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2019

28. Dezember 2019

Wenn das Notwendigste getan
und das Überflüssige verworfen,
wenn das Zuviel verschenkt
und das Zuwenig verschmerzt ist,
wenn alle Irrtümer aufgebraucht sind,
kann das Fest des Lebens beginnen.

Begleitet von guten Wünschen zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr erhielt ich von einer Freundin diese Zeilen (Text von Wolfgang Poeplau). Ob Weihnachten das “Fest des Lebens” ist, soll nicht die Frage sein. Bedeutsamer ist, dass der Text in seiner Kürze gleichsam von einer Art seelischer Reinigung spricht, von Entlastung, Befreiung. Es lohnt sich, dem Gedanken Raum zu geben – nicht zuletzt am Vorabend der Jahreswende, zu welcher wir gute Vorsätze ersinnen, die nicht selten schon nach ein paar Tagen oder Wochen vergessen sind. Verwerfen, verschenken, verschmerzen, aufbrauchen, beginnen – das genügt.

24. Dezember 2019

24. Dezember 2019

Frohe Weihnachten und ein glückliches, vor allem gesundes Neues Jahr!
Ihr und Euer
Thomas Sander

17. Dezember 2019

Borussia Mönchengladbachs Sportchef Max Eberl hat in einem Interview seine Profis in die Pflicht genommen und betont: “Es gibt keine Garantie für niemanden.” Da kann man nur sagen: Einfach gar nicht ignorieren.

15. Dezember 2019

15. Dezember 2019

Es gehöre viel Erfahrung dazu, um wie ein Anfänger zu küssen, meinte Zsa Zsa Gabor einmal. Der englische Starkoch Jamie Oliver hat nun während einer Kochsendung zum Besten gegeben, dass seine erste Freundin die Beziehung nach nur drei Tagen beendete, da er, wie sie es empfand, “wie eine Waschanlage” geküsst habe. Der gute Jamie war eben Anfänger, und die brauchen Erfahrung, jedenfalls beim Küssen. Mark Twain hätte vielleicht helfen können, wusste er doch, dass man beim Küssen beide Hände braucht. Und dass kein ehrlicher Mann einen geraubten Kuss für sich behalten, sondern sofort zurückgeben würde. Andernfalls greift ein libanesisches Sprichwort: Besser eine ehrliche Ohrfeige als ein falscher Kuss.

11. Dezember 2019

11. Dezember 2019

Das wortreich in Bad Hersfeld ist eine Wissens- und Erlebniswelt für Sprache und Kommunikation. Die Kombination aus Wissensvermittlung und Unterhaltung ist auf diesem Gebiet wohl einzigartig. Auf über 1200 m² Ausstellungsfläche und mit beinahe 100 Mitmachexponaten kann Sprache und Kommunikation erlebt und trainiert werden. Mit Buchstaben Basketball spielen, in die Rolle eines Theater-Stars schlüpfen, mit den Augen schreiben, einen Ball nur mit Gedanken bewegen – das Angebot ist großartig und ein Besuch absolut empfehlenswert.

Benno-Schilde-Platz 1, 36251 Bad Hersfeld.
Geöffnet Dienstag – Freitag 9.00 – 17.00 Uhr, Wochenende 11.00 – 18.00 Uhr
Telefon: 06621-794890
Fax: 06621-7948929
E-Mail: info@wortreich-badhersfeld.de
www.wortreich-badhersfeld.de

10. Dezember 2019

Die Welt ist vertrocknet und muss befruchtet werden: Genau die richtige Aufgabe für Göttervater Jupiter, dem sowieso mal wieder der Sinn nach etwas Jüngerem steht. Objekt seines Interesses ist die schöne Nymphe Calisto. Für die Reize älterer Herren, so göttlich sie auch sein mögen, ist sie allerdings nicht empfänglich. Jupiter muss sich in die Gestalt von Calistos angehimmelter Chefin Diana verwandeln, um Calisto mit seinem alles erquickenden Samen zu erfreuen. So blüht die Welt auf, aber Calisto geht unter, bis sie ehrenhalber zu einem Sternbild erhoben wird – in dieser feinen und gemeinen Oper des barocken venezianischen Meisters Francesco Cavalli.

Soweit die Beschreibung des Staatstheaters Nürnberg für seine aktuelle Produktion von La Calisto. Es ist eine der schönsten Barockopern überhaupt, und meine Erwartungen sind hoch, zugegeben. Doch die Kritiken zur Premiere fielen durchweg positiv aus, also bin ich optimistisch und sehr gespannt. Sonntag, 29. Dezember 2019, Staatstheater Nürnberg, 19.00 Uhr. Parkett rechts Reihe 6, Plätze 180 und 181.

9. Dezember 2019

Ich war noch nie in Marokko, Mauretanien oder Mali. Doch in meinen nächtlichen Träumen bin ich manchmal dort unterwegs. Ich kenne keine Menschenseele, Straßen und Plätze sind mir fremd. Es ist hell, die Häuser sind weiß. Moscheen, Geschäfte, Cafés. Hitze, Staub. Himmel über der Wüste, vielleicht spiele ich ja bei Bertolucci mit. Being John Malkovich… Für den Film wurden damals zwei Millionen Fliegen aus Italien eingeführt, für ein paar spezielle Szenen. Die Tiere überlebten nicht, das Klima war zu anspruchsvoll.

6. Dezember 2019

6. Dezember 2019

5. Dezember 2019

Die Aufführung von Hector Berlioz’ L’ Enfance du Christ (Die Kindheit Christi) in der Wetzlarer St. Walburgis-Kirche war zweifellos ein Gewinn für an Repertoire-Erweiterung interessierte Hörerinnen und Hörer, denn allzu häufig steht das Werk hierzulande nicht auf dem Programm.

In der Ankündigung hieß es, dass “opernhafte Dramatik, einfühlsame Pastoralklänge und romantische Klangpracht” zu erwarten seien. Doch nur allzu selten war all dies zu hören, was keineswegs an den Ausführenden lag. Das Philharmonische Orchester Gießen sowie Solisten, Chor und Extrachor des Stadttheaters, der Gießener Konzertverein sowie die Wetzlarer Singakademie unter der Leitung von Jan Hoffmann gaben ihr Bestes. Doch Berlioz hat bei seinem Oratorium Mühe, über eine fragmentarische Struktur hinauszukommen. Der erste einigermaßen entwickelte musikalische Gedanke erklingt nach einer halben Stunde, einen stringenten musikdramatischen Faden sucht man lange vergeblich. Modale Klänge, rezitativische Einschübe, Aufwallungen, Abbrüche, Neuanfänge. Das ist nicht derselbe Berlioz, dem wir “Les Troyens”, “La damnation de Faust” oder die “Symphonie fantastique” verdanken.

Das Werk war zu Lebzeiten Berlioz’ ein großer Erfolg, sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern. Diese meinten allerdings schon damals, beim Komponisten einen veränderten Stil ausmachen zu können, was Berlioz entschieden zurückwies. “Nichts wäre unberechtigter als diese Ansicht”, meinte er. “Der Stoff verlangt ganz von selbst eine naive, sanfte Vertonung und ist daher ihrem [der Kritiker] Geschmack und ihrer Intelligenz zugänglicher.” Na dann…

3. Dezember 2019

Alles, was du loslässt, alles, was du verlierst, macht Platz für etwas Neues, vielleicht sogar Besseres. Melancholie beruht oft auf unreflektierter Verherrlichung einer Vergangenheit, die diese Verherrlichung überhaupt nicht verdient. Nur weil die Vergangenheit uns so vertraut vorkommt, wünschen wir uns so intensiv dorthin.
Arnon Grünberg, Muttermale

28. November 2019

Auf Nachfrage: Die anderen Bücher waren Muttermale von Arnon Grünberg, Leere Herzen von Juli Zeh, Der Schwimmer von Zsuzsa Bánk und Lila, Lila von Martin Suter. Im Moment lese ich Abbitte von Ian McEwan, endlich.

26. November 2019

26. November 2019

Während der letzten sechs Wochen habe ich unter anderem fünf Romane gelesen, darunter Leinsee von Anne Reinecke. Ein außergewöhnliches Werk, das eine Liebesgeschichte der besonderen Art auf sehr berührende Weise erzählt und nach der Lektüre noch lange in Erinnerung bleibt. Schon lange nicht mehr habe ich ein so grandios geschriebenes Buch gelesen.

Pause, verlängert bis zum 26. November 2019

13. Oktober 2019

13. Oktober 2019

Ostia Antica, Römisches Theater

11. Oktober 2019

Wer die Gelegenheit hat, Puccinis Manon Lescaut in der Oper Frankfurt zu sehen – unbedingt wahrnehmen! Was hier geboten wird, ist ganz große Kunst – so muss Oper sein! Eine packende, intensive und berührende Erzählung aus einer plausiblen und in sich stimmigen, wenn auch nicht unbedingt nahe liegenden Perspektive. In der Inszenierung von Àlex Ollé sorgen Asmik Grigorian als Manon und Joshua Guerrero als Des Grieux für Gesangsleistungen der Extraklasse, das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung von Lorenzo Viotti zaubert, der jeweiligen Situation und Szene entsprechend, zarte, glutvolle und gleißende Klänge aus dem Graben. Die Liebe mit allen Hoffnungen, Schimären und Enttäuschungen, die Reduzierung auf das Äußere, das Körperliche, das Sexuelle, daneben das Aufbegehren und die verzweifelte Suche nach Befreiung und Rettung – all das wird virtuos ausgeleuchtet und illustriert. Übergroß steht LOVE über allem, von Anfang bis Ende. Erstens brauchen wir nicht mehr zum Leben, so die Botschaft, und zweitens nehmen wir Menschenkinder uns gegen diese Größe doch sehr armselig aus. Wie war das noch: Die Liebe betrügt uns nie – wir sind es, die die Liebe betrügen.

9. Oktober 2019

9. Oktober 2019

Im Rahmen der Veranstaltungen zur Reihe “100 Jahre Volkshochschule” halte ich heute Abend einen Vortrag zum Thema Musikgeschichte von den Anfängen bis Bach an der VHS Gütersloh. Für dieses Thema, das in ähnlicher Weise an eben jener Volkshochschule bereits vor 100 Jahren behandelt wurde, ist normalerweise eine Veranstaltungsreihe über mehrere Wochen oder Monate vonnöten. Ich habe heute 90 Minuten und werde bei Hildegard von Bingen anfangen, dann über Machault und Dufay zu Lasso und Palestrina kommen, endlich über Dowland und Monteverdi sprechen und wunschgemäß bei Bach aufhören. Ganz nebenbei wird es um Melodie und Harmonie gehen, um Takt und Rhythmus, um Klangfarbe und Symmetrie. Vielleicht geht es auch um Formen, um Gestaltung, um Satztechnik, um Ausdruck. Um Konsonanz und Dissonanz, um schön und gar nicht schön, und dass es draußen nur Kännchen gibt. Das weiß man vorher nie so genau, und das ist ja auch ganz richtig so.

8. Oktober 2019

Vorfreude: Am Donnerstagabend Puccinis Manon Lescaut in der Oper Frankfurt. Die knappe Zusammenfassung des Hauses könnte präziser nicht sein: “Kein Ankommen. Ein Leben in immenser Leidenschaft und Verausgabung, im permanenten Transitzustand, dem erst der Tod den ersehnten Hafen bietet.” Ja, und das in einer mutigen, aktualisierten und erotikaffinen Fassung mit schrillen, sexy Nightclub-Outfits in verruchtem Ambiente. Nichts für romantische Schwärmer. Oder doch?

4. Oktober 2019

Überlebensgroße Dinge geschehen im Leben öfter als in Büchern.
Isabel Allende (* 1942)

3. Oktober 2019

Zum Tode von Jessye Norman hat die WELT gestern auf der ersten Seite, ganz oben, an prominentester Stelle, ein Schwarzweiß-Foto dieser großartigen Künstlerin abgedruckt, noch vor sämtlichen Meldungen aus Politik, Wirtschaft oder Sport. Sozusagen über allem stand die “Hohepriesterin des Gesangs”, wie die Redaktion sich entschieden hatte zu titeln. Ich habe das als sehr wohltuend empfunden. Diese immense und nur allzu angemessene Würdigung und Wertschätzung dieser großartigen Sängerin und Interpretin wird von Fachleuten und Musikkritikern ebenso geteilt wie von Jessye Normans Zuhörerschaft auf der ganzen Welt. Sie war auf der Opernbühne ebenso präsent wie auf dem Konzertpodium, viele ihrer Auftritte und Einspielungen bleiben unvergessen. Ihre Vier letzten Lieder von Richard Strauss zusammen mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur gehören zum Besten, was jemals aufgenommen wurde.

Doch auch außerhalb der Musikszene wurde Jessye Normans Stimme gehört. Ihr Einsatz für die Bekämpfung von Hunger und Obdachlosigkeit und ihr Engagement gegen Rassismus, auch im Opernbetrieb, waren leidenschaftlich und entschieden. Jessye Norman ist tot, aber in ihrer Stimme wird sie weiter bei uns sein.

Nun der Tag mich müd gemacht,
soll mein sehnliches Verlangen
freundlich die gestirnte Nacht
wie ein müdes Kind empfangen.

Hände, lasst von allem Tun,
Stirn, vergiss du alles Denken,
Alle meine Sinne nun
wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele, unbewacht,
will in freien Flügen schweben,
um im Zauberkreis der Nacht
tief und tausendfach zu leben.
Hermann Hesse, Beim Schlafengehen

30. September 2019

Was wir in uns nähren, das wächst; das ist ein ewiges Naturgesetz.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

26. September 2019

26. September 2019

Hörtipp – für den Fall, dass es regnet, schwierige Gespräche anstehen, die Müdigkeit nicht verfliegen will oder der Tag dir auf sonstige Weise Verdruss bereitet: Cœur de pirate, “Printemps”.

24. September 2019

24. September 2019

23. September 2019

23. September 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 23. September 2019

Projektchor der Wetzlarer Musikschule gibt anspruchsvolles Abschlusskonzert

Von Werner Volkmar

WETZLAR . Seit Februar hatten sich die 32 Sänger unter der Leitung von Thomas Sander in Rahmen eines Chorprojektes der Wetzlarer Musikschule auf das Abschlusskonzert vorbereitet. Begleitet von einem Instrumentalensemble und der Solistin Simone Hild begeisterte der Chor nun über 80 Besucher.

Das in jeder Beziehung anspruchsvolle Programm “Lieder aus Barock-Opern” des Engländers Henry Purcell (1659-1695) und des Parisers Jean-Philippe Rameau (1683-1764) in der jeweiligen Landessprache vorgestellt, stellten an den Projektchor besondere Ansprüche, dabei waren ihnen die Instrumentalisten eine sichere Stütze. Eingangs erläuterte Thomas Sander, dass die Barock-Opern im 17. Jahrhundert nach heutigen Verständnis formal keine Opern waren. Wie auch bei Purcells “King Arthur”, bei dem die Hauptfiguren von Sprechern dargestellt wurden, die Gesangspartien waren dabei als Nebenrollen vorgesehen.

Mit dem Lied “How blessed are sheperds” aus dem zweiten Akt von “King Arthur”, eine Komposition für Soli, Chor und Orchester, eröffneten die Akteure die Programmfolge. Schon hier wurden die stimmlichen Qualitäten des Chores hörbar. Dabei stand die Solistin Simone Hild mit ihrem Sopransolo erstmals im Vordergrund. Mit einem “Prelude” leitete das spielfreudige Ensemble zum nächsten Stück aus dem dritten Akt “Tis love that has warmed us” über. Eine Komposition, die durch den Text und die Schönheit der Musik zu einem Höhepunkt des Abends werden sollte. Die begeisterten Besucher bedankten sich mit Szenenapplaus. “Fairest isle”, eine Arie aus dem letzten Akt, brachte die Sopranistin mit ihrer warmen Stimme wunderbar zum Leuchten.

