Springe zum Inhalt

2025

12. Juni 2025

Agrippina in Halle war insofern interessant, als sich wieder einmal gezeigt hat, dass eine Regie, ein Team, ein Haus dem Werk, das es präsentiert, gleich mehrere Stempel gleichzeitig aufdrücken kann. In der Einführung hieß es, eigentlich sei das Stück eine Operette. Händel habe hier viel Tanzmusik hinein gegeben (diese sei ja das Kennzeichen einer Operette), die Handlung sei augenzwinkernd und ironisch zu verstehen. Um den dreistündigen Verlauf flüssig und abwechslungsreich zu halten, wurden viele da-capo-Teile gestrichen. Das ist – hat man den beschriebenen Ansatz gewählt – nachvollziehbar, stellt aber die musikalische Leitung sowie Sängerinnen und Sänger vor das Problem, für jeden einzelnen "Strich" eine plausible Begründung zu haben, die nicht immer in der Musik selbst zu finden ist. Kurzum, ein im wahrsten Sinne des Wortes bunter Nachmittag, in mehrfacher Hinsicht.

7. Juni 2025

7. Juni 2025

Morgen geht es nach Halle zu den dortigen Händel-Festspielen. Ich sehe Agrippina, eine Art Politthriller um einen Nero-Stoff mit zwei der beliebtesten Zutaten großer Opern: Erotik und Macht. Händels erst sechste Oper (von insgesamt zweiundvierzig) wurde 1709 in Venedig uraufgeführt und gilt als sein erstes bedeutendes Meisterwerk für das Musiktheater. Die Webseite der Bühnen Halle verspricht "eine flippige Komödie der überdimensionalen Egos in einer dysfunktionalen First Family", was mich in der Tat sehr neugierig macht.

3. Juni 2025

Im "Operntreff" haben wir uns gestern mit dem zweiten und dritten Akt von Tristan und Isolde beschäftigt. Nachdem in der letzten Woche mehr Wagners Text und weniger seine Musik die Diskussion geprägt hatte, war es diesmal umgekehrt. Zu meinem Erstaunen war den meisten Anwesenden Wagners Klangsprache nicht zu schwer oder beladen. Die Wucht der Erzählung und die damit verbundene Herausforderung und Anstrengung für alle Beteiligten - auf der Bühne, im Orchestergraben sowie im Publikum - hat sich auf ganz natürliche Weise und unmittelbar erschlossen. Dass so etwas bei musikalischen Laien nicht nur den üblichen Verdächtigen wie Don Giovanni, Carmen oder Aida gelingt, sondern eben auch bei Tristan und Isolde klappen kann, freut mich sehr.

31. Mai 2025

Liebe Leserinnen,
liebe Leser,

während der vergangenen Wochen hat diese Webseite eine Auffrischung erhalten, in der Fachsprache einen Relaunch. Das Design wurde modernisiert, die Lesbarkeit verbessert, Optik und Technik sind auf dem neuesten Stand. Da dennoch keine "Revolution" stattgefunden hat, habe ich die begründete Hoffnung, dass meine Seite auch weiterhin Ihr und Euer Interesse finden wird. Herzlichen Dank für die Geduld während der letzten Zeit!

Es gibt neue Reisepläne für Herbst und Winter 2025/26. Zunächst geht es im September nach Warschau - eine Exkursion als Abschluss der Ringvorlesung an der UDL Göttingen. Wir werden historisch, politisch und kulturell bedeutsame Einrichtungen besuchen. Für die Reise, die auf der Hinfahrt über Posen und Toruń, auf der Rückfahrt über Frankfurt/Oder führen wird, gibt es noch freie Plätze! Im Oktober gibt es die nächste Opernreise, diesmal nach Dresden. In der Semperoper werden wir Puccinis "Tosca" in einer hochkarätigen Besetzung erleben. Neben einer Stadtführung gehört auch der Besuch von Schloss Moritzburg zum Reiseprogramm. Für die Fahrt gibt es noch Plätze auf der Warteliste. Im Februar 2026 wird es eine Ballettreise nach Leipzig geben (Choreografien von Uwe Scholz), im März dann eine Reise zum königlichen Opernhaus in Brüssel, La Monnaie (Mozart, Idomeneo).

Die Seminare, Kurse und Vorträge beschäftigen sich in den kommenden Wochen und Monaten mit Modernem Tanztheater, Programmmusik, Oper und verschiedenen Formen barocken Musiktheaters, mit Gattungen geistlicher Musik aus sechs Jahrhunderten und manchem mehr. Ein Bildungsurlaub zum Thema "Musik und Politik" ergänzt das Programm.

Ich freue mich auf regen Besuch, Diskussion und Austausch und viele spannende Stunden und Begegnungen!

