Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
Christian Morgenstern (1871 – 1914)

10. Dezember 2014

Heute Abend „Musik und Politik“. Sir Simon Rattle erklärt uns per DVD, welchen Einfluss repressive Politik auf die musikalische Entwicklung der Komponisten Béla Bartók, Dmitri Schostakowitsch und Witold Lutosławski ausgeübt hat. Wir freuen uns auf die damals revolutionären, heute geradezu „klassischen“ Klänge. Wir werden gespannt verfolgen, wie die drei Komponisten trotz des politischen Gegenwinds zu einer eigenständigen musikalischen Sprache von großer Eindringlichkeit und Kraft finden konnten. Für viele Ohren stellt diese Musik immer noch eine Herausforderung dar. Umso schöner, dass wir wieder Gelegenheit nehmen können unsere Hörgewohnheiten zu erweitern – unter Zuhilfenahme eines spannenden Exkurses in die Zeitgeschichte.

9. Dezember 2014

Seit mehr als drei Jahrzehnten kenne ich jetzt die „Fantasia on a Theme by Thomas Tallis“ von Ralph Vaughn Williams (1872 – 1958). Es gibt Stücke, die verlieren nie ihren Reiz und überdauern alle persönlichen Höhen und Tiefen. Man hört das Stück, manchmal erst wieder nach langer Pause, und ist sofort berührt von der Musik, die man gut, sehr gut kennt. So geht es mir mit der Tallis-Fantasia – was sind das für melancholische, geheimnisvolle, ätherische Klänge! Wie eine große, sinnliche, suchende Betrachtung zieht diese Fantasie vorüber. Nachdenklich, versonnen, zuversichtlich. Kunst und Leben sind nichts Getrenntes, so hat es der große Pianist, Dirigent und Musikpädagoge Edwin Fischer einmal gesagt. Hier finden wir es bestätigt, und wie!

Vaughn Williams

8. Dezember 2014

Dich

Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist

Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter

Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist
Erich Fried (1921 – 1988)

7. Dezember 2014

Schön war es wieder, das Internationale Weihnachtssingen der Wetzlarer Partnerschaftsgesellschaften und der Europa-Union – traditionell im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule, mit Advents- und Weihnachtsliedern in sieben Sprachen! Es ist jedes Jahr eine freundliche und entspannte Stimmung, ich darf die musikalische Leitung übernehmen, wir haben Freude an bekannten und unbekannten Melodien, an Gesprächen und Begegnungen und – nicht zu vergessen – an selbst hergestellten Leckereien aus den Ländern Europas, vom Shortbread über Marillentaler bis hin zu Punsch und Glühwein. Und, wie in fast jedem Jahr, kam das schönste Lied aus Frankreich: „Douce Merveille“, ein Noël strasbourgeois aus dem 17. Jahrhundert – eine ganz wunderbare, zarte Melodie im 6/8-Takt, in wiegender Bewegung, wie ein Liebeslied.

2013-01

6. Dezember 2014

Wir beobachten die Zugvögel in ihrem ruhigen Flug. Sie fliegen zur Wärme des Südens, wenn sie in der Winterkälte nicht im Norden überleben können. Sie kommen zurück, wenn sie für den Nestbau wieder die Fruchtbarkeit des Nordens brauchen. Sie wissen, wo es gut für sie ist, die Natur hat es ihnen einprogrammiert. Ihr Instinkt sagt ihnen, wann und wohin sie fliegen müssen.

Wir Menschen haben diesen eindeutigen Instinkt nicht. Wir sind freier als die Vögel. Wir sind so frei, uns auch gegen das zu entscheiden, was gut für uns ist. Wir können Raubbau treiben an unserer Gesundheit, an unseren Kräften. Wir können blind bleiben für das, was wir für uns selber an Liebe, an Wärme, an Zeit brauchen, um dann auch wieder anderen Menschen etwas geben zu können. Zwar kann es schlimme Folgen haben, wenn wir nur an uns selbst denken, aber auch, wenn wir nie an uns selbst denken. Deswegen ist Einkehr, zuweilen auch Umkehr etwas ganz Ruhiges, Richtiges. Bremsen aus der vollen Fahrt, wenn man gar nicht mehr weiß, wohin die Reise geht. Sich darauf besinnen, wo man hingehört, wie die Zugvögel. Und sich bewusst machen, dass Gott uns die Liebe geschenkt hat, und dass er uns schon unser ganzes Leben hindurch begleitet, auch wenn wir es nicht gemerkt haben.

5. Dezember 2014

„Spectre“ heißt also der neue Bond, der im Oktober 2015 in die deutschen Kinos kommen wird. Für Daniel Craig ist es sein viertes Bond-Abenteuer, der Vertrag für einen weiteren Film ist unterzeichnet. Wir lesen in den Zeitungen, dass Christoph Waltz den Bösewicht mimt, Naomi Harris wieder als Moneypenny zu sehen ist und Ralph Fiennes die Rolle des „M“ von Judi Dench übernimmt. Léa Seydoux und Monica Bellucci sind die Bond-Girls, Sam Mendes führt Regie. Gedreht wird in London, Sölden/Österreich, Rom und Mexiko. Alles gut. Und wer schreibt die Musik?

Bond Spectre

3. Dezember 2014

Nenne dich nicht arm, wenn deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)

1. Dezember 2014

Nicht, was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)

28. November 2014

Im letzten Abendkurs haben wir uns mit Benjamin Brittens „Sinfonietta“ beschäftigt, seinem kompositorischen Erstling. Auf www.kammermusikfuehrer.de findet sich folgende Erläuterung: „[…] Es war ein Werk jenes Genres, das aus sinfonischer Form und solistischer Besetzung eine neue Einheit zu formen versuchte – eine Synthese aus Sinfonik und Kammermusik. Der Archetypus dieser Gattung, Arnold Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1 aus dem Jahre 1906, hatte auch auf den jungen Britten einen nachhaltigen Einfluß ausgeübt, doch standen 1932, wie es Peter Evans formulierte, “noch andere Modelle für einen solchen Aufmarsch üppiger Solo-Klangfarben zur Verfügung, insbesondere Hindemiths Kammermusiken, op. 24 und op. 36, die einen kunstvollen kontrapunktischen Satz in mechanisierte, vom barocken Concerto entlehnte Strukturen verwandelten. Britten fand, bedingt durch seine Ausbildung bei Frank Bridge und seine Prägung durch die gesamte englische Tradition der Spätromantik, die flotte Gangart und barocke Symmetrie von Hindemiths Manier wenig attraktiv. Sein Ehrgeiz war es vielmehr, neue Ausdrucksmöglichkeiten in jener subtileren, wahrhaft symphonischen Thematik zu suchen, die sich statt mit eindeutigen Definitionen mit der Energie kleiner motivischer Einheiten beschäftigt… Es wird immer noch zu wenig erkannt, wie konsequent Britten auf die vereinheitlichende Kraft motivischer Ableitungen vertraute.” (Peter Evans, The Music of Benjamin Britten)

Das Stück, nur etwa eine Viertelstunde lang, hat uns alle durchaus beeindruckt. Die zitierte Erläuterung ist einem besseren Verständnis durchaus dienlich. Wir haben uns Britten bisher eher über sein Opernschaffen (vor allem durch eine Beschäftigung mit „Peter Grimes“) genähert. Im Nachhinein keine schlechte Wahl, denn so fiel der Zugang insgesamt doch leichter.

26. November 2014

Seit Karl-Heinz Köpcke in der Tagesschau das Fernsehpublikum nicht mit „Guten Abend, meine Damen und Herren“ begrüßte, sondern eine ungewöhnliche Zäsur nach dem dritten Wort vornahm und somit „Guten Abend meine, Damen und Herren“ sagte, haben wir uns an solcherart den Sprachfluss verunstaltende Eingriffe gewöhnt. Ein ähnliches Phänomen erleben wir immer wieder bei Politikern, die gerne erst nach dem Anfangswort des nachfolgenden Satzes atmen, um nicht unterbrochen zu werden. Ganz zu schweigen von Sportreportern, die sinnverfremdende Sprachgebilde konstruieren wie: „Die Schalker attackieren früh Schiedsrichter Weiner – bisher vorbildlich.“ Jaja, der gute Mensch denkt an sich. Selbst zuletzt.

24. November 2014

Wochenende, Aalto-Theater Essen, „Jenůfa“ von Leoš Janáček. Für Kenner und Liebhaber ist diese Musik längst kein Geheimtipp mehr, trotz mancher Schroffheiten und einer bisweilen eigenwilligen Melodik, die ihre Wurzeln in der tschechischen Volksmusik hat. Sehr beeindruckend ist die Wahl der jeweiligen Orchesterfarbe, die den Ausdruck der Sängerinnen und Sänger verständig unterfüttert, transparent und nie zu voluminös, auch nicht bei expressiven Ausbrüchen. Das Stück selbst bietet, wenn man so will, ein Happy-End am Ende einer Verkettung tragischer Umstände, mit der Botschaft, dass die Liebe alles Leid besiegt. Robert Carsen hat die Oper mit eindrücklichen Bildern inszeniert, eher knapp und mit beinahe kammermusikalischer Strenge. Beseelter, glücklicher Heimweg.

20. November 2014

Heute Morgen im Opernkurs „Der Rosenkavalier“. Endlich, möchte man sagen, haben wir dieses Wunderwerk begonnen zu durchleuchten, im letzten Drittel des Kurses. Das Stück hat mehrere große, über das Musikalische weit hinausgehende Themen. Zeit, Glück, Vergänglichkeit. Liebe, Bestimmung, Erkenntnis. „Mit leichter Hand geben und nehmen zu lernen“ sei das Thema, hat eine der großen Operndiven einmal gesagt, bis hin zu der Frage, wie das musikalisch wie darstellerisch, aber insbesondere für einen selbst zu leisten ist. Wie schwer tun sich so viele schon mit dem „geben und nehmen“, und wie soll das gehen, „mit leichter Hand“? Humor und Leichtigkeit sollen Pate stehen, auch Melancholie und Wehmut, wenn es denn sein muss. Die Musik von Richard Strauss, diesem Klangzauberer, hält so wunderbar die Balance zwischen Schwere und Leichtigkeit! Und der Text von Hugo von Hofmannsthal! Hier wusste jemand, worüber er schreibt, mit tiefem Verständnis für die Liebe und für diejenigen, die ihr anheimfallen. „So hat halt Gott die Welt geschaffen, und anders hat er’s halt nicht können machen!“ (Marschallin, 3. Akt)

18. November 2014

Großen Eindruck hat gestern im Abendkurs die 8. Sinfonie c-Moll op. 65 von Dmitri Schostakowitsch gemacht. Wir haben die im Jahr 2011 entstandene Aufnahme mit dem Royal Concertgebouw Orchestra unter Leitung von Andris Nelsons gesehen und gehört, in voller Länge. „Schwere Kost“ sei diese Musik, so ein Kommentar, aber doch auch sehr beeindruckend. Im Textheft findet sich zum vierten Satz der Hinweis, dieser sei „in der barocken Form der Passacaglia eine Trauerklage, einem Requiem gleich“. In der Tat geht dieser Satz wohl am meisten unter die Haut, bei allen Ausbrüchen und ihrer eruptiven Dynamik in den übrigen Sätzen. Und natürlich dirigiert Andris Nelsons hier grandios – sehr klar, kraftvoll und entschlossen, gleichzeitig feinnervig und sensibel, ganz wunderbar. Ein fordernder, anstrengender, schöner Abend!

14. November 2014

Gestern, letzter Kursabend in Friedrichsdorf, Musik des 20. Jahrhunderts, letztes Stück Hans Werner Henze 7. Sinfonie, dritter Satz. Ich packe meine CDs und DVDs zusammen. Was wir im nächsten Kurs machen, fragt eine Teilnehmerin. Oper, antworte ich. Woraufhin sie ein Zitronengesicht aufsetzt und sagt: „Also wissen Sie – Musik ja, Oper nein.“

10. November 2014

Apropos Richard Strauss, allerdings in anderem Zusammenhang. Bei der Vorstellung von Rachmaninows zweitem Klavierkonzert musste natürlich das Wort von der „gefühlvollen Jauche“ fallen, das Strauss zur Musik des Russen einfiel. Das ist nun mehr als nur diskreditierend, und für den künstlerisch verständnisvollen und toleranten Strauss auch eher untypisch. Hatte doch Rachmaninow eigentlich nur den emotionalen und pathetischen Kompositionsstil Tschaikowskys ins 20. Jahrhundert getragen! Die DVD mit Abbado und Grimaud zeigt im Übrigen, dass die Musik mehr bietet als nur triviale Melodien ohne Tiefgang. Hier ist, wenn man so will, die russische Seele vertreten, eher im Sinne der „Gruppe der Fünf“ mit Mussorgsky, Borodin, Balakirew, Rimsky-Korsakow und Cui. Allerdings – das ist wohl wahr, und es hätte die fünf auch gestört – mit sehr populärem Einschlag und dem Sinn für Wirkung. So what?!

7. November 2014

Gestern Abend habe ich die CD wieder dabei gehabt und geradezu ehrfürchtig in den Player gelegt, wie immer. Dann Track 3 gewählt und zusammen mit den Kursteilnehmern erlebt, was große Kunst ist: „Beim Schlafengehen“ aus Vier letzte Lieder von Richard Strauss, mit Jessye Norman und dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur (Philips, DDD, 1982). Komposition und Interpretation sind hier auf Augenhöhe, die Qualität der Gestaltung ist nach wie vor unerreicht, immer noch, nach über dreißig Jahren. In einem musikalisch-künstlerisch ambitionierten Haushalt muss diese CD im Regal stehen, habe ich gesagt und damit nur wenig übertrieben. Bei jpc ist die CD gerade im Angebot, für lächerliche € 7,99. Am besten kauft man gleich mehrere Exemplare, zum Verschenken. Es spielt bei einem Kulturgut dieser Klasse auch keine Rolle, ob die Beschenkten die Musik wirklich mögen.

Vier letzte Lieder

5. November 2014

Das gestern eingestellte Gedicht „Kunst und Liebe“ von Richard Dehmel findet sich in der Ausgabe des S. Fischer Verlags Berlin von 1916 unter dem Titel „Eröffnung“. Ganze Textzeilen sind geändert, die Interpunktion weicht ab. Insgesamt ist der Tonfall ähnlich, doch nicht identisch.

Eröffnung

Jetzt sing ich dir das letzte Liebeslied.
Ich fühls bei jedem unsrer trauten Spiele,
daß mich ein Geist in seinen Dienst beschied,
der Geist der alten und der neuen Ziele.

Der duldet nicht in seinem weiten Bann
die allzu häuslich eingeengten Klänge;
und manchmal wandelt eine Pein mich an,
als ob ich fehl von unsern Freuden sänge.

Denn Meine Sprache ist für Alle da.
Doch was wir kaum in Seufzern uns gestehen,
was rein in Blicken zwischen uns geschah,
ist eine Sprache, die nur wir verstehen.

4. November 2014

Kunst und Liebe

Jetzt sing‘ ich dir das letzte Liebeslied.
Ein Brausen füllt mein Ohr wie Sturmesklage,
seit mich in seinen Priesterdienst beschied
der Geist der alten und der neuen Tage.

Der duldet nicht in seines Tempels Bann
die sinnberückend leichtgeschürzten Klänge;
und wehrend wandelt eine Scheu mich an,
daß fürder ich von unsrer Liebe sänge.

