Der zweite Abend der Improvisationstage bot den 90 Zuhörern in der Unteren Stadtkirche eine gut anderthalbstündige Reise durch die Verzierungswelten von Renaissance- und Barockmusik. Mit “Il spirito della diminution” zeigten William Dongois (Zink), Matthias Siegel (Sackbut/Zink), Carsten Lohff (Cembalo) und Anne-Catherine Bucher (Orgel), wie aus knappen Vorgaben der Komponisten ausgeschmückte und spontan inspirierte Kunstwerke entstehen. William Dongois, seit vielen Jahren renommierter Experte und Instrumentalist in führenden Ensembles der Szene, moderierte kenntnisreich und führte erläuternd durch das Programm. Die Künstler dürfen nicht, nein sie müssen verzieren, ließ er das Publikum wissen, “denn man kann nicht immer das Gleiche spielen”. Das Quartett bescherte seinen Zuhörern ein seltenes Klang- und Unterweisungserlebnis auf musikalisch und technisch hohem Niveau. Derartige Einblicke in Theorie und Praxis der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts gibt es im Konzertleben nicht alle Tage. So gab es langen und dankbaren Beifall am Ende einer in mehrfacher Hinsicht besonderen Demonstration.

Gestern Abend dann das Trio Susanne Escher mit “Alles ist da, nichts bleibt”, einem Programm mit experimenteller Improvisation. Im erläuternden Text heißt es, der ganze Körper ist Instrument und Klang – Geräusch, Gebläse, Rhythmik, Bewegung, Licht. Schwingen, Verbinden, Verlieren, Wandeln. Ungewohnte Töne, erzeugt von Klarinette, Flöte, Saxofon, Posaune, Tuba, Percussion. Dazu Bilder von Pinsel und Beamer. Vermeintlich Vertrautes wirkt fremd, neu. Ein großes Spüren und Nachspüren. Viel Zustimmung, auch Nachdenklichkeit und Irritation. Kommentare von “sehr cool” bis “fühle mich verarscht”. Wunderbar!