Andrea De Carlo geht in seinem Roman “Sie und Er” schon ziemlich zu Anfang der Frage nach, wer oder was eigentlich welche Saite in uns zum Schwingen bringt. Er gibt auch gleich die Antwort, indem er sagt, dass viele voneinander unterschiedliche Züge, Neigungen und Dispositionen in uns angelegt sind und von vielen Menschen, denen wir begegnen, zum Leben erweckt werden. Kurioserweise passiert dies am ehesten bei flüchtigen Begegnungen wie z. B. in der U-Bahn oder an der Supermarktkasse. Wir stellen uns für eine kleine Weile das Kaleidoskop der Möglichkeiten vor, das wir mit diesem oder jenem Menschen zusammen erleben könnten oder schon hätten erleben können. Dann ist dieser Mensch fort, und wir befassen uns wenig später mit einer nächsten, äußerlich und innerlich völlig anderen Person. Und wieder spüren wir verpasste Chancen, vertane Gelegenheiten, nicht genutzte Optionen. Es gibt sie nicht, diese eine, einzige Saite! Wir können, wie jedes taugliche Instrument, so oder so oder so klingen, immer in Abhängigkeit von anderen. Was hätte aus uns, aus unserem Leben werden können? Was wird noch daraus? Wer sind wir?

De Carlo, Sie und Er