Denn meine Sprache ist für alle da!
Doch was wir so von Aug‘ zu Auge sehen,
was so in Seufzern zwischen uns geschah,
ist eine Sprache, die nur wir verstehen.
Richard Dehmel (1863 – 1920)

30. Oktober 2014

Stiller Gang

Der Abend graut; Herbstfeuer brennen.
Über den Stoppeln geht der Rauch entzwei.
Kaum ist mein Weg noch zu erkennen.
Bald kommt die Nacht; ich muß mich trennen.
Ein Käfer surrt an meinem Ohr vorbei.
Vorbei.
Richard Dehmel (1863 – 1920)

29. Oktober 2014

Heute, buchstäblich zum Frühstück, bin ich in weltberühmte Filmmusik geraten: Es lief das Harry-Lime-Thema aus dem Film „Der dritte Mann“, die Musik von Anton Karas (1906 – 1985), dem österreichischen Komponisten und Zitherspieler, der mit dieser Komposition einen Welterfolg landete. Keinem seiner übrigen Stücke war auch nur annähernd ein vergleichbarer Erfolg beschieden. Dieses Schicksal teilt er mit anderen Größen der Musikgeschichte, man denke an Max Bruch. Dessen Violinkonzert ist bis heute Favoritstück vieler Konzertbesucher, er selbst hat seine Zeitgenossen verzweifelt und vergeblich von der Qualität seiner restlichen Kompositionen zu überzeugen versucht. Oder wie fühlt sich jemand wie Ernst Nikolaus von Reznicek, der eine ganze Oper schreibt („Donna Diana“), von der aber nur die Ouvertüre überlebt? Wohl ähnlich wie ein Sternekoch, dessen berühmtes Amuse Gueule zwar dankbar angenommen wird, aber dessen nachfolgendes Menu keine Wertschätzung findet! Bestellen wir und schmeckt uns nur, was wir kennen? Lassen wir uns durch ein oft gespieltes Einzelstück, und sei es noch so meisterlich, nicht unser Gehör verstellen? Müssten wir nicht viel neugieriger sein, viel mehr stöbern, viel mehr kennenlernen? Könnte es nicht sein, dass wir dabei etwas Neues entdecken, etwas Ungewohntes, etwas Überraschendes, von dem wir bislang weder wussten, dass es das gibt, noch dass wir es mögen?     

26. Oktober 2014

„Man muss selbst keine Sau gewesen sein, um die Qualität eines Schnitzels beurteilen zu können.“ Dieser Satz fiel im Deutschen Sportfernsehen während eines Gesprächs über die Fußballereignisse vom Wochenende. Die Frage, ob Spieler oder Trainer sich in einer bestimmten Situation so oder so hätten verhalten müssen, erinnert mich an die immerwährende Diskussion über ausübende Musiker und Rezensenten. Muss ein Kritiker wirklich selbst ein Instrument gespielt haben, um zur Leistung eines Orchesters oder seines Dirigenten eine qualifizierte Meinung entwickeln zu können? Und wenn ja, muss er das Instrument auch im Orchester gespielt haben? Was ist mit Instrumenten, die im Orchester keine Rolle spielen, wie Klavier oder Gitarre? Wer gilt als Experte? Wer ist Kenner, wer Liebhaber? Welche Voraussetzungen müssen dazu erfüllt sein? Wie so oft, ruinieren auch hier ein paar schwarze Schafe den Ruf einer ganzen Zunft. Nur so konnte Oskar Werner sagen: „Es gibt zwei Arten von Kritikern. Die einen können mich am …, und die anderen dürfen nicht einmal das.“

23. Oktober 2014

Viele gehen durch die Gassen, und nur wenige schauen zu den Sternen hinauf.
Oscar Wilde

Haben wir die Sterne allerdings einmal gesehen, so wissen wir um sie und wollen sie immer wieder anschauen. Mit dem so veränderten Blick sehen dann übrigens auch die Gassen anders aus.

21. Oktober 2014

Hier der Bericht der Gießener Zeitung vom 15.10.2014 über den Vortrag über die Italienische Oper auf Einladung der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V. am 10.10.2014

Keine Scheu mehr vor der italienischen Oper: Wetzlarer Musikschulleiter Thomas Sander führte das Publikum über drei Jahrhunderte Operngeschichte mit Kompetenz und Humor

„Nach unserem Festakt zum 30. Jubiläum des Vereins konnten wir zum zweiten Mal dieses Jahr eine Veranstaltung im schönen historischen Saal der Musikschule Wetzlar organisieren“, freute sich die 1. Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V., Rita Schneider-Cartocci, am Freitagabend, 10. Oktober 2014, bei ihrer Begrüßung der über 50 Gäste, die bereits im Foyer mit einem Glas Prosecco und italienischen Grissini willkommen geheißen wurden. Schneider-Cartocci bedankte sich beim Musikschulleiter Thomas Sander, der einen informativen und gleichzeitig amüsanten Vortrag „für Anfänger/innen“ über die italienische Oper halten würde.

Mit seiner kurzweiligen Präsentation führte Sander das Publikum in rund zwei Stunden durch drei Jahrhunderte italienische Oper, von den Anfängen in Florenz im Jahr 1600 innerhalb der Adligengruppe „Florentiner Camerata“ bis zu den großen Komponisten des XIX. und XX. Jahrhunderts. Mit Kompetenz und Humor erklärte der Musikschulleiter, wie die Gattung der Oper sich entwickelt hat und wie die Einstellung des Publikums sich geändert hat. Während die ersten Zuschauer sich mit den griechischen Dramen geistig auseinandersetzen wollten, sucht das moderne Publikum Entspannung und Ablenkung vom Alltag im Theaterbesuch.

Und einen schönen Abend hatten auch die Besucher der Veranstaltung, die Musikbeispiele und Szenen aus berühmten Opern aus verschiedenen Epochen auf CD hörten und auf DVD schauten. Sander führte jedes Stück mit Anekdoten, Handlungen und verständlichen musikwissenschaftlichen Erklärungen ein, damit auch die unerfahrensten Zuhörer sich der Oper annähern konnten. Das Publikum konnte am Ende des Musikvortrags einen Überblick über die Gattung der Oper vom monodischen Singen der Barockzeit bis zu den Arien, Rezitativen und Ohrwürmern der moderneren Opern gewinnen.

Die Gäste haben beispielsweise mit der Toccata von Monteverdis „Orfeo“, dem turbulenten Finale des 1. Aktes von „Il barbiere di Siviglia“ Rossinis, den virtuosen Spielen mit der menschlichen Stimmen in Donizettis „Lucia di Lammermoor“, dem Anfang von „La Traviata“ mit dem berühmten Trinklied „Libiamo ne’ lieti calici“ und zum Schluss dem Finale der „Tosca“ Puccinis eine Kostprobe der Oper genossen und sind auf eine vollständige Aufführung neugierig geworden. Auch die Anwesenden, die noch nie in der Oper waren, werden hochwahrscheinlich in der nächsten Saison ohne Scheu vor dieser schwierigen Gattung ein Theater betreten.

DIG 10-10-2014

Die 1. Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V., Rita Schneider-Cartocci, bedankt sich bei Musikschulleiter Thomas Sander. Foto: Riva/DIG

Pause bis zum 20. Oktober 2014

14. Oktober 2014

Die Höhe der Gunst des Glücks wird oft durch die Kürze ihrer Dauer aufgewogen: denn das Glück wird es müde, einen so lange auf den Schultern zu tragen.
Baltasar Gracián (1601 – 1658), Handorakel und Kunst der Weltklugheit

13. Oktober 2014

Es war ein schöner Abend am letzten Freitag, an dem ich für die Deutsch-Italienische Gesellschaft Mittelhessen e.V. gut zwei Stunden lang über die Italienische Oper gesprochen habe. Mit DVD- und CD-Beispielen aus Werken von Monteverdi, Cavalli, Bononcini, Rossini, Donizetti, Verdi und Puccini konnte das natürlich nur ein kleiner Einblick sein. Für Erstaunen und Heiterkeit sorgen immer wieder die Querverweise auf andere Disziplinen, Gattungen oder Zeiten. Das berühmte Tosca-Zitat im James Bond-Film „Ein Quantum Trost“ zum Beispiel. Oder, weniger launig, die Frage nach den Motiven menschlichen Handelns überhaupt, mit unzähligen Beispielen aus Opernwerken sämtlicher Epochen. Warum handeln die Menschen so, wie sie handeln? Warum? Die Oper gibt es seit gut 400 Jahren. Die Frage sehr viel länger, von Anbeginn, seit es Menschen gibt.

10. Oktober 2014

Mit der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar e.V. ist für den 19. März 2015 um 19.00 Uhr eine Veranstaltung zum Thema „Musik in Österreich – Klassik und Romantik“ verabredet. In einem Vortrag im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule werde ich mich den bedeutendsten Komponisten Österreichs in der Zeit der Klassik und Romantik widmen. Ich werde ausgewählte Werke von Haydn, Mozart, Schubert und Bruckner – aber auch der „zugereisten“ Beethoven und Brahms – mit Beispielen von CD, DVD und live am Klavier vorstellen. Für die Zuhörenden gibt es zudem Informationen über biografische Hintergründe und zeitgeschichtliche Zusammenhänge. Wie immer sind für die Teilnahme keine besonderen Voraussetzungen nötig, Neugier und Interesse genügen.

7. Oktober 2014

Die Studienreise „Auf den Spuren der Beatles“ ist jetzt terminiert. Ab dem 19. April 2015 geht es für eine Woche nach London und Liverpool, mit zusätzlichen Aufenthalten in Cambridge, York und Colchester. Nähere Informationen (Reiseverlauf, Preise, Zusatzoptionen etc.) sind über das Sekretariat der Wetzlarer Musikschule zu bekommen.

Beatles

6. Oktober 2014

Ein junger Komponist muss genauso streng erzogen werden, wie wir als junge Leute erzogen wurden. Damit er nur herausbringt, wovon er denkt: Das ist das Beste, was ich geben kann. Denn es muss ja nun mal gemessen werden mit den Werten, die wir haben! Man darf nicht vernachlässigen, Maßstäbe zu setzen! Vieles von dem, was als Neue Musik gehandelt wird, ist weder neu noch ist es Musik!
Grete von Zieritz (1899 – 2001)

2. Oktober 2014

Nach längerer Pause habe ich mal wieder die Nr. 5 der Bachianas Brasileiras von Heitor Villa-Lobos gehört. Die Vokalise ist ungeheuer einprägsam, sie brennt sich beim ersten Hören gewissermaßen auf die geistige Festplatte, löschen ist schwierig. Auf www.kammermusikfuehrer.de ist das Besondere dieser Musik sehr zutreffend erläutert:

„In den Bachianas Brasileiras hat Villa-Lobos seiner Verehrung für die Musik Johann Sebastian Bachs Ausdruck verliehen. Die Bachischen Züge der neun Werke werden jedoch “brasilianisiert”, indem sie sich mit Elementen der Volksmusik Brasiliens verbinden. Dem Komponisten war die Folklore seiner Heimat nicht nur durch sein Musizieren mit den Choros, den Straßenbands in Rio, vertraut, sondern auch aufgrund ausführlicher Studien im brasilianischen Urwald. Angeblich soll er dabei Kannibalen in die Hände gefallen sein, die ihn nur deshalb verschonten, weil er so schöne Musik machen konnte. Im Paris der Zwanziger Jahre kamen solch abenteuerliche Geschichten aus dem Urwald besonders gut an, und mit ihrer Hilfe und dank der exotischen Küche seiner Heimat gelang es Villa-Lobos, seine “brasilianischen Soiréen” zur Sensation der Pariser High Society zu machen. Dabei gab er neben abenteuerlichen Geschichten von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt auch die originalen Melodien seiner Heimat zum Besten.

Diese Melodien Brasiliens mit den Formen Bachs zu verbinden, war für Villa-Lobos mehr als ein kapriziöser Einfall, in dem sich persönliche Vorlieben widerspiegelten. Er hatte zwischen beiden Musikstilen, so weit sie auch geographisch wie historisch auseinanderliegen mochten, strukturelle Gemeinsamkeiten entdeckt. Diese Erkenntnisse hatte er gleichsam im “Modellversuch” bei den Straßenmusikern Brasiliens erprobt und festgestellt, dass für sie die Musik Bachs eine ganz natürliche, unkomplizierte Angelegenheit war.

Diese Affinitäten brachten ihn 1930, nach seiner Rückkehr aus Paris, auf die Idee, Bach und Brasilien gemeinsam einen Zyklus zu widmen. Die Nr. 5 dieser Reihe ist die berühmteste, denn sie weist neben den vier Cellostimmen (wahlweise zu verdoppeln) einen Sopran auf. Dieser mischt sich gleich zu Beginn des Adagios mit einer langen Vokalise ins Geschehen, derweil die Celli eine Art freier Passacaglia im Fünfvierteltakt spielen. Herrliche, “Bachische” Vorhaltsdissonanzen bestimmen diesen Teil des ersten Satzes. Erst im schnelleren Mittelteil geht der Sopran zur Rezitation des ersten Gedichts von Ruth Corêa über, das vom Glanz des Mondes in der Nacht und der “Saudade” erzählt, dem unverwechselbaren portugiesischen Wort für Sehnsucht. Am Ende kehren die sehnsüchtigen Vorhalte des Beginns zurück, während der Sopran ins Summen übergeht.“

Villa-Lobos

1. Oktober 2014

Gestern Abend lief die Wiederholung einer „Tatort“-Folge des BR von 2007. Am Ende sagt die ausländische Putzhilfe, die ihren Arbeitgeber in den See seines eigenen Anwesens gestoßen hatte: „Hat großen Teich und kann nicht schwimmen. So ist Deutschland.“ Der Satz entbehrt nicht einer gewissen Komik und hat durchaus Analogien. Zum Beispiel „Hat großen Flügel und kann nicht Klavier spielen.“ Oder, vielleicht verbreiteter: „Ist gesund, sieht gut aus und hat Geld, aber kann nicht leben.“

29. September 2014

In den letzten Tagen habe ich einer Reihe von konfessionell gebundenen Akademien und Weiterbildungsforen meine Vorschläge für das kommende Jahr zukommen lassen. Insbesondere Vorträge zu Händels „Messias“, Requiem-Vertonungen mit Beispielen von Mozart, Brahms und Verdi sowie ein Vergleich von Kompositionen mit Hohelied-Texten von Renaissance bis Moderne stehen im Mittelpunkt. Interesse gefunden haben ebenso Vorträge und Seminare über Bachs Matthäus-Passion und die großen Messen von Mozart, Schubert und Bruckner. Der Vortrag über Haydns „Schöpfung“ findet in Wetzlar im Juni 2015 statt, weitere Termine – auch zu den genannten anderen Themen – werden wie immer im Kalender aktualisiert.

26. September 2014

Die erste Konzeption ist immer die natürlichste und beste. Der Verstand irrt, das Gefühl nicht.
Robert Schumann (1810 – 1856)

23. September 2014

In der nächsten Woche beginnt ein Chorprojekt, das ich mit Sängerinnen und Sängern in Wetzlar-Naunheim durchführen werde. Nachdem nun etwa zehn weltliche Chorprojekte hinter uns liegen, alle über die Wetzlarer Musikschule organisiert und dort aufgeführt, wollen wir uns nun in einem freien Projekt der geistlichen Musik widmen. Auf dem Programm steht unter anderem die Kantate „Also hat Gott die Welt geliebet“ für fünfstimmigen Chor und Instrumente von Johann Rosenmüller (1617? – 1684). Es ist wahrscheinlich das Stück, das ich auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde. Ein Stück Leben, gewissermaßen eine musikalische Dauerbegleitung. Ich habe das Stück mit fünfzehn Jahren kennen gelernt, auf einer Freizeit in Altenberg in NRW. Vollkommen unerwartet durfte ich damals das Cembalo spielen. Die Leitung hatte Prof. Martin Kemper, der mich am Klavier improvisieren gehört hatte und spontan fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei der Rosenmüller-Kantate Continuo zu spielen. Er traute mir das einfach zu! So saß ich da, fünfzehnjährig, begeistert, aufgeregt, stolz, völlig gefangen und berauscht von den Klängen dieser Musik. Es war Liebe auf den ersten Blick, nein auf das erste Hören, und diese Liebe ist bis heute geblieben. Ich habe das Stück dann in den achtziger Jahren mit dem Hertener Kammerchor einmal aufgeführt, ein zweites Projekt einige Jahre später kam nicht zustande. Jetzt ist es wieder soweit, manchmal brauchen die Dinge ihre Zeit. Es ist eine Art musikalisches „nach Hause kommen“, anders als jemals und doch so vertraut.

