Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss ist so ziemlich das Anspruchsvollste, was wir im Opernkurs bisher gehört und gesehen haben. An dem Stück ist so ziemlich alles schwer: Handlung, Text, Musik. Eine Erzählung von Liebe, Schuld, Erkenntnis und Erlösung, dazu eine harmonisch zuweilen tollkühne, die Grenzen der Tonalität überschreitende Musik. Jeder Laie, der sich dem aussetzt, muss geradezu opernhafte Prüfungen über sich ergehen lassen. Das Schöne ist, dass dieses unbekannte Terrain gleichzeitig fordert und beschenkt. Es ist dabei nicht nötig, orchestrale Klangmixturen oder harmonische Verwegenheiten mit musikalischem Fachvokabular beschreiben zu können. Das Entscheidende sind unsere Antennen, unsere inneren Seismographen, die uns Wünsche und Hoff-
nungen, Intrigen und Verzweiflungen, Abgründe und Sehnsüchte wahrnehmen lassen. Es ist schön, wenn man weiß oder gar hört, dass auf den B-Dur-Sekundakkord mit Sext- und Nonenvorhalt die Obermediante, die Tonikaparallele oder sonst was folgt. Für das, worauf es wirklich ankommt, ist es ganz unwichtig. Wir kennen auch nicht jedes Geheimnis des Kochs, wenn uns sein Essen schmeckt.