Wetzlarer Neue Zeitung, 5. Juni 2016

SCHWELGEN IN ERINNERUNGEN
EIN ABEND FÜR MARILYN MONROE

WETZLAR. Es sollten 90 Minuten für 90 Jahre werden. So Thomas Sander am Mittwochabend in der Musikschule. Eine Ehrung für Marilyn Monroe, die am 1. Juni 90 Jahre alt geworden wäre. Tatsächlich wurde der Vortrag etwas länger, aber es hatten sich auch deutlich mehr als 90 Besucher eingefunden, um sich in die Zeit von Hollywoods Glanz und Glamour entführen zu lassen und in alten Liedern und Erinnerungen zu schwelgen.

Er sei weniger ein Fan als vielmehr ein Bewunderer und Kenner des Werks der meistfotografierten Frau des 20. Jahrhunderts, sagte Sander im Anschluss seines Vortrags. Das war dem Leiter der Musikschule im Verlauf des Abends deutlich anzumerken. Ohne Notizen hielt der den über anderthalbstündigen Vortrag frei. Er touchierte kurz die Kindheit der Schauspielerin und ging dann nahtlos zu der Zeit über, in der aus der von Pflegefamilie zu Pflegefamilie abgeschobenen und bereits mit 16 Jahren verheirateten Norma Jeane Baker die Filmikone Marilyn Monroe wurde.

Model und B-Movie-Darstellerin sei sie zunächst gewesen, aber spätestens mit Sanders erklärtem Lieblingsfilm “Niagara” (1953) habe sie zeigen können, welches schauspielerische Talent in ihr steckte. Doch Niagara sei nicht nur ein brillant inszenierter Thriller gewesen, konstatierte Sander. Auch durch den monothematischen Einsatz der Filmmusik, dem Song “Kiss me”, habe sich dieser Film von anderen seiner Zeit hervorgehoben. Zur genaueren Untermalung seiner These setzte sich Sander ans Klavier und spielte die musikalische Sequenz, die im Film orchestral, jazzig, lasziv gesummt und unter der Dusche gesungen auftaucht und sogar vom Geläut der Kirchenglocken intoniert wird. Erst die letzte Szene des Films verzerrt die Melodie durch eine düster-bedrohliche Verschiebung in Moll. “Sie sind so still,” bemerkte Sander die Wirkung, die sein Spiel hatte, lächelnd.

Doch nicht allein Marilyns künstlerisches Schaffen hatte er im Visier. Er zitierte Passagen aus Biografien und zeichnete so ein facettenreiches Bild der zu Lebzeiten oft verkannten Schauspielerin. Immer wieder sorgte Marilyn Monroe für Überraschungen. Plante der Regisseur vier Tage für eine komplizierte Szene, reichten 20 Minuten. Dafür musste der Satz “Wo ist der Whisky” aus “Some Like it Hot” 65 Mal gedreht werden. Die Filmausschnitte waren hervorragend gewählt. Das Publikum schwankte zwischen Tränen und Gelächter, erinnerte sich an Lieblingsfilme und entdeckte neue. 90 Minuten reichten bei Weitem nicht aus, um alles über Marilyn Monroe abzudecken. (bon)

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Thomas Sander erinnerte auch musikalisch an die Schauspielerin Marilyn Monroe (Foto: Bonacker)