2018
20. Dezember 2018
Zur Arbeit, die man liebt, steht man früh auf und geht mit Freuden daran.
William Shakespeare
Wenn ich auf das fast abgelaufene Jahr zurückblicke, kann ich Shakespeare nur recht geben. Ich bin mit Freude zur Arbeit gegangen, oft früh und meistens gern. Die Begegnungen mit meinen Kursteilnehmern waren inspirierend, die Themen vielfältig. Wir haben gemeinsam neue Stücke gesehen und gehört, verschiedene Projekte durchgeführt, Opernaufführungen besucht, Ballette und Tanztheater neu entdeckt und vieles mehr. Es war mir eine Freude, und dafür danke ich allen, die mitgemacht haben!
Die Welt ist in Bewegung, und über manches sind wir in Sorge. Verändern wir unsere eigene Welt zum Besseren, nach unseren Möglichkeiten – machen wir uns und anderen Mut, suchen wir Ansporn und Trost in der Kunst, in schönen Dingen. Werden wir still und kommen während der Feiertage und in den Tagen danach zur Ruhe. Schauen wir in uns hinein, und finden wir Kraft und Zuversicht für das kommende Jahr! Frohe Festtage!
Ihr und Euer
Thomas Sander
18. Dezember 2018
Wetzlarer Neue Zeitung, 18.12.2018
“Jauchzet, all ihr Frommen”
Wetzlarer Musikschule gibt ein festliches Weihnachtskonzert
WETZLAR. Die Wetzlarer Musikschule hatte ihr traditionelles Weihnachtskonzert in diesem Jahr unter das Motto “Nun jauchzet, all ihr Frommen” gestellt. Lehrer und Schüler boten ein abwechslungsreiches Programm an Instrumental- und Chormusik. Die runf 140 Besucher zeigten sich begeistert. Schulleiter Thomas Sander hatte selbst die Leitung des Konzertes übernommen. Kompositionen aus vier Jahrhunderten vom Barock bis zur Romantik verliehen dem Abend eine festliche Note.
Eingangs stellte Thomas Sander den rund 40 Mitglieder starken Projektchor vor. “Seit Herbst haben wir uns regelmäßig getroffen, um uns auf den heutigen Abend vorzubereiten”, betonte der Chef der Musikschule und ermunterte sangesfreudige Frauen und Männer, sich diesem Ensemble anzuschließen.
“Nun jauchzet, all ihr Frommen” ist eine Komposition von Bartholomäus Gesius (1555 – 1613) für Chor, Solisten und Streichquintett. Die Akteure brachten das adventliche Werk, das auf die Ankunft des Herrn und Erlöser verweist, mit viel Engagement und Harmonie zu Gehör. Der Leipziger Thomaskantor Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) war mit seiner Toccata e-Moll vertreten. Mit flinken Tastenläufen und Gespür fürs Detail stellte die jugendliche Lea Knöß die Komposition des Kirchenmusikers vor. Eine feine Leistung, für die es viel Beifall gab. Dies gilt auch für das folgende Werk “Cantique de Jean Racine” des französischen Komponisten Gabriel Fauré (1845 – 1924), das der Projektchor – begleitet von Irena Uhl – vorstellte.
Dann wirkten auch die Besucher am Konzert mit. Bei dem bekannten Weihnachtslied “Engel künden helle Freude”, vom Projektchor und den Streichern vorgestellt, sangen die Besucher das am Ende stehende “Gloria” mit. Mit zwei Werken von Sergej Rachmaninow (1873 – 1943), den Préludes in gis-Moll und g-Moll, eroberte die junge Klaviersolistin Kristina Mamberger die Herzen der Besucher. Flotte Läufe wechselten mit punktuellen Anschlägen und ausdrucksstarken Kadenzen. Die junge Pianistin spielte die zwei Werke ohne Noten. Entsprechend war der Beifall der Besucher.
“Salve puerule” (Sei gegrüßt, liebes Kind) – mit der Weihnachtsmotette des italienischen Komponisten Domenico Scarlatti (1685 – 1757) vereinten sich Projektchor und Streichquintett mit den Solisten Friederike Dörr (Sopran) und Lucia Schmid (Querflöte) zu einem Ensemble, das klangschön den großen Saal der Musikschule erfüllte. Zum Abschluss wiederholten die Akteure den Eingangschor “Nun jauchzet, all ihr Frommen”. Ein in jeder Beziehung festliches Weihnachtskonzert, für das sich die Besucher mit viel Beifall bedankten.
