Heute Vormittag. Wir hören und sehen Góreckis Sinfonie der Klagelieder in der Aufnahme mit der Sopranistin Dawn Upshaw und The London Sinfonietta unter David Zinman. Die Musik, ebenso die schockierenden, kaum zu ertragenden Bilder hinterlassen ihre Wirkung. Eine Hörerin ist tief beeindruckt und spricht dann sehr angetan von der Gestaltung der Gesangspartie. Ich wage zu antworten, dass die Wirkung des Stückes eigentlich schon in der Vorlage selbst liegt, sozusagen auskomponiert ist. Manche Interpretationszutaten sind mir zuviel, der Betroffenheitsausdruck zu groß, das Parfum zu schwer. Das ruft entschiedenen Widerspruch hervor. Nein, distanziert kann man das ja wohl gar nicht singen, bei solch einem Thema geht das überhaupt nicht, man muss doch die innere Anteilnahme spüren…. Was kann ich noch sagen? Dass eine Anklageschrift nicht im Ton der Empörung vorgetragen wird, dass eine Dokumentation durch Versachlichung an Kontur, Schärfe und Glaubhaftigkeit gewinnt? Aber wir sind weder im Gerichtssaal noch in einem wissenschaftlichen Hauptseminar. Schließlich fragt jemand, ob Frauen anders hören als Männer. Das hat gerade noch gefehlt, aber so kommen wir aus der Nummer wenigstens halbwegs heil heraus. Bis zum nächsten Mal.