Gestern Abend im Staatstheater Mainz war ich früh genug, um der Einführung zu Rigoletto beizuwohnen. Dramaturg Lars Gebhardt lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums dankenswerterweise auf einige wesentliche Aspekte, so z. B. die freie Entscheidung Gildas, sich für den Herzog zu opfern und für ihn in den Tod zu gehen. Üblicherweise wird die plausible Sichtweise Sparafuciles und Maddalenas – dass nämlich der Zufall die verkleidete Gilda den Tod finden lässt, da sie die erstbeste Person ist, die dem gedungenen Mörder über den Weg läuft – auch der Zuhörerschaft nahe gebracht. Wie wohltuend, dass die Mainzer Produktion (Inszenierung Lorenzo Fioroni) sehr deutlich werden lässt, dass Gildas Tod von ihr selbst bestimmt ist. Die vermeintlich Schwache, die Unerfahrene und von der Gesellschaft Ferngehaltene ist souverän und letztlich von allen handelnden Personen die stärkste. Hand in Hand damit geht die Zeichnung der Titelfigur. Rigoletto ist zu keiner Zeit in der Lage, den Fluch des Grafen Monterone (die Oper sollte ursprünglich “La Maledizione” heißen) und seine eigene Erinnerung daran richtig zu deuten. Unfähig, sein Verhalten zu ändern, hält er am Ende folgerichtig nicht seine vermeintlich so geliebte Tochter in den Armen, sondern steht ein paar Schritte von ihr entfernt, nach wie vor “blind im Inneren, gegenüber sich selbst und seinem Tun”, wie es im Programmheft sehr zutreffend heißt.

Die Inszenierung ist packend und liefert opulente Bilder. Es schneit, es brennt, es stürmt. Im zweiten Akt entledigen sich die Höflinge ihrer Kostüme (“wir spielen hier nur Theater”), ziehen sich später auf der Bühne wieder um, beobachten das Geschehen und schlagen sich sozusagen auf  die Zuschauerseite. Clemens Schuldt, einer der vielversprechendsten Dirigenten Deutschlands der jüngeren Generation (er wird ab der Spielzeit 2016/2017 Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters), beweist Sicherheit in der Wahl der Tempi, der Orchesterklang ist intensiv und dicht, trotzdem haben die Sänger alle Freiheiten. Werner Van Mechelen ist ein großartiger Rigoletto, sängerisch wie darstellerisch. Paul O’Neill (Herzog), Marie-Christine Haase (Gilda) Tamta Tarieli (Maddalena) und Hans-Otto Weiß (Sparafucile) sind in ihren jeweiligen Rollen glaubhaft und stimmlich sehr präsent. Mit Rigoletto gelang Verdi der endgültige Durchbruch als Komponist. Er selbst hielt das Werk für eines seiner gelungensten Stücke, die Uraufführung war ein überwältigender Erfolg. Die Mainzer zeigen in dieser Spielzeit, warum.

Rigoletto, Mainz