Zurück aus Dijon. Eine schöne Stadt, gutes Wetter, hervorragendes Essen. Doch das alles spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ich habe Monteverdis “Il ritorno d’Ulisse in patria” erlebt, oder um es auf französisch zu sagen, ” Le retour d’Ulysse dans sa patrie”. Der Schlussakkord liegt keine drei Tage zurück, und noch immer klingt diese Musik nach. Genauer gesagt, die Musik und die Art und Weise, auf die sie gespielt, gefeiert und zelebriert wurde. Ich weiß nicht, ob ich im Theater überhaupt schon mal etwas derart Beglückendes erlebt habe.

Natürlich sind die Hauptrollen mit Rolando Villazón (Ulisse) und Magdalena Kožená (Penelope) spektakulär und erlesen besetzt, doch auch die Nebenrollen werden von ausdrucksstarken Sängerinnen und Sängern gestaltet, insbesondere von Anne-Catherine Gillet (Minerva) und Callum Thorpe (Antinoo). Mariame Cléments Inszenierung ist fantasievoll, originell, zuweilen ironisch und schreckt vor etlichen Stilbrüchen nicht zurück, was keine Überraschung ist. Ulisses Verwunderung über den aufgestellten Cola-Automaten findet jedenfalls im Publikum Verständnis. Das ist ein grandioses, doppelbödig-geistreiches Spiel mit verschiedenen Ebenen der Erwartung – wunderbar!

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Emmanuelle Haïm leitet die Aufführung wie immer, wenn sie musiziert – hochsensibel, extrem spielfreudig und vor allem mit einer atemberaubenden Ausgestaltung musikalischer Spannungsverläufe. Das Duett zwischen Ulisse und dem Hirten Eumete klingt beinahe romantisch und rührt affektiv zu Tränen, die Lamenti Penelopes sind geprägt von einem verschwenderischen Umgang mit Tempo und Dynamik, die tänzerischen Instrumentalsätze sind launig, couragiert und klingen einfach unwiderstehlich. Die Akteure auf der Bühne, von spanisch anmutenden Rhythmen inspiriert, versprühen eine Art der Lebensfreude, die man als Zuschauer nur ungläubig bestaunt. Fast vier Stunden dauert dieser Rausch, und er verflüchtigt sich glücklicherweise nur langsam.