15. Dezember 2018
Wer nach außen schaut, träumt. Wer nach innen schaut, erwacht.
Carl Gustav Jung (1875 – 1961)
9. Dezember 2018
Wegen ungünstiger Witterung fand die deutsche Revolution in der Musik statt.
Kurt Tucholsky (1890 – 1935)
Dass auch in Deutschland Menschen in gelben Westen zu Abertausenden auf die Straße gehen, um für niedrigere Steuern und höhere Renten und Löhne zu demonstrieren, dabei Barrikaden errichten, Autos anzünden, öffentliche Einrichtungen beschädigen, den Verkehr lahmlegen und Brandsätze auf Polizisten werfen, können wir uns nicht vorstellen. Noch nicht.
8. Dezember 2018
Zur Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Vorsitzenden findet sich im Diskussionsforum auf ZEIT online folgender Kommentar: “Eine Parteivorsitzende mit dem Charme der Direktorin einer Gesamtschule und ohne jegliche intellektuelle Tiefe, was ihre Bewerbungsrede in aller Deutlichkeit gezeigt hat. Wirtschaftliche und juristische Kompetenz ist bei der Dame aus dem Saarland einfach nicht zu erkennen, nicht einmal menschliche Wärme ist auszumachen. Man sah die pure, geglättete Kälte einer Karrierepolitikerin.” Darauf eine der Antworten: “Das ist jetzt nicht nett Gesamtschuldirektorinnen gegenüber.”
5. Dezember 2018

Mit einer spektakulären Produktion wartet das Theater Dortmund auf: Die göttliche Komödie I: INFERNO, Ballett von Xin Peng Wang nach Dante Alighieri, mit Musik von Michael Gordon und Kate Moore.
Worum geht es? Der Karfreitag des Jahres 1300 ist in die Annalen der Menschheit als jener Tag eingegangen, an dem ein einsamer Mann, über sein verworrenes Leben und die verwirrenden Umstände seiner Zeit grübelnd, eine Reise antritt: In die infernalen Abgründe der Hölle, unter Mühen zum Berg der Läuterung und schließlich in die Gefilde des Himmels.
Die Kulturredaktion der Ruhr Nachrichten hat noch ihre Sinne beisammen und rät nur begeistert dazu, das Stück unbedingt anzuschauen, da man “so einen intensiven Tanzabend nicht oft zu sehen” bekommt. WDR 5 Scala geht einen Schritt weiter und deliriert ungehemmt: “Wenn das die Hölle ist, dann sollte man sich die eine oder andere Sünde erlauben, um das Spektakel einmal hautnah mitzuerleben.”
Termine:
Do, 24. Januar 2019, 19.30 Uhr
Fr, 08. Februar 2019, 19.30 Uhr
So, 17. Februar 2019, 15.00 Uhr
Spieldauer jeweils ca. 75 Minuten
3. Dezember 2018
Dieter Mulch, Portrait Thomas S.
(Farbstifttzeichnung 42 x 30 cm)
Verehrter, lieber Dieter Mulch – danke für diese wunderbare Arbeit! Danke für die Verbundenheit, die Sie mir zuteil werden lassen, und danke für jede Stunde, die ich in Ihrer Gesellschaft verbringen durfte! Ich hoffe auf weitere Begegnungen.
Herzlichst, Ihr Thomas Sander
2. Dezember 2018

Zwischenzeitlich sollte man sich belohnen. Für etwas, das man geschafft, ertragen oder überstanden hat. Nach gemeisterten Aufgaben, nach Anstrengungen, nach Erfolgen. Jeder entscheidet selbst, wie eine solche Belohnung aussehen soll. Der eine wählt ein schönes Essen, der andere eine Ganzkörpermassage, der nächste die Tagesschau mit Linda Zervakis. Nach dem gestrigen vorweihnachtlichen Konzert der Wetzlarer Schulen, welches ich zum vierten Mal moderieren durfte, fiel meine Wahl auf einen Dalmore Cigar Malt.
Aroma: Zimt, Vanille und rote Früchte
Geschmack: Tropische Früchte, Bananen-Toffee, Karamell
Abgang: Orangenschale, Bergamotte-Öl, Mokka und gemahlene Gewürze
29. November 2018
Magnus Carlsen bleibt Schachweltmeister. Er setzte sich im Tiebreak beim Schnellschach gegen seinen Herausforderer Fabiano Caruana durch. Die zwölf Partien zuvor waren remis ausgegangen.