Danach wechselte der Projektchor zu dem französischen Komponisten Jean-Philippe Rameau und seiner Oper “Les Indes Galantes” die 1735 in Paris uraufgeführt wurde. Aus diesem Werk stammt das Liebeslied “Tendre Amour”, das der Chor wie die meisten Werke vierstimmig vorstellte. Begleitet von den Instrumentalisten entwickelten sie eine wunderbare Melodienfolge, von der die Besucher begeistert waren. Zum Abschluss stellte der Projektchor mit “Revenez” und “Que le ciel” zwei Werke aus der Oper “Castor et Pollux” von Rameau vor. Als nach über einer Stunde der musikalische Leiter Thomas Sander den Taktstock senkte, bedankten sich die Besucher mit stürmischem Beifall, der kein Ende nehmen wollte.

22. September 2019

22. September 2019

“Boh glaubse, der Herbert Knebel is gezz Rentner, aber in echt!” Gemeint ist natürlich der Kabarettist und Komiker Uwe Lyko, der heute 65 Jahre alt wird. Herzlichen Glückwunsch! In vielen Biografien wird die von Lyko geschaffene Kunstfigur Herbert Knebel, der seine Sicht der Dinge auf Ruhrdeutsch vorträgt, als nörgelnder Ruhrpott-Rentner charakterisiert. Lyko selbst widerspricht: “Wenn der Knebel nur am Meckern und Nörgeln wäre, wäre er nicht so beliebt geworden. Der Knebel hat nichts Spießiges, sondern der macht sich über die Spießer lustig. Er hat eher eine leicht anarchische Ader, ohne dass er das selber weiß. Im Ruhrpott sprechen wir von Trinkhallenphilosophen.”

19. September 2019

“In einer Leitungsposition geht es heute um Sinnstiftung und Überzeugungsarbeit, nicht um Befehl und Anordnung”, sagt Nikolaus Bachler, derzeitiger Intendant der Bayerischen Staatsoper und ab 2022 Intendant der Salzburger Osterfestspiele. Bachler spielt damit auf den Konflikt mit Christian Thielemann an, dessen Vertrag als künstlerischer Leiter der Festspiele über 2022 hinaus nicht verlängert wird. Gewissermaßen als nichtpekuniäre Abfindung darf Thielemann sich mit Wagners “Lohengrin” verabschieden. Bachler hatte den “Fliegenden Holländer” favorisiert. Ihn “interessiert, wie man in zehn Tagen eine Hitze, einen Sinn, eine Identität erreichen kann.”

Die Frage, ob Diven nicht mehr zeitgemäß sind, wird allenthalben weiter diskutiert, auch und gerade in Salzburg. Das Publikum der Osterfestspiele war lange ein riesiger Karajan-Fanclub, der seinem Liebling zuweilen kritiklos huldigte. Thielemann ist sicher nicht frei von Allüren und Eitelkeiten, auch im Dirigentischen nicht. Doch die Frage ist, ob nicht ganz im Sinne von Bachler gerade Thielemann, der von Karajan so vieles gelernt hat, ziemlich genau weiß, welche Osterfestspiele in Salzburg gewünscht sind und welche nicht. Haben hier vielleicht zwei Diven einfach nicht zueinander gefunden, und zwar ganz ohne Sinnstiftung?

16. September 2019

“Wenn du willst, bin ich gar nicht deine Freundin, sondern Manuel Neuer.” Vor ungefähr fünf Jahren haben wir diesen Satz zum ersten Mal gehört. Ein flotter Spruch in einer Werbung für ein zuckerfreies Softgetränk. Der Satz erreichte Kultstatus. Alles Mögliche konnte mit dem Zusatz “… sondern Manuel Neuer” versehen werden, wirklich fast alles.

An Manuel Neuers Stelle würde nun gerne sein Konkurrent, Marc-André ter Stegen, im deutschen Fußballtor stehen. Für die Werbung ist das eher ungünstig. Marc-André ter Stegen – ist das nun französisch, niederländisch oder flämisch? Egal, jedenfalls ist es zu lang, und man kann es nicht richtig lesen oder schreiben. “Vielleicht bin ich gar nicht deine Freundin, sondern Marc-André ter Stegen” – wie klingt das? Genau! Das spricht man sich einmal laut vor und weiß, dass man es damit nicht schafft. Mit so einem Namen will keiner Werbung machen, weshalb man auch ewig auf der Bank sitzen wird. Vielleicht ist es ja auch gar nicht die Bank, sondern Manuel Neuer.

14. September 2019

14. September 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 13. September 2019

Wetzlarer Musikschule schlägt Alarm

Von Tanja Freudenmann

WETZLAR – Die Nachfrage wächst, die Kursangebote sind beliebt: 35 Lehrer unterrichten 1350 Schüler an der Musikschule am Wetzlarer Schillerplatz. Doch es gibt Probleme: “Wir kommen mit dem uns zur Verfügung gestellten Geld nicht hin, wir brauchen eine Erhöhung der Zuschüsse, sonst finden wir kein qualifiziertes Personal mehr”, sagte Schulleiter Thomas Sander in der jüngsten Sitzung des Wetzlarer Kulturausschusses. Auch bei der Innenausstattung des Gebäudes “zwickt es an vielen Stellen gewaltig”.

Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Dieter Grebe informierte Sander die Ausschussmitglieder am Mittwochabend über Projekte, Angebote – vom Lahn-Dill-Jugendorchester über Chöre und Rockbands bis hin zu Babykonzerten -, thematisierte aber auch aktuelle Sorgen des Vereins.

Die Musikschule, die Mitglied im Verband deutscher Musikschulen (VdM) ist (siehe Infokasten), schlägt Alarm: 2019 schultern laut Grebe die Gebührenzahler zu nahezu zwei Dritteln (733 000 Euro) die Gesamteinnahmen der Musikschule (1,185 Millionen Euro). 20 Prozent Zuschüsse gibt’s von der Stadt (242 520 Euro). Gerade mal vier Prozent (47 000 Euro) komme vom Land Hessen. Was die Landeszuschüsse für VdM-Schulen angeht, stehe Hessen im bundesweiten Vergleich an zweitletzter Stelle. “Hier besteht dringender Handlungsbedarf”, sagt Sander, der “verhalten optimistisch” nach Wiesbaden blickt. Die heimischen Landtagsabgeordneten wisse man hierbei auf der Seite der Schule, die sich aktuell mit neuer Homepage und in den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram präsentiert.

Die Wetzlarer Musikschule wurde 1957 vom Musikpädagogen Edgar Hobinka und Hugo Lotz gegründet und hat seit 1967 ihren Sitz im Gebäude der ehemaligen Franziskanerkirche am Schillerplatz.

Die zertifizierte Musikschule ist Mitglied im Verband deutscher Musikschulen (VdM) und entspricht den “Richtlinien der hessischen Landesregierung zur Förderung von Musikschulen”. Sie fördert über den Unterricht hinaus mit Veranstaltungen das Kulturleben der Stadt. Zudem ist die Musikschule Veranstaltungsort für Ausstellungen, Lesungen und Vorträge. Auch die letzte Zuschusserhöhung der Stadt liege über zehn Jahre zurück. “Bis 2025 werden altersbedingt etliche Lehrer ausscheiden und so wird es sehr schwer werden, attraktiv für neues, qualifiziertes Personal zu sein”, so Grebe. “Die Zuschuss-Situation muss verbessert werden, sonst werden wir perspektivisch keine gut ausgebildeten Lehrer mehr bekommen.” Gleichzeitig gelte es, die Vorgaben zu erfüllen, um zertifizierte VdM-Schule bleiben zu können.

Was die Räumlichkeiten betrifft, sieht Sander ebenfalls deutliche Defizite: Der Parkplatz sei “eine Katastrophe” und verwandle sich bei Regen regelmäßig in eine Schlammgrube, über den löchrigen, deutlich in die Jahre gekommenen Treppenteppich seien bereits Besucher gestolpert. Auch das Thema Barrierefreiheit werde immer wieder diskutiert: Ein Innen-Aufzug sei jedoch platzraubend. Aus Sicht der Musikschule liebäugelt man mit einer Kooperation mit der Unteren Stadtkirche, die sich in eine Art “Kulturkirche” verwandeln könne. “Man könnte hier Lesungen und Vorträge etablieren.” Bereits etliche Konzerte hätten dort stattgefunden, die Akustik sei sehr positiv bewertet worden.

“Aus Sicht der Musikschule sind alle Anliegen nachvollziehbar. Wir müssen zunächst schauen, was sich in den Gesprächen ergibt und was möglich ist”, sagt Kulturdezernent und Kämmerer Jörg Kratkey (SPD). Aktuell sei im Nachtragshaushalt 2019 die Verpflichtungsermächtigung für die Musikschule um 551 000 Euro auf 705 000 Euro erhöht worden. Was bedeutet das? “Damit können bereits Aufträge vergeben werden”, erläutert Kratkey. Konkret soll mit dem Geld unter anderem die Brandschutzsanierung und “Elektrifizierung” finanziert werden, auch ist darin eine Anschubfinanzierung für einen Aufzug enthalten. Zu diesem seit langem diskutierten Thema werde es aber noch einen separaten Beschluss geben. Die angesprochenen Defizite wie Parkplatz und Treppe seien darin jedoch noch nicht enthalten. “Es wird ein Gesamtkonzept geben müssen”, so Kratkey.

13. September 2019

Es gibt Politiker, die schlechte Dinge über Politiker sagen, die Latte Macchiato trinken. Ich zähle nicht dazu. Aber ich möchte, dass der, der in einem Café sitzt und eine Latte Macchiato trinkt, sich nicht für etwas Besseres hält als der, der die Latte Macchiato bringt oder zubereitet.
Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister

10. September 2019

10. September 2019

Aktionstag der Wetzlarer Musikschule (siehe 3. September), auf dem Schillerplatz spielt das Blasorchester Jetzt oder nie. Ich moderiere das Programm und spreche ein bisschen über die Stücke und ihre Komponisten, auch über das Orchester und seine Arbeit. Vor der Filmmusik zu Titanic erzähle ich etwas über Leo di Caprio und Kate Winslet, über die Produktionskosten des Films und natürlich über die Schiffskatastrophe selbst. In ungefähr vier Kilometern Tiefe liegt die Titanic seit nunmehr über hundert Jahren, sage ich und füge hinzu, dass man als Privatperson für 45.000 Euro hinuntertauchen kann, um das Wrack zu besichtigen. Zum Vergleich: Vor den Berliner Philharmonikern darf man für 10.000 Euro den Taktstock schwingen. Und dann, leichthin: “Gegen eine Spende von nur 500 Euro können Sie unser Orchester Jetzt oder nie dirigieren. Sie können uns natürlich auch nur die Spende zukommen lassen und auf das Dirigat verzichten.”

Am letzten Freitag haben wir einen Briefumschlag in der Post, ohne Absender. 500 Euro sind darin, in zehn nagelneuen 50er-Scheinen. Und ein einziger Satz: “Wegen des Dirigates komme ich vielleicht noch auf Sie zu.”

9. September 2019

Es werden nur die Flüchtlinge statistisch erfasst, die vor anderen Menschen auf der Flucht sind.
Daniel Mühlemann (*1959)

Alle Menschen, die zu uns flüchten, brauchen Hilfe und nicht unsere Meinung.
Andrea Mira Meneghin (*1967)

Ich weiß wohl, vor wem ich fliehen soll, aber nicht zu wem.
Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.)

7. September 2019

7. September 2019

Man versteht meist schon, dass das Richtige von gestern heute falsch sein kann, man vergisst aber zu gern, dass das Falsche von gestern heute nicht richtig sein muss.
André Brie

Wir können auch einfach unsere Sachen packen. Die Option aufs Wiederkommen geben wir ja damit nicht auf.

5. September 2019

Eine “sehr sympathische Rotzgöre” sei sie, die Annalena Baerbock, meinte FDP-Vize Wolfgang Kubicki gestern bei Maischberger. Kubicki ist gerade heraus, direkt und vor allem Jurist. Er weiß sehr gut, wann er nur frech oder schon beleidigend ist. Die Geschichte mit dem weggeschnappten Taxi im Regen hat er erläuternd zum Besten gegeben, sicherheitshalber, obwohl das gar nicht nötig war. Die schöne Annalena dürfte ihn nur zu gut verstanden haben. Denn eigentlich ist “sehr sympathische Rotzgöre” ein dezent parfümiertes, bewunderndes Kompliment, das die erotisierte Disposition des Urhebers nicht verhehlen will und seine Vulnerabilität verklausuliert bekennt. Das hat zweifellos etwas Gewinnendes, Nobles. Vielleicht ist die ganze Macho-Attitüde ja nur gespielt.

3. September 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 3. September 2019

Musikschule zeigt ihre Vielfalt

Von Heike Pöllmitz

WETZLAR – Die Wetzlarer Musikschule hatte am Wochenende im Rahmen des Brückenfestes einmal mehr zu ihren Aktionstagen eingeladen, die ihre Vielfalt zeigten und bestens ankamen.

Die Musikpädagogen Edgar Hobinka und Hugo Lotz, die den Verein 1957 gründeten, hätten sicher ihre helle Freude an dem bunten Treiben gehabt, ist die Einrichtung doch noch immer ein sehr lebendiger Teil der Stadt. Seit 1966 hat sie ihren Sitz am Schillerplatz, 35 Lehrkräfte unterrichten 1350 Schüler und 23 Spielkreise, Ensembles, Orchester und Chöre sorgen auch in der Region für eindrucksvolle Konzerte.

Um 10 Uhr startete das attraktive und abwechslungsreiche Programm mit den Jüngsten aus der Grundstufe, die im Konzertsaal unter dem Motto “Hurra der Zirkus kommt” zeigten, dass sie zwar “klein, aber fein” sind. “Zirkusdirektorin” Gabriele Phifer konnte Clowns, Elefanten oder Zauberer für ein zirzensisches Erlebnis präsentieren.

Während anschließend innen Schnupperangebote, Präsentationen, offener Unterricht und ein Konzert auf große Resonanz stießen, hieß draußen Musikschulleiter Thomas Sander die Gäste vor der Bühne willkommen, die zum Bürger-Brunch der Bürgerstiftung gekommen waren und das musikalische Programm genossen – unter ihnen auch Oberbürgermeister Manfred Wagner.

Während drinnen Harfe, Klavier, Querflöte, Schlagzeug und Co. ausprobiert wurden und die Lehrkräfte fachkundig berieten, startete draußen Paul Pfeiffer mit dem Blasorchester “Jetzt oder nie!” das Programm, bei dem der Fachbereich Gesang Stimmen präsentierte, das Ensemble “Clarinetwise” ebenso begeisterte, wie das Erwachsenen-Percussion-Ensemble “Drum-A-Geddon” und das “Lahn-Dill Jugendorchester”. Währenddessen konnten innen unter der Überschrift “Sing your Song/Arie” mit den Gesangsfachkräften Lieder erarbeitet werden.