21. September 2014

Morgen werden wir uns im Abendkurs mit Mahler beschäftigen. In der letzten Stunde haben wir die 1. Sinfonie komplett gehört, die sich zum Einstieg ja ganz gut eignet. Jetzt wollen wir einzelne Sätze kennen lernen, z. B. den sechsten Satz aus der 3. Sinfonie und den vierten aus der 5. Sinfonie, das berühmte „Adagietto“. Das Stück kennen viele aus dem Film „Tod in Venedig“ (I 1971, Regie Luchino Visconti). Prisma Online schrieb damals, mit dem Film habe der italienische Regisseur ein „herausragendes Drama“ geschaffen, „das mit beeindruckenden Bildern eine Atmosphäre von dekadenter Todessehnsucht schafft“. Wir wollen morgen herausfinden, warum ausgerechnet Mahlers Musik so klingt, als sei sie für den Film eigens komponiert worden. Sehnsucht kommt von sehnen und suchen. Es gibt nicht viele Komponisten der Musikgeschichte, die dafür eine eigene Sprache in der Weise entwickelt haben wie Mahler – mit eigenem Vokabular, eigener Grammatik, eigener Rhetorik. Große Vorfreude!

17. September 2014

„Ich halte viel von Beethoven, vor allem von seinen Gedichten“, soll Ringo Starr einmal gesagt haben. Wer weiß, vielleicht ist das Zitat wirklich belegt. Humor, Ironie? Mag sein. Wir können uns nicht recht vorstellen, dass Ringo das wirklich gesagt hat. Aber möglich wäre es. So wie er sich eines Tages entscheiden musste, was er werden will – Musiker oder Schlagzeuger.

14. September 2014

Der englische Musikwissenschaftler Winton Dean schreibt in seinem Buch über Georges Bizet, dass der Grund für die einzigartige Stellung der Oper Carmen im „phänomenalen Gleichgewicht zwischen Bizets Musikalität und dramatischer Begabung“ liegt und dass er mit seinem Geschick „den Leidenschaften seiner Figuren in unübertrefflicher Weise Ausdruck“ verliehen habe. Im Schlusssatz des Carmen-Kapitels spricht Dean dann von einem „der größten musikdramatischen Werke aller Zeiten“. Wie schön, dass wir im Dezember nach München fahren und in der Bayerischen Staatsoper diese menschlichen Leidenschaften hautnah erleben werden!

11. September 2014

1945 drehte Alfred Hitchcock den Psychothriller „Spellbound“, mit Ingrid Bergman und Gregory Peck in den Hauptrollen. An dem Film ist viel Besonderes, zum Beispiel sind die unter der Federführung von Salvador Dalí entstandenen Traumsequenzen grandios. Auch die Filmmusik von Miklós Rózsa ist überragend, der Komponist wurde dafür mit einem „Oscar“ ausgezeichnet. Am beeindruckendsten indes ist das filmische Liebespaar selbst, das, allen Widrigkeiten trotzend, dem Titel seinen Sinn gibt: „Spellbound“ – hingerissen, fasziniert, verzaubert. Die auf diese Weise bereits im Titel ausgegebene Botschaft ist ein besonderer Geniestreich. Der deutsche Filmtitel ist zwar weniger elegant, doch im Wortsinne bezwingend, so als dulde er keine Widerrede: „Ich kämpfe um dich“ – erfolgreich, wie wir wissen.

9. September 2014

Bei der zuweilen besonderen Originalität von Gewinnspielfragen im deutschen Fernsehen wäre durchaus vorstellbar, dass bei der Frage „Was ist Lohengrin?“ als vorgegebene Antworten a) eine Oper von Richard Wagner und b) ein Schokoriegel zur Auswahl stünden. Nun, richtig wären überraschenderweise a) und b), denn die Oper ist Namensgeber eines in Norwegen sehr bekannten Schokoriegels. Der Riegel gehört zu den am längsten vertriebenen Süßwaren Norwegens und wurde 2009 zu einem nationalen Kulturgut erklärt. Die Schokolade wurde den Besuchern der norwegischen Premiere am 7. Dezember 1911 erstmals angeboten und bis 1914 ausschließlich am Nationaltheater verkauft  (Quelle: wikipedia). Dabei ist doch Lohengrin gar nicht süß, möchte man meinen. Mozart – der mit den gleichnamigen Kugeln – ja auch nicht…

8. September 2014

Rolando Villazón hat ein Buch geschrieben, „Kunststücke“. Hier positioniert er sich – nach bisher beeindruckender Karriere als Sänger – auch als ernst zu nehmender Schriftsteller, schreibt sinngemäß „Die Zeit“. Gerade ist eine neue CD mit Mozart-Arien erschienen, und doch, so wird uns mitgeteilt, arbeitet hier ein ausgewiesener Könner an etwas Neuem, an etwas, das er ebenso kann. Das ist dann wohl ein bisschen anders als in Ortheils „Die Erfindung des Lebens“, wo das neue Großartige nach dem alten Großartigen kommt, gewissermaßen aus Notwehr. Über Villazóns Gemütslage als Ausgangspunkt für seine „Kunststücke“ wissen wir nichts oder nur wenig. Wir können über seine Motive lange rätseln oder es bleiben lassen. Ebenso können wir die „Kunststücke“ lesen oder auch nicht. Was er uns mit seinem Gesang bisher geschenkt hat – mit Verdi, Mozart und Händel (!) – ist so über alle Maßen reich, da braucht es eigentlich nichts darüber hinaus.

6. September 2014

In den achtziger Jahren habe ich im Wiener Konzerthaus eine Aufführung der Bach-Kantate „Wier müssen durch viel Trübsal“ BWV 146 erlebt, mit dem Concentus Musicus Wien und dem Arnold-Schönberg-Chor unter der Gesamtleitung von Nikolaus Harnoncourt. Johann Sebastian Bach komponierte die Kantate in Leipzig für den dritten Sonntag nach Ostern, „Jubilate“. Die Aufführung war eine der schönsten, die ich je im Konzertsaal erlebt habe. Ich erinnere mich, dass auch die erste Orchestersuite in C-Dur gespielt wurde. Mit kommt diese Aufführung jetzt wieder in den Sinn, nach dreißig Jahren. Schon merkwürdig, was die Erinnerung uns bisweilen beschert.

3. September 2014

Nachmittags, im Café. Ich bestelle eine heiße Schokolade und sehe auf dem Tresen die Werbung „Cappuccino. Verliebt und aufgeschäumt.“ Passt das, verliebt und aufgeschäumt? Schäumt man nicht eher vor Wut? Was ist überhaupt „aufgeschäumt“? Ein Meer, ja, das kann zuweilen aufgeschäumt sein. Vom Sturm, so richtig mit Wellen, Wogen, Gischt und so weiter. Aber ein Cappuccino, im Becher? Denken wir an die Musik für Dallmayr – sofort erinnern wir uns an diese einschmeichelnde Klaviermusik, an die sanften, dahingleitenden Akkorde. Für Tchibo, Onko oder Darboven wurde kaum anders komponiert. Wer will sich denn auch über „aufgeschäumte“, tobende Klangkaskaden an Risiken wie Magenschleimhautreizung, Übelkeit, Schlafstörungen, Extrasystolen etc. erinnert fühlen? Mal abgesehen davon, dass – Italien als Ursprungsland muss hier als Vorbild gelten – kein vernünftiger Mensch nach 12 Uhr mittags noch Cappuccino trinkt. Sowohl Verliebte als auch die souverän über ihre Sinne Verfügenden sollten dann selbstbewusst ein anderes Getränk wählen, am besten nicht aufgeschäumt.

1. September 2014

In einem der kroatischen Strandcafés, das ich während meines Urlaubs gelegentlich besucht habe, lief in schöner Regelmäßigkeit eines der populärsten Stücke dieses Sommers, „All of Me“ von John Legend. Diese hübsche, gefühlvolle Ballade spricht die Sinne an – Sehnsucht, Melancholie und Zärtlichkeit mischen sich zu feinen, sensiblen Klängen. Jenseits sängerischer Aspekte habe ich mich immer gefragt, was denn das Besondere ist, das über das „gut und schön“ Hinausgehende. Nach mehrmaligem Hören dann die Erkenntnis, wenig spektakulär: Schon Johann Sebastian Bach hat seine Choräle so geschrieben, ja alle barocken Meister haben diese harmonischen Zutaten gekannt und in ihrem Kompositionsalltag verwendet. Simple Hauptdreiklänge, wenig Parallelen, bisweilen ein Vorhalt mit entsprechender Auflösung, dezent und unaufdringlich – fertig. „All of Me“ oder „Back to the Roots“. Schön zu wissen, dass Jahrhunderte alte Rezepte nach wie vor Verwendung finden, zumal in anderen, neuen Sparten.

Pause bis zum 1. September 2014

28. Juli 2014

Heute Abend „Eine Alpensinfonie“ von Richard Strauss. Dazu ein Auszug aus www.klassikakzente.de:

Er war 14 Jahre alt, als er sich auf eine Bergtour begab. Spät in der Nacht brach er auf. Dann wanderte er langsam in den Morgen hinein und erlebte mit großer Intensität die Schwelle zwischen Nacht und Tag: wie es langsam heller wurde und der junge Tag sich ihm in prächtigen Bildern der Berge darbot. Doch mit einem Schlag wurden ihm auch die Gefahren und Gewalten der Natur bewusst. Richard Strauss verlief sich heillos und geriet in ein schweres Gewitter. Nach einigem verzweifelten Suchen fand er aber Zuflucht in einer Berghütte.

Was macht ein musikalisch begabter Jugendlicher nach einem solchen Erlebnis? Er setzt sich ans Klavier und zeichnet die Geschichte nach. Erlebnisverarbeitung in pubertärer Manier, naiv und konkret, ohne symbolische Ambition. „Eine riesige Tonmalerei“, wie er es später kritisch ausdrücken wird, ein „Schmarren“. Das Erlebte drang in die Musik. Es wollte ausgedrückt werden.

Aber die Töne des Klaviers bekamen die Natur nicht zu fassen. Sie brachten etwas anderes zum Ausdruck. Wer die Natur erlebt, erlebt nicht allein ihre Farben, ihre Töne, ihren Rhythmus und ihre Proportionen, sondern zuallererst sich selbst, den Nachhall, den die Natur in seinem Inneren erzeugt. Und dieser Nachhall kann in Musik verwandelt werden. Er schafft die Verbindung zur Natur, die in der Musik später kaum ein anderer so symbolgetreu herzustellen wusste wie Richard Strauss.

25. Juli 2014

„Kunst ist eine Form von Krankheit“, soll Giacomo Puccini gesagt haben. Gut möglich, dass er dabei an seine Mimì, Tosca oder Turandot gedacht hat. Oder an Rodolfo, Cavaradossi und Kalaf. Wegen Fieber, Schlaflosigkeit, beschleunigtem Puls und so weiter. So gesehen ist auch die Liebe eine Form von Krankheit, bisweilen kaum mit Erfolg zu therapieren. Herzrasen kann man eben nicht mähen.

Herzrasen

23. Juli 2014

„Leben ist, was wir daraus machen“, hat Henry Miller (1891 – 1980) einmal gesagt, und die Wahrheit liegt oft am Rande, nicht in der Mitte, so meinte er weiter. Ist es so? Am erstaunlichsten ist wohl, dass das Unwahrscheinliche, das, worüber wir sagen, es sei „nicht zu fassen“, das im Wortsinne Fantastische, uns auf grandiose Weise zeigt, was das Leben ist, was es über das hinaus ist, was wir zu kennen glauben. Wir, die wir bisher dachten, doch so klug, so belesen, so erfahren zu sein!  Wer oder was beflügelt uns, was befähigt uns zu diesem Leben, wenn nicht Fantasie, Herzensweite, Leidenschaft, Vertrauen, Liebe? Leben ist, was wir daraus machen, ganz richtig. Andiam, incominciate!

……

Mit der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V. ist für Freitag, 10. Oktober um 19.30 Uhr (Wetzlarer Musikschule, Konzertsaal) ein Vortrag mit dem Thema „Einführung in die italienische Oper“ verabredet. Eine Zeitreise von den Anfängen der Florentiner Camerata über Monteverdi und Cavalli, mit Beispielen aus der Zeit des Belcanto mit Rossini, Donizetti und Bellini, über die beiden Großen, Verdi und Puccini, bis hin zu Nono und Henze. Welch ein Parcours! Molto lieto!

21. Juli 2014

Heute war „La Belle Époque“ in der Post – Lieder von Reynaldo Hahn, gesungen von Susan Graham, am Klavier begleitet von Roger Vignoles. In den Rezensionen heißt es, diese Musik trage dazu bei, „dass man sich besser fühlt, erholt, getröstet, irgendwie erhaben – und auf schönstmögliche Weise unterhalten.“ An anderer Stelle sagt jemand, es seien „Salon-Lieder – nicht mehr, aber auch nicht weniger“, und in Maßen genossen machten diese Lieder „schlicht und einfach glücklich“. Das ist durchaus nicht übertrieben. Der Kompositionsschüler von Jules Massenet und Kommilitone von Maurice Ravel hatte die Gabe, kaum Sagbares in filigrane, fein gesponnene Klänge zu hüllen. Pastellfarben grundiert, mit zarten Pinselstrichen und dezent-floralem Parfum entstehen sensible Klangbilder – traumverloren, erstaunt, verliebt. Unbedingt anhören!

18. Juli 2014

„Der Wein ist deshalb so gefährlich, weil er nicht die Wahrheit ans Tageslicht bringt, sondern gerade ihr Gegenteil: Er enthüllt die vergangenen, vergessenen und erledigten Geschichten der Menschen, und nur bedingt ihren gegenwärtigen Willen. Er bringt willkürlich all die flüchtigen Gedanken ans Licht, mit denen man vor längerer oder kürzerer Zeit gespielt und die man wieder vergessen hat. Er spottet der Absicht, irgendetwas zu streichen, er liest alles aus dem menschlichen Herzen, was trotz der Streichung immer noch lesbar geblieben ist. (…) Kurz, unsere ganze vergangene Schicksalsgeschichte bleibt für immer irgendwie lesbar, und der Wein liest alles laut vor und schreit es in die Welt hinaus, ohne sich um die Korrekturen zu kümmern, die das Leben später hinzugefügt hat.“
Italo Svevo, Zeno Cosini

Verhält es sich nicht mit der Musik ebenso? Bringen nicht Klänge und Melodien, die wir vor vielen Jahren kennen gelernt, gesungen und gespielt haben, Erinnerungen zurück, ganz nah und unmittelbar? Wie oft sagen wir „als wäre es gestern gewesen“, wo doch Jahre ins Land gegangen sind, in denen wir uns und unser Leben neu geordnet haben, vielleicht mehrfach! Die Musik kennt eben auch keine „Korrekturen“, sie bleibt immer bei sich und macht die „Streichungen“ im Herzen lesbar, sichtbar, hörbar – wie schön!

16. Juli 2014

„Pli selon Pli“ ist noch immer das Opus magnum des weise gewordenen Bilderstürmers Pierre Boulez. Er, der beständig an seinen Werken feilt, sich selten mit einer Version zufrieden gibt, ließ sich über dreißig Jahre Zeit, um „Pli selon Pli“ zu vollenden. Im Grunde liegt das Werk seit 1962 vollständig vor, doch beschäftigte es Boulez bis 1989, dem Jahr der letzten Revision und endgültigen Fertigstellung.
Thomas Schulz in „Rondo“, Mai 2002

Ich selber komme immer wieder auf dieses Werk zurück, nicht nur in Kursveranstaltungen. Ein Kosmos von klanglichem Reichtum, von Unvorhergesehenem und Unvorhersehbarem, mit unzähligen Möglichkeiten! Dreißig Jahre bis zur „endgültigen Fertigstellung“, so lesen und lernen wir. Sonderlich erstaunt sind wir darüber nicht.