Mit aufregendem, genialem Schach haben beide nicht aufgewartet. Carlsen wirkte häufig zwar gesammelt und gut vorbereitet, doch uninspiriert. Caruana fehlten Mut und Entschlusskraft, im Tiebreak spielte er schlicht zu langsam. Insgesamt war die WM spielerisch eine Enttäuschung. Also spielen wir alte Partien nach und bewundern die Manöver von Aljechin, Capablanca und Petrosjan, die Geniestreiche von Fischer, Kasparow und Anand. Wer will das Spieglein an der Wand schon wirklich befragen? Und vor allem, wer kommt mit dessen Antworten zurecht?
28. November 2018
26. November 2018
Die hier schon erwähnten Lobreden auf “Mala Vita – Giordano trifft auf Gesualdo” im Stadttheater Gießen hatten, wovon ich mich nun zweimal überzeugen konnte, ihre volle Berechtigung. Die gestrige Derniere war ein finales Ausrufezeichen, sowohl musikalisch als auch szenisch. Die Idee, Giordanos Kurzoper mit Madrigalen und Responsorien von Gesualdo zu durchsetzen, sozusagen mit situationsbezogenen, seelisch-seismografischen Kommentaren zu versehen, ging vollends auf. Überzeugende Solisten bei Giordano, exzellente Vokalisten bei Gesualdo, ein anprechendes Bühnenbild, eine verständige, ideenreiche Regie und nicht zuletzt ein launiges Zusammenspiel von Chor und Orchester sorgten für intensive, genussvolle Abende, die immer noch nachklingen.
23. November 2018
Es gibt und gab kein einziges Kunstwerk, an dem der Verstand nicht zu mäkeln fände, und Geschmack und Gefühl sind unbeständig, ob aus Verstand oder Unverstand. Über den Lebenswert der Kunst entscheidet stets nur das Leben selbst. Mit dem Genuss aber hat das wenig zu tun; den rohesten Kerl kann das scheußlichste Machwerk unvergleichlich stärker und inniger freuen, als die reinste Schönheit den feinsten Kenner. Wer Anderes lehrt, ist ein Faselhans, ob nun ein Schwarmgeist oder ein Nüchterling.
Richard Dehmel (1863 – 1920), Betrachtungen
22. November 2018
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles engagiert sich im Bundestag für den Parlamentskreis Pferd, um das Tier als Kulturgut und Wirtschaftsfaktor zu fördern. Von “ich glaub’, mich tritt ein Pferd” über “soll mal vom hohen Ross runterkommen” bis hin zu “ist wohl der Gaul mit ihr durchgegangen” kann einem dazu vieles einfallen, wenn nicht “Pippi Langstrumpf in die Fresse bätschi sag ich da nur”. Was lernen wir? Schlimmer geht immer.
20. November 2018
Liebe Freundinnen und Freunde der Improvisation,
mit den 4. Wetzlarer Improvisationstagen zeigen das Kulturamt der Stadt Wetzlar und die Wetzlarer Musikschule die Kunst der Improvisation wieder in verschiedensten Formen und Facetten. Im Mittelpunkt steht immer die Musik, die diesmal zunächst kabarettistisch, sodann tänzerisch-verspielt, anschließend collagenhaft-experimentell und schließlich in barockem Originalklang ihren Ausdruck findet.
Die Programme „Diva-Abend“ mit der Aachener Kabarettistin Ursula Wawroschek, „Ahewáuwen“ mit der in Wetzlar bereits bekannten Berliner Formation Bassa, „Jazz ohne Grenzen – Ton-und Wortspiele mit Jazz Report“ des gleichnamigen Wiesbadener Ensembles sowie die Bachschen „Goldberg-Variationen“ mit der Cembalistin Anne-Catherine Bucher aus Metz garantieren Darbietungen auf hohem künstlerischen Niveau.
Nach einem bekannten Bonmot ist „Kunst wie Kakteenzucht: Viele Stacheln, wenig Wasser – aber herrliche Blüten!“ Wenn wir die Wetzlarer Improvisationstage als eine Pflanze ansehen, der ein bisschen mehr Wasser und eine etwas aufwändigere Pflege nicht schadet, dürfen wir Sie um eine Spende zur finanziellen Unterstützung der Konzertreihe bitten. Dafür können Sie alle Veranstaltungen bei freiem Eintritt genießen. Herzlichen Dank!