Am späten Nachmittag rockten die Nachwuchsbands der Rockwerkstatt den Schillerplatz und den Abend gestaltete die Band “Jobst und Gemüse” in bester Manier. Am Sonntag ging es dann draußen mit der Tuxedo Drive-Bigband weiter und die “Lahn-Dill-Spätlese” gab mit Schlagern, Oldies und Pop der 50er bis 70er Jahre dem Kartoffelfest einen klangstarken Rahmen.

Dezent nutzte die Musikschule den Rahmen mit großem Publikum als Mitglied des Verbandes deutscher Musikschulen für Kritik an der Förderung. “Seit Jahren werden die Zuschüsse des Landes eher gekürzt als angehoben und wir hier in Wetzlar sind noch in der glücklichen Lage durch die Stadt Wetzlar und den Lahn-Dill-Kreis unterstützt zu werden”, meinte Thomas Sander. “Wir sind zertifiziert und beschäftigen ausschließlich qualifiziertes Personal, was die Qualität unseres Unterrichtes ausmacht”, so Sander.

Mit chronischer Geldknappheit sei die Qualität allerdings nicht zu halten und landesweit werden Musikschullehrer immer öfter als freie Mitarbeiter beschäftigt, will heißen in den Ferien und bei Krankheit gibt es kein Geld. “Mit akademischem Abschluss an der Armutsgrenze leben – das rüttelt natürlich auch an der Existenz der VDM-Musikschulen.” Deshalb hat der Verband jetzt eine Kampagne gestartet, mit der auf diesen Missstand hingewiesen wird, um Druck auf die Landesregierung auszuüben.

31. August 2019

31. August 2019

Mietpreisbremse (Tabanus pretium redditum)

30. August 2019

Man vergisst vielleicht, wo man die Friedenspfeife vergraben hat. Aber man vergisst niemals, wo das Beil liegt.
Mark Twain (1835 – 1910)

27. August 2019

27. August 2019

Nach fünfmonatiger Zeit des Übens und Einstudierens präsentiert der Projektchor der Wetzlarer Musikschule nun sein Abschlusskonzert. Chorsätze aus Opern von Henry Purcell und Jean-Philippe Rameau stehen auf dem Programm, das wir am Freitag, 20. September um 19.30 Uhr im Konzertsaal zur Aufführung bringen.

Wir werden die Chorsätze näher erläutern und durch die Wiederholung einzelner Passagen dem Publikum das Verstehen der Musik erleichtern. Der Projektchor wird von einem Streicherensemble plus Continuo begleitet. Ebenfalls mit dabei ist Sopranistin Simone Hild. Der Eintritt zum Konzert ist frei.

25. August 2019

Kirill Petrenko hat seine ersten Konzerte als Chef der Berliner Philharmoniker dirigiert. Auf dem Programm der Veranstaltungen in der Philharmonie und am Brandenburger Tor standen Bergs Lulu-Suite und Beethovens 9. Sinfonie. Auf ZEIT online schreibt Ulrich Amling über die Botschaft, die von der Wahl der Stücke ausgeht und bescheinigt Petrenko die “Suche nach tiefen Einsichten, nach einer Weite des Empfindens in der Musik” und noch ein paar andere Sachen. Mit ihrem neuen Chef sei das Orchester jedenfalls nicht auf “allzu leichte Triumphe” aus, was auch immer das besagen will.

Im Kommentarbereich vermutet dann ein Leser, dass Petrenko als Russe die berühmte “Freiheits-Sinfonie” (!?) als Bekenntnis zur Demokratie und Botschaft an seine Heimat gewählt haben könnte. Deshalb würde er, der Leser, “vom Chef einer großen deutschen Kulturinstitution ein klares Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit und zum Klimaschutz” erwarten. Es wäre deshalb schön, wenn die Philharmoniker auf Tourneen verzichten oder nur mit dem Zug reisen würden. “… und natürlich kein Fleisch mehr essen”, ergänze ich (das Verständnis von Ironie ist immer so eine Sache), woraufhin sich ein weiterer Forist zu Wort meldet: “Und keine Bögen mehr mit Rosshaar, da gibt’s doch bestimmt auch was aus Plastik. Oh, wait. Lederschuhe zum Frack ab sofort verbieten. Und Pianisten erst gar nicht mehr einladen, in deren Klimperkästen ist auch Leder drin (Methangasausstoß!). Und das von qualvoll gestorbenen Bäumen verarbeitete Holz wird teilweise auch noch mit Knochenleim bearbeitet, Frevel! Und weg mit Oboen, Klarinetten und Fagotten, deren Rohre nehmen den Rohrdommeln den Lebensraum weg. Sonst noch was?”

23. August 2019

Ob die nachfolgenden Dialoge zwischen Lady Astor und Winston Churchill original überliefert oder nur gut erfunden sind, ist ziemlich egal. Sie sind wirklich hübsch – und vor allem very british.

Churchill: “Having a woman in Parliament is like having one intrude on me in the bathroom.”
Lady Astor: “You’re not handsome enough to have such fears.”

Churchill: “What disguise should I wear to the masquerade ball?”
Lady Astor: “Why don’t you come sober, Prime Minister?”

Lady Astor: “If you were my husband, I’d poison your tea.”
Churchill: “Madam, if you were my wife, I’d drink it!”

22. August 2019

22. August 2019

Music is all you listen to with the intention of listening.
John Cage (1912 – 1992)

Ist das so? Dann gilt auch der Satz “Alles Hörbare ist Musik”, der Mauricio Kagel zugeschrieben wird. Wenn schon die Absicht zu hören ausreicht, um das zu Hörende als Musik zu bestimmen, dann liegt auch Kurt Hübner falsch, wenn er feststellt: “Die Musik gehört zwar zum Bereich des Hörbaren, aber nicht alles Hörbare ist Musik.” So wie alle Chinesen Menschen sind, aber nicht alle Menschen Chinesen …

Es steht zu befürchten, dass auch Guido von Arezzo, dem wir die Solmisation und unser heutiges Notenliniensystem verdanken, da nicht weiterhelfen kann:

«Musicorum & cantorum magna est distantia,
Isti dicunt, illi sciunt, quae componit Musica.
Nam qui facit, quod non sapit, diffinitur bestia.»

«Zwischen musici und cantores ist ein grosser Unterschied.
Diese singen [nur], jene wissen [aber auch], was die musica anordnet.
Denn wer tut, was er nicht versteht, wird Tier genannt.»

20. August 2019

Heute ist in der BILD-Zeitung zu lesen, dass Ed Sheeran in Musik eine Sechs hatte. Es wäre gemein, würde man sagen, warum auch nicht, hat er doch mit Musik nichts zu tun. Für die Unwissenden: Ed Sheeran ist Brite, 28 Jahre alt und äußerst erfolgreicher Sänger und Songwriter. Seine Fans, so steht es bei yougov.de, sind weiblich, 18 – 24 Jahre alt, schauen gerne Filme und lieben Haustiere, besonders Katzen. Der Sheeran-Fan reist gerne und schätzt gute Arbeitsbedingungen im Job. Und er ist verträumt und unordentlich, also genau wie die Musik Sheerans. Gütiger Himmel! Prompt habe ich auf youtube “Nothing on you” angehört – das mit der Sechs in Musik können wir nicht klären. Macht nichts. Für die Fans, das wissen wir ja nun, spielt Musik eh keine Rolle.

17. August 2019

Ich schenke Vertrauen, dann bin ich es los.
aus: Rolf Dobelli, Turbulenzen

16. August 2019

16. August 2019

17.00 Uhr. Jetzt auf einen Sundowner ins Daktari. Das wäre schön …

14. August 2019

14. August 2019

Herzlichen Glückwunsch, Dieter Mulch!

12. August 2019

12. August 2019

Frankfurter Neue Presse, 07. August 2019

11. August 2019

Unbedingt lesen, passend zum Thema, ZEIT online von heute: Ein Leben nach dem Internet. Jetzt. Von Anna Miller. Wirklich unbedingt lesen!

10. August 2019

Maren Urner, Kognitionsexpertin und Verfasserin des Buches Schluss mit dem täglichen Weltuntergang, kritisiert unseren Umgang mit ständig verfügbaren Informationen. Sie stellt fest, dass wir permanent Nachrichten per Handy, Tablet oder Computer abrufen. Dies, so ihre Analyse, führt zu chronischem Stress und damit zu einem negativen Weltbild. Unser Steinzeit-Gehirn, so Urner, reagiert mit Angst auf vermeintliche Bedrohungen, was durch selektive Wahrnehmung, etwa den Überschriften in den Medien – etwa 90 Prozent der User online lesen nur die Titelzeilen – noch verstärkt wird. Das Ergebnis sei ein Verhalten der „gelernten Hilflosigkeit“ mit dem Gefühl, man könne ja eh nichts tun. Das aber, so Urners Schlussfolgerung, sei ein Problem für die Demokratie.

Was also hält uns davon ab, nur einmal am Tag Nachrichten zu hören oder zu sehen? Haben wir wirklich Angst, etwas zu verpassen oder nicht auf dem Laufenden zu sein, wenn wir nicht jede Stunde aufs Handy, in den Videotext oder in den PC schauen? Weniger ist mehr, wie wir nur zu gut wissen. Kommen wir also zu uns, überprüfen wir unsere Gewohnheiten. Vielleicht trauen wir uns dann auch wieder mehr zu.

6. August 2019

Aufs Geld einnehmen muß alle Bemühung gehen, und aller Bedacht aufs wenig ausgeben, so viel es möglich ist; sonst kann man nicht mit Ehre reisen; ja sonst bleibt man gar sitzen, und setzt sich in Schulden.
Vater Leopold an seinen Sohn Wolfgang Amadeus Mozart, 15.10.1777

seyen sie versichert, daß ich mein absehen nur habe, so viel möglich geld zu gewinnen; denn das ist nach der gesundheit das beste … (4.4.1781)
Mein Wunsch, und meine hoffnung ist, mir Ehre, Ruhm und Geld zu machen. (16.5.1781)
Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater Leopold

Diesen Dialog habe ich gefunden, als mir beim Aufräumen Karla Fohrbecks Renaissance der Mäzene (DuMont, Köln 1989) in die Hände fiel. In ihrem Werk zur “Interessenvielfalt in der privaten Kulturfinanzierung” schreibt sie bereits in der Einleitung, dass die Vorstellung abwegig sei, Künstler, Kulturmanager und Politiker bräuchten gegenüber “Mäzenen”, welche “freies” privates Geld für öffentliche Zwecke gäben, als interesseloses Wohlgefallen, nur bitte, bitte zu sagen und die Hand aufzuhalten. So war es nie, schreibt sie, und wahrscheinlich könne man über diese Form des Mäzenatentums kein dickes Buch schreiben, vielleicht ein kleines Heftchen. Und dann: Kulturelle Werte und Aktivitäten werden – wie aus anderen “Renaissancen” vertraut – als Gestaltvorstellungen und (Über-)Lebensmittel vielleicht nicht mehr “patroniert”, dafür aber, einfach oder kompliziert, “gebraucht”: als res publica. Wie wahr!

Die persönliche Begegnung mit Karla Fohrbeck war damals, 2002 im Rahmen meiner Fortbildung im Kulturmanagement an der VWA Dresden, sehr beeindruckend. Sie hat uns Studierenden viele nützliche Tipps und Ratschläge gegeben und dabei mit Beispielen aus ihrer eigenen Tätigkeit aufgewartet, vor allem aus ihrer Zeit als Schul- und Kulturreferentin in Nürnberg. “Vernetzen Sie sich”, daran erinnere ich mich, “und laden Sie alle Leute, die Sie über Ihr berufliches Umfeld kennen, zu sich nach Hause ein. Dann gehen Sie in den Garten und spielen ‘Mensch, ärgere dich nicht’. Sorgen Sie dafür, dass alle miteinander ins Gespräch kommen. Und knüpfen Sie dieses Netz immer weiter.”

4. August 2019

“Ich finde, Sehnsucht ist nichts Schlechtes, sondern etwas sehr Schönes. Die wichtigsten Fragen im Leben kommen doch aus der Sehnsucht, oder? Ich wollte immer die richtigen Fragen stellen und die Antworten aushalten. Und jetzt weiß ich nicht mehr weiter.”
aus: Ein Wochenende im August. Esther Gronenborn. D 2019. Mit Nadja Uhl, Carlo Ljubek u. a.

1. August 2019

Die Bayreuther Festspiele können in diesem Jahr mit vier charismatischen Dirigenten aufwarten: Christian Thielemann, Valery Gergiev, Semyon Bychkov und Philippe Jordan stehen am Pult des Festspielhügels und leiten Lohengrin, Tannhäuser, Parsifal, Die Meistersinger von Nürnberg und Tristan und Isolde. Wie immer, so streiten auch in diesem Jahr Publikum und Kritik über alte wie neue Inszenierungen. Die musikalischen Leistungen werden in den Medien zumeist positiv beurteilt. Über boulevardeske Berichte zur Anwesenheit von Premierenprominenz lesen wir ermüdet hinweg. Zur nach wie vor elitären, obszönen Preisgestaltung des Spektakels und somit zur Aussperrung ganzer gesellschaftlicher Schichten äußert sich leider so gut wie niemand mehr.

30. Juli 2019

30. Juli 2019

Sich zu entspannen ist besser, als beschäftigt zu sein.
Baltasar Gracián (1601- 1658)

Im Internet schreibt jemand über das Eis im Cacao Ljubljana: “Eine wahre Geschmacksexplosion! Ich habe noch nie zuvor ein so grandioses Eis gegessen.” Genau, somit muss ich das hier nicht wiederholen. Die Rede ist von der Sorte “Dunkle Schokolade mit gefrorenen Himbeeren”. Dieses Eis alleine ist ein Grund, nochmal nach Ljubljana zu fahren. Die Stadt selbst ist überschaubar, fast familiär, unaufgeregt, sympathisch. Die vielen Cafés und Restaurants am Fluss sorgen für mediterranes Flair, in kleineren Seitenstraßen und Gassen finden sich zahlreiche Oasen der Ruhe. Viele Grünflächen, Kirchen, Brücken, Museen, Veranstaltungen. Besonders schön: Der Innenhof der Križanke. Die Einwohner und auch zahlreiche Besucher sagen, Ljubljana sei eine Stadt “nach Maß des Menschen”. Das trifft es ziemlich gut.

Triest ist etwas ganz anderes. Großzügig, weitläufig, repräsentativ. Überall ist die alte Grandezza zu spüren, eine große, versunkene Zeit. Und gleichzeitig ist ein neues, multikulturelles Leben zu spüren, sehr individuell, mit einer Mixtur aus alten Traditionen und neuen Wegen und Angeboten. Der Ton ist geschäftig, lebendig, trotzdem entspannt, die Stadt lärmt fast nie. Triest ist die unbekannte Schöne. Die meisten Touristen oder Urlauber fahren an ihr vorbei, was erstaunlich ist. Denn die Stadt hat viel zu bieten und ist darüber hinaus ausgesprochen italienisch, trotz jahrhundertelanger habsburgischer, österreichischer, jugoslawischer und weiterer Einflüsse. Und Triest liegt am Meer – für Freunde von Fischrestaurants ein Paradies! Tipp: Di Napoli (der Chef kommt aus Neapel), Via Diaz 10. Es gibt auch Pizza, Pasta und anderes, doch die fritto misto di pesce, nur mit Zitrone und Petersilie, sind unschlagbar.

