Glaubhaftigkeit. Man muss eine Figur annehmen mit allen Stärken und Schwächen – ohne sich neben sie zu stellen und sie zu kommentieren. […] Man muss in die Haut der Figur schlüpfen. Dabei kommt man von der Distanz zur Nähe. Es geht darum, eine Figur völlig zu akzeptieren und in ihr aufzugehen. Das ist ein Prozess, den man jedes Mal neu durchläuft. Zuallererst wird die Partie intellektuell erschlossen. Man versucht, sie zu verstehen und mehr und mehr mit ihr zu verschmelzen. Man kann nicht naiv sagen, ich spiele jetzt mal den Hänsel. Das wird nicht funktionieren. Ich muss jeden Satz auf seine Wahrheit und das Warum abklopfen. Wer das nicht schafft, dem wird man nicht glauben. Ob in einem kleinen oder großen Opernhaus.
Waltraud Meier

Quelle: Mozartfest Würzburg, Magazin 2016. Das Gespräch mit Waltraud Meier führte Intendantin Evelyn Meining.