Angeblich, so ist gelegentlich zu hören oder zu lesen, bringt Corona “das Beste in uns” zum Vorschein. Damit ist wohl nicht gemeint, dass wir jetzt wieder Bücher lesen, viel spazieren gehen und mehr Sex haben. Es ist zu befürchten, dass sich “das Beste” als pathetischer Sammelbegriff von Eigenschaften wie Rücksichtnahme, Solidarität, Verständnis etc. verstehen soll. Ohne Frage wäre es wunderbar, wenn sich Hoffnungen auf ein dauerhaftes, engeres Zusammenwachsen der Gesellschaft erfüllen würden. Doch unsere Erfahrungen mit Wünschen und Sehnsüchten in schweren Zeiten sind nicht gerade ermutigend. “Es ist sehr traurig, bemerken zu müssen, wie uns der Egoismus allenthalben nachschleicht und uns oft da am nächsten ist, wo wir ihn am fernsten von uns glauben”, befand Karoline von Günderrode (1780 – 1806). Ganz so, als habe sie zu Corona-Zeiten gelebt und gewusst, dass Menschen oft erst Katastrophen benötigen, um “das Beste” aus sich herauszuholen, in wohlständigen Zeiten sich gleichwohl an diese Gabe nicht erinnern.