Zum Abschluss nach Bayern: Grainau, das Zugspitzdorf. Zwei Naturerlebnisse prägen diesen Aufenthalt – ein Spaziergang um den Eibsee mit herrlichen Panoramen, und das Durchschreiten der Höllentalklamm. Auch bei nur mäßiger Kondition, la dolce vita lässt grüßen, sind diese Wanderungen gut zu schaffen. Leichter allerdings ist ein Stadtbummel in Garmisch-Partenkirchen mit kleinem Spaziergang entlang der Loisach. Das Wohnhaus von Richard Strauss in der Zoeppritzstraße 42 ist leider nur von außen zu sehen. Ein besonderes Gefühl überkommt mich beim Hinschauen trotzdem.

Pause bis zum 29. Juli 2019

6. Juli 2019

Fisch mit Kartoffeln im Backofen

Fisch (Kabeljau, Rotbarsch, oder auch Kalmare) und geschälte Kartoffeln in Scheiben schneiden und abwechselnd in eine Backform geben. Knoblauch und Petersilie hinzufügen, salzen und pfeffern. Alles mit etwas Weißwein, Olivenöl und Zitronensaft beträufeln. Ca. 45 Minuten bei 175° im Backofen garen lassen. Dazu passen Romana-Salat, auch Datteltomaten, und eine Flasche Sauvignon blanc.

5. Juli 2019

… und jetzt warnt Annegret Kramp-Karrenbauer die SPD davor, Frau von der Leyen als EU-Kommissionschefin die Stimme zu verweigern, weil sie, die SPD, damit “möglicherweise eine Verfassungskrise in Europa riskieren” würde. Es ist also eine Verfassungskrise, wenn bei Abstimmungen nicht das gewünschte Ergebnis herauskommt!? Nein, wenn die Freiheit des Mandates nicht mehr gegeben wäre, könnten wir von einer Verfassungskrise sprechen! Bei so einem Demokratieverständnis können wir nur befinden, dass Frau Kramp-Karrenbauer in keiner guten Verfassung ist, und dass ihre Krise schon länger andauert.

4. Juli 2019

4. Juli 2019

Wenn man sich etwas hätte ausdenken wollen, was die Demokratieverdrossenheit und die Politikverdrossenheit in Europa noch steigert, dann hätte man sich genau das ausdenken müssen, was jetzt geschehen ist. Der Schaden ist groß und die Folgen sind noch gar nicht absehbar.
Günter Verheugen (SPD), ehemaliger Vizepräsident der EU-Kommission und EU-Erweiterungskommissar, zu den jüngsten Personalentscheidungen des EU-Rats

3. Juli 2019

Schon ein bisschen Vorfreude auf den Urlaub, der nächste Woche beginnt. Zunächst geht es für vier Tage nach Schladming/Österreich, wo ich u. a. die Mid EUROPE, eines der größten Blasmusik-Festivals in Europa besuchen werde. Es ist zu gewissen Teilen ein dienstlicher Besuch, mit ein paar Repräsentationspflichten und einem kleinen offiziellen Besuchsprogramm. Danach beginnt der eigentliche Urlaub. Es geht in zwei “Kaffeestädte”, in denen ich noch nie war, und in denen es natürlich nicht nur Cafés gibt (aber davon viele, und sehr schöne noch dazu). Zunächst nach Ljubljana/Slowenien, anschließend für eine Woche nach Triest/Italien. Nachdem ich vor Jahren mit Begeisterung Bücher von Italo Svevo gelesen hatte, war Triest immer auf dem Reisewunschzettel – jetzt endlich ist es soweit. Eine Freundin war kürzlich dort und hat sehr angetan von einem Schmelztiegel erzählt, wo sich verschiedene Nationalitäten, Kulturen und Lebensstile treffen. Italiener, Kroaten, Slowenen, Deutsche, Österreicher, Ungarn – sie und viele andere treffen sich hier, tauschen sich aus, lernen einander kennen. Von “Trieste triste” kann keine Rede sein. Im Gegenteil, es gilt das Lebensmotto der Triestiner: „Sempre allegri, mai passion, viva là e po bon” (Immer fröhlich, nie leiden, hier leben und den Rest vergessen). Kürzlich habe ich irgendwo gelesen, dass wir manchmal einfach das tun sollten, was uns glücklich macht und nicht das, was vielleicht am besten ist. Com’è vero!

1. Juli 2019

Unter dem Titel „TV-Kritik zu Markus Lanz: Niveaumäßig auf Grasnarben-Höhe“ veröffentlichte die Frankfurter Rundschau vor ein paar Tagen einen bemerkenswert treffsicheren Kommentar von Daland Segler. Lanz sei „ein Moderator, der nicht moderiert, sondern Fragen abschießt, der in seiner typischen Haltung, ganz vorne auf der Stuhlkante sitzend, als wolle er sich auf das Gegenüber stürzen (und so seine Nervosität und Überforderung zeigt) fast nie schafft, seine Gäste ausreden zu lassen und dann irgendwann sagt: ,Lasst uns diese Schärfe rausnehmen’ – die er selbst hineingebracht hat in das Gespräch.“ Segler kommt zu dem Schluss, dass solch ein Mann „nie und nimmer eine Talkshow leiten“ dürfte und wundert sich, dass Lanz das „trotz seiner offensichtlichen Unfähigkeit“ immer noch tut.

Zu der besagten Sendung mit dem Grünen-Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck hatte Lanz sich zum wiederholten Mal einen Adlatus eingeladen, diesmal Wolfram Weimer, den ehemaligen Chef von Focus und Cicero. Die Stoßrichtung der Gesprächsführung war damit klar. Segler spricht Klartext: „Die Einwürfe von Lanz und Weimer, diesen beiden Möchtegern-Inquisitoren, gingen generell von längst widerlegten Vorurteilen aus. […] Wenn es noch einen Beleg dafür gebraucht hätte, dass politische Inhalte in Talkshows nicht seriös verhandelt werden können: Diese Sendung war der Beweis.“ Schon lange nicht mehr hat mir ein Kommentar derart aus der Seele gesprochen.

29. Juni 2019

Everyone probably thinks that I’m a raving nymphomaniac, that I have an insatiable sexual appetite, when the truth is I’d rather read a book.
Madonna

27. Juni 2019

27. Juni 2019

Wieder stieg ein unbestimmtes Gefühl von Frustration und Sehnsucht in mir auf bei dem Gedanken, dass ich das falsche Leben führte.
Ian McEwan, Sweet Tooth

25. Juni 2019

25. Juni 2019

Im Ruhrgebiet war, jedenfalls damals, als ich anfing nach Mädchen zu schauen, “Schickse” eine ganz normale Bezeichnung für ein junges Mädchen. Schickse war in unserem Sprachgebrauch nicht abfällig oder geringschätzig, sondern höchstens augenzwinkernd, hier und da sogar anerkennend gemeint. Schicksen waren meistens attraktiv, selbstbewusst und zuweilen etwas ungezogen, was sie besonders begehrenswert machte. Ich habe mir über die ursprüngliche Bedeutung des Wortes lange keine Gedanken gemacht. Später habe ich gelernt, dass Schickse aus dem jiddischen „schickzo“ abgeleitet ist und übersetzt „das nicht-jüdische Mädchen“ heißt. Tatsächlich wurde in der Gaunersprache die Bedeutung ausgeweitet auf Dienstpersonal und Flittchen. Das Wort wurde später nur noch abwertend, pejorativ benutzt – wie schade.

Vor ein paar Tagen habe ich in einer amerikanischen TV-Komödie einen Dialog gehört, in dem hieß, auf der Party seien “heiße Chicks”. Also Küken, will heißen Mädchen, wahrscheinlich Schicksen. Der ähnliche Klang der Wörter “Chicks” und “Schickse” ließ mich noch einmal nach gemeinsamen etymologischen Wurzeln stöbern. Doch Fehlanzeige – Chicks haben mit Schicksen nichts zu tun, jedenfalls nicht in Bezug auf die sprachliche Herkunft und Geschichte der Bezeichnungen.

23. Juni 2019

23. Juni 2019

Schöne Nachrichten: Die Opéra de Lille zeigt im Oktober The Indian Queen von Henry Purcell. An insgesamt fünf Terminen (5., 8., 9. 11. und 12. Oktober 2019) kommt das selten gespielte Werk zur Aufführung. Regie führt Guy Cassiers, die musikalische Leitung hat Emmanuelle Haïm. Die Produktion erweitert die übliche Faktur einer Semi-Oper über Musik, Schauspiel und Tanz hinaus mit Video-Sequenzen. Karten kosten zwischen 5 und 72 €. Nähere Informationen unter www.opera-lille.fr

21. Juni 2019

Ich stehe mit der Sonne auf und fahre morgens mit meinem Boot raus zum angeln. Ich sehe, wie die Seeadler neben mir ins Wasser tauchen, das ist der totale Flash. Angeln ist für mich wie meine Ersatzdroge. Hätte jeder einen Angelschein, ginge es allen besser. In der Anglerszene trifft man häufig total fertige Typen, die darin ihren Anker gefunden haben. Das rettet uns den Arsch.
Marteria, Rapper

20. Juni 2019

20. Juni 2019

Wenn ich auf mein Unglück trete, dann stehe ich höher.
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

19. Juni 2019

Leute, die zu spät ins Theater kommen, sollte man erschießen. Ist nicht von mir, sondern von Woody Allen. Nun, dass manche Leute ärgerlicherweise glauben, sie könnten bei Konzertbesuchen kommen und gehen, wann sie wollen, ist hinlänglich bekannt. Der rechtliche Rahmen widerspricht dem Anspruch auf Einlass nach Vorstellungsbeginn. So müssen also Zuspätkommende im Foyer warten, im für sie schlechtesten Fall bis zur Pause. Dies wird von Theater zu Theater zwar unterschiedlich gehandhabt, doch das ist eine andere Frage.

Was ist mit denen, die vor Ende der Vorstellung gehen wollen? Dürfen die so einfach mitten im Monolog oder während des Duettes aufstehen und gehen? Das Recht erlaubt es ihnen, und Akteure, Publikum und Veranstalter sind gezwungen, ihnen dabei hilflos zuzusehen. Es spielt keine Rolle, ob die Zufrühgeher noch den Zug erwischen wollen, zur Toilette müssen, oder ob ihnen das Stück nicht gefällt. Der Veranstalter kann Theater- und Konzertbesucher nicht zum Bleiben zwingen. Er kann höchstens um Rücksichtnahme bitten und hoffen, dass der vorzeitige Aufbruch während des Beifalls, zwischen den Sätzen oder bestenfalls in der Pause erfolgt.

Wir haben in der Musikschule – früh übt sich, was ein Meister werden will, auch in Benimmfragen – per Aushang die Bitte formuliert, den Konzertsaal bei laufenden Veranstaltungen nur während des Beifalls zu betreten, wenn man denn schon zu spät kommt. Gestern nun betritt eine Mutter mit einem Kleinkind, das gerade ein Eis bekommen hat, zu den Klängen von Schuberts Ges-Dur Impromptu den Saal – ohne schlechtes Gewissen, dafür mit Eis! Ist Benehmen wirklich Glücksache? Oder die fünfköpfige Familie, die bei Bachs Goldberg-Variationen für Cembalo in der ersten Reihe sitzt und plötzlich, inmitten der siebzehnten Variation, aufsteht und durch den Mittelgang den Saal verlässt. Schon mal was von Konzert-Knigge, von Respekt gegenüber dem Künstler, dem Publikum und dem Werk gehört? Ein Konzertsaal ist ein öffentlicher Raum, in dem andere Regeln gelten als im heimischen Wohnzimmer! “Wann darf ich klatschen?” – so einen Kurs hatten wir schon. “Wann darf ich kommen und gehen?” – wollen wir über solch eine Unterweisung wirklich nachdenken, und sei es aus Notwehr?

17. Juni 2019

Träume, wissen Sie, sind das, woraus man erwacht.
Raymond Carver, Das Zaumzeug

16. Juni 2019

Es war eine durchaus gelungene Aufführung von King Arthur, die ich im Würzburger Mainfranken Theater erlebt habe. Der Abend bot eine fantasievoll inszenierte, spartenübergreifende Erzählung mit Musikern, Tänzern und Schauspielern. Das Zusammenwirken gelang gut, wenngleich musikalisch ein paar Abstriche zu machen sind. Es ist das Problem eines jeden Mittelklasse-Theaters, dass es zumeist auf hauseigene Kräfte zurückgreifen muss, auch wenn sich der Spielplan auf sehr spezielle und wenig ausgetretene Pfade begibt. Anders gesagt: Für die Musik Purcells, die ihre eigene barocke Rhetorik aufweist, können im Grunde nur in dieser Sparte geschulte Sängerinnen und Sänger zum Einsatz kommen. Und hier boten vor allem die solistischen Männerstimmen nicht das, was zu einer sensiblen und feinnervigen Gestaltung vonnöten gewesen wäre. Aus dem Orchestergraben kamen obendrein immer wieder sehr sportliche Tempi (vor allem im “song of cold people”), so dass eine wirklich berührende Musik zu selten erklang. So waren die Schauspieler und Tänzer in der Summe die stärkeren Akteure, worauf ich gerade bei einer Semi-Oper gerne und anerkennend hinweise. Den Höhepunkt des Abends gab es schon vor Beginn der Aufführung, nämlich die in freier Rede gehaltene und kenntnisreich wie sympathisch vorgetragene Einführung von Dramaturgin Katharina Nay.

13. Juni 2019

13. Juni 2019

Morgen geht es für ein kurzes Wochenende nach Würzburg. Ich werde im Mainfranken Theater King Arthur von Henry Purcell sehen. Es ist eine sogenannte Semi-Oper, eine spezielle Form der englischen Barockoper mit Gesang, Tanz, Instrumentalmusik und Sprechtheater. Die regionale Presse zeigt sich von der Produktion sehr angetan. Das Main-Echo schreibt: “So kurzweilig, so märchenhaft und fantastisch, letztlich auch so modern erlebt man Musiktheater des 17. Jahrhunderts selten.” Und die Main-Post hat “schönstes Barockspektakel” erlebt. Ich bin sehr gespannt, doch nicht allein auf das Stück. Es ist mein erster Besuch in Würzburg. Vielleicht klappt es mit einem Besuch in der Residenz. Und wenn nicht – es gibt Weinstuben, Weinkeller und Weingüter.

12. Juni 2019

Ich habe einfach das Gefühl, dass wir heutzutage auf so viele Dinge schauen, auf die wir in der Vergangenheit vielleicht nicht geschaut haben, weil niemand viel Aufhebens darum gemacht hat. […] Das ist nicht der Sport, in den ich mich verliebt habe.
Sebastian Vettel, viermaliger Formel 1-Weltmeister

Nun komme ich nicht von der Formel 1, war nicht einmal Weltmeister, habe Sport nie professionell betrieben. Gut, ich bin geprüfter DFB-Schiedsrichter und habe ein paar Jahre lang in Kreis- und Bezirksligen Spiele gepfiffen. Aber das war reines Hobby, insofern lässt sich das nicht vergleichen. Trotzdem stimme ich der oben zitierten Aussage voll und ganz zu. Wir leben in Zeiten zahlloser Live-Übertragungen, Aufzeichnungen, Vor- und Nachberichten, Analysen, Interviews, Features, Diskussionsrunden und vielem mehr. Allmählich beginne ich, das mediale Spektakel als absurdes Theater zu begreifen, das zuweilen auch Erheiterndes bietet. So sagte der frühere Bremer Mirko Arnautovic, nachdem die österreichische Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation 4:1 gegen Nordmazedonien gewonnen hatte: “Wir waren klar überlegen. Ich glaube, es kann achtstellig, neunstellig ausgehen.”

