Ende letzten Jahres fragte Bundeskanzlerin Merkel öffentlich auf einem CDU-Parteitag in Mecklenburg-Vorpommern, wieviel christliche Weihnachtslieder wir denn noch kennen und wieviel wir unseren Kindern und Enkeln noch beibringen würden. „Dann muss man eben mal ein paar Liederzettel kopieren und einen, der noch Blockflöte spielen kann (…) mal bitten“, empfahl die Kanzlerin. Da war sie wieder, diese Gedankenlosigkeit bezüglich eines oftmals belächelten, wenn nicht gar diskreditierten Musikinstrumentes. Mit der Blockflöte kann man gerade noch so ein Weihnachtslied begleiten, lautet die Botschaft, dafür streichen wir dem Spieler anschließend wohlmeinend übers Haar. Wenn du mal groß bist, spielst du vielleicht Klarinette oder Posaune, dann aber auch was ernst Gemeintes, um nicht zu sagen was Seriöses. Klavier und Violine sind Ferrari und Mercedes, Blockflöte ist Trabi. Das sagen wir natürlich nicht laut, wir sind ja nicht verliebt oder betrunken.

Blockflöte

Dieser Tage veröffentlicht ZEIT online ein Interview mit dem Generalintendanten der Elbphilharmonie Hamburg, Christoph Lieben-Seutter. Überschrieben ist der Artikel mit dem Satz “Wir könnten auch Blockflöte spielen”, und in der Folge lesen wir über die enorme Auslastung der neuen Kulturstätte, in der fast jede Veranstaltung ausverkauft ist. Egal, ob Herr Lieben-Seutter diesen Satz tatsächlich gesagt hat oder die Redaktion der ZEIT darauf verfallen ist – auch hier sind Unkenntnis und Ahnungslosigkeit bezüglich des Instrumentes und der seit Jahrhunderten dafür komponierten Literatur gleichermaßen groß wie erschreckend. “Wir könnten auch Blockflöte spielen” suggeriert erstens, dass die Blockflöte für Anspruchslosigkeit und Minderwertigkeit steht, und zweitens, dass selbst bei anspruchslosen und minderwertigen Programmen das gegenwärtig sehr große Interesse an Elbphilharmonie-Konzerten ungebrochen wäre. Das Instrument Blockflöte auf diese Weise herabzusetzen, disqualifiziert den, der so redet oder schreibt – von der Art der Wertschätzung, die man dem zahlenden Publikum mit besagtem Satz entgegen bringt, ganz zu schweigen. Blockflöte wird seit Jahrhunderten in allen Gesellschaftsschichten gespielt, der Schwierigkeitsgrad der Stücke reicht von leicht über anspruchsvoll bis hin zu technisch wie musikalisch extrem elaboriert und ausgesprochen schwer. Vielleicht sollte Herr Lieben-Seutter mal hochprofessionelle Blockflöten-Ensembles in seinen Kulturtempel einladen. Und die Kanzlerin gleich dazu.