Ihr und Euer
Thomas Sander

Pause bis zum 27. Mai 2025

30. März 2025

30. März 2025

“Lorbeeren” – unter diesem Motto finden die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen 2025 vom 16. bis 25. Mai statt. Das diesjährige Festspielprogramm ist ambitioniert und vielfältig: Spannung und Nervenkitzel erwartet das Publikum in der Festspieloper “Tamerlano” (Premiere 17.5.), chorische Klanggewalt in Händels Oratorium “Solomon” (16.5.), stimmliche Brillanz in der Operngala mit Mezzosopranistin Ann Hallenberg (22.5.). Dazu gibt es zahlreiche Kammer- und Kirchenkonzerte, Vorträge und nicht zuletzt ein buntes und prall gefülltes Kinderprogramm in insgesamt 94 Veranstaltungen in und um Göttingen in vielen verschiedenen Spielstätten und Konzertformaten.

25. März 2025

Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.
Brigitte Bardot (* 1934)

23. März 2025

Die vergangene Arbeitswoche war thematisch sehr abwechslungsreich und brachte ein paar erinnerungswürdige Begegnungen. Die Beschäftigung mit Leoncavallos “Pagliacci” (VHS Göttingen), ein Blick auf Leben und Werk von Hans Werner Henze (VHS Gütersloh), eine Annäherung an Modernes Tanztheater (Senioren-Uni Gütersloh) und ein Vortrag über Gustav Mahler (Deutsch-Österreichische Gesellschaft Wetzlar) fanden jeweils ein durchweg interessiertes Publikum. Hin und wieder schildern einzelne Besucher/-innen ihre Eindrücke, geben Auskunft über ihre Lieblingsstücke oder äußern Wünsche fürs nächste Mal. Besonders gefreut hat mich diesmal der Kommentar eines Musikfreundes aus Wetzlar, der mir im Anschluss an meinen Vortrag versicherte, er habe Mahler noch nie so gut verstanden wie an diesem Freitag. Für dieses schöne Kompliment, gleichzeitig Ansporn, habe ich dem Besucher aufrichtig und von Herzen gedankt, ist doch so eine Reaktion zwar angenehm, doch keineswegs selbstverständlich.

18. März 2025

18. März 2025

Lesetipp: Nastassja Martin, An das Wilde glauben (Croire aux fauves)
aus dem Französischen, Matthes & Seitz Berlin, 2021

Auf einer Forschungsreise durch die russische Halbinsel Kamtschatka wird die Autorin von einem Bären gebissen und schwer verletzt. In aufwühlenden Worten erzählt sie von der Geschichte dieses Kampfes und von ihrer Genesung. Träume und Erinnerungen lassen Nastassja Martin umfassende Heilung in sich selbst und der Wildnis finden, in die sie nach einer qualvollen Genesungsgeschichte in russischen und französischen Krankenhäusern zurückkehrt. Die gerade einmal 140 Seiten sind eine packende, sehr berührende und nachhallende Lektüre. Eine Genrebezeichnung ist nicht möglich.

13. März 2025

Wissenschaftlich gesehen wären die wichtigsten Schulfächer Musik, Sport, Theaterspielen, Kunst und Handarbeit.
Manfred Spitzer, Hirnforscher

10. März 2025

Heute Abend im Opernkurs beschäftigen wir uns mit Herzog Blaubarts Burg, der einzigen Oper von Béla Bartók. Der Komponist schrieb das Stück 1911 innerhalb von nur sechs Monaten, die Uraufführung erfolgte 1918 im Opernhaus von Budapest. Die Klangsprache ist knapp und konzentriert, der Grundton dunkel, ja zuweilen eisig. Es gibt Anklänge an Debussy, doch besonders intensiv wird die Tonsprache, wenn Volksmusik von Ungarn bis Siebenbürgen anklingt. Allerdings wirken diese regionalen Einflüsse nicht aus sich selbst, sondern sind in Bartóks hier dissonant aufgeladenen Stil integriert. Das kurze Werk – die Spieldauer beträgt etwa eine Stunde – ist keine Action-Story, sondern ein Drama um Einsamkeit, Schicksal und Ausweglosigkeit. Der Titel bezeichnet keinen pittoresken Schauplatz als vielmehr einen verletzlichen (und verletzten) Seelenraum.