10. Juni 2019

Spiele das Spiel. Gefährde die Arbeit noch mehr. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts. Sei weich und stark. Sei schlau, lass dich ein und verachte den Sieg. Beobachte nicht, prüfe nicht, sondern bleib geistesgegenwärtig bereit für die Zeichen. Sei erschütterbar. Zeig deine Augen, wink die anderen ins Tiefe, sorge für den Raum und betrachte einen jeden in seinem Bild. Entscheide nur begeistert. Scheitere ruhig. Vor allem hab Zeit und nimm Umwege. Lass dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub. Überhör keinen Baum und kein Wasser. Vergiss die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen, weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama, missachte das Unglück, zerlach den Konflikt. Bewege Dich in deinen Eigenfarben, bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süß wird. Geh über die Dörfer. Ich komme dir nach.
Peter Handke, aus “Über die Dörfer”

9. Juni 2019

Heute vor neunzig Jahren, so habe ich im Deutschlandfunk gelernt, fand zum ersten Mal das Hamburger Hafenkonzert statt. Der damalige Intendant Hans Bodenstedt wollte “etwas ganz Neues, eine Sendung, die nach Teer und Tang riecht, eine Sendung, in der die See zu den Hörern spricht, die See und die Männer, die sich ihr verschrieben haben.“ Der damals zuständige Redakteur Kurt Esmarch bestand darauf, dass das Konzert von einem Schiff aus zu senden sei. Zu Beginn spielte das Altonaer Sinfonieorchester an Bord der „Antonio Delfino“ die Ouvertüre zu „Die lustigen Weiber von Windsor“. Doch die primitiven Detektorradios konnten die Geigen nur schlecht übertragen, so dass bei den folgenden Konzerten kräftige Blasmusik gespielt wurde. Bis in die 1950er-Jahre übrigens ohne Frauen, weil, wie jeder Seemann weiß, Frauen an Bord Unglück bringen.

8. Juni 2019

8. Juni 2019

Ich habe vergessen zu erzählen, dass ich in Písek Schnürsenkel gekauft habe, jeweils mit 70 cm Länge und in den Farben grau, blau und gelb. Die Verkäuferin bezeichnete die Farbe des letzten Paares allerdings als “mustard”, demzufolge das graue Paar vielleicht beton oder schiefer ist, wenn nicht rauch oder asche. Dem blauen Paar würde die Verkäuferin, oder sagen wir besser der Sales Advisor, wahrscheinlich die Farbe navy, vielleicht auch ocean zuschreiben. Die Farben meiner neuen Schnürsenkel sind möglicherweise auch zement, aquamarin und safran. Oder maus, tinte und eiter, wer will das schon so genau wissen.

7. Juni 2019

Bis nachts um 1.00 Uhr habe ich gestern in der Mediathek Das Verschwinden angeschaut, ein mehrteiliges – ja, was eigentlich, Familien- oder Sozialdrama, eine Dealer-Junkie-Geschichte, eine Generationenkonflikterzählung, ein Krimi? Regisseur Hans-Christian Schmid hat jedenfalls einen sehenswerten Film über Lügen, Erwartungen, Enttäuschungen und Verzweiflungen gedreht, die altersunabhängig den jeweiligen Kosmos ihrer Protagonisten erfassen und die Begrenztheiten ihrer Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Neben vielem, was die unterschiedlichen Erzählstränge abbilden, geht es auch um eine desillusionierte, nüchterne Analyse lebensperspektivischer Verengungen und Hilflosigkeiten. “Die Eltern”, sagt Schmid, “sind hier mit ihren eigenen Lebensentwürfen oder ihren eigenen Lügen so beschäftigt, dass sie keine Zeit haben, sich intensiv mit dem zu beschäftigen, was ihre Kinder bewegt.”

Das Verschwinden, D/CZ 2017; R.: Hans-Christian Schmid; Julia Jentsch, Nina Kunzendorf, Johanna Ingelfinger, Godehard Giese, Martin Feifel u. a.

5. Juni 2019

Romantik war immer Verklärung, Träumerei und Ausschweifung. Eigentlich wär’s mal wieder Zeit für ein romantisches Zeitalter. Mir würde das gefallen. Unsere Gegenwart strotzt vor Nüchternheit, Fitness und Effektivitätshascherei. Jede noch so kleine Problemstellung wird aufgebauscht bis zum grandiosen Scheitern durch Unbeherrschbarkeit.
Lars Reichow in seinem Text zum Programm “LUST – Musikalisch-Kabarettistisches rund um ein reinmenschliches Gefühl”

3. Juni 2019

Zurück aus einem viertägigen Kurzurlaub im böhmischen Písek. Ich war bisher schon acht- oder zehnmal in dieser hübschen Stadt zu Gast, und aufgrund der guten Kontakte zu städtischen Einrichtungen und Kulturbetrieben wurde es am Ende ein halber Arbeitsbesuch. Ich habe ein Musical-Schulprojekt miterlebt, die neuen Räumlichkeiten von Stadtbibliothek und Musikschule angeschaut und die ZUŠ Open in České Budějovice (Budweis) besucht. Das Netzwerk wird von der Magdalena Kožená Stiftung gefördert und bietet zahlreichen Schulen in den Bereichen Musik, Ballett, Drama und Darstellende Kunst in Konzerten, Workshops etc. die Möglichkeit, ihr Können öffentlichkeitswirksam zu zeigen. Magdalena Kožená war beim Abschluss der Veranstaltung persönlich anwesend und trat gemeinsam mit einem Projektchor auf.

Wie gesagt, eigentlich wollte ich nur ein paar Tage ausspannen. Tschechien ist für seine gute Küche bekannt und braut darüber hinaus die besten Biere der Welt. Es ist leicht und gefährlich, den mannigfachen Verführungen zu erliegen und sich den omnipräsenten Genüssen bedenkenlos hinzugeben. Insofern bieten zahlreiche Wanderwege mit sehenswerten Burgen, Schlössern etc. gute Möglichkeiten, zugeführte Kalorien wieder abzuarbeiten. Alternativ bestellt man reuelos ein zweites Stück von der sensationellen Schokoladentorte mit Johannisbeeren. Rollo & Café cukrárna kavárna, Krajinska 10, České Budějovice.

27. Mai 2019

27. Mai 2019

Alles was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe.
Elias Canetti, Die Provinz des Menschen: Aufzeichnungen 1942 – 1972
aus dem Programmheft zu Händel, “Rodelinda”

Grandiose Vorstellung, szenisch wie musikalisch. Wer noch nicht da war: unbedingt hingehen! Letzte Möglichkeiten in dieser Spielzeit: Do, 30.05., Sa, 01.06., Sa, 08.06.

25. Mai 2019

Heute Abend geht es mit zusammen mit 25 Opernbegeisterten nach Frankfurt, wo wir Rodelinda von Händel sehen werden. Über drei Stunden lang befasst sich das Stück mit Gattenliebe und -treue bis zum lieto fine. Für alle Affekte ist Platz und Raum – Verzweiflung, Hoffnung, Liebe, Rache, Großmut und vieles mehr. Händel bedient sich zum Teil bei eigenen Werken, z. B. verarbeitet er im Vorspiel zum 3. Akt eine Passage aus seinem Concerto grosso g-Moll. Am Schluss bereut der Bösewicht seine Tat, gibt dem Rivalen Frau und Königreich zurück und darf obendrein am Leben bleiben. Also Machtspiele und Liebesintrigen, ein bisschen wie um 20.15 Uhr im ZDF, nur länger und mit schönerer Musik. Regie führt Claus Guth, es singen u. a. Lucy Crowe und Andreas Scholl. Die musikalische Leitung hat Andrea Marcon.

23. Mai 2019

Die Oper Frankfurt, die im letzten Jahr erneut von der Zeitschrift Opernwelt als Opernhaus des Jahres ausgezeichnet wurde, hat ihren Spielplan für die kommende Saison veröffentlicht. Neben zahlreichen Wiederaufnahmen dürfen wir uns auf eine Reihe spannender Premieren freuen, u. a. Lady Macbeth von Mzensk von Schostakowitsch, Tamerlano von Händel, Manon Lescaut von Puccini, Tristan und Isolde von Wagner, Salome von Strauss und Der Prinz von Homburg von Henze. Die Aufzählung ist nicht komplett, zeigt aber die gewohnte große stilistische Bandbreite. Traditionell ist das Programm der Frankfurter Oper sehr innovativ und qualitativ hochwertig, so auch diesmal. Anders gesagt: Es wird teuer, aber schön!

22. Mai 2019

Wenn Spieler wegrutschen, da bin ich kein Freund von. Wenn man die wunderbare Möglichkeit hat ein Tor zu erzielen, dann muss man stehen.
Steffen Freund, Fußball-Experte

19. Mai 2019

19. Mai 2019

Nochmal zurück zu Bella Figura. Für die Produktion wurden ausschließlich Werke des Barocks ausgewählt, und zwar Stücke von Pergolesi, Marcello, Vivaldi und Torelli. Die Entdeckung ist gleichwohl Lukas Foss (1922 – 2009), der in Berlin als Lukas Fuchs zur Welt kam und 1933 mit seiner Familie aus Deutschland emigrieren musste. Er studierte zunächst in Paris, später dann in den USA u. a. bei Sergei Kussewitzky, bei dem auch Leonard Bernstein studierte, und bei Paul Hindemith. Lukas Foss war später Professor an den Universitäten von Los Angeles und Boston, Leiter der Sinfonieorchester in Milwaukee, Buffalo und Jerusalem. Er komponierte Opern, Sinfonien, Ballette, Kammermusik, Kantaten und Lieder. In Bella Figura erklingt das Lento aus seiner Salomon Rossi Suite, ein im barocken Stil komponiertes Werk. Der Lento-Satz ist sehr elegisch und von äußerst berührender Wirkung.

That is why the analogy of stealing does not work. With a thief, we want to know how much money he or she stole, and from whom? With the artist it is not how much he or she took from whom, but what the artist did with it.
Lukas Foss

17. Mai 2019

17. Mai 2019

Martha Holmes, Lemons in the Studio

16. Mai 2019

16. Mai 2019

21.15 Uhr. Ich bin seit über eine Stunde zu Hause und habe immer noch den Anfang von Pergolesis Stabat Mater im Ohr. Im Publikumsjoker haben wir Bella Figura von Jiří Kylián gesehen und miteinander gebannt erlebt, wie perfekt Musik und Bewegung eine Einheit bilden können, und wie eine solche Entdeckung wie Bella Figura uns geradezu überwältigt. Kursteilnehmer, die perplex und sprachlos nach Hause gehen – was gibt es Schöneres? Bella Figura ist nun auch mit das Beste, was es im Bereich des Modernen Tanztheaters gibt, so dass es ganz normal ist, wenn einem da schlicht die Worte fehlen.

14. Mai 2019

14. Mai 2019

Warum geht jemand in die Oper? Zum Beispiel, weil er dieses Plakat gesehen hat.

Verdi, Macbeth. Opera Vlaanderen, Gent. November 2019

13. Mai 2019

Wären unsere Karrieren damals durch Social Media begleitet worden, hätten wir sie nicht zu Ende spielen können.
Günter Netzer

12. Mai 2019

Es ist über all die letzten Jahre, wann genau es angefangen hat, könnte ich gar nicht sagen, immer schwieriger geworden, sich in der medialen Mixtur von Berichterstattung, Information, Diskussion, Kommentaren etc. zurechtzufinden. Wer sagt eigentlich was und warum? Wann handelt es sich um die Übermittlung von Nachrichten, wann ist es Meinungsmache? Wir werden, wie heißt es so schön, “infotaint” und haben immer mehr Mühe, die unsere Meinung beeinflussenden Faktoren herauszufiltern. Welche Nachrichten werden auf welche Weise aufbereitet, welche Rolle kommt z. B. den Moderatoren dabei zu? Dürfen Nachrichten mit bewertendem Unterton vorgetragen bzw. verkauft werden?

Kürzlich hat Reinhard Mey den Niveauverlust der samstäglichen Abendunterhaltung im Fernsehen beklagt, völlig zurecht. Er hätte auch gut die übrigen Wochentage heranziehen können, an Belegen hätte es nicht gemangelt. Wir müssen wählen zwischen diversen Rate- und Quizsendungen, natürlich im XXL-Format, können zwischen dauerschleifenden Comedy-Serien und Mord-und-Totschlag-Folgen entscheiden, und vielleicht werden wir, wenn wir das alles geschafft haben, mit einem Live-Boxkampf belohnt. Wir können Sky oder Netflix abonnieren, jetzt zum Sonderpreis, können Videotext lesen, Apps herunterladen, News kompakt sehen. Die Eishockey-WM wird präsentiert von Škoda.

So ist es Zeit für etwas ganz anderes, und damit sind nicht nur Bücher und Spaziergänge gemeint. Der Mediziner und Molekularbiologe Jens Reich hat schon vor Jahren gesagt, er befände sich in einem Gemütszustand “heiterer Resignation”, was nur vordergründig amüsiert. Cem Özdemir hat kürzlich gemeint, man müsse sich Sisyphus als heiteren Menschen vorstellen. Trösten wir uns mit Joseph Victor von Scheffel (1826 – 1886): „Gelinder Blödsinn ist dann und wann eine neidenswerte Mitgift fürs Leben: was andere schwarz schauen, scheint ihm blau oder grün, zickzackig ist sein Pfad; aber von den Schlangen, die im Gras lauern, merkt er nichts, und über den Abgrund, in den der weise Mann regelrecht hineinstürzt, stolpert er hinüber sonder Ahnung von Gefahr.“

10. Mai 2019

10. Mai 2019

Andrew Tozer, Sparkling Light and Tall Ships

7. Mai 2019

Kürzlich war in der WELT ein Artikel mit dem Aufmacher “Abschied vom Maestro” zu lesen. Autor Manuel Brug verbreitet sich darin in einem um Süffigkeit bemühten Tonfall über Dirigenten, genauer gesagt über deren Rolle und Selbstverständnis. Seit Daniel Harding nicht mehr “mit Maseratis einiges kompensierte”, sondern nun auch große Verkehrsmaschinen fliegt, so lesen wir überrascht, baue er Spannung ab und trage “wirkliche” Verantwortung. Dies habe ihn weggeführt von seiner früheren “schneidend-britischen Arroganz”, und er sei nun viel netter als früher. Die Zeit der “Pulttyrannen, Taktstockzertrümmerer und Explodierer” sei vorbei, befindet Brug und meint, das Ego der jüngeren Generalmusikdirektoren und Chefdirigenten “scheint in die Sache zu fließen. In die Musik, aber eben auch in das Miteinander.”

Diesen Stil behält der Autor während des gesamten Artikels bei. Der Frack sei gleichmacherisch, so heißt es beispielweise, die Musiker müssten als “altväterliche Pinguine ihre Individualität verstecken”. Und der seit geraumer Zeit sehr im Fokus stehende Dirigent Teodor Currentzis, der sinnigerweise nicht nur Musiker, sondern auch Schauspieler ist (ein Schelm, wer Böses dabei denkt), wird mit den Worten zitiert: “Der Dirigent macht es schneller und effektiver, die Orchester könnten aber auch ohne.” Na dann …

2. Mai 2019

2. Mai 2019

Englische Frauen und englisches Essen waren die Grundlage für eine Nation erfolgreicher Seefahrer.
Anonym

30. April 2019

30. April 2019

Übermorgen, am 2. Mai um 18.00 Uhr beginnt der Publikumsjoker. Zentraler Inhalt des Theoriekurses sind musikalische Formen und Gattungen, darüber hinaus streift der Kurs Aspekte des aktuellen Musiklebens. Hörbeispiele gibt es von DVD, CD und live am Klavier. Für die Teilnahme sind außer Neugier und Interesse keine weiteren Voraussetzungen nötig. Folgetermine sind 09.05., 16.05., 23.05., 06.06. und 13.06., jeweils von 18.00 – 19.30 Uhr. Wetzlarer Musikschule, Schillerplatz 8, 35578 Wetzlar.