Boulez

15. Juli 2014

Der tschechische Komponist Leoš Janáček (1854 – 1928) studierte in seiner mährischen Heimat die „Sprachmelodie“ seiner Landsleute, zudem zeichnete er in Noten möglichst exakt den Gesang der Vögel und andere Naturlaute auf. Rolf Sudbrack berichtet über ein Interview mit Janáček kurz vor dessen Tod: „Für ihn habe die Musik, sagte Janáček, so wie sie aus den Instrumenten klänge, wenig Wahrheit. Aber wenn er dem Klang eines redenden Menschen lausche, höre er am Tonfall, was in ihm stecke, ob er lüge, ob er erregt sei. Die Sprachmelodie sei ein Fensterchen in die Seele des Menschen.“ In seinem 2. Streichquartett, den „Intimen Briefen“, hat Janáček diese Sprachmelodie wunderbar verarbeitet, gewissermaßen als musikalische Camouflage. Hier spricht jemand, dem vor Herzensfülle der Mund überläuft. Und der uns ein melodisches Hörbuch schenkt, verspielt, souverän, frei.

Janacek

13. Juli 2014

“If you care about something you have to protect it – If you’re lucky enough to find a way of life you love, you have to find the courage to live it.”
John Irving, A Prayer for Owen Meany

10. Juli 2014

„Im Herzen sind wir alle noch Romantiker“, hat Leonard Bernstein einmal gesagt. Was ist romantisch? Gefühlsbetont, fantasievoll, beseelt, empfindsam, feinsinnig? Wie auch immer, es gilt, die Sprache des Herzens zu hören und sie zu verstehen! Vielleicht haben wir unsere Herzensrufe lange Zeit überhört. Oder wir haben sie gehört und nicht verstanden, wie eine fremde, uns unbekannte Sprache. Vielleicht haben wir sie aber auch sehr gut verstanden (weil ja die Sprache so furchtbar schwierig gar nicht ist), und es fehlte uns nur an Zutrauen, Offenheit, Mut, Beherztheit (!) oder Courage.

Wie sich in der Musik die wesentlichen Dinge im piano vollziehen, so ereignet sich das Lebenswichtige zumeist in Momenten der Einkehr, des Innehaltens, der Stille. Dann, nur dann können wir verstehen, erkennen, begreifen. Das Herz ist uns immer etwas voraus, es weiß so vieles früher als wir selbst. Und es erzählt uns gerne davon! Wir müssen nur bereit sein zu hören, dann ist alles möglich: Leben, Liebe, Glück.

 

8. Juli 2014

Am Freitag der nächsten Woche findet das Abschlusskonzert des diesjährigen Chorprojektes in der Wetzlarer Musikschule statt. Auf dem Programm stehen Chorsätze von Armin Knab, Gustav Jenner und Johannes Brahms, dazu gibt es acht Lieder von Armin Knab. Die Sopranistin Kira Petry wird diese wunderbaren Stücke singen, ich werde sie am Klavier begleiten. Allein das Goethe-Lied „Bleibe bei mir“ (Es-Dur!) – ich habe selten ein Lied aufgeführt, das mich beim Hören, beim Proben, beim Spielen so bewegt hat wie dieses. Knab schreibt hier äußerst kunstvolle, ungewöhnliche Akkordfolgen von glutvoller Intensität und Ausdruckskraft. Alles ist hier außergewöhnlich, und die letzten zwei Zeilen sind einfach unbeschreiblich.

Bleibe, bleibe bei mir,
holder Fremdling, süße Liebe,
holde, süße Liebe,
und verlasse die Seele nicht!
Ach, wie anders, wie schön
lebt der Himmel, lebt die Erde,
ach, wie fühl ich, wie fühl ich
dieses Leben zum ersten Mal!

6. Juli 2014

Gestern hat die Mannschaft der Niederlande bei der Fußball-WM das Halbfinale erreicht. Das ist schön, hören wir doch so noch zwei weitere Male die Nationalhyme „Wilhelmus van Nassouwe“ (Komponist unbekannt). Die Hymne, für meinen Geschmack von allen die melodisch schönste, hat etwas sehr Besonderes: Sie klingt würdevoll und royal, ist aber nie zu pompös oder gar lärmig, übrigens auch dann nicht, wenn sie ausschließlich von Blechbläsern gespielt wird. Und noch etwas, für Kenner: Die Hymne enthält Taktwechsel. Sie beginnt geradtaktig, mit zwei verkürzten Halbschlüssen, um dann im letzten Teil in den ¾-Takt zu wechseln. Das Schöne daran ist, dass man erst mit einer gewissen Verspätung wahrnimmt, auf welche Weise Takt und Rhythmus hier ineinander greifen. Der Rhythmus besteht dabei weitgehend aus Vierteln und Achteln, mit nur wenigen, aber gezielt auf die Taktschwerpunkte gesetzten Halben. Das gibt dem melodischen Fluss eine große Ruhe, insbesondere durch den Einsatz von „großen“ Dreiertakten, sogenannten Hemiolen. Die Entscheidung darüber, ob die Niederlande Fußball-Weltmeister werden, fällt erst in ein paar Tagen. Die Hymne indes hat den Titel schon jetzt allemal verdient.

3. Juli 2014

Da war sie wieder, die Erkenntnis, dass Oper nichts Künstliches, Fremdes, Entlegenes, Unwirkliches ist – nein, sie hat unmittelbar und auf sehr berührende Weise mit uns und unserem Leben zu tun! Nach Ausschnitten aus „La Traviata“ und „Rigoletto“ sitzen Kursteilnehmer/-innen sprachlos da, beeindruckt, bewegt. Natürlich wegen Netrebko und Villazón, wegen Deckers Inszenierung, wegen Rizzis Tempi, wegen Verdi sowieso. Wir wissen, es ist große Kunst, und wir genießen sie. Aber das ist nicht das Eigentliche, das Wesentliche. Wir spüren mit unvermuteter Intensität, dass hier unsere ureigenen Fragen gestellt werden. Das, was uns bewegt, was uns umtreibt. Etwas, dem wir uns stellen müssen, das uns zu Positionierung, nein, zu Haltung zwingt. Was ist unser Credo? Und in welchem Leben wollen wir ihm folgen, wenn nicht in diesem? Wir könnten, wenn wir denn wollten, ganz andere Saiten aufziehen! Und die, welche da jetzt so wundersam klingen und unsere Herzen erfüllen, diese ehedem verschüttet und verstimmt geglaubten Saiten, sie weisen uns den Weg.

1. Juli 2014

Auf www.glamour.de habe ich ein paar sehr schöne Filmzitate gefunden, manche sind ganz wunderbar. Bei einigen von ihnen ist es nicht einmal nötig, die entsprechende Szene zu kennen.

Wie ein einziger Tag
„Ich kann ziemlich witzig sein, wenn du willst. Nachdenklich, klug, abergläubisch, tapfer, vielleicht ein guter Tänzer… Ich kann sein, was du willst. Sag mir, was ich sein soll und ich bin es für dich.“ (Duke)

Real Love
„Ich bin nichts Besonderes. Er ist nichts Besonderes. Zusammen sind wir was.“ (Caroline)

Die fabelhafte Welt der Amélie
„Ohne dich wären die Gefühle von heute nur die leere Hülle der Gefühle von damals.“ (Zitat des Schriftstellers Hipolito)

Vanilla Sky
„Eines Tages wirst du wissen, was wahre Liebe ist. Es ist das Saure und das Süße. Das Saure kenne ich, deshalb weiß ich das Süße zu schätzen.“ (Brian)

Harry und Sally
„Wenn man begriffen hat, dass man den Rest des Lebens zusammen verbringen will, dann will man, dass der Rest des Lebens so schnell wie möglich beginnt.“ (Harry zu Sally)

Sweet Home Alabama
„Warum willst du mich heiraten?“ „Damit ich dich küssen kann, wann ich will!“ (Jake zu Melanie)

Stadt der Engel
„Wenn ich gefragt werde, was mir am besten gefallen hat, dann sage ich, das warst du.“ (Seth zu Maggie)

30. Juni 2014

„Es war immer und in allen Vorstellungen ein Rausch sondergleichen“, erinnert sich Brigitte Fassbaender. „Kein Abend, an dem mir nicht das Herz in die Magengrube gerutscht ist.“ Abende, die zum Größten gehören, was sich an der Bayerischen Staatsoper je ereignet hat: Dirigierte dort Carlos Kleiber seinen geliebten „Rosenkavalier“, herrschte Ausnahmezustand. Beschreiben konnte man das schon bald nicht mehr. Nur genießen. Und hoffen, dass es nie vorbeigeht.
merkur-online, 28.11.2008

Was heißt das, „dass es nie vorbeigeht“? Es heißt, dass wir seither nicht mehr dieselben sind, dass wir es nie mehr anders hören und spüren wollen, dass, wie es bei Rilke heißt, „alles, was uns anrührt, dich und mich“, uns zusammen nimmt „wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.“

29. Juni 2014

Don Giovanni als ergrauter, müder und desillusionierter Alt-Womanizer mit Gehhilfe (nicht Gehilfe, aber das auch noch!) – die Oper in Frankfurt am Main hat sich getraut, den Fokus auf die Titelfigur der Mozartoper einmal ganz anders, nämlich in der beschriebenen Weise auszurichten. Das ist für sich genommen in Ordnung – indes hochproblematisch, denn es hat erhebliche Auswirkungen auf den Ausdrucksgehalt der Musik! Muss der erfahrene Charmeur und Verführer jetzt wirklich „Là ci darem la mano“ und später „Deh vieni alla finestra“ derart spröde, sachlich, ohne jeden Schmelz, ohne jedes Anzeichen von Verliebtheit intonieren? Muss er, der zu emotionalen Ausbrüchen nur noch fähig ist, wenn ihn sein Zynismus überkommt, wirklich „lust“los singen? Das mag seitens der Regie alles in sich schlüssig sein – „er kann eben nicht mehr wie früher, er will vielleicht gar nicht, er ist halt verbraucht“ oder so ähnlich – es lässt jedoch die Dimension der Mozartschen Musik, die ja gerade das Unsagbare, das Textlose, das Eigentliche so meisterhaft und wunderbar transportiert, völlig außen vor – und das geht nicht! Don Giovanni mag als alter Haudegen herz- und seelenlos daherkommen, who cares? Aber die Musik und das, was letztlich über allem steht, ist im Wortsinne bezwingend und wird es immer sein. Das allerdings wäre ein schöner Ansatz gewesen: Liebe schlägt Alter.

26. Juni 2014

„Bis die Tachonadel knickt“
Gespräch mit der Schauspielerin Bibiana Beglau
aus: Der Spiegel 23/2014

(…) Den Stillstand verachtet auch die Schauspielerin Beglau. „Wir leben in einer zwangsberuhigten Gesellschaft“, behauptet sie. „Ständig reden alle von Wellness und wollen an ihren Kräften sparen.“ Fast jeder strebe nach Entspannung. „Wozu denn? Die Menschen in unserem Land sind so schrecklich entspannt, dass sie mit vierzig ein Burn-out haben! Da frage ich: Was haben die denn eigentlich verbrannt?“ Überall werde davon geredet, bloß den Ball flach zu halten, sich zu schonen, mal lockerzulassen. „Und trotzdem erwischt uns das Burn-out! Wie wenig haben wir denn zu verbrennen, wo wir doch die ganze Zeit an uns gespart haben?“ (…) „Ich will keine Unterhaltung, ich will die große, schwere Kunst“, sagt sie. „Es ist nicht zu viel verlangt, sich jedes Mal fundamental einzulassen und sich kopfüber reinzustürzen in ein Stück, statt auf Nummer sicher zu gehen.“

Danke, Bibiana Beglau! Das musste mal raus, und zwar genau so.

Beglau

24. Juni 2014

„Sollen wir schon reingehen, oder magst noch schauen?“, sagt ein älterer Herr zu seiner Begleiterin. „A bissl können wir schon noch schauen“, lautet die Antwort. Immerhin wollen all die ausgesuchten Garderoben auch gesehen werde. Die Operngänger ziehen sich angemessen an – oder zumindest so, wie sie es für angemessen halten.

München ist wahrscheinlich die einzige Stadt, in der man in der Oper dasselbe tragen kann wie auf der Wiesn. Das Festtagsdirndl ist besonders bei Frauen um die 50 beliebt. „Das Publikum zieht sich wieder besser an als früher, zu Jonas-Zeiten“, urteilt Frau Knappik, „man sieht kaum noch Jeans.“ Stattdessen: „Junge Mädchen in kürzesten Röcken und höchsten Stilettos, für mich eine Freude, das zu sehen.“

Überhaupt, die jungen Menschen. Der Großteil der Besucher ist definitiv im Rentenalter, aber ein paar junge gibt es doch, die dafür verantwortlich sind, dass das Durchschnittsalter noch bei flotten 57 liegt. Die jungen Operngänger sehen entweder aus wie gut erzogene Töchter und Söhne oder wie Musikstudenten – aber nie wie beides gleichzeitig. (…)

Im Parkett sitzen Menschen, die für eine Opernkarte so viel Geld ausgeben wie andere für eine Woche All-inclusive-Urlaub in Bulgarien, wobei es zwischen diesen beiden Gruppen keine nennenswerte Schnittmenge geben dürfte. Auf den unbequemen altrosa Klappsesseln geht, solange das Licht anbleibt, das Schauen weiter. „Des is ja wieder a Who-is-who hier“, kommentiert eine Dame, nachdem sie von Reihe neun aus einem Bekannten in Reihe sechs gewinkt hat.

Den besten Blick aufs Publikum in seiner ganzen Masse und Pracht hat man von den Rängen aus. Hier sitzen diejenigen, die weniger aufs Gesehenwerden geben (denn man sieht sie unter den niedrigen Decken auch kaum) und dafür umso mehr auf die Musik. Sie geben sich beinahe ganz dem Hören hin – manchmal notgedrungen, denn besonders von der Seite sieht man von der Bühne gerade mal ein Eckchen. (…)

Die ersten Augenblicke nach dem Öffnen des Vorhangs sind die spannendsten, sie können viele Überraschungen hervorbringen. „Der singt ja Italienisch!“, wundert sich ein Mann im Trachtenjanker laut beim ersten Auftritt in „Aida“. Nun entscheidet sich, ob man den Abend mögen wird oder nicht. Große Teile des Publikums sehen das nämlich allein an Kostümen und Bühnenbild. Als bei der „Entführung aus dem Serail“ Statisten mit Fußballschals um den Hals die Bühne betreten: deutlich hörbares Murren. Als sich die Eunuchen erst das Hemd, dann die Hose ausziehen: beinahe ungehaltenes Raunen. „Na, nicht schon wieder Nackerte“, fürchtet sich eine Frau. Erleichterung, als die Unterhosen anbleiben.

In der Pause wird bei Verlassen des Saals diskutiert: „So langsam kommt’s ja.“ „Ich find’s schön, so modern“ oder „So eine wunderbare Inszenierung, so konventionell!“ Das Publikum drängt in die hübsch altmodischen „Erfrischungsräume“. Im WC-Vorraum mit der blauen Seidentapete drängeln sich vor Spiegeln Damen, die sich nachschminken, zupfen, richten und pudern, die Herren stehen derweil am Büfett an und kaufen, je nach Großzügigkeit, Sekt (5 Euro) oder Champagner (13,50 Euro), Tatarschnitten, Sachertorte oder „Operntoast“ (Käse-Schinken).