6. März 2025

Heute, genau einen Tag vor Maurice Ravels 150. Geburtstag, erscheint in Deutschland Anne Fontaines Film “Bolero” (2024). In einer Rezension lese ich, dass Ravels Meisterwerk (“Es ist mein populärstes und erfolgreichstes Stück, leider enthält es keine Musik”) weltweit alle fünfzehn Minuten gespielt wird. Wer findet so etwas heraus? Und wozu? Vielleicht liegt ja nur ein Verständnis- oder Übersetzungsfehler vor, und gemeint ist die Aufführungsdauer des Stücks. Egal – Fontaines Bilder sind hochsensibel, stimmungsvoll und sehr poetisch. In historischer Kulisse zeigen sie den kreativen Schaffensprozess Ravels und seine permanente Suche nach Inspiration und perfektem Ausdruck. Sehenswert!

28. Februar 2025

Es ist besser, dem Traummann im Traum zu begegnen als in der Wirklichkeit. Aus dem Traum kann man immerhin aufwachen.
Jeanne Moreau (1928 – 2017)

25. Februar 2025

25. Februar 2025

Ich sei schockverliebt in diese Musik, und zwar seit fünfzig Jahren, habe ich gestern im “Operntreff” gesagt und hinzugefügt, dass ich manchmal übertreibe, doch diesmal nicht. Wenn, wie bei dieser Produktion, Musikalität und Virtuosität, Fantasie und Spielfreude, Ideenreichtum und Darstellungskunst hinzukommen, bietet Lully einen außergewöhnlichen Genuss, der unseren Dreiklang von Körper, Geist und Seele in berührende Schwingungen versetzt. Ein großes Glück, nicht mehr und nicht weniger.

20. Februar 2025

Die Tanten Ludwigs XVI. nannten dessen Ehefrau Marie-Antoinette verächtlich l’Autrichienne, „die Österreicherin“. Ein böses Wortspiel, denn im Französischen wird es beinahe wie l’autre chienne („die andere Hündin“) ausgesprochen. Dagegen sind moderne Sprachschöpfungen, insbesondere zu Zwecken der Werbung und des Marketings, mindestens ebenso pfiffig, gleichwohl ohne Häme. Zu einer Klaviatour lädt ein Göttinger Unternehmen in seine Geschäftsräume ein, zu Haselgenuss ein Obst- und Gemüsehändler. Besonders kreativ zeigen sich Friseursalons: Vorhair-nachhair heißt es da, auch Abschnitt oder Schnittstelle. Hairlich! Und nach wie vor großartig bleibt der Geistesblitz, der Volkswagen vor Jahren ereilte für seine mit neuer Technik angetriebenen Fahrzeuge: Allllrad!

18. Februar 2025

Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.
Willy Brandt (1913 – 1992)

17. Februar 2025

17. Februar 2025

“Der Hinner ist ausverkauft!” Mit diesem Satz eröffnet mir eine Freundin, dass es für meinen Vortrag über den Komponisten Philipp Joseph Hinner am kommenden Freitag im Wetzlarer Haus Friedwart keine Plätze mehr gibt. Sozusagen im altehrwürdigen Wohnzimmer der Familie Leitz (Leitz-Optik) spreche ich zum Semesterauftakt der VHS Wetzlar. Dass es im Vorfeld ein so großes Interesse gibt, ist gleichermaßen schön wie überraschend, ist doch Philipp Joseph Hinner nur wenigen Musikinteressierten bekannt. Der Umstand allerdings, dass er es als junger Deutscher bis an den französischen Königshof, hier zum Harfenmeister und Lehrer von Königin Marie-Antoinette gebracht hat, macht neugierig. Die Musikwissenschaft weiß nicht allzu viel über den Komponisten. Von dem Wenigen, was bekannt ist, werde ich am Freitag etwas erzählen.

Pause bis zum 16. Februar 2025

2. Februar 2025

2. Februar 2025

Was für ein Leben!

30. Januar 2025

Die Wahrheit nachbilden mag gut sein, aber die Wahrheit erfinden ist besser, viel besser.
Giuseppe Verdi (1813 – 1901)

28. Januar 2025

28. Januar 2025

Der französische Regisseur Benjamin Lazar, bekannt für seine gleichermaßen innovativen wie die Psyche imprägnierenden Inszenierungen, überraschte die Musikszene 2016 mit der Produktion von Traviata – Ihr verdient eine bessere Welt. Für das Bühnenstück verband er die Musik aus Verdis “La Traviata” mit Dialogen aus Alexandre Dumas’ Roman “Die Kameliendame” und ergänzte dazu Abschnitte aus Werken von Baudelaire und Gautier. Mit dem Kammerorchester, rigoros verkleinert auf acht Instrumente (Violine, Cello, Klarinette, Flöte, Kontrabass, Akkordeon, Horn und Posaune), lassen die Arrangeure Florent Hubert und Paul Escobar Verdis Musik in neuem klanglichen Gewand erscheinen. “Schwere Opiumschwaden, betörender Blumenduft und weiße Gazeschleier schaffen einen diffusen Raum”, begeistert sich der “Klassikkalender”. Judith Chemla in der Titelrolle ist als Sängerin und Schauspielerin hinreißend wie immer, Damien Bigourdan gibt den verliebt-verzweifelten Germont ausdrucksstark und überzeugend.

