Eurovision Song Contest statt royaler Tradition

Wer am Samstag die Hochzeit von Schwedenprinz Carl Philip und der Model-Yogalehrerin Sofia Hellqvist am Bildschirm verfolgt hat (Gott sei Dank, ohne dass ein Moderator alles kaputtgequatscht hätte), konnte seinen Ohren nicht trauen. Seinen Augen schon, denn außer den putzigen Marinemützen der royalen Herren, gab es viele prächtige Roben zu bestaunen, nebst dem passenden Geschmeide. Was aber das Brautpaar sich da an musikalischer Begleitung ausgesucht hatte, zeigt, dass beim drittgeborenen Prinzen wohl schon alles egal ist. Hier hat kein Protokollwächter und kein Hofprediger mehr korrigierend eingegriffen. Einzug in die Kirche zu den Klängen eines gälischen Popsongs. Dann – immerhin – ein Choral, der sich anhörte wie unser evangelisches “Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer”. Paul Gerhardts “Geh aus mein Herz und suche Freud” mit anderer Melodie (schwedisch halt), aber dann kam es: Rihanna und Coldplay-Songs, dargeboten von schwedischen Schlagersängern, die sich auf einer Bühne wähnten. Der Knaller dann am Ende: Auszug zu Gospelklängen, wobei der Sänger ein frenetisches “Everybody clap your hands!” in die Kirche brüllte, woraufhin die gekrönten Häupter pflichtschuldigst mitklatschten und mit dem Kopf wippten. Entweder waren sie einfach froh, sich nach der langen Trauung wieder bewegen zu können, oder sie hatten Angst, sonst eine schlechte Presse zu bekommen, à la “guck mal, wie steif die Margrete ist”. O tempora, o mores! Auf den Adel ist auch kein Verlass mehr, nicht mal in Geschmacksdingen. Was ich gewählt hätte? Kantate 147. Das ist schön, eingängig und – Bach.

Autorin: Kicherliese (Kreisleiche) – Danke für die Zuschrift!