“Nach 1880 ist eben nichts Gescheites mehr komponiert worden”, sagte kürzlich ein Kursteilnehmer im Anschluss an eine Hörstunde mit Szymanowskis 3. Sinfonie. Der Hörer würde wohl auf Nachfrage seine Behauptung nicht ernsthaft aufrecht erhalten wollen, und doch schwingt in solch einem launig klingenden Kommentar auch Geringschätzung und Ablehnung für Musik des 20. Jahrhunderts mit. Warum ist das so? “Wenn Sie sagen, dass es große Kunst ist, dann wird es wohl so sein” – eine höfliche Konzession, die tiefe Einblicke in subjektive Hilflosigkeiten gewährt. Musik ohne Symmetrien, ohne periodischen Aufbau, ohne Dur/Moll-Tonalität, ohne vertraute Skalen – viele Hörerinnen und Hörer stehen hier immer wieder unerfahren und ratlos vor klanglichen Verläufen, die für sie nicht antizipierbar und somit unverständlich sind. Ein Kollege nennt das den “Ging-allein-Effekt” – wer “Hänschen klein” sagt, muss auch “ging allein” sagen. Zwei und zwei ist vier, und vier und vier ist acht. Und wehe, wenn nicht!

Diese über Jahrzehnte gewachsenen musikalischen Vertrautheiten, Berechenbarkeiten und Verlässlichkeiten – sozusagen von Kindesbeinen an und fortgesetzt in Schule, Ausbildung und Beruf, Freizeit und Hobby – stehen häufig einer unvoreingenommenen Annäherung an Musik der Moderne oder Avantgarde massiv im Wege. Wie oft haben wir die Diskussion geführt, was Musik überhaupt sei oder was sie enthalten müsse! Melodie, Harmonie, Rhythmus, Takt? Bei der Uraufführung von Beethovens “Eroica” verlangten die Leute ihr Geld zurück, bei Strawinskys “Sacre du printemps” hat sich das Publikum geprügelt und die Bestuhlung zerlegt. Wären wir nur dabei gewesen, was hätten wir alles lernen können! Verstehen und nicht verstehen ist das eine, mögen und nicht mögen das andere. Achtung: Wissen gefährdet nicht nur die Dummheit, sondern wirkt auch genussfördernd!