Für Freunde der Klaviermusik abseits ausgetretener Pfade ist jetzt im Helbling-Verlag eine bemerkenswerte CD-Ersteinspielung erschienen: Die Geisterszenen von Anselm Hüttenbrenner (1794 – 1868), ergänzt um die Geistervariationen von Robert Schumann (1810 – 1856), gespielt von der Pianistin Julia Rinderle.

Hüttenbrenner hatte in Graz seine Ausbildung zum Juristen abgeschlossen, bevor er in Wien Freund und Studienkollege von Franz Schubert wurde. Beide studierten bei Antonio Salieri, gemeinsam lernten sie Beethoven kennen. Schon zu Lebzeiten war Hüttenbrenner als Komponist, Pianist und Lehrer sehr geschätzt und angesehen. Zu seinem gesamten Œuvre zählen Opern, Messen, Requien, Kammermusik, Lieder sowie Chor- und Klaviermusik. Viele seiner Werke sind verloren oder verschollen. Aus heutiger Sicht, zumal im Vergleich mit Schubert, wollen wir die Einschätzung Peter Gülkes nicht unterschlagen, der Hüttenbrenner eine nur “mittlere Begabung” und einen “Charakter von provinziellem Zuschnitt” bescheinigt. Nun, neben einem Riesen ist jeder noch so groß Gewachsene klein. Was Sternstunden nicht ausschließt….

Die jetzige Veröffentlichung der Geisterszenen ist jedenfalls nicht nur aus editorischen Gründen von großem Wert. Eine gewaltige “Naturfantasie”, in Klang gegossene romantische Tonbilder – wir hören (und sehen) gewittriges Donnergrollen, Nebelschwaden, Gebirgsbäche. Der Zugang zu den 22 Szenen ist leicht, spontan und bereitet hinsichtlich des Schaffens assoziativer Bilder keinerlei Anstrengung. Julia Rinderle ruft die gesamte Palette ihrer pianistischen Gestaltungsmittel ab und beeindruckt mit spukhaften, halsbrecherischen Klangkaskaden ebenso wie mit idyllischer, kantabler Linienführung. Ein 56-seitiges, aufwändig gestaltetes und glänzend recherchiertes Booklet begleitet die sehr gelungene Einspielung.

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