Mit besten Grüßen
Thomas Sander
Künstlerischer Leiter
Donnerstag, 24. Januar 2019, 19.30 Uhr
Diva-Abend
Klavier-Kabarett von und mit Ursula Wawroschek (Aachen)
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule
Freitag, 25. Januar 2019, 19.30 Uhr
Ahewáuwen – Ein Tangomärchen
Bassa (Berlin)
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule
Samstag, 26. Januar 2019, 17.00 Uhr
Jazz ohne Grenzen
Wort- und Tonspiele mit Jazz Report (Wiesbaden)
Stadtbibliothek Wetzlar, Bahnhofstr. 6
Sonntag, 27. Januar 2019, 11.00 Uhr
Bach, Goldberg-Variationen
Anne-Catherine Bucher, Cembalo (Metz)
Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule
Änderungen vorbehalten!
18. November 2018
16. November 2018
Rolf Hoppe ist tot. Es sind unzählige Rollen, in die dieser begnadete Schauspieler geschlüpft ist, und einige davon werden uns ewig in Erinnerung bleiben. Von Drei Haselnüsse für Aschenbrödel über Mephisto bis hin zu mehreren Auftritten in ARD-Tatorten hat Rolf Hoppe eindrückliche Beispiele höchster Schauspielkunst geliefert. Seine Gestaltung des Friedrich Wieck in Frühlingssinfonie geriet ihm derart intensiv, dass eine Vorstellung vom Leben der Schumanns ohne sein Gesicht für unsereins beinahe unmöglich geworden ist. Mit Mitte sechzig kaufte er einen Bauernhof und gründete zusammen mit Freunden das Hoftheater Dresden, in welchem er bis zuletzt regelmäßig auftrat. Mit 87 Jahren ging das irdische Leben von Rolf Hoppe nun zu Ende. „Er steht da, sagt kein Wort – und beherrscht dennoch die Szene“, hat Klaus Maria Brandauer einmal über ihn gesagt. Rolf Hoppe wurde zu Lebzeiten für sein Wirken mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt. Sein Tod ist für die deutsche und internationale Theater- und Filmszene ein immenser Verlust. Wir verneigen uns.
14. November 2018
Was macht einen guten Chor aus?
• Ein guter Chor lernt ständig dazu, wobei sich jeder einzelne Sänger ständig weiter entwickelt durch eine effektive Probenarbeit, in der nicht nur Noten studiert werden, sondern Musik vermittelt wird. Musikalische Notwendigkeiten wie Intonation und Dynamik gehören ebenso dazu wie Arbeit am Chorklang und die Möglichkeit, durch gute Stimmbildung auch die Voraussetzung für die stimmliche Ausdruckskraft zu schaffen.
• Ein besonders wichtiges Auswahlkriterium ist ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Repertoire, das sich von dem anderer Chöre abhebt und dem Sänger erlaubt, sich damit zu identifizieren. Der Chor als Ganzes ist mindestens genauso wichtig wie die eigene Person.
• Zum Chorsingen gehört gemeinsames Streben, gegenseitiges aufeinander Hören, das sich Einfügen in den Chorklang, engagiertes Beschäftigen mit der Sache und das Bemühen, etwas Besonderes zu schaffen. Voraussetzung dafür sind die regelmäßige Probenteilnahme und die Konzentration in der Probe, damit hörbare Fortschritte entstehen, die zu weiteren Leistungen motivieren; das klangliche Erlebnis und Ergebnis sollte die Sänger emotional über die Woche begleiten und tragen und dazu befähigen, im Konzert über ihre Grenzen hinauswachsen zu können.
• Der Chor als soziales Medium beinhaltet die gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung; Geben und Nehmen sollten sich in der Waage befinden; fehlt jemand, so spürt man die Lücke. Kommt jemand neu in den Chor, misst sich auch an seiner Aufnahme die Stärke der Gemeinschaft. Gemeinsames Feiern, eine gute altersmäßige Durchmischung des Chores, kameradschaftlicher Umgang miteinander und – ganz wichtig – Freude und Humor bilden weitere Grundlagen für das Wachsen einer eingeschweißten Gemeinschaft.