An Frau Knappiks Stand steht ein Mann um die 60, mit Hut und Fliege, auf der Oberlippe ein sorgsam gestutztes Menjou-Bärtchen und kauft Netrebko-Postkarten, für die „Daheimgebliebenen“, sagt er. „Ich habe heute Mittag den ICE aus Köln genommen, dann war ich im Dürnbräu essen, gleich gibt’s hier noch was Schönes vom Käfer, nach der Vorstellung noch einen Absacker und dann mit dem ICE um 3.20 Uhr zurück. Das mach ich immer so.“ Dann säuselt er rheinisch hinterher: „Die Operfans, die sind genauso jeck wie die Fußballfans.“ (…)

Nach dem Applaudieren setzt sich das Münchner Publikum ins Taxi, die Tram, den Reisebus nach Bad Feilnbach oder Traunstein, manchmal auch aufs Radl, die Tiefgarage spuckt BMW, Porsches und Audis aus. Ein paar Getreue harren vor dem Bühneneingang aus, warten, oft bis zu einer Stunde, auf die Solisten, auf La Gruberova, die Netrebko oder den Kaufmann, um ein Autogramm zu kriegen oder Blumen zu überreichen.

Am unteren Ende der Treppenstufen des Nationaltheaters sitzt, wie fast nach jeder Vorstellung, ein Obdachloser. In der Mütze vor ihm liegen eine Euromünze und ein 50-Centstück. Verdient er was, am Münchner Opernpublikum? „Viel geben sie nicht“, sagt er und zeigt beim Lächeln seine Zahnlücken. „Aber ich bin da niemandem böse. Kleinvieh macht auch Mist.“
aus: www.sueddeutsche.de, 22.06.2011

22. Juni 2014

Vor ein paar Jahren wurde der Verein „Karanjorro – Bildung und nachhaltige Entwicklung in der senegalesischen Savanne“ gegründet. Ich helfe seither mit, für die Kinder in M’bour (südlich von Dakar) bessere Bildungschancen zu schaffen. Der Verein hat seit seiner Gründung durch zahlreiche Aktivitäten ein beachtliches Spendenaufkommen generiert. So wurden ein Brunnen gebaut, Unterrichtsräume und Toiletten errichtet, Tische, Stühle und Lehrmaterial angeschafft und über die staatlichen Behörden Lehrkräfte verpflichtet. Mittlerweile wird vor Ort Unterricht für über dreißig Kinder vorgehalten, in der Mehrzahl Mädchen.

Für den 28. September 2014 um 17.00 Uhr ist nun ein Benefizkonzert geplant, der Erlös soll die Arbeit von „Karanjorro“ weiter unterstützen. Im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule werden dann Märchen für Groß und Klein erzählt, dazu spiele ich Improvisationen am Klavier. Märchenhaft, versteht sich. Herzliche Einladung!

19. Juni 2014

Kunst heißt, nicht wissen, dass die Welt schon ist, und eine machen. Nicht zerstören, was man vorfindet, sondern einfach nichts Fertiges finden. Lauter Möglichkeiten. Lauter Wünsche. Und pötzlich Erfüllung sein, Sommer sein, Sonne haben.

Künstler sein heißt: nicht rechnen und zählen; reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht ohne die Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch. Aber er kommt nur zu den Geduldigen.

Die Menschen sind so furchtbar weit voneinander; und die, welche einander lieb haben, sind oft am weitesten… Es kommt darauf an, dass man einmal im Leben einen heiligen Frühling hat, der einem so viel Licht und Glanz in die Brust senkt, dass es ausreicht, alle ferneren Tage damit zu vergolden.
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

18. Juni 2014

Celibidache probt Bruckners Neunte – mit den Münchner Philharmonikern, 1991 – und sagt, Musik sei nicht „interpretierbar“, eine Strecke von Plön nach Eutin könne man auch nicht interpretieren, sondern nur „erleben, erfahren“. Für einen Dirigenten, so sagt er weiter, gibt es auf diesem Weg der Erfahrung unzählige „Neins“: „Zu schnell, zu langsam, zu laut, zu spät… “ Er macht eine Kunstpause und fügt hinzu: „Und Ja: nur ein einziges.“ Dann erzählt er, dass er am Abend vor Konzerten immer die Partitur nimmt, sie liest und dabei all sein bisheriges, angehäuftes Wissen verbannt, um frei zu sein für das Erleben, für das Erfahren. – Der Pianist Edwin Fischer hat einmal gesagt, „Kunst und Leben sind nichts Getrenntes, sondern eine Einheit.“ Noch Fragen?

15. Juni 2014

Nur in der Vorstellungskraft des Menschen findet jede Wahrheit einen wirkungsvollen und unbestreitbaren Fortbestand. Phantasie, nicht Erfindung, schafft in der Kunst wie im Leben das ganz Besondere.
Joseph Conrad (1857 – 1924)

13. Juni 2014

Vor etwa zehn Jahren habe ich an der Wetzlarer Musikschule damit begonnen, im Bereich der musikalischen Erwachsenenbildung regelmäßige Angebote zu etablieren, insbesondere außerhalb des Instrumentalunterrichtes. Im Laufe der Jahre ist für musikalisch Interessierte eine breite Palette mit vielen Möglichkeiten des Teilnehmens entstanden, das Spektrum reicht von Vorträgen und Kursen zu Themen der Musikgeschichte über Chorprojekte bis hin zu Opern- und Konzertreisen.

Die Musikschule lädt jetzt zu einem kostenlosen Informationsabend am Donnerstag, 26. Juni um 19.30 Uhr in den Konzertsaal am Schillerplatz ein. Ich werde einen Einblick in laufende und kommende Kursangebote geben mit Ausschnitten von CD, DVD und live am Klavier. Bis zu den Sommerferien besteht dann kostenlos und unverbindlich Gelegenheit, in einzelne Veranstaltungen hinein zu schnuppern. Herzliche Einladung!

Rund um Musik (ohne Rahmen)

11. Juni 2014

Heute vor 150 Jahren wurde Richard Strauss geboren. Das Feuilleton und die Fachpresse, die Musik- und Kulturzeitschriften sind nicht gerade zurückhaltend mit Würdigungen und Lobgesängen auf diesen großen Komponisten, zu Recht. Hier und da allerdings finden sich auch die hinlänglich bekannten, kritischen Kommentare zu seiner kulturpolitischen Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus. Den Vogel schießt die Neue Musikzeitung ab, in der Albrecht Dümling sich zu der Aussage versteigt, Strauss habe „Politik und Geschichte (…) nur unter dem Aspekt des persönlichen Nutzens“ betrachtet, und zu dem Urteil kommt: „Dass der einstige Avantgardist seit dem Rosenkavalier kaum noch musikgeschichtlich wegweisende Werke geschaffen hatte, hat er selbst nicht mehr wahrgenommen.“

Umso wohltuender ist ein Interview mit Christian Thielemann, das die Wetzlarer Neue Zeitung heute abdruckt (dpa). Hier wird der Maestro zitiert mit Sätzen wie: „Vor allem sein Spätwerk birgt noch so manchen Schatz. Dieses gilt ja gemeinhin als spröde, ist es aber nicht: Man muss nur genauer hinhören.“ Und schließlich: „Das ist wie bei Wagner und Mozart. Strauss‘ Musik berührt die Menschen auch heute noch unmittelbar. Und sie hat nichts von ihrer Aktualität verloren.“

9. Juni 2014

„Nichts wahrhaft Gutes war jemals einfach.“ Dieser Satz aus Zwei an einem Tag von David Nicholls wird in der noch zu komponierenden Oper (Komponist Hans Osterdam) am Ende des zweiten Aktes von Emma Morley (Sopran) gesungen, ein einziges Mal, ohne Wiederholung, unisono, nur von Bläsern begleitet. Wie in Stein gemeißelt, für uns mahnende Erinnerung wie gleichermaßen Versprechen auf alles Kommende. Im englischsprachigen Raum wird die Stelle traditionell wiederholt, dann in der übersetzten Fassung, mit dem Text „The best is yet to come“. Es folgt der dritte und letzte Akt, und anders als bei Nicholls wird Emma nicht nur überleben, sondern zusammen mit Dexter (Tenor) die Zukunft erobern. Märchenhaftes Schlussduett in Es-Dur, im pianissimo verklingend, nur Streicher und Harfe, engelsgleich, englisch.

7. Juni 2014

Musik hat in ihrer Dringlichkeit, Klang zu werden, in ihrer Eile, an die Welt zu kommen, sich zu manifestieren, die Eigenart, Manifeste, die sie betreffen, immer wieder überflüssig zu machen: Der Weg, den sie einschlägt, ist niemals der erwartete, niemals der geforderte, niemals der vorgeschriebene.

Die Musik für das Theater muss ihre Hörer betören, verzaubern, verschrecken, beschwören, verführen, unterhalten, bei der Hand nehmen und in nächtliche Zaubergärten einlassen oder in gleißendes Tageslicht stoßen.
Hans Werner Henze (1926 – 2012)

Das beste Libretto indes schreibt zuweilen das Leben selbst. Und dann stehen wir da, unendlich erstaunt, bereit für nächtliche Zaubergärten wie für gleißendes Tageslicht, nicken stumm und lächeln über uns selbst, denn tief darinnen haben wir es ja schon immer gewusst.

6. Juni 2014

Hat denn nun endlich jeder den Film „Der König tanzt“ (Le Roi danse, F/D/B 2000) gesehen? Vor vierzehn Jahren mittlerweile wurde dieses Kunstwerk geschaffen, das Aufstieg und Fall des Komponisten Jean-Baptiste Lully am Hofe des französischen Königs Ludwig XIV. erzählt. Drei César-Nominierungen erhielt der Film, darunter eine für Boris Terral für seine überragende Darstellung des Lully. Tchéky Karyo als Molière steht dem in nichts nach, dazu sind die Frauenrollen mit Cécile Bois als Lullys Ehefrau Madeleine und Claire Keim als Julie glänzend besetzt. Die Musik wurde von Musica Antiqua Köln unter Reinhard Goebel eingespielt. Was immer in Erinnerung bleiben wird, ist die Szene, in der Lully seinen König, der mit dem Tode ringt, gesund spielt. Wann je haben wir eine so zärtliche, berührende Musik gehört? Der film-dienst nannte „Der König tanzt“ ein „opulent gefilmtes und eindringlich gespieltes Historiengemälde, in dem Bilder, Musik, Tanz, persönliche Schicksale und politische Hintergründe zu einer rauschhaften Choreografie verschmelzen, die die Sinne des Zuschauers gleichermaßen fesselt wie betört.“ Genauso ist es!

Der König tanzt

3. Juni 2014

Es war ein großes Wort: »Die Zeit und ich nehmen es mit zwei Andern auf.« Dies soll Philipp der Zweite gesagt haben. Das Glück selbst krönt das Warten durch die Größe des Lohns.
Baltasar Gracián (1601 – 1658), Handorakel und Kunst der Weltklugheit

1. Juni 2014

Bitte unbedingt wieder und wieder ansehen: „I am lost to the world“, die Dokumentation über Carlos Kleiber (DVD, 2011). Sein Charisma und seine Aura waren überwältigend, seine musikalische Inspiration und Gestaltungskraft „wie vom Himmel“, so einer der zahlreichen Zeitzeugen, die hier zu Wort kommen. Orchestermusiker, Intendanten, Regisseure, Sänger und weitere Weggefährten äußern sich eine Stunde lang zu Kleibers Probenarbeit und seinen Konzerten, dazu gibt es Ausschnitte aus diversen Aufführungen. Und die Erkenntnis, sofern wir es nicht schon wussten, dass er uns ein für allemal verdorben hat. Wir können vieles gar nicht mehr anders hören als genau so! Das Arbeiten mit ihm war indes nicht nur rauschhaftes Vergnügen. Man kann eben, so hören wir, „nicht jeden Tag Pralinen fressen.“

27. Mai 2014

Aus „La Gran Opera“, Gounod „Faust“: «Die Personen sind menschlich, manchmal sogar unangenehm menschlich. Sie haben edle Gefühle, aber auch Schwächen. Ihre Gefühle geraten in Konflikt mit ihrem Gewissen, ihren Überzeugungen und Wünschen. Und dieser Konflikt bringt sie sogar dazu, den gesellschaftlichen Konventionen zu trotzen…»

Aus „La Gran Opera“, Berlioz „Fausts Verdammnis“: «Die Musik – vielleicht jede, nicht nur die romantische – hat Gründe, die die Vernunft nicht kennt, oder wie Berlioz sagt: Die Musik macht, was sie will.»

25. Mai 2014

Das Stadttheater Gießen spielt zurzeit in deutscher Erstaufführung die Oper „Die Eroberung von Granada“ (La conquista di Granata) von Emilio Arrieta. Ich selbst habe das Stück noch nie gehört oder gesehen, das wird sich ändern, denn das Theater verspricht Großes: „In seiner an musikalischen Einfällen überbordenden Partitur verbindet Emilio Arrieta italienische Melodik mit spanischer Rhythmik und Eleganz. Zunächst hatte der spanische Komponist in Italien eine Karriere als Kastrat eingeschlagen, bevor er als Günstling der Königin zum Hofkomponisten von Madrid ernannt wurde. Dort erfolgte 1850 die Uraufführung der Oper.“ Gießen ist auf dem Gebiet des Musiktheaters seit Jahren sehr rührig, fantasievoll und durchaus mit Pioniergeist unterwegs, das zeigt die Wahl der Arrieta-Oper erneut. Vorfreude!

23. Mai 2014

Joe Cocker vor ein paar Tagen 70, Charles Aznavour gestern 90, im Herbst werden Leonard Cohen und Udo Jürgens 80. Wie lange schon begleiten sie uns! Wir sind mit ihnen groß geworden, haben sie verehrt, manche von ihnen bis heute. Wir haben die Musik nachgesungen, nachgespielt, kannten alle Texte, alle Posen. Prägen die Stars eigentlich mehr die Szene, oder prägt die Szene mehr die Stars? Wie verändert sich das „business“ im Laufe so vieler Jahre, wie verändert man sich selbst? Was bleibt? „Find something you would die for and live for it.“

22. Mai 2014

Suche altes Landgut, Villa oder Kastell mit morbidem Charme und Olivenhain, vorzugsweise in Toskana, Umbrien oder Piemont zwecks Studienreise mit Musikseminaren, Konzertbesuchen, Spaziergängen, Gesprächen, Bruschetta und Zabaglione, Barolo und Espresso. Mindestens 25 Zimmer (Einzel und Doppel), Medienraum mit TV, DVD und CD, Klavier oder Flügel und allem sonstigen Komfort. Voraussichtlicher Aufenthalt eine Woche bis zehn Tage, bevorzugt im Herbst (alternativ Jahresabschlussreise mit Feier zu Puccinis Geburtstag). Bei Gefallen Kaufoption oder Schenkung erbeten.

20. Mai 2014

Am 5. Juni 2014 findet in Dortmund im Rahmen des „Führungsforum Musikschule“ unter der Leitung von Prof. Wolfhagen Sobirey die Fortbildungstagung „Musik- ein Leben lang!“ veranstaltet vom Verband deutscher Musikschulen in Kooperation mit kubia- Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter im Institut für Bildung und Kultur e.V. (IBK) statt.

An dieser Tagung werde ich teilnehmen und freue mich schon jetzt auf einen regen Austausch, in Sonderheit über die Arbeit der Erwachsenenakademie der Rheinischen Musikschule sowie zu den Themen „Musik- und Konzertvermittlung für ältere Menschen“ und „Musik kennt kein Alter“. Ich bin sehr gespannt auf Erfahrungen mit unterschiedlichsten Kooperationspartnern, mit diversen konzertpädagogischen Angeboten, mit Exkursionen, Reisen und so vielem mehr. Sieben Stunden für alles, das ist nicht viel. Doch es geht um Austausch, um Ideen, und dafür lohnt es sich fast immer.

19. Mai 2014

Während der letzten Tage habe ich mehrfach das Brahms-Requiem gehört und gesehen (siehe Blog vom 12. Mai). Anlass genug, wieder das schöne Büchlein „Johannes Brahms. Werk und Persönlichkeit“ von Hans Gal herauszusuchen. Erschienen als Fischer-Taschenbuch (leider vergriffen, aber über www.zvab.com noch zu bekommen), beleuchtet das Werk Leben, Umwelt und Schaffen des Komponisten sowie dessen Wesen und den Gehalt seiner Musik. Bestechend ist Gals Detailkenntnis, wohltuend ist darüber hinaus die kultivierte, distinguierte Sprache, wie immer bei Gal.

