Niemand würde in Wagners Meistersingern alte Minnesänger-Musik des 16. Jahrhunderts erwarten, oder antike griechische Musik in Strauss‘ Elektra. Und die Orientalismen in Aida oder Samson und Dalilah sind lediglich als Farben benutzt, während es sich im Ganzen um vollblütige romantische Opern handelt. Aber ein Film ist da anders. Da versucht man nicht nur, den Geist vergangener Epochen heraufzubeschwören, sondern will diese leibhaftig wiedererstehen lassen – als echte Realität.
Miklós Rózsa (1907 – 1995)

Das ist natürlich richtig, und insofern sind die dazu verwendeten “akustischen Täuschungen” ganz pausibel. Ein paar Quartparallelen in fanfarenartigem, punktiertem Rhythmus – schon sehen wir den Sheriff von Nottingham und fragen nicht danach, ob für die Zeit von Robin Hood – sofern dieser tatsächlich ein Zeitgenosse von Richard Löwenherz war – eine solche Musik als typisch für das späte 12. Jahrhundert angesehen werden kann. Ganz sicher erklangen zur Zeit Neros die Tanzmusiken nicht wie im Spielfilm Quo Vadis, und dennoch lassen wir uns durch diese, sagen wir “antikisierten” Klänge gerne um zweitausend Jahre zurück versetzen und nehmen das Gehörte für überlieferte, bare Münze. In seiner Oper Palestrina verwendet Hans Pfitzner modale Skalen sowie Quart- und Quintverbindungen und erzeugt damit eine archaisierende Klangwelt, die uns sozusagen ins 16. Jahrhundert transponiert. Doch frei nach Bürgermeister van Bett, der im Übrigen in Lortzings Zar und Zimmermann ganz romantisch klingt, obwohl das Stück im späten 17. Jahrhundert spielt, sind wir “klug und weise, und [uns] betrügt man nicht.”