• Nicht zuletzt bestehen auch Erwartungen an musikalische Kompetenz, künstlerische Professionalität und an die Ausstrahlung des Chorleiters. Die gemeinsame Arbeit soll von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein; der Chorleiter muss motivieren, anschaulich vermitteln und Qualität fordern und auch auf die Wünsche der Chorsänger eingehen. Die Leidenschaft des Chorleiters für die Arbeit, die Musik und die Menschen, mit denen er singt, ist entscheidend.
Quelle: www.paul-gerhardt.com
13. November 2018
12. November 2018
Lasse dich leben, wie du bist, ohne Kunststücke mit dir zu probieren, ohne dich zwingen zu wollen, Dinge zu lieben, die du nicht liebst.
Karoline von Günderrode (1780 – 1806)
10. November 2018

Ich komme gerade zurück von einem Einkauf in Wetzlar, wo ein stadtbekannter Straßenmusikant auf der alten Lahnbrücke Jingle bells spielt, wie immer mit vielen falschen Tönen, doch heiter und ungeniert. Was soll das schlechte Leben nützen? “Ein fröhlich Herz macht das Leben lustig”, heißt es in einem Kanon. Und weiter: “Aber ein betrübter Mut vertrocknet das Gebein.” Schon in wenigen Tagen wird die Stadt Wetzlar mit ihrer Weihnachtsdekoration nachziehen, da kann man nichts machen. Doch seien wir ehrlich: Gäbe es in diesem Jahr kein Weihnachtsdorf mit Glühwein, Lebkuchen und Tiroler Speck, würden wir es vermissen. “Ach du fröhliche” – das sagt sich schnell und leicht, weil ja Weihnachten angeblich immer so plötzlich kommt. Vielleicht liegt der Umstand, dass wir mal wieder nicht darauf vorbereitet sind, gar nicht an Weihnachten, sondern an uns.
6. November 2018
Schade, dass Volker Bouffier sich nicht um den CDU-Parteivorsitz bewirbt. Nicht wenige erwarten, dass mit dem Parteichef auch der nächste Kanzler gewählt wird. Und Bundeskanzler Bouffier, kurz Bubou – das klingt doch toll! Wir sehen schon die Schlagzeilen: Bubou in Berlin, Bubou in Brüssel, Bubou macht das Licht aus, Bubou im Bett, Bubou macht Bubu. Und erst die Kinderbücher! Bubou baut ein Baumhaus, Bubou backt Brot, Bubou fährt Bus (Diesel). Herrlich! Vielleicht überredet ihn ja noch jemand …
4. November 2018
Wie uns doch unsere Voreingenommenheit immer wieder in die Realität zurückholt! Ich erinnere mich zum Beispiel gut daran, dass ich vor ein paar Jahren bei einer Blindverköstigung meinen Lieblingswhisky nicht erkannt habe. Stattdessen gab ich anderen Marken den Vorzug, was ich bei vorheriger Kenntnis der Labels wohl kaum getan hätte. Auch auf anderen Gebieten ist mir das schon passiert, hier das jüngste Beispiel: Vor ein paar Tagen lief im Fernsehen ein amerikanischer Spielfilm von 1972, in welchem Pamela Austin mitwirkte. Ich fand die deutsche Synchronstimme sehr angenehm, geradezu sexy, so dass ich beschloss, die Sprecherin zu ermitteln. Nun gut, es war Cornelia Froboess. Ich tröstete mich damit, dass die besagten Synchronarbeiten zu einer Zeit stattfanden, als die Gute sich ihre affektiert-schnodderige Art, die ich so gar nicht mag, noch nicht zugelegt hatte. Hätte ich den Namen der Sprecherin vorher gekannt, würde ich die Filmstimme von Anfang an nicht gemocht haben, davon bin ich überzeugt. Objektiv geht also anders. Nach einer Weile musste ich schmunzeln. Stehen wir doch einfach zu unseren Vorlieben und Abneigungen – und seien wir offen für Überraschungen!
1. November 2018
Du weißt, wie ein Hochzeitsmahl aussieht, sobald die Hochzeitsgäste und die Liebenden aufgebrochen sind. Der Tagesanbruch enthüllt die Unordnung, die sie zurückgelassen haben. Zerschlagene Krüge, umgestürzte Tische, die erloschene Kohlenglut, all das bewahrt den Abdruck eines wilden Treibens, das nun erstarrt ist. Doch wenn du diese Spuren abliest, wirst du nichts über die Liebe erfahren. Wenn der Analphabet das Buch des Propheten wiegt und wendet, wenn er bei der Zeichnung der Buchstaben und dem Gold der ausgemalten Bilder verweilt, verfehlt er das Wesentliche; denn dieses besteht nicht im nichtigen Gegenstand, sondern in der göttlichen Weisheit. So ist das Wesentliche einer Kerze nicht das Wachs, das seine Spuren hinterlässt, sondern das Licht.