Hans Gal war österreichicher Komponist ungarisch-jüdischer Abstammung. Er wurde 1890 in Wien geboren und starb 1987 in Edinburgh. Seine musikalische Ausbildung erhielt er in Wien bei Eusebius Mandyczewski, einem engen Freund von Johannes Brahms. Gal wechselte 1929 als Direktor des Konservatoriums nach Mainz, musste aber 1933 Deutschland verlassen. Er ging zunächst zurück nach Wien und emigierte dann 1938 nach England. Ab 1945 unterrichte er Musiktheorie, Kontrapunkt und Komposition an der Universität Edinburgh. Er blieb den Rest seines Lebens auf der britischen Insel und schrieb vielbeachtete Bücher u. a. über Brahms, Wagner, Verdi und Schubert.

16. Mai 2014

Gestern im Opernkurs sprachen wir über Rossini, u. a. über die Ouvertüren zu seinen Opern, insbesondere über die zu „Wilhelm Tell“. Ich fragte, ob sich noch jemand an die ZDF-Unterhaltungssendung „Der goldene Schuss“ aus den 1960er Jahren erinnern könne, damals ein Renner, mit Lou van Burg als Moderator, Spitzname „Mister Wunnebar“. „Ja, doch, natürlich, ich erinnere mich, die Kandidaten mussten mit einer Bildschirm-Armbrust (!) auf den Faden eines daran hängenden Säckchens zielen, in dem sich die zu gewinnenden Goldmünzen befanden. Deswegen das Thema aus Rossinis Opern-Ouvertüre, aus dem „Tell“ mit der Armbrust, wie sinnig!“ Schließlich bemerkte noch jemand, dass die Erkennungsmusik zu „Bonanza“ mit dem Rossini-Tell-Thema verwandt sei. Ein Zufall vielleicht – jedenfalls für uns der Auftakt für nostalgische Erinnerungen an die Cartwrights, im Kopf das musikalische Hufgetrappel, die brennende Landkarte und Hop Sing, den chinesischen Koch. Was Rossini alles auslösen kann….

Der goldene Schuss

14. Mai 2014

Vor ein paar Tagen erhielt ich die nachfolgende Zuschrift einer Leserin. Vielen Dank für den schönen Text, den ich hier gerne wiedergebe!

Kennen Sie den Film über den berühmten Kastraten des 18. Jahrhunderts? Ja, natürlich ist das die Geschichte der furchtbaren Kastration, die das begnadete Sängerkind im dampfenden Badezuber überlebt, und die uns Zuschauer erschauern lässt. Aber hier geht es um mehr, nämlich um die Geschichte der Musik und des Empfindens. Im Film wird die bloße Virtuosität der endlosen, halsbrecherischen Koloraturen als schaler Abglanz des Schönen entlarvt. Denn diese Art zu singen und Musik zu hören hat sich mit dem aufgehenden Stern Georg Friedrich Händels überlebt. Dem Zuhörer stockt nun nicht mehr der Atem ob der ungeahnten Tonfolgen, bei denen der Absturz, der mögliche Makel über allem schwebt. Nein, es ist der schlichte Ausdruck, die Echtheit der (musikalischen) Empfindung, die die Zuhörer seitdem in ihren Bann gezogen haben. Was wäre die Oper ohne Händel? Pures höfisches Geklinge, eingeschränkt in ihren musikalischen Möglichkeiten und vor allem – in ihrer Wirkung. Ja, Farinelli hatte eine Stimme, die eine Oktave mehr Umfang hatte als andere. Aber das ist nicht alles. Was bleibt im Ohr – und im Herzen (denn das ist der direkteste Weg dorthin)? Diese Frage mag sich jeder beantworten, der die jungen amerikanischen Oktavwunder hört. Werden sie bleiben, im kollektiven Gedächtnis der Musikliebhaber, die Rihannas und Mariah Careys dieser Welt? Das wird sich zeigen, Whitney Houston und Tina Turner sicherlich, denn sie haben sich beim Singen die Seele aufgerissen – die eine mit tödlichem Ende, die andere als glückliche Soulrentnerin am Züri See). Was das mit Farinelli und Händel zu tun hat? Empfinden!

12. Mai 2014

Zum wiederholten Male haben wir heute Abend das Brahms-Requiem gehört und gesehen, erneut die Aufnahme aus München von 2007 mit den Münchner Philharmonikern unter Christian Thielemann, mit Christine Schäfer und Christian Gerhaher als Solisten. Und wieder konnten wir uns dieser außergewöhnlichen Intensität nicht entziehen, die Thielemann hier mit seinem spannungsreichen Dirigat erzeugt. Zugegeben, bisweilen wirkt sein Habitus eine Spur snobistisch, wie auch gelegentlich in anderen Aufnahmen. Doch wir müssen energisch der auf amazon immer noch eingestellten Rezension widersprechen, wonach Thielemann das „riesige Ensemble zu einer mitunter lähmenden Langsamkeit zwingt“, was schlicht nicht der Fall ist. Die Solisten sind absolut großartig, das Orchester entfaltet einen innigen, warmen und berührenden Klang. „Die Entdeckung der Langsamkeit“ war ja durch Celibidache viele Jahre zuvor schon gegeben, dessen bedurfte es also nicht. Doch eine solche bezwingende Bestätigung der Liebe zu jedem Detail, jedem Motiv, jedem Bogen, jedem Ausdruck – das haben wir gefunden, ohne dass wir danach gesucht hätten, letzteres zumindest nicht bewusst.

11. Mai 2014

Die diesjährige Opernreise der Wetzlarer Musikschule geht mit großer Wahrscheinlichkeit nach München. Vorbehaltlich der Bestätigung des Kartenkontingentes werden wir Anfang November „Rigoletto“ sehen. Sobald darüber Klarheit gegeben ist, wird der Termin im Kalender erscheinen.

Friedrichsdorf plant eine Opernfahrt nach Dresden für das kommende Frühjahr, bevorzugt im Anschluss an einen Opernkurs. Die zurzeit in Frage kommenden Stücke sind „Der Freischütz“ und „Der fliegende Holländer“, ggf. könnte eine Studienreise über den Maifeiertag (im nächsten Jahr ein Freitag) stattfinden.

Eine Reise nach Liverpool – „Auf den Spuren der Beatles“ – könnte ebenfalls im nächsten Jahr zustande kommen, entsprechende Kontaktaufnahmen und Vorgespräche klingen sehr vielversprechend. Vielleicht können zwei Tage London mit eingebaut werden, dann wäre das gesamte Reisepaket geradezu spektakulär.

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8. Mai 2015

In seinem Oratorium „Die Schöpfung“ hat Joseph Haydn die biblische Schöpfungsgeschichte auf geniale Weise in Töne gesetzt. Mit diesem Werk schuf der Komponist einen der bedeutendsten Beiträge zur Gattung des Oratoriums. Gemäß der Genesis schildert Haydn den Schöpfungsakt und stellt das Lob Gottes in den Mittelpunkt. Mit dem Amt für Katholische Religionspädagogik Wetzlar/Lahn-Dill-Eder ist ein Vortrag über dieses großartige Werk für den Juni des kommenden Jahres verabredet (siehe Blog vom 31. März). Der Titel steht jetzt fest: „Chaos, Licht, Mensch – Haydns Schöpfung“. Ich werde u. a. die zum Einsatz gebrachten stilistischen und musikalischen Mittel aufzeigen und erklären, welche Aussagekraft die so geschaffenen Klangbilder dadurch erhalten. Ein im Wortsinne wunderbares Thema!

5. Mai 2014

Gleich noch einmal Oscar Wilde: „Die entscheidende Entdeckung ist, dass das Lügen, das Erzählen von schönen, unwahren Dingen, das eigentliche Ziel der Kunst ist.“ Und wo wir schon bei Aphorismen sind, hier noch ein bemerkenswerter Satz von Johann Jacob Mohr (1824 – 1886), gleichermaßen schön wie wahr: „Man muss den Großen, wenn man ihnen gegenübertritt, das Bücken nicht zu schwer machen.“

4. Mai 2014

Gestern Abend, es ist schon recht spät, schaue ich ins Fernsehen und erlebe den Schluss von „Deutschland sucht den Superstar“. Zwei Zitate fallen mir ein. Das erste ist von Dieter Bohlen, der gesagt hat: „Ich glaube, wenn Mozart heute noch leben würde, würde er sowas ähnliches machen wie ich.“ Das zweite ist von Oscar Wilde: „Musiker haben immer nur den Wunsch, dass man absolut stumm ist, während man selbst nur den Wunsch hat absolut taub zu sein.“

30. April 2014

Einer meiner Lieblings-Bondfilme ist „Ein Quantum Trost“ (im Original „A Quantum of Solace“), GB 2008. In dem Film ist sehr viel Besonderes. Mal abgesehen vom Charisma Daniel Craigs und der erotischen Ausstrahlung Olga Kurylenkos enthält der Film eine grandiose Sequenz, in der die Filmhandlung mit einer Szene aus der Oper „Tosca“ von Puccini verwoben ist (Finale 1. Akt). Die Sequenz spielt in der Seebühne von Bregenz. Beide Handlungsstränge verlaufen parallel, Gut und Böse stehen sich jeweils gegenüber und liefern einander einen gnadenlosen Kampf. Was wirklich unter die Haut geht, ist die Einstellung, in der Craig seinen Widersachern in die Augen sieht, aus der Distanz, unmittelbar bevor er „die Bühne“ verlässt. Dazu Puccinis Akkordfolge B-As-E, jeweils in Dur und schneidend scharf wie das Messer, mit dem Scarpia in der Oper getötet wird. Eine phänomenale filmische Leistung! Ich habe den Film und speziell diese Szene schon so viele Male gesehen, noch kürzlich im Urlaub zweimal im Original, und danach, zu Hause, gleich wieder. Manche Filme – auch manche Opern – könnte ich problemlos jede Woche sehen, dieser gehört dazu.

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Daniel Craig als James Bond in „Ein Quantum Trost“,
Bühnenbild von „Tosca“, Seebühne Bregenz 2008

28. April 2014

Nach zwei herrlichen Urlaubswochen in Little Haven/Wales geht es heute Abend mit Beethovens 9. Sinfonie weiter. Wir hören und sehen eine Aufnahme von 2006 mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim. Programmatisch kehren wir also nach Deutschland zurück, nachdem wir während der letzten Wochen sinfonische Ausflüge nach Osteuropa, Skandinavien und Frankreich unternommen haben. Es werden dann große Sinfonien von Brahms, Bruckner und Mahler folgen, bevor wir uns in die Moderne wagen. Die Opernfreunde dürfen sich auf Italien freuen. Wir kehren noch einmal kurz zu den Werken Monteverdis zurück (wir hatten schon das berühmte Schlussduett aus „Poppea“ in drei verschiedenen Inszenierungen gesehen und verglichen), springen dann zur Abteilung Rossini-Donizetti-Bellini und erleben dann die großen dramatischen Opern von Verdi und Puccini. Auch hier folgt ein Exkurs in die Moderne, auf jeden Fall mit Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ und Bergs „Wozzeck“, worauf ich mich jetzt schon freue. Bis zum Sommer haben wir also viel vor – auf geht’s!

Pause bis zum 28. April 2014

10. April 2014

Zum Thema „Französische Oper“ haben wir heute Musik von Boieldieu, Meyerbeer und Offenbach gehört. Es ist doch erstaunlich, wie sehr wir diese Musik zu kennen glauben, gerade bei Boieldieu war das wieder der Fall. Wir hören Anklänge an Weber und Rossini, nehmen Vertrautes wahr bis hin zur Vermutung, wir hätten das Stück früher schon einmal gehört. Und natürlich geht jedem bei „Kleinzach“ das Herz auf, da müssen wir nicht bis zur Barcarole warten. Schon gar nicht, wenn, wie hier, Domingo singt.

7. April 2014

Für die Fahrt nach Stuttgart (etwa drei Stunden) habe ich überlegt, welche CDs in den Wechsler kommen sollen. Was kann man beim Autofahren hören, ohne dass zuviel verloren geht und ohne dass es langweilig wird? Natürlich den Soundtrack zu „Der König tanzt“ mit der Musik von Lully, wie immer. Und, auch wie immer, „Officium“ mit dem Hilliard Ensemble und Jan Garbarek. Und vielleicht diesmal Musik von Czechomore, das ist noch eine Idee. Für die Hinfahrt reicht das auf jeden Fall. Bruckners Siebte mit Klemperer ist noch im Wechsler, aber da besteht die Gefahr, dass ich Ausfahrten verpasse.

5. April 2014

Der Herbstkurs in Friedrichsdorf beginnt am 11. September, auf dem Programm steht ein Grundkurs für Klassik-Neulinge. An sechs Abenden, immer für zwei Zeitstunden, geht es querfeldein durch die „Klassik“ – geistlich und weltlich, vokal und instrumental, klein und groß besetzt etc. Nach in den letzten Jahren thematisch eher spezialisierten Reihen jetzt also wieder ein Einsteiger-Kurs – wie schön!

2. April 2014

Vor ein paar Tagen fand ich beim Lesen einiger Einträge in Dieter Mulchs „Merkbuch“ folgende Sätze:

Dass man mit Zurückhaltung und Bescheidenheit in unserem Kulturbetrieb nicht weit kommt, wissen wir alle, und man sollte daher diese Tugenden nicht übertreiben. Aber solchen Rat benötigen unsere erfolgreichen Showgeschäftsleute nicht. Ihr Selbstbewusstsein scheint unter keinerlei Zweifeln zu leiden. Gelegentlich hörte ich z.B. in einem Interview mit einem U-Musiker, wie er schulterklopfend  von seinen Kollegen Bach oder Mozart redete und ihnen zubilligte, dass sie auch ganz schöne Musik gemacht hätten.

Die Sterne werden eben von der kleinsten Funzel verdunkelt, so lange die gerade mal brennt.

Danke, Dieter Mulch!

31. März 2014

Ein weiterer Termin für das nächste Jahr steht fest. Mit dem Amt für Katholische Religionspädagogik Wetzlar/Lahn-Dill-Eder ist für den 9. Juni 2015 eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Joseph Haydn – Die Schöpfung“ verabredet. Die Veranstaltung, die in der Wetzlarer Musikschule stattfindet, wendet sich an Religionslehrkräfte, Musiklehrer/-innen und sonstige am Thema interessierte Pädagogen. Wir sind uns einig, dass wir noch einen süffigen Titel finden sollten, vielleicht „Die Schöpfung – (k)ein Haydn-Spaß“ oder so ähnlich.

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Portreath, Cornwall – Abendstimmung

28. März 2014

Für die Opernreise im Herbst prüfen wir jetzt auch Zürich, am 18. Oktober wird dort „Lohengrin“ aufgeführt. Nach dem sensationellen „Tannhäuser“ vor drei Jahren in Paris wäre das natürlich eine grandiose Wahl. Leider ist Zürich für Touristen eine der teuersten Städte Europas und rangiert auf Platz fünf hinter Oslo, Kopenhagen, London und Dublin. München ist natürlich immer noch eine Option, dann im November mit „Rigoletto“ – für „Manon Lescaut“ werden wir keine Premieren-Karten bekommen. Doch wir können weiß Gott nicht klagen, wenn wir zwischen Zürich mit „Lohengrin“ und München mit „Rigoletto“ die Wahl haben! Jetzt müssen wir sehen, wie es mit den Hotels und den Kartenkontingenten aussieht. Bald mehr.

26. März 2014

Für den kommenden November und März 2015 sind mit der VHS Gütersloh wieder Vorlesungen an der Senioren-Uni verabredet. Wir werden uns mit der Gattung Oper beschäftigen, diesmal in zwei Teilen. Im März schließt sich darüber hinaus ein Kurzvortrag für den dortigen Rotary-Club an zum Thema „Klassische Musik in der Werbung“. Wahrscheinlich kommt auch ein neuer Kulturführerschein zustande. Dort werde ich wieder den Baustein Musik übernehmen und über das 20. Jahrhundert sprechen, von der Spätromantik angefangen über die Zwölftonmusik und die frühe Moderne bis hin zur Avantgarde. Schöne Pläne!

