Abends, zurück aus der Normandie. Noch berauscht von Cavalli und Lully, von Xerse gestern Abend im Théâtre Caen mit Le Concert d’Astrée, Emmanuelle Haïm und wunderbaren Sängerinnen und Sängern, vor allem dem Countertenor Tim Mead und der Sopranistin Emöke Baráth. Die Musik, ohnehin betörend, irisierend und von unverschämtem Charme, wird im Liebesduett der beiden zum Erlebnis für sämtliche Sinne. Und Cavalli, dieser Zauberer, findet Mitstreiter auf Augenhöhe: Emmanuelle Haïm entlockt ihrem Orchester nobelste Klänge, leicht und transparent, sinnlich, verliebt, verspielt. Haïms Dirigat ist hochvariabel, zuweilen schlank, knapp, dann fordernd und draufgängerisch, dann wieder zärtlich, behutsam und abwartend. Der Auftakt, mit beiden Händen von unten in Zeitlupe kommend, mit den Handinnenflächen nach oben, lädt das Continuo zum selbstgewählten Zeitpunkt des Einsatzes ein. Es folgen entrückte Klänge, sanft und zeitvergessen. Dann, zu den Ballettmusiken von Lully, positionieren sich die Instrumentalisten im ersten Rang, auf gegenüber liegenden Balkonen, zum doppelchörigen Musizieren. Die Rhetorik ist virtuos, wir können einstudierte Verzierung und spontane ornamentale Improvisation nicht unterscheiden. Wir wagen nicht uns zu rühren, werden in unserem Sessel immer kleiner und bestaunen die fantasievollen Choreografien der sechs Tänzer der Compagnie Leda. Nach vier Stunden ist das Fest zu Ende. Ein berührender, grandioser Abend.

Emmanuelle-Haim

Emmanuelle Haïm