Antoine de Saint-Exupéry, aus “Citadelle”
30. Oktober 2018
Ein Infekt zwingt zu einer kleinen Auszeit mit Ingwertee, Halstabletten, Ruhe und so weiter. Ich habe ein paar Tage Zeit für Die jungen Ärzte, für Columbo und fürs Herzkino. “Es ist nicht wichtig, was gewesen ist. Wichtig ist, was wir für möglich halten”, lerne ich bei Inga Lindström. Auch sonst wird mit Lebensweisheiten nicht gegeizt. Doch nach einer Weile muss ich abschalten, im doppelten Sinne. Wie sagte einst Peter Falk: “Fernsehserien sind wie Hamburger – die meisten mögen sie nicht und schlingen sie trotzdem hinunter.”
29. Oktober 2018
Wie lange noch müssen wir in der Politik die selbstverliebten Spielernaturen, scharadierenden Phraseure und am eigenen rhetorischen Blendwerk sich ergötzenden Schwaller ertragen? Weihnachtswunsch schon jetzt: Dem Lindner die Rote Karte!
25. Oktober 2018
Weil ich mich zwischen zwei Brillen nicht entscheiden konnte, schlug der Optiker vor, ich solle einfach beide Modelle mitnehmen und übers Wochenende mit ihnen “ins Konklave gehen”. Sapperlot! Als Optiker hätte er auch “Konkave” sagen können … beneidenswert! Wer hat schon eine solche Wahl?
24. Oktober 2018

Schwarz-Grün? Jamaika, GroKo, RRG? Minderheitsregierung? Ampel ohne gelb und ohne grün? … Am Sonntag sind wir schlauer … vielleicht …
23. Oktober 2018
Aussagen zur Förderung der öffentlichen Musikschulen in den Parteiprogrammen zur Landtagswahl in Hessen 2018
CDU
“Musische Erziehung hat für uns eine hohe Bedeutung. Deshalb sehen wir eine Erhöhung der Unterstützung für die staatlich geförderten Musikschulen in Hessen vor. Daneben wollen wir den Landeswettbewerb “Jugend musiziert” sowie das Landesjugendsinfonieorchester, das Landesjugendjazzorchester und den Laienmusikrat sowie die Landesmusikakademie weiter unterstützen und stärken.”
Grüne
“Die Ausstattung der Musikschulen wollen wir deutlich verbessern. Hierbei sollen alle Ebenen – Bund, Land und Kommune – gemeinsam für eine bessere und gerechtere Finanzierung sorgen. Wir wollen einen Innovationsfonds auflegen, damit nicht nur die Landesmuseen, sondern auch die privaten und kommunalen Museen und Kunstvereine finanziell gut ausgestattet sind.”
SPD
“Die SPD will, dass die öffentlichen Musikschulen insbesondere auch bildungsferne Familien gezielt ansprechen. Hierfür sind die Grundlagen der Kooperation “Schule – Musikschule” deutlich zu verbessern. Dazu müssen die Musikschulen verbindlich gefördert und in ihrer Qualität gesichert werden. Zurzeit liegt der Anteil des Landes an deren Finanzierung unter 5 %. Wir streben eine Drittelfinanzierung zwischen Land, Kommunen und Unterrichtsentgelten an, wie vom Deutschen Städtetag und vom Deutschen Landkreistag gefordert. Diese bessere Finanzierung ist auch erforderlich, um auf tarifliche, sozialversicherungspflichtige und gesicherte Beschäftigungsverhältnisse für Musikschullehrerinnen und -lehrer hinzuwirken, die bislang aufgrund der Unterfinanzierung häufig nicht nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt und in die erzwungene Selbstständigkeit gedrängt werden.”