29. April 2019

Welcher Nationalität waren Adam und Eva? Wahrscheinlich waren sie Russen: Sie hatten nichts anzuziehen, sie hatten kein Haus, aber sie wähnten sich im Paradies.
Kalenderspruch

Mit dem Kopf kann man Russland nicht verstehen,
Mit einem gewöhnlichen Maßstab kann man es nicht messen,
Mit diesem Land hat es eine besondere Bewandtnis:
Man kann an Russland nur glauben.
Fjodor Tjutschew (1803 – 1873), russischer Dichter und Diplomat

26. April 2019

26. April 2019

Außer einem hübschen Barockschloss mit dazugehörigem Park hat Herten, die Stadt, in der ich aufgewachsen und zur Schule gegangen bin, nicht viel zu bieten. Die ehemals größte Bergbaumetropole Europas erinnert heute an eine zwar nicht verlassene, doch immerhin trostlose Goldgräberstadt.

Da ist dieses Schild, was ich kürzlich am Rande eines Geburtstagsbesuchs gesehen habe, mal etwas Vorzeigbares. Wenn denn stimmen sollte, was drauf steht.

22. April 2019

In Deutschland ist alles verboten, was nicht erlaubt ist;
in England ist alles erlaubt, was nicht verboten ist;
in Russland ist alles erlaubt, was verboten ist.
Rudolf von Ihering (1818 – 1892), deutscher Rechtswissenschaftler

21. April 2019

21. April 2019

Die zwölfte Opernreise der Wetzlarer Musikschule – diesmal ging es nach St. Petersburg mit einem Besuch von Tschaikowskys Eugen Onegin im Mariinski-Theater – war ein beeindruckendes Erlebnis. Es war mein erster Aufenthalt in dieser Stadt, ja mein erster Russland-Besuch überhaupt. Wir hatten Glück mit so ziemlich allem: Mit der Aufführung der Oper, mit dem Hotel (Sokos Olympia Garden), mit dem touristischen Rahmenprogramm, mit Stadtführerin und Busfahrer, mit Restaurants und Cafés, mit dem Wetter. Natürlich kann man in wenigen Tagen sozusagen nur schnuppern, die Panoramen bestaunen, die Freundlichkeit der Menschen genießen, die Stadt auf sich zukommen lassen. Wer will, fährt einfach nochmal hin. Das Foto zeigt die Reisegruppe vor dem berühmten Winterpalast, Hauptresidenz der russischen Zaren in St. Petersburg, heute Teil der Eremitage.

Pause bis zum 20. April 2019

3. April 2019

3. April 2019

1. April 2019

Facebook-Chef Mark Zuckerberg fordert eine globale Regulierung des Internets, auch zum Nachteil großer IT-Konzerne. Kein Aprilscherz. Die Meldung, wonach das Präsidium der Schlachterinnung sich für eine Stärkung von Vegetarierinteressen ausgesprochen hat, bleibt dagegen ebenso unbestätigt wie die Nachricht, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages künftig für die Rechte der Bevölkerung demonstrieren und dafür Plenarsitzungen schwänzen wollen, vorzugsweise an Freitagvormittagen.

29. März 2019

Und nochmal Lichtenberg: “Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.”

27. März 2019

27. März 2019

Pressemitteilung der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar e.V. zum Brahms-Vortrag am 22.03.2019

Deutsch-Österreichische Gesellschaft Wetzlar hatte eingeladen:

Thomas Sander präsentierte Brahms in Wort und Ton

Nach einem Mozart- und einem Schubert-Abend stand in diesem Jahr ein Brahms-Abend der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft an, der in bewährter Form von Thomas Sander, dem Leiter der Musikschule Wetzlar, präsentiert wurde. Der Präsident der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft, Hans-Jürgen Irmer, konnte 70 fachkundige Zuhörer begrüßen. Sander brillierte mit einem Vortrag über Leben und Werk von Johannes Brahms, einem der größten Komponisten der Romantik. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Betrachtung der sehr unterschiedlichen musikalischen Ausdrucksmittel in Brahms’ Gesamtwerk, von Zigeunermelodien und Ungarischen Tänzen über komplexe Sinfoniesätze bis hin zum „Deutschen Requiem“.

Sander erläuterte sehr eindrucksvoll die Fortführung und Weiterentwicklung diverser Kompositionstechniken. Brahms habe hier aufgrund seiner profunden Kenntnis stilistischer Epochen und deren Merkmale sowohl Traditionen weitergetragen als auch innovativ verändert. Die Bekanntschaft und Freundschaft zu bedeutenden Künstlern und Komponisten seiner Zeit habe dazu beigetragen. Zu diesen gehörten beispielsweise Joseph Joachim sowie Robert und Clara Schumann.

Klangbeispiele waren der „Ungarische Tanz“ Nr. 1 g-Moll, der 4. Satz „Rondo alla Zingarese“ aus dem Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 in der Bearbeitung von Arnold Schönberg, der letzte Satz aus der Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 und der Satz „Selig sind die Toten“ aus dem Deutschen Requiem op. 45. Krönender Abschluss war Thomas Sander am Flügel, der mit „Guten Abend, gut’ Nacht“ eine der populärsten Melodien von Brahms spielte.

Irmer dankte Sander herzlich für seine ausdrucksstarke, inhaltstiefe, kompetente und mit trockenem Humor gewürzte Art des Vortrages. Der nächste Klassiker-Abend findet im Frühjahr des nächsten Jahres zum Thema Beethoven statt.

26. März 2019

26. März 2019

Es sollte uns nachdenklich machen, dass im Deutschen einen anführen soviel heißt wie einen betrügen.
Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799), deutscher Aphoristiker und Physiker

24. März 2019

Nochmal Thomas Gottschalk. Im Radio höre ich, dass es in einer Rezension hieß, Gottschalks Outfit sei irgendwas gewesen zwischen Pyjama und Perserbrücke. Das klingt lustig, wiegt aber keineswegs den Umstand auf, dass Gottschalks Kleidung wichtiger zu sein scheint als die in der Sendung behandelte Literatur (sofern von “behandeln” die Rede sein kann). Wichtiger auch als die Frage, ob wir uns wirklich damit abfinden wollen, dass ein ermüdeter Entertainer mit ein paar Flapsigkeiten über Literatur zu sprechen vorgibt. In Wahrheit haben wir es hier mit einer medialen Marginalisierung und Entwertung von Kunst und Kultur zu tun, verpackt als harmlos daherkommende Unterhaltung.

Wir finden diese Auslagerung der eigentlich wichtigen Fragen auch auf anderen Gebieten, zum Beispiel bei den Freitags-Demonstrationen von Schülerinnen und Schülern für das Klima. Es wird zurzeit in den Medien viel über die Frage diskutiert, ob das denn so einfach durchgehen soll mit dem Schule schwänzen, da sind doch bestimmt auch welche dabei, die nur feiern wollen, denen geht es doch gar nicht um die Sache, das muss aber nachmittags in der Freizeit stattfinden, außerdem ist das ein Thema für Experten und so weiter. Die Frage nach dem Anliegen der jungen Leute und ihrem Eintreten dafür, dass eingehalten wird, was in den Klima-Abkommen verhandelt und festgeschrieben wurde, scheint eine nachgeordnete Rolle zu spielen. Dass eine Greta Thunberg mit der Politik nicht über Klima-Fachfragen diskutieren will, sondern dafür kämpft, dass die Politik diese Fragen mit den Experten auf der ganzen Welt diskutiert und entsprechende Konsequenzen zieht – darüber wird kaum geschrieben und gesprochen. Stattdessen wird berichtet, dass einige Schüler am Freitagvormittag dabei gesehen wurden, wie sie bei Starbucks einen Kaffee getrunken haben.

Und was wäre eigentlich, so fragt jemand, wenn die Schülerinnen und Schüler bei Pegida mitlaufen würden? Wären wir dann auch so tolerant? Das tun sie nicht, so die Antwort, weil die Anhänger von Pegida ja in die Vergangenheit wollen, die jungen Leute aber in die Zukunft.

22. März 2019

Darauf angesprochen, dass Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) überhaupt nicht zufrieden sei mit dem vorliegenden Etatentwurf, antwortete Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in einem ZDF-Interview: „Trotzdem freut der sich ziemlich über die milliardenschweren Steigerungen. Er drückt seine Freude nur etwas eigenwillig aus.”

Unschlagbar, so ein Satz. “Er drückt seine Freude nur etwas eigenwillig aus.” Herrlich! Diese Technik werde ich bei nächstpassender Gelegenheit, wenn mir Kritik entgegen gebracht wird, probeweise anwenden und versuchen, dabei wie Scholz zu gucken. Wenn das nicht reicht, rede ich sympathisch lächelnd dazwischen. Worüber, ist egal. Jedes Gespräch endet irgendwann.

20. März 2019

Thomas Gottschalk hat sich nach 42 Ehejahren von seiner Frau Thea getrennt und moderiert jetzt eine Literatur-Sendung im Bayerischen Rundfunk. Als gäbe es nicht schon genug betrübliche Nachrichten.

17. März 2019

17. März 2019

Nicht deswegen habe ich keine Eile, weil ich mehr Zeit habe, sondern weil ich weiß, dass mir die Eile alles zerstört. Ein Leben in Eile hast du verpasst.
Gesehen in Berlin, Gleisdreieck

16. März 2019

Schon vor geraumer Zeit empfahl mir eine Kollegin, die selbst aus Rumänien stammt, eine Reise nach Bukarest. “Es ist eine Mischung aus Wien und Istanbul”, meinte sie und spielte auf die zahlreichen kulturellen Einflüsse an, die diese Stadt auszeichnen. Heute nun zeigte arte eine Reihe über Metropolen des Balkans, darunter auch eine Folge über Bukarest. Besonders eindrucksvoll waren die Berichte über junge Leute, die sich, wie es hieß, für eine gute Gegenwart und eine bessere Zukunft engagieren. Viele von ihnen treffen sich in Cafés, Bars, Galerien und Kunsthäusern in freien Initiativen, sind im Handwerk oder in kaufmännischen Berufen selbständig, organisieren Veranstaltungen, tauschen sich aus. Eine pulsierende Stadt, in die man sich “auf den zweiten, dritten oder vierten Blick” verliebt – nicht zuletzt durch zahlreiche Varianten der balkanischen Küche, der Küche des Wiener Kaiserreichs sowie der ungarischen und deutschen Küche. Meine Kollegin riet mir übrigens zu einer Reise bei gutem Wetter, was ich gerne beherzigen will.

14. März 2019

Auszeit, erkältungsbedingt. Neben Inhalieren, Tee trinken und Bonbons lutschen gibt’s auch Literatur: In der Nacht von Dennis Lehane, Gangster-Epos in Chandler-Tradition. Empfehlung!

12. März 2019

Beim Lesen von Meldungen des Tages erfahre ich, dass es in der CDU Überlegungen gibt, endlich eine Frau in das höchste Staatsamt zu wählen. Kandidatinnen für das Amt der Bundespräsidentin sind angeblich Ilse Aigner, Julia Klöckner und Ursula von der Leyen. Dann lese ich, dass Stefan Effenberg 2013 fast Trainer bei Schalke 04 geworden wäre, und dass Dieter Bohlen Modern Talking wieder aufleben lassen will, allerdings ohne Thomas Anders. Geisteswissenschaftler sollten überlegen, wegen besserer Aussichten auf unbefristete Verträge und gutes Gehalt doch lieber Naturwissenschaften zu studieren. Eine Autorin, die für Frauenrechte kämpft, glaubt, dass die meisten Männer nicht mehr mit Püppchen zusammen sein wollen. Volkswagen steigert den Gewinn trotz Dieselkrise, und nur weil man zur Arbeit kommt, ist man noch lange nicht gesund. Bei den Wahlen zur neuen Volksvertretung in Nordkorea verpassen im Ausland und auf hoher See Arbeitende die Abstimmung, weshalb die Wahlbeteiligung nur bei 99,99 % liegt. Zwei Wildpark-Luchse sind in Hessen auf der Flucht, und Emily Ratajkowski verdreht allen den Kopf. Das Leben ist kurz, und die Tage sind lang.

10. März 2019

10. März 2019

“Mir fehlt zum Glück die Frau”, sagt Hauptkommissar Klaus Borowski im Tatort so herrlich zweideutig, und wieder einmal werden uns die Untiefen (!) der deutschen Sprache bewusst. Das erinnert ein wenig an Jules und Jim, wo Jules auf die Frage “Warum hast du das Mädchen nicht geheiratet?” antwortet: “Es hat sich nicht ergeben”. Oft glauben wir zu wissen, was gemeint ist, doch in beiden Fällen können wir nicht sicher sein.

Anders ist es beim Hinweis in der Bonner Rheinaue: “Wege und Flächen dürfen nur mit kurz angeleinten Hunden betreten werden.” Hier dürfen wir davon ausgehen, dass das Begehen der Rheinaue auch ganz ohne Hund erlaubt ist.

8. März 2019

8. März 2019

Pressemeldungen zufolge will der britische Star-Geiger Nigel Kennedy nach dem EU-Austritt Großbritanniens sein Heimatland verlassen. Kennedy wird mit den Worten zitiert, es sei ihm peinlich, britisch zu sein, obwohl er halber Ire ist. Es habe so viele Falschinformationen darüber gegeben, was der “Brekshit” für die Briten bedeutet. “Viele wissen nicht, was sie anrichten mit ihrem Votum.”

7. März 2019

Nach ihrem peinlichen Toiletten-Witz hat Annegret Kramp-Karrenbauer sich nun nicht etwa entschuldigt, sondern die Diskussionen darüber kritisiert: “Wenn wir so weiter machen, laufen wir Gefahr, die Tradition von Karneval und Fastnacht kaputt zu machen.”

Irgendwie hat Frau Kramp-Karrenbauer da etwas falsch verstanden: Beim Karneval machen sich “die Leute” über die Mächtigen lustig. Nicht die Mächtigen über Minderheiten.

5. März 2019

5. März 2019

Mit Benjamin Brittens Kammeroper The Turn of the Screw hat das Staatstheater Braunschweig einen exzellenten Griff getan. Eine mysteriöse, unheimliche Geschichte über Naivität, Überforderung und Schuld, in der nicht alles ist, wie es scheint. The Turn of the Screw, also die “Drehung der Schraube” ruft geradezu nach der Drehbühne, die perfekt geeignet ist Parallelwelten, Verschiebungen und Schimären zu verdeutlichen. So zeigt die Inszenierung von Dagmar Schlingmann eine zunehmende Desorientierung, sowohl für die handelnden Personen als auch für die Zuschauer. Immer wieder die gleiche Botschaft: Es gibt keinen Weg, alles zu einem guten Ende zu bringen. Die Akteure belegen dies mit einer beeindruckenden, geschlossenen Ensembleleistung. Dennoch herausragend Inga-Britt Andersson als Gouvernante, Matthias Stier als Quint und Carolin Löffler in der Rolle der Mrs. Grose. Das Staatsorchester unter Leitung von Alexis Agrafiotis trifft den diffus-atmosphärischen Tonfall der Partitur sehr genau. Lang anhaltender, hochverdienter Beifall für intensives, packendes Musiktheater.

