Grußwort zur Festschrift “60 Jahre Wetzlarer Musikschule”

Der Musikwissenschaftler und –psychologe Heiner Gembris hat einmal auf die Frage, ob Musizieren schlau mache, geantwortet: „Ich würde eher sagen: Wer schlau ist, macht Musik.“ Anders gesagt: Wir musizieren nicht, um unseren Intelligenzquotienten zu steigern. Also warum dann?

Der eine möchte endlich mal die erste Geige spielen, der andere will mal so richtig auf die Pauke hauen, der nächste will jemandem die Flötentöne beibringen oder ins gleiche Horn blasen – wir kennen diese Redewendungen. Sie kommen aus dem Alltag und haben ihren Ursprung in unseren Gefühlen, in unseren Wünschen und Bedürfnissen, in unserem Mut- und Gestaltungswillen. Die Wetzlarer Musikschule schafft seit nunmehr sechs Jahrzehnten individuelle wie gemeinschaftliche Möglichkeiten des aktiven Musizierens. Wir empfinden Freude, Ausgelassenheit, Nachdenklichkeit, Wut, Zuversicht – unsere gesamte Gefühlswelt findet Ausdruck in der Musik, sei es, dass wir sie einzeln oder in der Gruppe erleben.

Das Geheimnis liegt im Entwickeln eigener Fähigkeiten und in der Freude am Musizieren zusammen mit anderen. Im Grunde genommen ist es ein Programm fürs Leben: In einer Vielfalt von Farben und Klängen der eigenen Stimme treu bleiben, doch dabei stets auch die anderen wahrnehmen und sie nicht ausblenden. Das ist nicht immer leicht, doch wenn es gelingt, ist es wunderbar.

Und wer nicht hören kann, muss lernen! Die Musik nämlich erschließt sich uns ebenso im Erkennen und Verstehen von Zusammenhängen, im Analysieren von Satztechniken und Kompositionsstrukturen, von stilistischen Merkmalen, von musikgeschichtlichen und biografischen Hintergründen. Auch hier bietet die Musikschule entsprechende Zugänge durch Kurse, Vorträge, Projekte und Exkursionen. Instrumentalisten, Musikliebhaber und Konzertbesucher lernen auf unterschiedlichste Weise, Musik zu verstehen. Bisweilen verstehen sie dabei auch sich selbst – wie schön!

„Mit Musik geht alles besser“, sang Rudi Schuricke einst. Klingt einfach, ist es auch. Statt „Musik“ könnte es auch „Musikschule“ heißen. So ist das mit Evergreens, die bleiben einfach immer jung. So wie wir.

Thomas Sander
Schulleiter