Vor Beginn meiner dreiwöchigen Expedition in und durch Berlin hatte ich gedacht, ein paar Ausflüge zu machen, beispielsweise zum Wannsee, nach Köpenick oder auch nach Potsdam. Am Ende war ich weder hier noch da noch dort, sondern habe die meiste Zeit in Friedenau, Charlottenburg, Schöneberg, Kreuzberg und im Prenzlauer Berg verbracht. Auch Tagestouren in den Spandauer Forst, zum Schlachtensee und nach Treptow standen auf dem “Programm”, das eigentlich keines war und welches ich auch nicht wirklich hatte. Die Stadt auf mich zukommen lassen und einfach mal sehen, wohin sie mich führt – das war das Ziel. Eine Mischung aus Entdecken und Entspannen, aus Erkunden und Erholen. Und genauso war’s.

Ich war in zwei Theateraufführungen: Im weißen Rössl im Renaissancetheater – konsequent klamaukig und herrlich selbstironisch! Und – ein völliger Kontrast – Die Gezeichneten von Franz Schreker in der Komischen Oper, ein abgründiger Psychothriller zum Thema Sex and Crime in einer packenden Inszenierung von Skandalregisseur Calixto Bieito. Ich habe die Gräber von Giacomo Meyerbeer, Ferruccio Busoni, Marlene Dietrich und Helmut Newton besucht und war in zwei Museen, dem Deutschen Spionagemuseum und dem Deutschen Historischen Museum. Nach zehn Tagen hatte ich das Gefühl, die Schlagzahl reduzieren zu müssen. Berlin verführt leicht zu ständiger Aktivität, insofern waren dann Antiquariate und Cafés bevorzugte Ziele. So habe ich zehn (!) antiquarische Bücher gekauft und davon gleich drei gelesen. Der niederländische Autor Arnon Grünberg hat mich mit seinem Roman Der Mann, der nie krank war dabei besonders beeindruckt.

Berlin Sommer 2018 115

Ein Höhepunkt sämtlicher Entdeckungen war die Meierei (Prenzlauer Berg, Kollwitzstraße 42). Seit elf Jahren wird hier alpenländische Küche angeboten, und das in herausragender Qualität. Der warme Bio-Hirsebrei mit gekochtem Obst und Himbeersahne ist sensationell! Die Speisekarte enthält natürlich sehr viel mehr, wie z. B. Brot-, Käse-, Wurst- und Fleischgerichte, Suppen, Salate, Kuchen und verschiedene Kaffeespezialitäten. Sandra Hirsch und Hubert Roth führen mit ihrem sympathischen Team hier engagiert und kreativ eine kulinarische Top-Adresse. Dem Satz, wonach eine ausgewogene Diät aus einem Kuchen in jeder Hand besteht, glaubt man hier sofort. Chapeau!

Berlin Sommer 2018 111

So ergaben sich verschiedene Stationen, die ich mehrfach aufgesucht habe, sei es für einen Kaffee, ein kühles Bier oder ein Abendessen. Manche Adressen kannte ich schon, wie das Doldenmädel am Mehringdamm oder die Kastanie in Charlottenburg. Nach langen Spaziergängen im Lietzenseepark oder am Landwehrkanal (Paul-Lincke-Ufer) sitzt man hier besonders schön und genießt ein Pale Ale oder ein Berliner Kindl. Man kann auch ausgestreckt am Spreeufer liegen und vorbeifahrende Schiffe zählen. Muss man aber nicht.