Das außergewöhnliche, sehenswerte Stück lief lange im Théâtre des Bouffes du Nord, wurde von Corentin Leconte 2018 verfilmt und ist auf DVD und Blu-Ray erhältlich. Unbedingt anschauen!

26. Januar 2025

“Wer nichts weiß, muss alles glauben”, sagt Marie von Ebner-Eschenbach. Das klingt ganz richtig, und ist es wohl auch. Die Frage aber, was wir wirklich wissen, beschäftigt nicht nur Philosophen seit Jahrhunderten und länger. Es geht nicht allein um Fakten: Beethovens “Egmont”-Ouvertüre steht in f-Moll und endet in Dur. Das ist die Realität, ganz einfach. Die Wirklichkeit dagegen hat eine Wirkung (sic!), die Spielräume lässt, nach Interpretationen verlangt, Erklärungen provoziert. Was wissen wir? Was glauben wir zu wissen? In Umkehrung des Eingangszitats könnten wir sagen, dass alles wissen muss, wer nichts glaubt. Komponiert Brahms in seinem Deutschen Requiem das Unwiederbringliche oder das Unaufhörliche? Geht der Film “Die leisen und die großen Töne” (En Fanfare, F 2024) gut aus oder nicht? Wir können von etwas überzeugt sein – auch so sehr, dass wir glauben, wir wüssten es. Es ist grundsätzlich nichts Schlechtes daran, an den Zweifel zu glauben. Und selbst das können wir in Zweifel ziehen, solange wir es nicht besser wissen.

22. Januar 2025

In den verbleibenden drei Doppelstunden des Mozart-Seminars an der UDL Göttingen werden wir uns zunächst mit “La Clemenza di Tito”, anschließend dann mit der “Zauberflöte” beschäftigen. Während das letztere Stück seit seiner Entstehung unverändert beliebt ist und Dauerpräsenz auf den Spielplänen der Opernhäuser zeigt (trotz mancherlei Unverständlichkeiten), so führt “Titus” demgegenüber zwar kein Schattendasein, erreicht aber bei weitem nicht die Popularität von Tamino, Sarastro und Co. Wir werden insofern genau hinhören, aber auch hinschauen. Mozart schreibt im “Titus” vor allem rhythmisch außerordentlich differenziert, mit Feinheiten, die bei zu schnellen Tempi nicht wahrnehmbar sind. Um den Reichtum des Ausdrucks zu erkennen, hilft ein Blick in die Noten. Dann, wenn wir wissen, was dort steht, können wir uns die Musik sozusagen leichter “erhören” und besser verstehen. Bis Freitag!

15. Januar 2025

15. Januar 2025

Apollinariskirche Remagen
© John Sander

12. Januar 2025

Wir leben in einer Welt, in der Beerdigungen wichtiger sind als der Verstorbene, die Ehe wichtiger ist als Liebe, das Aussehen wichtiger als die Seele. Wir leben in einer Verpackungskultur, die Inhalte verachtet.
Anthony Hopkins

9. Januar 2025

Zum Einstieg in die 12-teilige Vortragsreihe “Loben und preisen, trauern und klagen – Gattungen geistlicher Musik aus sechs Jahrhunderten” im Augustinum Kassel haben wir uns gestern mit dem ersten Teil ausgewählter Messvertonungen befasst. Aus Palestrinas Missa Papae Marcelli, Bachs h-Moll-Messe, Mozarts Requiem und Schuberts Messe in Es-Dur waren die jeweiligen Kyrie-Sätze im Vergleich zu hören, dazu das Offertorium aus Mozarts Requiem. Die unterschiedliche Behandlung des immer gleichen, kurzen Textes hinsichtlich beinahe sämtlicher musikalischer Parameter (Harmonik, Rhythmik, Dynamik, Satztechnik, Besetzung/Klangfarbe etc.) war für die Zuhörenden “eine aufschlussreiche Reise durch die Musikgeschichte”, wie jemand es ausdrückte. Im Februar geht es in der Reihe weiter mit der Petite Messe Solennelle von Rossini, dem Requiem von Verdi, der Messe in D von Smyth und der Berliner Messe von Pärt.

8. Januar 2025

Mit Rassisten diskutieren, das ist wie mit einer Taube Schach spielen. Egal wie gut du bist, egal wie sehr du dich anstrengst – am Ende wird die Taube aufs Spielfeld kacken, alles umschmeißen und umherstolzieren, als hätte sie gewonnen.
Eric Cantona

Zurück (Bemerkenswertes)