24. März 2014

Ab Mai gibt es ein neues Angebot für Anfänger: „Klassik verstehen“ heißt der Kurs, den ich dienstags am späten Nachmittag anbieten werde. Zunächst geht es bis zu den Sommerferien darum, überhaupt einmal zu erfahren, aus welch reichem Fundus wir schöpfen können, wenn wir uns mit der sogenannten „Klassik“ beschäftigen. Also werden wir Ausschnitte aus Sinfonien, Sonaten, Motetten, Kantaten, Liederzyklen, Oratorien, Opern und Kammermusiken hören und sehen – dann können wir entscheiden, wie es weitergeht. Vielleicht mit einem Grundkurs, auch mit Musiktheorie, oder mit „Meisterwerken“, vielleicht auch nur mit Opern, mal sehen. Mit den Gesellschaften hier vor Ort wären auch gemeinsame Programme möglich, die auf Länder zugeschnitten sind. Also ein Semester über Musik in Frankreich, England oder Italien, mit Einblicken in die Musik von der Renaissance bis zur Avantgarde. Und dann ein Abschluss mit einer Reise oder einem Konzert. Oder einem schönen Essen, mit entsprechender Tafelmusik natürlich.

20. März 2014

Die nächste Opernreise, die ich für die Wetzlarer Musikschule betreue, geht sehr wahrscheinlich nach München in die Bayerische Staatsoper. Es hängt von der jeweiligen Verfügbarkeit der Karten ab, ob wir im Oktober oder November „Titus“, „Rigoletto“ oder „Manon Lescaut“ (Premiere) sehen werden. Wäre toll, wenn es mit Puccini klappen würde!

19. März 2014

Kürzlich schrieb ich über eine begeisterte Chorsängerin, die von Knabs „Wir pflügen und wir streuen“ geschwärmt hatte. Gestern erneut, diesmal mit der Bitte, ich möge doch die Klavierzwischenspiele aufnehmen, vervielfältigen und im Chor verteilen. „Diese Musik ist wirklich der Hammer!“, so sagte sie wörtlich. Abgesehen davon, dass ich selber das auch so sehe, kann Arbeit schöner nicht sein – bei solch einer Resonanz!

17. März 2014

Vor ein paar Tagen bin ich bei „Last Night“ hängen geblieben (USA/F 2010), einem stillen, nachdenklichen und ehrlichen Beziehungsdrama mit Keira Knightley, Eva Mendes und Sam Worthington. Stimmige, sehr wahre Dialoge, dazu viel Ungesagtes, mit Ahnungen, Ängsten und Sehnsüchten in schönen, zuweilen beeindruckenden Bildern. Und eine wunderbar empfundene, fragile Musik von Clint Mansell – wer nicht sehen will, muss hören!

15. März 2014

Großes Erstaunen bei der Antwort auf die Frage, welches die weltweit am häufigsten gespielte Oper ist – „Carmen“ von Georges Bizet! Gute Chancen wurden auch der „Zauberflöte“, „Tosca“ und „Aida“ eingeräumt, aber es ist tatsächlich „Carmen“. Eigentlich ist das gar nicht so überraschend, denn die Oper enthält einprägsame Melodien, zum Teil mit Gassenhauer-Charakter, große Chorszenen, lyrische wie dramatische Arien, Liebesszenen und -duette, eine klassische Eifersuchtshandlung – also so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Und das Ganze in der Zeffirelli-Inszenierung von 1978 aus der Wiener Staatsoper, mit Carlos Kleiber am Pult! Eine Jahrhundert-Aufführung! Kleiber dirigiert, so ist zu lesen, alles aus der Partitur heraus, unter anderem mit „mediterraner Lässigkeit“ – welch ein schöner Ausdruck! Aber es stimmt, schon gleich die ersten Bilder nehmen uns mit auf eine unwiderstehliche Reise, betören und fesseln uns, so dass wir uns nicht entziehen können und das auch gar nicht wollen.

12. März 2014

„Klingt sehr modern“, sagte eine Sängerin, nachdem sie den Titel „Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten“ gelesen hatte (Brahms, Liebeslieder op. 52 Nr. 11). Warum auch sollte romantische Musik bzw. sollten die dort verarbeiteten Texte nicht modern oder auf unsere Zeit passend sein? Das hieße ja, dass wir romantische Musik zwar mögen oder gar lieben, die Texte aber für unwichtig, belanglos, nichtssagend oder sonstwas halten. Das Gegenteil ist richtig! Die Sprache der Brahms-Liebeslieder mag vielleicht romantisch und „old-fashioned“ sein, aber der Inhalt ist zeitlos, also aktuell – und romantisch! Etwas anderes ist die Frage, was „romantisch sein“ heutzutage bedeutet. Das erinnert mich an einen Bekannten, der zu seiner Frau sagte: „Schatz, wir machen uns einen schönen Abend – du fährst zu deiner Mutter, und ich gucke Champions League.“ Das ist sicher wenig romantisch, aber vielleicht auch ganz schön.

10. März 2014

In dieser Woche wollen wir uns mit der 3. Sinfonie c-Moll op. 78 von Camille Saint-Saëns befassen, der sogenannten „Orgelsinfonie“. Schon lange warte ich auf eine Aufnahme, die musikalisch an die Einspielung des Orchestre de la Suisse Romande unter Ernest Ansermet heranreicht – ich kenne keine, aber das ist auch schwierig! Andere Aufnahmen sind sicher gut und mehr als vorzeigbar, aber eben nicht „so“! Ansermets Interpretation ist einfach grandios, absolut bezwingend. Schade auch, dass es keine DVD gibt, die dieses Stück dokumentiert, nicht einmal auf dem französischen Markt. Es ist wirklich eine „große“ Sinfonie, in jeder Hinsicht, um so bedauerlicher ist es, dass keine DVD erhältlich ist. Also verzichten wir auf das Sehen und hören gut zu.

5. März 2014

Nochmal Chor. Gestern nach der Probe kam eine Sängerin, die schon eine ganze Reihe von Projekten mitgemacht hat, auf mich zu und sagte, das Stück „Wir pflügen und wir streuen“ von Armin Knab hätte ja so eine wunderbare Melodie, sie wüsste gar nicht, ob sie so etwas Schönes überhaupt je gesungen hätte. Allein dafür hat sich das ganze Projekt jetzt schon gelohnt.

3. März 2014

Die ersten Proben des neuen Chorprojektes verlaufen vielversprechend. Wir haben angefangen, zwei Sätze von Armin Knab einzustudieren und in der letzten Probe ein Stück aus den zwölf Quartetten von Gustav Jenner kennengelernt, „Richten will ich Tisch und Gastmahl“ nach Worten von Ferdinand Gregorovius aus dem Toskanischen. Jenners Musik klingt wie die seines Lehrers Johannes Brahms, wir spüren Kraft, Glut, Sensibilität und Melancholie. Gleich der Anfang nimmt gefangen, sofort und unmittelbar, und lässt uns bis zum Schluss nicht mehr los. Es wird einem ja schon angst und bange, wenn man nur den Text liest und noch keinen einzigen Ton gehört hat. Mehr kann man nicht verlangen als Kassenpatient.

Richten will ich Tisch und Gastmahl,
laden die unselig lieben;
und mein Herz geb‘ ich zu essen,
und zu trinken ihnen Tränen.
Seufzer, Klagen sind die Diener,
die Verliebten zu bedienen.
Und der Schenk soll schwarzer Tod sein;
weint ihr Steine, seufzt ihr Mauern!
Heil’ger Tod, das soll der Schenk sein.
Steine, seufzt und rufet: „Ach!“ nur.

28. Februar 2014

Großen Eindruck hat diese Woche die „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz auf die Kursteilnehmenden gemacht. Wir haben die Aufnahme der Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle von 1993 gehört und gesehen. Ohne Frage hat der gute Simon damals eine erstklassige Visitenkarte abgegeben, so dass man sich nach Abbados Weggang an ihn unbedingt erinnern musste. „Dieses Orchester gleicht einem Feuerofen“, hat er vor ein paar Jahren über „seine“ Philharmoniker gesagt. Er hat, wie wir erleben durften, schon damals ordentlich Öl in diesen Feuerofen gegossen, so dass Berlioz seine lichterlohe Freude gehabt hätte. Wie schön auch, dass dieses Stück wieder in unser Bewusstsein zurückkehrt! Nächste Woche bleiben wir in Frankreich und hören Sinfonien von Bizet und Gounod, deren Sinfonik hierzulande leider oft zu kurz kommt.

25. Februar 2014

Am letzten Samstagabend bin ich kurz in „Wetten, dass“ hineingeraten. Allerdings in einem eher angenehmen Moment, denn Udo Jürgens war zu Gast. Das ist jemand, den ich immer geschätzt habe. Jemand, der so ziemlich alles in der Showbranche erlebt hat, und der Gutes von Schlechtem zu unterscheiden weiß (und es auch immer gewusst hat). Jemand, der mit solidem Handwerk und anständiger Ausbildung griffige, in bestem Sinne populäre Melodien geschaffen und sich dabei – früher mehr als heute – um gute Texte bemüht hat, man denke nur an Walter Brandin. Es ist noch nicht lange her, da hat sich Udo Jürgens über die allgegenwärtigen Gesangswettbewerbe (kann man das so sagen?) wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „The Voice of Germany“ geäußert. Sein Kommentar war nicht sehr wohlmeinend. Vielleicht hat er sich dabei – mittlerweile fast achtzigjährig – an vergangene Zeiten erinnert. An Zeiten, zu denen er seine ersten Karriereschritte gemacht hat und zu denen vieles anders war als heute. Und nicht unbedingt schlechter.

23. Februar 2014

Die Gießener Zeitung hat einen schönen und recht umfangreichen Bericht über den Festakt zum 30-jährigen Bestehen der Deutsch-Italienischen Gesellschaft (DIG) Mittelhessen veröffentlicht. Ich hatte im Rahmen der Veranstaltung etwa 45 Minuten lang über die Anfänge der Oper gesprochen und den Komponisten Giacomo Puccini portraitiert. Im Passus, der sich mit diesem Teil der Matinee beschäftigt, heißt es:

Der Festakt begeisterte das Publikum mit dem Vortrag vom Leiter der Musikschule Thomas Sander, der die Geburt der Oper und den italienischen Komponisten Giacomo Puccini anhand von humorvollen Anekdoten, musikhistorischen Informationen und bekannten Musikbeispielebn wie „E lucevan le stelle“ oder „Nessun dorma“ am Klavier und in CDs präsentierte. Unterhaltsam und leidenschaftlich gelang es ihm, die Gäste in die Welt von drei der wichtigsten Werke Puccinis „Madama Butterfly“, „Tosca“ und „Turandot“ zu führen.

DIG Jubiläum 2014

Das Foto wurde im Anschluss an die Veranstaltung aufgenommen und zeigt neben mir von links nach rechts Fabrizio Cartocci (2. Vorsitzender DIG), Wolfram Dette (OB Stadt Wetzlar), Cristina Di Giorgio (Leiterin Italienisches Kulturinstitut Frankfurt), Karlheinz Kräuter (Partnerschaftsdezernent Stadt Wetzlar), Rita Schneider-Cartocci (1. Vorsitzende DIG) und Hans-Jürgen Irmer (Landtagsabgeordneter).

19. Februar 2014

Heute ist der Geburtstag von Armin Knab (1881 – 1951). Nachdem wir gestern den Satz „Daß zwei sich herzlich lieben“ (in der Fassung für gemischten Chor von Heinrich Poos) gesungen haben, sind heute eigentlich die Goethe-Lieder Pflicht, vielleicht noch einige andere dazu. „Die Sternseherin Lise“ zum Beispiel, oder – noch betörender – „Schön Rohtraut“ auf den berühmten Text von Mörike. Und die „Lindegger Ländler“ natürlich, die Lieder nach Justinus Kerner, den „Engelsgruß“, das Vorspiel zum „Gesegneten Jahr“ und und und…

18. Februar 2014

Die VHS Offenbach hat zwei Seminare für Juni und Juli bestätigt, zum einen den „Crash-Kurs Oper“ und zum anderen den Grundkurs „Hörerlebnis Klassische Musik“. Näheres unter „Termine“.

Nachfolgend der Artikel aus der Wetzlarer Neuen Zeitung von heute. Leider ist dem Autor da etwas durcheinander geraten. Der „Dornröschenschlaf“ im komponierenden England wird nicht etwa durch Purcell beendet, sondern setzt unmittelbar nach ihm ein. Erst Elgar schafft wieder Meisterwerke von internationalem Rang, es folgen Vaughn-Williams, Britten, Maconchy, Jenkins, Rutter und andere.

 

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16. Februar 2014

Schon lange erlebe ich, dass die Vermittlung von Musik des 20. oder 21. Jahrhunderts immer mal wieder auf Vorbehalte oder Widerstände stößt, auch bei durchaus interessierten Laien. So geschehen am Freitag bei meinem Vortrag „Musik in England von 16oo bis heute“. Gegen Ende hatte ich den ersten Satz aus „Epyllion“ von Elizabeth Maconchy vorgestellt, woraufhin sich eine Diskussion über Satztechniken, erweiterte Harmonik, Dissonanzbildungen etc. ergab, natürlich auch über Mögen und Nichtmögen. Ein Hörer, dem das Stück überhaupt nicht zusagte, sprach von einem „Irrweg“, der hier beschritten würde. Ich versuchte, wie in solchen Gesprächen eigentlich immer, auf historische Situationen zu verweisen, in denen ein Publikum zunächst auf das Heftigste protestiert hatte (Beethoven „Eroica“, Strawinsky „Sacre du printemps“), und sich die Stücke dennoch im Laufe der Zeit durchsetzen konnten. Es fehlt hier einfach an Verständnis, an Vermittlung, an Hörhilfen. Was wird in 100 Jahren sein? Werden die Werke der Moderne und der Avantgarde dann wie selbstverständlich gehört werden, vielleicht gar auf der Couch zur Entspannung, nach einem langen und anstrengenden Tag? Immerhin, zwei Teilnehmer kamen am Ende und zeigten sich an Maconchys Stück sehr interessiert. Für einen der beiden war „Epyllion“ sogar eine Offenbarung, wie er sagte. Das hat mich wirklich gefreut.

13. Februar 2014

Heute Morgen kam in Zusammenhang mit Beethovens „Fidelio“ ein interessantes Thema auf: Chöre – besonders Männerchöre! Dabei ging es nicht nur darum, wer erstklassige Männerchorsätze schreiben konnte wie z. B. Schubert, Bruckner oder Knab. Beinahe spannender war die Frage, ob Männer „anders“ singen als Frauen (die Antwort ist „ja“). Jenseits aller stimmbildnerischen oder technischen Aspekte spielt das Thema „Emotionalität“ dabei wohl eine erhebliche Rolle. Wie war das eigentlich früher, als Männer wie selbstverständlich jede Woche in Chören aktiv waren und Männergesangsvereine sich über Nachwuchs keine Gedanken zu machen brauchten? War damals der emotionale Zugang ein anderer? Was verstaubt nicht alles an erstklassigen Werken in Notenschränken! Nur sind diese Stücke oft schwer und anspruchsvoll, dazu reicht auch oft die Besetzung nicht aus. Und dann fusionieren die aussterbenden Chöre aus Angst vor dem Vereinstod, und aus Verzweiflung singen sie dann leichte Sachen auf englisch. Und die Partituren von Schubert & Co. werden nach und nach bei ebay eingestellt, als Dachbodenfund.

10. Februar 2014

Für den Sommer ist eine Zusammenarbeit mit der VHS Offenbach verabredet, voraussichtlich werden zwei Einzelveranstaltungen jeweils samstags angeboten. Zum einen wird es einen Einsteiger-Kurs für Klassikliebhaber geben, zum anderen einen Opernkurs zum Schnuppern, vielleicht als Appetitanreger für mehr. Vor ein paar Jahren war ich mal mit zwei Kursen in Offenbach, umso schöner, dass wir den Faden wieder aufnehmen.