Die Linke
“Die freie Entfaltung von Kunst, Kultur und Wissenschaft und der Zugang aller Bevölkerungsschichten zu Kultureinrichtungen sind Voraussetzungen für eine demokratische Gesellschaft. Zum Zugang zu Kunst und Kultur gehören aber auch Fähigkeiten und Kenntnisse, um sich diese eigenständig und schöpferisch aneignen zu können. Deshalb will DIE LINKE die kulturelle Bildung ganz besonders für Kinder und Jugendliche ausbauen. Das Landesprogramm “Jedem Kind ein Instrument” (JeKi) soll erweitert werden, bis tatsächlich jedem Kind das Angebot gemacht werden kann. Der Eintritt in die Landesmuseen muss für Schülerinnen und Schüler sowie für Studierende kostenlos sein. Kinder- und Jugendtheater sind so zu fördern, dass jedes Schulkind in Hessen einmal im Jahr eine Vorstellung besuchen kann.
DIE LINKE will:
– eine Gemeindefinanzreform, die die Kommunen in die Lage versetzt, ihrer gesetzlichen Pflicht zur
Kulturförderung nachzukommen
[…]
– Musikschulen, Museen sowie weitere Kultureinrichtungen und -angebote so fördern, dass sie gebührenfrei
oder für alle bezahlbar bleiben
– Mindeststandards und Mindesthonorare für freiberuflich und künstlerisch Tätige festlegen”
FDP
“Kulturelle Einrichtungen, wie z. B. Kunst- oder Musikschulen, sowie Sportvereine, die sich um eine Integration von Kindern aus bildungsfernen und wirtschaftlich schwachen Familien besonders einsetzen, sollen hierfür einen Zuschuss aus Landesmitteln erhalten.”
22. Oktober 2018
Die Schule hat […] die Aufgabe, gegen ein rationales, ökonomistisches Wissen und Denken einen spielerischen, alternativen Freiraum zu setzen, eine Schutzzone der Gefühle, des Intimen und “Unnützen”. Musik sollte in jedes Schulfach hineinspielen, möglichst ohne Leistungsdruck und Schulnoten. In diesem übergreifenden, vernetzenden Sinn muss Musik “Kernfach” an allen Schulen sein. Auf keinen Fall darf Schule die Musik aussperren. Das wäre ja in etwa so, als müssten Kurzsichtige beim Betreten der Schule ihre Brille abgeben. Schule ohne Musik schafft Handicaps.
Hans-Jürgen Schaal
20. Oktober 2018

Wüssten wir nicht, dass das diesjährige Oktoberfest schon vor zwei Wochen sein Ende gefunden hat, könnten wir die gestrige Pressekonferenz des FC Bayern München mit exzessivem Alkoholkonsum der handelnden Personen erklären. Leider ist es nicht ganz so einfach. Wir müssen realistischerweise unterstellen, dass Präsident, Manager und Sportdirektor durchaus ihre Sinne beisammen hatten, als sie sich in einer denkwürdigen Vorstellung gegen die aus ihrer Sicht unbotmäßige, ja “respektlose”, “hämische” und “herabwürdigende” Berichterstattung der Medien zur Wehr setzten und sich nicht entblödeten, dazu gleichermaßen erzürnt wie pathetisch Artikel 1 des Grundgesetzes zu bemühen: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Die Veranstaltung hatte aufgrund ihrer Mischung aus einstudierter Empörungsrhetorik und Entlehnungen aus dem Komödienstadel durchaus Unterhaltungswert. Der schönste Satz indes gelang Oliver Fritsch in seinem Kommentar auf ZEIT online, bezogen auf die Einlassungen des Bayern-Präsidenten: “Jetzt übertreibt er aber, der Hape Kerkeling.”
18. Oktober 2018
16. Oktober 2018
Jennifer White ist eine der vielseitigsten, ausdrucksstärksten und obendrein attraktivsten Künstlerinnen der aktuellen Tanzszene. Während ihrer bisherigen Karriere hat sie u. a. mit Adele, Kylie Minogue und Katy Perry gearbeitet, war mit mehreren Tanz-Companys auf weltweiten Tourneen, u. a. mit Sidi Larbi Cherkaoui, leitete Proben und Direktionsarbeiten bei Commercials für Chanel und Hermès, hat in gefeierten Produktionen von Musiktheatern und Opernhäusern mitgewirkt und war eingebunden in die Filmadaption von Anna Karenina mit Keira Knightley und Jude Law.
Erst jetzt verstehe ich, warum meine Augen während der Tanzszenen von Rameaus Les Indes Galantes (Bayerische Staatsoper 2016) immerzu nach einer einzigen Tänzerin Ausschau hielten. Da hatte die schöne Jenny mir schon längst den Kopf verdreht.
14. Oktober 2018
Erfreuen wir uns an bescheidenen Gütern!
