Wir wissen bis heute nicht genau, warum Franz Schubert seine Sinfonie in h-Moll, die Unvollendete, nicht fertiggestellt hat. Möglicherweise hatte er die Absicht oder auch die Hoffnung, das Werk vervollständigen zu können. Jedenfalls blieb er mit der Komposition stecken und resignierte mit fortschreitender Zeit. Er war sich über Anspruch und Niveau der beiden vollendeten, fertiggestellten Sätze im Klaren, und es war ihm unmöglich, eine unangemessene Fortsetzung auch nur zu erwägen. Peter Gülke beschreibt das sehr eindrücklich in seinem Buch Franz Schubert und seine Zeit (1991) und kommt zu der Schlussfolgerung: “So groß die Erfüllungen der beiden Sätze, so schwer wog das Scheitern des Ganzen; dieses Stück aufzugeben muss Schubert viel gekostet haben.” Noch die letzte von Schubert konzipierte Musik, so heißt es weiter, das Andante aus dem Fragment D 936A vom Oktober 1828, “versucht etwas von dem einzulösen, was er hier schuldig geblieben war”. Das Kapitel schließt mit einem Zitat aus Kein Ort. Nirgends (1979) von Christa Wolf: “Sie könne an eine simple Niederlage nicht glauben, sagt die Günderrode … Manche Kapitulation zeige doch nur die Größe des Widerstands an.”