Gewiss, der Freischütz ist ein unvergleichliches Kunstwerk, aber er ist keine Große Oper. Auf einer geräumigen Bühne, im riesigen Zuschauersaal verliert das Werk, einem Genrebild vergleichbar, das in einer Kunstausstellung zu hoch aufgehängt wurde. Und doch ist es auch keine Opéra comique, obwohl in der Originalgestalt die Musikstücke von gesprochenen Szenen unterbrochen wurden. Der Freischütz ist die Große Oper für eine Kleinstadt – in seiner von Grund auf germanischen Mentalität hat er sich in jedem anderen Land nur schwer akklimatisieren können.
Camille Saint-Saëns (1835 – 1921)

Das Zitat ist einem Aufsatz entnommen, den Saint-Saëns für L’Estafette am 10. Juli 1876 schrieb. An anderer Stelle lässt er einen anonymen Operndirektor auf ironische Art sagen, dem Freischütz mangele es an Klarheit und Spannung, obendrein fehle es an schönen Stoffen, an Samt und Seide, vor allem aber sei die Szene in der Wolfsschlucht kein bisschen lustig, man müsse daher ein Ballett einfügen. Es gebe da bloß Windesrauschen, Donnergrollen und das Knirschen der vom Sturm gerüttelten Tannen… Kein bisschen lustig. “Germanisch-depressiv” hat das eine Kabarettistin kürzlich genannt. Vielleicht ist da ja was dran, so insgesamt. Aber am Freischütz wollen wir es nicht ernsthaft festmachen, oder?