Das Jahresende 1963 war ereignishaft darin, daß der Tod seine Sense schwang. Die schwarzen Raben flogen. Sie flogen auch zu Winfried Zillig. Musiker, Kapellmeister und Komponist. Schönberg-Schüler. […] Einmal wird man die Biographie dieser Generation schreiben müssen, die eine verfluchte Zeit hindurch nicht sein konnte, was sie sein wollte. Die Widerstände hätten sie stärker gemacht? Ach, die Widerstände haben sie nicht zu dem kommen lassen, was „Leben“ heißt! […] Zillig gehörte – als Komponist und Dirigent – zu jenen großen Talenten, in denen das Genie gereift wäre, wenn man ihnen Zeit dazu gelassen hätte. Statt dessen gibt man ihm Ämter.

So schrieb die ZEIT zum Jahresende 1963 und würdigte den Musiker und Autor Winfried Zillig. Was passiert – die Frage drängt sich auf – wenn das Talent die ihm angebotenen Ämter zum Zwecke der eigenen Entwicklung und Reife ausschlägt? Später im Text heißt es, es “geht jetzt darum, dass die Dirigenten die Partituren – die sehr kunstvollen und kraftvollen Partituren Zilligs – auf die Notenpulte legen”. Also doch? Was soll sich entwickeln, der Künstler oder der Kunstbetrieb? Vertragen sich Talent und Amt wirklich nicht? Nicht jedes Talent erhält ein Amt, soviel ist sicher. Doch auch nicht jeder, der ein Amt hat, hat auch Talent.