In der aktuellen Ausgabe der nmz bespricht Christoph Vratz zwei Biografien über Claudio Monteverdi, die zu dessen 450. Geburtstag neu erschienen sind. Im Abschnitt über das Buch von Michael Heinemann findet sich folgende Passage: “So steht Monteverdi am Ende da als jemand, der, anders als Bach, seine Welt nicht nach Zahlen und Proportionen entworfen hat, sondern der seine menschlichen Erfahrungen, seine Leidenschaften in allen Extremen in eine unmittelbare musikalische Sprache übersetzt hat, eine Sprache, die auf der Einheit von Text und Musik beruht und unmittelbar auf den Hörer wirkt, heute wie damals.”

Es ist nicht ganz klar, ob der Rezensent den formulierten Unterschied zwischen Monteverdi und Bach als Ansicht des Buchautors ausgibt oder als seine eigene. Wie auch immer, es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich den empörten Aufschrei der Bach-Gemeinde vorzustellen. Zahlen und Proportionen als Grundlage der Musik statt menschlicher Erfahrungen und Leidenschaften? Und keine Einheit von Text und Musik? Sofort denkt man an die Passionen, Kantaten, Motetten etc. und kann nicht glauben, dass das ernst gemeint sein soll. Doch gemach, gemach! Die Aufregung ist ganz unnötig. Bach war im Kirchendienst tätig, von ihm wurden keine Kompositionen von Opern, Balletten und Madrigalen verlangt. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie er sich einer solchen Aufgabe gestellt hätte. Der oben zitierte Satz unterstreicht die herausragende Stellung der Musikdramen Monteverdis, nicht mehr und nicht weniger. Missverstehen kann jeder, vor allem mit Absicht.