8. Februar 2014

Aus der Wetzlarer Neuen Zeitung (Ausgabe vom 7. Februar):

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6. Februar 2014

Nochmal „Don Giovanni“. Heute Morgen haben wir das Finale des 2. Aktes gesehen und gehört, anschließend die letzte halbe Stunde von Chabrols „Biester“ (La cérémonie, D/F 1995). Der Film bildet ja auf intrikate Weise die Beziehungsebenen der Oper ab, spielt mit Vorlagen und Symbolen und schockiert dann gleich zweimal. Zum einen durch das lange Zeit nicht vorhersehbare Ende, zum anderen durch die grandiose, zusätzliche Schlusspointe. Oper geht nicht besser, Film wohl auch nicht.

4. Februar 2014

Innerhalb kurzer Zeit haben wir jetzt in den Sinfonie-Kursen zweimal Tschaikowskys „Pathétique“ gehört und gesehen, in einer Aufnahme von 1973 mit den Berliner Philharmonikern unter Karajan. Mal abgesehen davon, dass die Sinfonie ohnehin sehr berührende Passagen enthält, ist diese Aufnahme ungeheuer intensiv – mit Karajan und „seinem“ Orchester in Bestform. „Aber warum hat er die Augen permanent geschlossen? Ist das nicht unhöflich, wenn man mit dem Orchester kommunizieren will?“ Ja, warum – niemand dirigiert so, damals nicht und heute nicht. Was braucht ein Orchester, um so zu spielen? Und dann, nach Karajan, kommt Abbado und schaut die Musiker plötzlich an. Und der ausgestreckte kleine Finger bedeutet etwas ganz anderes….

1. Februar 2014

„Going to the opera, like getting drunk, is a sin that carries its own punishment with it.“
Hannah More (1745 – 1833)

Wie wahr. Vor allem, wenn man staunend und beinahe perplex den „Don Giovanni“ von 2006 aus Salzburg gesehen hat.  „Anstrengend“, sagte eine Kursteilnehmerin. Dem hätte Frau More wohl zugestimmt.

 

28. Januar 2014

Nach der „Rheinischen“ von Schumann hatte ich letzte Woche vorgeschlagen, dass wir den Film „Frühlingssinfonie“ anschauen könnten, was wir dann gestern auch gemacht haben. Der Film ist jetzt gut dreißig Jahre alt, viele im Kurs wussten gar nicht, dass der junge Grönemeyer da mitspielt – und das auch noch kann! Sowieso hatte Schamoni eine Starbesetzung: Nastassja Kinski, Bernhard Wicki, Edda Seippel, André Heller, Gidon Kremer, eben Grönemeyer und – absolut überragend – Rolf Hoppe! Er spielt einen unglaublichen Friedrich Wieck, das muss eigentlich jeder mal gesehen haben. Also los, leihen oder kaufen und angucken!

25. Januar 2014

Bernstein bei den Proben zu Mahlers 9. Sinfonie – wie oft habe ich diese DVD schon gesehen! In Friedrichsdorf gingen die Kommentare vor allem in die Richtung, wie sehr er am Detail gearbeitet hat. Von seiner hochintensiven und kraftraubenden, verzehrenden Art gar nicht zu reden. „Die Wiener Philharmoniker können doch alles, da muss doch ein Dirigent nur wenige Sätze sagen, wie er es gerne hätte – oder nicht?“ Welche Aufklärung bietet da so ein Filmdokument! Vor allem Bernsteins persönliche Einführung in das Werk war wieder beeindruckend. Er, der beim Dirigieren von Mahler-Sinfonien zeitweilig das Gefühl hatte, er habe die Stücke selbst komponiert…

22. Januar 2014

In den letzten zwei Sitzungen von „Lass dich eropern!“ haben wir uns mit Ingmar Bergmans „Zauberflöte“ beschäftigt. Vor fast vierzig Jahren kam der Film in die deutschen Kinos, und auch heute noch ist er wunderbar, ein zeitloses Meisterwerk. Besonders interessant war die Diskussion der Kursteilnehmenden über die verschiedenen Perspektiven von Oper, Theater und Film bzw. Kino. Dass kein deutscher Text zu hören oder zu lesen war – die Oper ist in schwedischer Übersetzung produziert, wir haben die Fassung mit niederländischen Untertiteln gesehen – hat übrigens niemanden gestört, warum auch.

18. Januar 2014

Nach den Opernreisen der letzten Jahre spiele ich schon seit längerem mit dem Gedanken, mal was Neues auszuprobieren und eine Reise „Auf den Spuren der Beatles“ nach Liverpool anzubieten. Immer wenn ich davon spreche, habe ich den Eindruck, dass viele Leute das sehr attraktiv finden. Also warum nicht? Wir könnten uns Penny Lane und Strawberry Field ansehen, The Art College, The Cavern und The Casbah Coffee Club besuchen oder andere „must have seen“ Plätze, es gibt ja unzählige davon. Und vielleicht über London anreisen. Damit wäre man dann insgesamt etwa eine Woche auf Tour, das hätte doch was.

12. Januar 2014

Am 16. Februar 2014 feiert die Deutsch-Italienische Gesellschaft Mittelhessen e.V. ihr 30-jähriges Bestehen und hat mich eingeladen, im Rahmen des Festaktes einen Kurzvortrag über einen prominenten italienischen Komponisten zu halten. Ich habe gerne zugesagt und – nicht verwunderlich – Puccini gewählt. Es gab mal eine Zeit, da habe ich Puccini jeden Tag stundenlang gehört, vor allem „Turandot“, „Tosca“ und „Der Mantel“. Was für eine Musik, und was für ein Typ! Ich freu‘ mich drauf! Die Veranstaltung findet im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule statt – als Matinee, Beginn um 11.00 Uhr.

Jahresrückblick 2013

Was für ein Jahr! Kurse, Projekte, Vorträge, Reisen, Konzerte – mit spannenden Begegnungen, lebendigen Gesprächen und Diskussionen, mit neuen Kooperationen und Verabredungen für das kommende Jahr. So soll es sein – vielseitig und abwechslungsreich, mit jungen und jung gebliebenen, wissbegierigen und begeisterten Freunden der sogenannten „Klassischen Musik“!

Im alten Jahr haben wir in der Wetzlarer Musikschule zunächst das Thema Filmmusik abgeschlossen, es sollte allerdings im „Kulturführerschein“ der Volkshochschule Gütersloh und zu einer Vorlesung in der dortigen Senioren-Uni am Endes des Jahres noch einmal wiederkehren. Breiten Raum haben dann ab dem Frühjahr die Kurse und Vorträge zum Thema „Meisterwerke geistlicher Musik“ eingenommen. Insgesamt haben hier wieder über fünfzig Teilnehmende das ganze Sommersemester hindurch unterschiedlichste Chor- und Orchesterwerke, Oratorien, Passionen, Kantaten, Messen etc. gehört und analysiert, Stilmerkmale besprochen, Vergleiche angestellt, das Wort-Ton-Verhältnis untersucht und manches mehr.

Ein erstes Konzert-Highlight war im Mai ein Konzert mit Salonmusik diverser Komponisten, ergänzt durch Texte von Erich Kästner. Nachfolgend ein Auszug aus dem Bericht der Wetzlarer Neuen Zeitung:

Kästner stimmt nachdenklich – Musik und Texte gefallen

Qualitativ gewohnt hochwertige Unterhaltung bot die Wetzlarer Musikschule am Sonntag mit einem Erich- Kästner-Abend. Im Mittelpunkt standen Kurzgeschichten und nachdenklich stimmende Gedichte des deutschen Schriftstellers und Drehbuchautors, sowie Lieder. Neben den von Thomas Sander rezitierten Texten wurde auch passende Musik unter anderem von Johann Strauß, Edmund Nick und Edvard Grieg geboten, so dass insgesamt ein stimmungsvoller Abend mit melancholisch- satirischen Nuancen gelang. Mehr als 100 Zuschauer waren von der klaren Sprache ergriffen.

Nach der Sommerpause folgte im September der konzertante Abschluss des Chorprojektes „Opernchöre aus vier Jahrhunderten“ mit zwei Konzerten im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule und in der Evangelischen Kirche in Naunheim – zwei wunderbare Abende mit einem über 30-köpfigen Projektchor, Instrumentalisten der Musikschule, mit Musik von Purcell, Gluck, Mozart, Wagner u. a. und mit einem jeweils begeisterten Publikum. Das hat richtig Spaß gemacht – das nächste Projekt ist schon in Vorbereitung!

2013-02

Was folgte, war eine wunderbare Opernreise nach Mailand: Die Premiere von Verdis „Don Carlos“ in der Scala! Insgesamt waren im Oktober 47 Opernfans auf dieser Studienfahrt per Reisebus unterwegs, die wie immer noch zu Hause mit einer umfassenden Einführung begann, vor Ort dann eine professionelle Stadtführung sowie Zeit für touristische Sehenswürdigkeiten, Café-Besuche o. ä. enthielt und am dritten Tag schließlich den Besuch der Aufführung bot. Und – ebenfalls wie immer – natürlich Zeit zum Austausch und für Diskussionen über die Sängerinnen und Sänger, die Inszenierung, Kostüme etc., aber auch über Land und Leute, Italien als Reiseziel, „la dolce vita“… Auch hier gibt es für das kommende Jahr schon neue Pläne!

2013-03

Zum Start des Wintersemesters im Oktober begannen neue Kurse in der Wetzlarer Musikschule: „Lass dich eropern!“ mit Beispielen aus 400 Jahren Operngeschichte von DVD, CD und Erläuterungen am Klavier. In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr über die neue Kooperation der Wetzlarer Musikschule mit dem Stadttheater Gießen, deren Opernproduktionen wir in flexiblen Gruppen zu ausgewählten Werken besuchen werden. Den Anfang hat im November Wagners „Der fliegende Holländer“ mit über zwanzig Opernfreunden gemacht – wunderbar!

Zum anderen startete der Kurs „Die Entwicklung der Sinfonie von Haydn bis Mahler“. Die Freunde aus Friedrichsdorf in der dortigen Musikschule hatten auch an diesem Thema erneut Interesse und sprachen wieder eine Einladung für einen sechswöchigen Kurs aus. Zu Beginn des neuen Jahres steht als Sonderveranstaltung und zum Kursabschluss der Besuch eines Sinfoniekonzertes mit vorheriger Einführung auf dem Programm.

Im Rahmen der vierzehntägigen Reihe „klavierplus“ folgte im November ein Improvisationskonzert zusammen mit meinem Kollegen Oliver Fürbeth. Wir beide lieben diese Form des Konzertierens und haben insgesamt etwa eine Stunde lang improvisiert, sowohl einzeln als auch zusammen an zwei Klavieren. Der Rezensent der Wetzlarer Neuen Zeitung schrieb am 20.11.2013 u. a.:

Die hohe Kunst der Improvisation pflegen

Die Improvisation, oft missverstanden als beliebiges Gedudel, ist eigentlich die ursprüngliche musikalische Kunst. Bevor Notenschriften entstanden, die Musik dokumentierbar machten, folgten die Musiker ihrer Inspiration und spielten Tonfolgen, die ihren Stimmungen und Absichten entsprachen. Nach Belieben der Aufzeichnungen blieb die Improvisation eine hohe musikalische Kunst.

Zum Auftakt spielten Sander und Fürbeth Werke von Bach, in denen eine Stimme komponiert ist und die zweite frei dazu erfunden werden muss. „Ihren Höhepunkt hatte die Improvisation im 18. Jahrhundert“, erläuterte Fürbeth und kündigte ein Stück an, bei dem er sich selbst überraschen werde. Im Stil der Spätromantik ließ der Pianist komplexe Melodien durch den Raum schweben. „In der Improvisation beschreitet man zunächst einen Weg, von dem man dann einfach nach Belieben abbiegen kann. So entsteht immer wieder etwas Neues“, sagte Sander. Der Musiker beginne mit einer Idee, einem Melodiefetzen, um den herum sich eine musikalische Welt kristallisiere. Wie angekündigt ließ der Musikschuldirektor dann ein Stück entstehen, das ganz im Stil Schuberts gehalten war.

Die Besucher waren begeistert von dem völlig neuen Musikerlebnis und forderten vehement eine Zugabe, nachdem mit einem weiteren Bach-Werk das Konzert geendet hatte. An diesem Stück zeigten die beiden Pianisten dann, wie anders dasselbe Stück in einer neuen Improvisation um Bachs Vorgabe herum klingt.

2013-04

Im Dezember durfte ich wieder in der Volkshochschule Gütersloh zu Gast sein, diesmal mit einem Seminar und einer Vorlesung zum Thema „Filmmusik“. Bemerkenswert, auf welch großes Interesse dieses doch spezielle Thema stieß! Und es waren nicht wenige, die im Anschluss kamen und sagten, ab sofort würden sie jetzt beim Fernsehen oder im Kino viel mehr auf die Musik achten – und wie unterschätzt diese Musik doch sei! Das hat mich sehr gefreut, nicht zuletzt, weil mir dieses besondere Thema wirklich am Herzen liegt.

Zum Schluss des Jahres dann das traditionelle Weihnachtssingen der Wetzlarer Partnerschaftsgesellschaften – diese Veranstaltung betreue ich seit einigen Jahren und freue mich jedes Jahr darauf. Auch diesmal war Gelegenheit, europäische Advents- und Weihnachtslieder in der Originalsprache zu singen, Klavier- und Chormusik zu hören, Gedichten und Weihnachterzählungen zu lauschen, Gespräche zu führen, Selbstgebackenes zu probieren, Glühwein zu trinken…. Nach über zwei Stunden ging eine sehr gelungene Veranstaltung zu Ende, wie die Wetzlarer Neue Zeitung am 10.12.2013 berichtete:

Zufallschor „reist“ um die Welt – Spezialitäten und Lieder aus vielen Ländern

„Wir sind heute der Chor“, begrüßte Hans-Jürgen Irmer, Vorsitzender der in diesem Jahr als Veranstalter fungierenden Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar, 180 Gäste und Zuhörer im Konzertsaal der Musikschule Wetzlar zum Weihnachtssingen. Und das Publikum folgte der Aufforderung nur allzu gerne. Seit vielen Jahren findet dieses gemeinsame Weihnachtssingen aller Wetzlarer Partnerschaftsvereine statt. Und es war in diesem Jahr übrigens so gut besucht wie nie zuvor. (…)

Thomas Sander, Leiter der Musikschule, hatte auch in diesem Jahr die instrumentale Begleitung des Weihnachtssingens am Flügel übernommen und eröffnete den musikalischen Reigen mit der Europahymne, Beethovens „Ode an die Freude“. Erstmals beteiligte sich die Europa-Union Wetzlar an dem gemeinschaftlichen Singen. Es schloss sich das Adventslied „Herbei, o ihr Gläubigen“ in deutscher, englischer, französischer und lateinischer Sprache an. Dann steuerten die einzelnen Wetzlarer Partnerschaftsvereine zunächst je eine Advents- oder Weihnachtsgeschichte oder eine andere Begebenheit aus Tschechien, Italien, Finnland, England, Österreich, Frankreich und den USA bei, vorgetragen von einem Vorstandsmitglied der jeweiligen Gesellschaft. Dem folgten je zwei landestypische Weihnachtslieder. Dabei hatte Thomas Sander die Aufgabe übernommen, den großen „Zufallschor“ mit den teils speziellen Rhythmen und Takten der hierzulande nicht so bekannten Lieder vertraut zu machen.

2013-01

Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich im alten Jahr begleitet haben – Veranstalter, Kursteilnehmende, Konzertbesucher, Organisatoren, Helferinnen und Helfer und alle übrigen! Auf dass wir uns auch im kommenden Jahr wieder zu den unterschiedlichsten Themen und Anlässen hören und sehen werden. Ich freue mich sehr darauf! Auf ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2014!

Ihr und Euer
Thomas Sander