Es war übrigens mein erster Besuch in Braunschweig. Die Stadt Heinrichs des Löwen ist sehenswert. Durch Kriegszerstörungen gibt es zwar nur noch wenige Gebäude und Straßen in ihrer ursprünglichen Form, doch viele stadtgeschichtlich bedeutende Bauwerke wurden wieder aufgebaut oder restauriert. Für Kenner: Auf dem Schloss ist die größte Quadriga Europas platziert. Und es gibt viel Kultur, hübsche Gassen und Plätze, schöne Cafés und Restaurants. Einfach mal hinfahren!

1. März 2019

Über Musik zu schreiben, das kommt dem Sujet nicht mal ansatzweise nahe. Denn in der Musik geht es um Emotionen, etwas, das einer Welt ohne Worte entspringt. Sobald man versucht, es zu beschreiben, betrügt man es.
Hélène Grimaud

Das Zitat ist einem Interview entnommen, das die Pianistin der WELT am Sonntag Anfang vergangenen Monats gegeben hat. Kurz vor den zitierten Sätzen ging es um den bekannten Satz von Frank Zappa: “Über Musik zu schreiben ist wie zu Architektur zu tanzen.” Nun hat Madame Grimaud selbst schon Bücher geschrieben, in denen sie die Wirkung von Chopin und Rachmaninow nachzeichnet. Insofern lehnt sie sich mit den zitierten Sätzen hier ziemlich weit aus dem Fenster. Auch die Wortwahl ist arg pathetisch. Trotzdem werde ich Hélène Grimaud weiterhin bewundern, erstens wegen ihres Klavierspiels und zweitens wegen ihrer geheimnisvollen, faszinierenden Ausstrahlung. Das reicht ja auch.

28. Februar 2019

Es ist einer der großen Fehler unserer Zeit, dass wir Bildung mit Information verwechseln und Gleichheit mit Menschlichkeit.
Daniel Barenboim

26. Februar 2019

Heute Abend ins Sinfoniekonzert nach Gießen. Händel (Concerto a due cori F-Dur HWV 333), Rameau (Suite aus “Les Indes Galantes”, nur deswegen fahre ich hin), Kraus (Ouvertüre zu “Olympie” VB 33) und Eberl (Sinfonie C-Dur WoN 7). Wer bestellt schon ein Vier-Gänge-Menü, wenn ihn nur eine einzige Speise davon interessiert? Doch abwarten und zuhören – sprichwörtlich kommt es ja oft anders, als man denkt.

24. Februar 2019

Natürlich fahre ich nicht, wie im letzten Eintrag geschrieben, als nächstes nach Düsseldorf, um dort Schade, dass sie eine Hure war zu sehen. Schon seit Wochen habe ich Karten für The Turn of the Screw von Benjamin Britten im Staatstheater Braunschweig, wo ich das Stück am kommenden Sonntag erleben werde. Britten komponierte die Erzählung, in der sich eine junge Frau als Gouvernante auf einem Landsitz um zwei Waisenkinder kümmern soll und dabei immer tiefer in mysteriöse, unheimliche Geschehnisse verstrickt wird, als Kammeroper. Das Stück, dessen Handlung auch verfilmt wurde (The Innocents, dt. “Schloss des Schreckens”, GB 1961), ist nur selten auf deutschsprachigen Bühnen zu sehen, also fahre ich hin. Erst danach geht es nach Düsseldorf.

21. Februar 2019

Heute bekam ich Post von der Deutschen Oper am Rhein. In seinem Newsletter wirbt das Haus für Anno Schreiers Oper Schade, dass Sie eine Hure war und schreibt über die Premiere am zurückliegenden Wochenende in Düsseldorf, dass diese von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert wurde. “Kommen Sie vorbei und lassen Sie sich diese packende Uraufführung nicht entgehen”, animiert man mich und fügt einen herrlichen Kommentar des Bayerischen Rundfunks zu Schreiers Werk hinzu: “Rein akustisch explodiert bei ihm etwa alle fünf Minuten ein Tankwagen und dazwischen verbreiten die Geigen wohligen Grusel.“ Da weiß ich ja, wo ich als nächstes hinfahre. So funktioniert Werbung.

18. Februar 2019

Das Theater Dortmund hatte bei der Bewerbung seiner Produktion von Die Göttliche Komödie I INFERNO, Ballett von Xin Peng Wang nach Dante Alighieri, mit Musik von Michael Gordon und Kate Moore nicht zuviel versprochen. Im voll besetzten Opernhaus boten die 75 Minuten eine intensive, bildgewaltige Phantasmagorie imaginärer Höllenszenarien. Leidenschaftlich, virtuos und akrobatisch zeigte sich ein Ensemble, das Elemente des klassischen Balletts, des Modern Dance und des Tanztheaters spielerisch miteinander verknüpfte.

Mit 52 Interessierten waren wir aus Wetzlar angereist. Die Reaktionen auf das INFERNO waren überwiegend positiv, obwohl vielleicht der eine oder andere “Schwanensee” den Vorzug gegeben hätte. Doch gegessen wird, was auf den Tisch kommt, und der Appetit kommt bekanntlich beim Essen. Wie schön, dass schon erste Anmeldungen für das “Fegefeuer”, den zweiten Teil der Trilogie im November, eingegangen sind. Könnte sein, dass 2021 die meisten auch beim Finale dabei sein wollen. Dann gibt’s das “Paradies” für 49 Euro, sofern es am Ort des höchsten Glücks ein Platz in vorderster Reihe sein soll.

14. Februar 2019

Weißt du, ich will mich schleichen
leise aus lautem Kreis,
wenn ich erst die bleichen
Sterne über den Eichen
blühen weiß.

Wege will ich erkiesen,
die selten wer betritt
in blassen Abendwiesen –
und keinen Traum, als diesen:
Du gehst mit.
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

13. Februar 2019

13. Februar 2019

Richard Tuff, Morning in St. Mawes

11. Februar 2019

Wenn Christophe Rousset sich um barocke Opern kümmert, kommt immer etwas Besonderes dabei heraus. Sein Ensemble Les Talens Lyriques, benannt übrigens nach dem Untertitel von Rameaus Opéra-Ballet Les fêtes d’Hébé, produziert von Stilsicherheit und Geschmack geprägten Klangzauber, die Vokalsolisten glänzen mit verständiger Stimm- und Darstellungskunst, die Regie überrascht mit originellen Einfällen und Perspektivwechseln.

Gestern nun, bei Giovanni Legrenzis La divisione del mondo (1675) konnte das Ensemble einen weiteren Nachweis seiner Klasse erbringen und tat dies auf beeindruckende Weise. Über die gesamte Spielzeit, doch vor allem im dritten Akt ist zu spüren, welche Strahlkraft diese Musik hat, und mit welchem Bewusstsein das Ensemble diesen Umstand behandelt. Die Regie (Inszenierung Jetske Mijnssen) hat Lust auf Chaos, entsprechend den Launen der Götter. Zu aufregend ist die Liebe, zu verführerisch sind ihre Möglichkeiten, als dass bei vergeblichen Mühen Zeit für dauerhafte Verzweiflung wäre. So ist die Musik in der fortgesetzten Tradition der venezianischen Oper mit zahlreichen Ariosi und Ritornellen durchsetzt, oft tänzerisch, lebensfroh und genussorientiert. Wollen wir hoffen, dass Christophe Rousset von den etwa zwanzig Opern Legrenzis noch die eine oder andere der Vergessenheit entreißen wird. Die Opéra national du Rhin bietet dafür den perfekten Rahmen.

9. Februar 2019

9. Februar 2019

Morgen geht es also nach Straßburg, in die Opéra national du Rhin zur Aufführung von La divisione del mondo von Giovanni Legrenzi. Die Entscheidung, die Oper live zu erleben, also nach Straßburg zu reisen, war nicht schwer. Gibt es doch gleich mehrere Gründe: Christophe Rousset und sein Ensemble Les Talens Lyrique musizieren einfach grandios! Ich habe das Ensemble vor knapp zwei Jahren mit Cavallis “La Calisto” erlebt, damals ebenfalls in der Opéra national du Rhin, und es war eine der schönsten Aufführungen meines bisherigen Operntourismus. Dann natürlich die Themen, die uns immer wieder in Atem halten: Liebe, Macht, Schönheit, Eifersucht, Intrige. Und schließlich, als wenn das nicht schon reichen würde, das unwiderstehliche Szenenfoto, mit dem in einem einzigen Schnappschuss alles gesagt ist: Kunst, Geschichte, Genuss, Grandezza, Erotik, Verführung. Ich bin sehr gespannt …

7. Februar 2019

7. Februar 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 1. Februar 2019

Die Kompositionen von Bach ziehen immer
Anne-Catherine Bucher spielt die Goldberg-Variationen bei den Wetzlarer Improvisationstagen

Von Andreas Müller

WETZLAR. Anne-Catherine Bucher ist zurück. Beriets 2018 war sie Gast bei den Improvisationstagen und hat im Quartett in der Unteren Stadtkirche an Orgel und Cembalo ihr Können gezeigt. Nun hat die Cembalistin, die in der Nähe von Metz lebt, mit Johann Sebastian Bachs “Aria mit verschiedenen Veränderungen”, so Bachs Originaltitel für die “Goldberg-Variationen” BWV 988 das Abschlusskonzert der Improvisationstage bestritten.

Exakt am Geburtstag Mozarts hat sie Freunde von Barockmusik im Konzertsaal der Musikschule begeistert. Ihr eigenes Cembalo reist mit ihr, ein wertvoller Nachbau mit zwei Manualen und einer Länge von 2,60 Metern von Matthias Griewisch aus der Nähe von Heidelberg. Das Original stammt etwa aus dem Jahr 1740 und ist in einem Museum in Washington D.C. zu bewundern. Bei den Goldberg-Variationen handelt es sich um eines der größten Solowerke für Tasteninstrumente und das wohl bedeutendste Variationswerk.

Bucher spielt zunächst eine Tonfolge von acht Noten, die als Standard in der Barock- und Renaissancezeit gilt. Dann legt sie weitere Töne darüber, demonstriert das auch in einem Dreier-Takt. Es folgt eine Oberstimme mit Verzierungen. Dann beginnt sie mit der langsamen und ruhigen “Aria”, der gleich zwei lebhafte Variationen folgen. Bachs Komposition ist in Dreier-Gruppen gegliedert, einer “Canone”, die sich im nächst höheren Tonintervall fortsetzt, folgen zwei Variationen.

Bucher bedauert, dass kein Autograph Bachs vorhanden ist. Jedoch habe man 1975 ein persönliches Exemplar Bachs mit handschriftlichen Korrekturen entdeckt. “Das bedeutet, dass alle Aufnahmen vor 1975 Fehler enthalten”, erklärt die Cembalistin. Auch ist bekannt, dass Bach seinen Kompositionen mathematische Muster zugrunde legte. So auch in den Goldberg-Variationen, 32 Stücke, alle mit genau 32 Takten. Das Tempo wird immer schneller. Es ist fast unmöglich, den über die Tasten fliegenden Fingern zu folgen. Bucher zeigt ein hochvirtuoses Spiel, das einfach begeistert. Und sie weiß zu berichten, dass sich die Bach-Familie oft zu Potpourris getroffen hat und Johann Sebastian Bach viel Humor hatte. Als Beispiel zitiert sie die Liedzeile: “Kraut und Rüben haben mich vertrieben, hätte Mutter Fleisch gekocht, wäre ich geblieben.”

Nach der abschließenden “Aria da capo” gibt es begeisterten Applaus. Bucher entlässt das Publikum mit dem Hinweis, dass Bach mit seinen Variationen gezeigt habe, dass man zu den Sternen schauen kann, nicht nur auf die Erde.

5. Februar 2019

5. Februar 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 1. Februar 2019

Musiker erzählen Geschichten
“Jazz Report” in der Stadtbibliothek

Von Andreas Müller

WETZLAR. Mit “Jazz ohne Grenzen” war das dritte Konzert der Improvisationstage überschrieben. Für einen coolen Nachmittag in der Stadtbibliothek hatte Thomas Sander “Jazz Report” aus Wiesbaden eingeladen. Etwa 60 Jazzfreunde waren gekommen. Sängerin Yasmin Sidibe, Andreas Goller (Trompete), Simon Hampe (Keyboards), Bernhard Rosenberger (Bass) und Jonas Depenbrock am Schlagzeug begeisterten mit einer Palette von “Swing zu Funk, Ton- und Wortspielen”, so die Ankündigung.

Nach der Begrüßung durch Karin Böttcher, stellvertretende Leiterin der Bibliothek, mit einem Gedicht über Musik (so kam die Literatur zum Zuge), eröffnet das Quintett mit dem locker swingenden “All of me”, gefolgt von der ersten coolen Nummer, “My baby just cares for me”. Yasmin Sidibes wohlklingende, dunkel gefärbte Stimme ist betörend, cool Depenbrocks Schlagzeugstil. Er zeigt ein unglaublich nuancenreiches Spiel, das deutlich mehr ist als Rhythmus. Ständig wechselt er sein Schlagmuster, spielt mal mit Besen, bei “Blue Bossa” mit bloßen Händen. Eine Freude, ihn nicht nur zu hören, sondern ihm auch zuzuschauen. Bei Oscar Petersons “C-Jam Blues” groovet es, dass es eine Wonne ist. Alle Instrumentalisten warten mit schönen Soli auf. Die Band verbreitet gute Laune beim Publikum.

Bassist Rosenberger führt charmant durch das Programm und stellt die Frage in den Raum, was eigentlich Improvisation ist. Für ihn bedeutet das die Seele des Jazz: “Je einfacher ein musikalisches Grundgerüst ist, umso freier kann man improvisieren.” Für Sidibe bedeutet Improvisation, eine Geschichte zu erzählen. “Jeder hat seine eigene Art, sich auszudrücken.” Keyboarder Hampe meint scherzhaft, für ihn sei schon Improvisation, die Frage nach der Definition zu beantworten, und für Schlagzeuger Depenbrock ist es die Idee, etwas Wichtiges weiterzugeben. Passend klingelt exakt bei einer Bassimprovisation in Miles Davis’ “So what” ein Handy.

Verführerisch wirkt Sidibes Interpretation von Ellingtons “In a sentimental mood”. Einen Stilwechsel vollziehen die Musiker mit Amy Winehouses “Rehab”. Es folgen Klassiker wie Gershwins “Summertime” und “Mackie Messer”. Mit Diana Kralls sehr gefühlvollem “Cry me a river” endet ein begeisterndes Konzert. “Jazz Report” dankt für den sehr herzlichen Applaus mit Hancocks “Watermelon man” und entlässt das Publikum dann mit “Night and day” in den Abend.

3. Februar 2019

Die Barockzeit ist reich an wunderbaren Werken, die es wiederzuentdecken gilt. Nach Claudio Monteverdi und Francesco Cavalli ist der italienische Komponist Giovanni Legrenzi (1626-1690) die dritte große Figur dieses Jahrhunderts, das die Oper erfand. Von seinen 17 Werken ist uns oft nur noch der Titel überliefert. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall für die Oper La divisione del mondo, die in den Jahren nach der Uraufführung 1675 in Venedig ein großer Erfolg war. Der Dirigent Christophe Rousset erweckt immer wieder wunderschöne Werke des 17. Jahrhunderts zum Leben und präsentiert nun seine Interpretation dieser Partitur mit seinem Ensemble Les Talens Lyriques. Die Niederländerin Jetske Mijnssen liefert mit dieser Inszenierung ihr Debüt an der OnR. Das Werk, das in der französischen Erstaufführung gezeigt wird, erzählt mit großer Leichtigkeit und Leidenschaft von Junos Eifersucht und der verheerenden Anziehungskraft der schaumgeborenen Schönheit Venus auf die Götter des Olymp. Zur gleichen Zeit macht sich Jupiter daran, nach dem Sieg über die Titanen die Welt unter seinen Brüdern aufzuteilen.
Opéra national du Rhin

Auf Italienisch, übertitelt in Französisch und Deutsch. Vorstellungen in Strasbourg, Mulhouse und Colmar. Februar und März 2019, Premiere am 8. Februar in Strasbourg.

