Die meisten Menschen haben ihre Sterblichkeit nicht begriffen. Klingt simpel, ist es auch. Wenn man weiß, dass es gleich wieder zu Ende ist, könnte man sich natürlich in seinem Leben viel sparen. Streit, Machtgier, Unfreundlichkeit, Raffsucht zum Beispiel.
Sibylle Berg (* 1962), Schriftstellerin

Zudem könnte man, über die Ersparnis der genannten Dinge hinaus, seine so bewahrte Energie in das restliche Leben stecken. Wie heißt es so schön: Nicht dem Leben Jahre hinzufügen, sondern den Jahren Leben! Kunst und Kultur sind wahre Energiespender, sie versorgen uns mit Kraft, Mut, Zuversicht. Häufig bemerken wir den Eindruck, das ein Buch, ein Musikstück oder ein Schauspiel auf uns macht, erst später, sozusagen postperformativ (wow!). Der erste Eindruck, für den es bekanntlich keine zweite Chance gibt, ist auch im Künstlerischen unmittelbar und nicht korrigierbar. Anders verhält es sich mit der Langzeitwirkung, die uns im besten Fall mit einer Art Depotwirkung erfassen kann, und die nicht selten einen Indikator für unser eigenes Berührtsein darstellt. Tipp des Tages: Anton Bruckner, Streichquintett F-Dur, 3. Satz: Adagio.