Vor ein paar Tagen lief in der ARD die Wiederholung der Tatort-Folge “Der tiefe Schlaf” (2012). Um es gleich vorwegzunehmen: Wer den Krimi (Folge 856) nicht kennt, sollte das unbedingt ändern (Mediathek, youtube)! Ich habe damals die Erstausstrahlung gesehen und konnte mich jetzt an einige Sequenzen gut erinnern, vor allem an die Entdeckung und Verfolgung des tatverdächtigen Räusperers, dessen Gesicht nie zu sehen ist. Ein packender und wirklich außergewöhnlicher Thrill!

Auch jetzt, gewissermaßen fünf Jahre nach dem Mord, wissen wir nicht, wer das junge Mädchen getötet hat. In der letzten Szene – Rückblende – steigt Carla nach anfänglichem Zögern in das Auto ihres Mörders. Das Auto ist ein anderes als das ihres Lehrers, also scheidet dieser als Täter aus. Das besagte Räuspern hat Gisbert, abgestellter und später ermordeter Kollege des Duos Batic/Leitmayr, zuvor aus einem Telefonat herausgefiltert, daher glauben alle – wir Zuschauer eingeschlossen – an einen sich räuspernden Täter. Der Mörder spricht in der Schlussszene jedoch alle seine Sätze ohne jedes Räuspern, also ist auch der Räusperer nicht der Täter. Der Autofahrer resp. der Mörder muss jemand sein, der nie zuvor in Erscheinung getreten ist. Einer, den weder wir noch die Kommissare jemals auf dem Schirm hatten. Am Ende bleibt der Täter bewusst anonym – eine unbekannte, männliche Person, von der wir nicht einmal das Gesicht kennen.

Tatort Logo.

Holger Gertz schreibt in der Süddeutschen Zeitung: “Die Geschichte von Regisseur Alexander Adolph erzählt auf der tieferen Ebene davon, was passiert, wenn man einander nicht zuhört, nicht hilft, nicht versteht. “Der tiefe Schlaf” ist der angemessen ausdeutbare Titel dieser Episode. Die Eltern holen ihre Tochter nicht ab. Der Lehrer lässt seine Schülerin nachts auf der Straße stehen. Die Klassenkameraden verstecken einen Schuh ihrer Mitschülerin, deshalb verpasst sie den Bus. Und zwei Kommissare behandeln ihren Assistenten von oben herab, wie Münchner das gelegentlich mit “Zuagroastn” tun. Sie lassen ihn allein. Am Ende sind alle allein, und jeder ist schuldig.”