1. Februar 2019

1. Februar 2019

29. Januar 2019

23.30 Uhr. Es kommt sehr selten vor, dass ich von Unterhaltungsmusik zu Tränen gerührt bin. Heute Abend, während eines Essens im Restaurant, höre ich Curtis Walsh, “Full Recovery” und bin wie verstört. Der Geniestreich eines 17-jährigen, unwiderstehlich und sehr wahr.

Strength will come back honey
Keep your eyes on me
I promise time will fly
Keep your head held high
The world is at your feet
Some people’s minds work funny
Just learn to let it be
You’re fully in control
There’s very few that know
The world is at your feet

So let go and stop keeping track
I hope you know I’ve got your back

‘Cause patience and trust will lead to your full recovery
And in the settling dust I wrote this message for you to see
It said you should go and stop keeping track
And I hope you know I’ve got your back
If you’ve got mine

Now release the smoke from your lungs
And realise there’s no turning back
Say the speech on your tongue
What’s done has been done
Understand what you have
And I’ll be here along the way
As long as that’s what you want
To keep…

29. Januar 2019

29. Januar 2019

Wetzlarer Neue Zeitung, 29. Januar 2019

Wenn die Diva nicht kommt
Musikalisches Kabarett und ein Märchen bei den Wetzlarer Improvisationstagen

Von Andreas E. Müller

WETZLAR. Bereits zum vierten Mal finden die Wetzlarer Improvisationstage als gemeinsame Veranstaltung des Kulturamtes und der Musikschule statt. Thomas Sander, Leiter der Musikschule und künstlerischer Leiter der Improvisationstage, hat wieder ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.
Den Auftakt macht die Pianistin Ursula Wawroschek. Sie betritt die Bühne und wundert sich, wo die Sängerin bleibt. Um die Wartezeit zu überbrücken, spielt sie einfach schon einmal ein Klavierstück von Chopin. Ihr Spiel ist mal sehr filigran, dann wieder kraftvoll. “Chopin am Anfang eines Konzertes ist eine Wohltat für Pianisten”, meint sie. “Das fließt wie Öl.” Die Sängerin, Frau Seitenschneider, ist immer noch nicht aufgetaucht.
“Wahrscheinlich hat sie ein anderes Engagement für mehr Geld”, vermutet Wawroschek. “Sing ich halt einfach, ist ja schließlich egal, wer seine Kehle aufmacht.” So begrüßt sie singend das Publikum mit “Hallo Leute, guten Abend” in verschiedenen Sprachen. Dann macht sie sich Gedanken über ihre Garderobe. Es folgt ein Lied über typische Männerklischees und eine Klage: “Ich könnte auch eine CD sein, das würde die Diva überhaupt nicht merken.” Auch ihren Wunsch nach langen Fingernägeln mit Glitzernagellack darf sie als Pianistin nicht umsetzen, weil das auf den Tasten klackert.
Kritisch geht sie in einem Lied über Reizüberflutungen mit Werbung an Tankstellen um. Sie beschwert sich darüber, dass der Klavierhocker nicht in den Wartungsvertrag aufgenommen wird und manchmal wackelt. Dann wird sie politisch. “Wie sind eigentlich die Demonstranten in den Hambacher Forst gekommen? Zu Fuß, mit dem Rad? Grüne wählen und einen SUV in der Garage, mit dem man das Töchterchen zur Schule fährt, weil der Verkehr in der Stadt zu gefährlich ist”, kritisiert sie. Mit einem Lied über einen vollautomatisierten Haushalt erzählt sie, was als Kettenreaktion passieren kann. Da erleidet die Waschmaschine ein Schleudertrauma. Wawroschek erwacht aus diesem Traum, weil der Wecker nachts um 3 Uhr summt. Im Schlussapplaus ruft dann die Diva an, und es wird ein neuer Termin für ein Konzert vereinbart. “Da geh ich nicht hin”, verrät sie dem Publikum. “Soll sie alleine singen.”

Zum märchenhaften Konzertabend geriet die zweite Veranstaltung. Tanzten vor zwei Jahren Paare des Tanzclubs Schwarz-Rot zur Musik von “Bassa”, hatten Miriam Erttmann (Violine und Moderation), Takashi Peterson (Gitarre), Hannes Daerr (Klarinette und Bassklarinette) und Tobias Fleischer (Kontrabass) dem Publikum dieses Mal ein wunderschönes Märchen mitgebracht.
Darin verliebt sich der Seelöwe “Ahewáuwen” an der Küste Feuerlands in eine junge, bildhübsche Menschenfrau. Miriam Erttmann erzählt die anrührende Geschichte dieser ungleichen Liebe, das Quartett setzt sie in musikalische Bilder um. Das Märchen ist überliefert von Indianern auf Feuerland. “Bassa” haben dazu sehr schöne Melodien komponiert und laden die Zuhörer ein, die musikalischen Bilder Revue passieren zu lassen. Die vier Musiker, alle brillante Techniker, die mit unglaublich viel Gefühl und Ausdruck agieren, führen dabei musikalische Dialoge.
Jedes Instrument hat mal die Melodie, dann wieder die Begleitung. So kann man sich sehr gut den verliebten Seelöwen “Ahewáuwen” vorstellen, der das schöne Mädchen beim Angeln erschreckt und in die Wellen zieht. Und man sagt, dass immer, wenn die Sonne ihre letzten Strahlen über das Meer wirft, dort zwei Seelöwen erscheinen und man in der Bucht ein Lied hören kann, erzählt Erttmann. Aber das sei ja nur ein Märchen.

27. Januar 2019

27. Januar 2019

Das Konzert war ganz schön, aber nicht so, dass es mich beeindruckt hätte. Man merkt bzw. hört dem Philharmonischen Orchester Gießen an, dass es in jeder Saison alles Mögliche spielen muss, also heute Mozart, morgen Tschaikowsky und übermorgen ein Musical-Medley oder sonst was. Das heißt, es ist nicht sonderlich vertraut mit den speziellen Regeln einer bestimmten Epoche, mit deren Eigentümlichkeiten, mit der jeweiligen musikalischen Sprache und Rhetorik. Alles klingt verordnet und nicht selbstverständlich oder intuitiv, trotz der musikalischen Leitung eines erfahrenen Dirigenten wie Werner Ehrhardt. Dazu kommen die üblichen, ärgerlichen Schwächen in den Blechbläsern.

Stellen wir uns vor, wir sollten ein und denselben Text hintereinander in verschiedenen Sprachen sprechen – jeder würde unseren Akzent hören. Kommunizierten wir aber ständig und ausschließlich auf französisch oder spanisch, kämen wir der Aussprache “echter“ Franzosen oder Spanier viel näher. Genauso ist das mit Orchestern. Die auf Barockmusik spezialisierten wissen einfach, wovon die Rede ist. Und so „sprechen“ sie dann auch.

24. Januar 2019

Manche Leute sagen, dass wir nicht genug tun, um den Klimawandel zu bekämpfen. Aber das ist nicht wahr. Um “nicht genug zu tun”, müsste man überhaupt etwas tun. Und die Wahrheit ist, dass wir praktisch gar nichts tun.
Greta Thunberg (16), schwedische Umweltaktivistin

23. Januar 2019

Gestern haben wir Mozarts Requiem gehört und gesehen. Tief beeindruckt sowohl von der Musik als auch von der Art und Weise der Darbietung, folgten die ersten Kommentare erst nach einer Weile der Stille. In einer Aufnahme von August 2012 spielten das Lucerne Festival Orchestra und sangen der Bayerische und der Schwedische Rundfunkchor, die Solisten Anna Prohaska (Sopran), Sara Mingardo (Alt), Maximilian Schmitt (Tenor) und René Pape (Bass) unter der Leitung von Claudio Abbado. Es ist eine der letzten Aufnahmen von Abbado, der Maestro starb im Januar 2014. Die Aufführung ist musikalisch von großer Noblesse, sehr ausdrucksstark und technisch auf außerordentlichem Niveau. Die interpretatorische Balance zwischen Totenklage und Heilsversprechen, zwischen Jüngstem Gericht und Ewigem Leben ist perfekt gelungen und wird der musikalischen Intention absolut gerecht. Wer sich also mit Mozarts letztem Werk – hier vervollständigt von Franz Beyer – beschäftigen möchte und dazu nach einer Aufnahme sucht, dem sei diese sehr ans Herz gelegt (DVD, Accanto 20258; auch auf Blu-Ray).

21. Januar 2019

Schon lange verfolge ich Fußballspiele im Fernsehen nur noch bei abgestelltem Ton, sind doch der Großteil der Kommentatoren und deren Einlassungen schlichtweg unerträglich. Wie freue ich mich also, dass es einem Zeitgenossen im Diskussionsforum auf ZEIT online genauso geht wie mir. Über Sky-Reporter Frank Buschmann schreibt er:

Am schlimmsten sind ja die rhetorischen Fragen in übertriebener Menge, die er dann selbst beantwortet: “Schaut er sich das nochmal an? Er schaut es sich nochmal an. Geht er jetzt wirklich nochmal zum Bildschirm, ja geht er nochmal dahin? Er geht wirklich nochmal zum Bildschirm. Wird er den Elfmeter geben, wird er, WIRD ER? Nein, er gibt ihn nicht. Geht er jetzt gerade wieder zurück zum Spieler? Ja, er geht zurück zum Spieler. Macht er jetzt weiter mit der Ecke? Er macht tatsächlich weiter mit der Ecke …”

17. Januar 2019

Es gibt Musikschulleiter, die ausschließlich für Verwaltungstätigkeiten eingestellt werden. Das sollte per Gesetz verboten sein. Jemand, der eine Musikschule leitet, muss auch künstlerisch in Erscheinung treten, sei es durch Spielen, Singen oder Dirigieren. Hinsichtlich der Leitungsfunktion müssen nötigenfalls Geschäftsführungs- oder Buchhaltungsaufgaben getrennt vergeben werden, doch Schulleiter/-innen müssen für die Öffentlichkeit im aktiven Musizieren sichtbar sein. Für ein reines Verwaltungsmanagement (Unterrichtsorganisation, Haushaltsplanung, Sponsorenakquise etc.) ist ein Musikstudium nicht vonnöten, schon gar keines mit instrumentalem Hauptfach. Eine qualifizierte Verwaltungskraft kann problemlos auch in der Bekleidungsindustrie, in der Gastronomie oder im Buchhandel arbeiten. Ebenso wie Betriebswirte, Kalkulatoren und Sanierer wissen sollten, im welchem Bereich des gesellschaftlichen Lebens sie tätig sind und welchen Stellenwert derselbe für das Gemeinwesen hat, müssen wir Musiker allerdings verstehen, dass wirtschaftliche Zwänge nicht immer verdrängt oder negiert werden können. Doch das ist schnell gelernt, in Musikschulen sowieso.

16. Januar 2019

Wozu dient es, wenn man versucht, ein Leben aufzubauen, wenn wir von Mächten beherrscht werden, die wir nicht kennen, wenn wir nicht mehr über unser verborgenes Gefühlsleben wissen als die um uns herum sprießenden und schwellenden Keime und Knospen über die Bildung ihrer Zellen?
Ola Hansson (1860 – 1925), Sensitiva amorosa

13. Januar 2019

13. Januar 2019

Angeblich finden 76 % aller Männer Friseurbesuche erotisch. Ein erstaunlich hoher Wert, unabhängig von der Frage, ob es nicht besser Friseurinbesuche (begrifflich seriös, von den meisten in diesem Beruf Tätigen präferiert) oder Friseusenbesuche (sprachlich diskreditiert, da verbunden mit der Vorstellung von Minirock, pinkfarbenen Nägeln, toupiert, blondiert etc.) heißen müsste. Die ZEIT veröffentlichte vor einigen Wochen unter dem Titel “Waschen, schneiden, stöhnen” einen Bericht, in welchem der Autor für eine Fokussierung auf den Haarschnitt plädiert und seiner natürlichen Skepsis gegenüber Kopfmassagen und sonstigen Wohlfühlprogrammen in Friseursalons Ausdruck verleiht.

Hier sind unterschiedliche Sichtweisen möglich. Warum geht Mann zum Friseur? In den immer noch meisten Fällen wegen eines professionellen Haarschnitts, an den gewisse Ansprüche gestellt werden dürfen. Warum geht Mann zur Friseurin oder zur Friseuse? Schon schwieriger. Sieht man den Besuch als Gesamtkunstwerk an, als sinnlich-phantastisches Erlebnis mit lustbetonter Shampoo-, Wachs- oder Gelmassage, können andere Parameter im Vordergrund stehen: Attraktivität, Charme, Verführungspotenzial, Thrill, Kick. Ein zufriedenstellender Haarschnitt ist dann sozusagen gratis, ein Kollateralgeschenk. Übertragen auf Bäckereien oder Fleischereifachgeschäfte hieße das, dass Brot und Bratwurst im Zweifel durch die Geschmacksprüfung fallen dürfen, sofern die Bedienung den entsprechenden Test mit Glanz und Gloria besteht.

Wie auch immer, unter suchebiete.com jedenfalls gibt es fantasievolle Angebote für die entsprechende Zielgruppe: “Schneide Dir die Haare in Dessous, Lack, Leder … oben ohne … in High Heels oder Stiefeln … auch barfuß für den Fußliebhaber … oder dominant für den devoten Herrn …”

12. Januar 2019

“Die Zeiten ändern sich.”
“Die Zeiten vielleicht.”
aus: Die Akte Grant (Original: The Company You Keep, USA 2012)

11. Januar 2019

11. Januar 2019

In knapp zwei Wochen beginnen die 4. Wetzlarer Improvisationstage. Von 24. – 27. Januar werden wieder Erfindungsreichtum, Kreativität und Fantasie bei unterschiedlichsten musikalischen Darbietungen im Mittelpunkt stehen. Bei einem Pressetermin im Wetzlarer Rathaus wurde das Programm vorgestellt.

Von links nach rechts: Stephan Hofmann (Vorstand Sparkasse Wetzlar), Kornelia Dietsch (Kulturamtsleiterin), Thomas Sander (Künstlerischer Leiter), Jörg Kratkey (Kulturdezernent).
Foto: Stadt Wetzlar

7. Januar 2019

Den Blick für das Wesentliche zu behalten und das Unwichtige als solches zu erkennen, jenseits dessen, was damit anzufangen ist – darum sollte es vorrangig gehen in diesem frohen neuen Jahr, das wir uns gegenseitig wünschen. Der Jahreswechsel in Berlin mit Besuchen in der Staatsoper (La Bayadère) und in der Deutschen Oper (Der Barbier von Sevilla) sowie gastronomischen Neuentdeckungen (u. a. den Bistros/Cafés Spreegold und Atlantic) brachte neben früh einsetzender Dunkelheit und ungemütlichem Wetter vor allem die Erkenntnis, dass wir zuweilen unsere cineastische Fantasie einfach gewähren lassen sollten, ohne sie als Wechsel auf die Zukunft anzusehen.

Pause bis zum 7. Januar 2019

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