Ach, kann man überhaupt glücklich sein,
wenn man mehr als das begehrt?
Jean-Philippe Rameau, Les Indes Galantes (1735), Vierter Akt
13. Oktober 2018
Es war mein vierter Aufenthalt in Berlin in diesem Jahr, immerhin für fünf Tage. Kein Freund von Tages-
programmen zum Abarbeiten, hatte ich auch diesmal nur wenig geplant und habe umso mehr Neues entdeckt. Gleich am ersten Tag durfte ich in der Staatsoper einen vor allem in musikalischer Hinsicht starken Freischütz erleben. Für den erkrankten Dirigenten Marc Minkowski war der erst 24-jährige Thomas Guggeis eingesprungen. Guggeis ist Assistent von Daniel Barenboim und wird ab der nächsten Saison in Stuttgart arbeiten. Der junge Mann machte seine Sache ausgezeichnet und führte die Staatskapelle zu einem dichten, dunkel gebeizten Klang, der gleichwohl dem Gesangsensemble jeden Gestaltungsraum ließ. Die großartige Anna Prohaska in der Rolle des Ännchen wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, und es nicht unangemessen, sie aus der Riege der Solisten herauszuheben. Es sind eben nicht nur ihre stimmlichen Anlagen und Kapazitäten, die sie zu einer so herausragenden Sängerin machen, sondern in mindestens gleichem Maße ihre musikalischen und gestalterischen Fähigkeiten. Phrasierung, Artikulation, Dynamik – alles ist stilistisch von bezwingender Kunstfertigkeit und Noblesse. Ein beeindruckendes Erlebnis!
Das war es diesmal mit der Kunst. Kein Museum, kein Konzert. Stattdessen Frühstück bei Anna Blume (wer wissen will, wie Rührei wirklich schmeckt, muss hier unbedingt hin), ein Cappuccino in meiner geliebten Meierei, japanisches Essen im Cocoro am Mehringdamm. Ein Besuch in der Arminius-Markthalle in Moabit, eine Pause im Café Strauss in der Bergmannstraße, ein Bummel über den kleinen Markt am Chamissoplatz und – natürlich – ein Pale Ale im Doldenmädel.
Da ich im Sommer versäumt hatte, mir ein T-Shirt von Tennis Borussia Berlin zu kaufen, habe ich es jetzt nachgeholt und am Sonntagmittag das Heimspiel gegen Hansa Rostock II live im Mommsen-Stadion erlebt. TB spielte stark und gewann hochverdient mit 3:1. Ich hatte einen Tribünensitzplatz, stand aber lieber zusammen mit langjährigen, treuen Anhängern des ehemals so erfolgreichen Clubs (immerhin war mal Sepp Herberger hier tätig, was aber schon ein paar Tage zurück liegt). Jetzt spielt man in der Oberliga und ist dort aktuell Dritter. Ambitionen in Richtung Regionalliga gibt es mehr in der Clubführung und weniger bei einem Teil der Fans, die auch mit der sogenannten S-Bahn-Liga zufrieden wären. Vor dem Heimweg habe ich noch einen Sportbeutel, eine Tasse und einen Aufkleber gekauft. Für schöne Erinnerungen muss man zuweilen selber sorgen.
Pause bis zum 12. Oktober 2018
25. September 2018
Es ist einer der seltenen Momente in meinem Kursleben. Ein Moment, in dem sozusagen die Zeit still steht und jeder im Raum spürt, dass gerade ein sehr besonderes Stück gespielt wird und niemand sich dessen Zauber entziehen kann. Gestern Abend besprechen wir Les Indes Galantes von Jean-Philippe Rameau, und wir sind im dritten, dem “persischen” Akt. Es läuft das unwiderstehliche “Tendre amour”, eine der schönsten Kompositionen Rameaus überhaupt. Das Ensemble der Bayerischen Staatsoper musiziert unter Leitung von Ivor Bolton so sensibel und zart, mit exquisitem Geschmack und untrüglichem Gespür für Dynamik, Phrasierung und Ornamentik, dass der Zuhörerkreis wie gebannt und geradezu ergriffen Takt für Takt durchlebt. Es sind diese fünf Minuten, die aus einem normalen Kursabend ein großes Geschenk machen, nicht nur für mich.
21. September 2018
Vor vielen Jahren habe ich ein Buch gelesen, ich weiß den Titel nicht mehr, darin meinte jemand, der Herbst sei die Aufforderung zu neuen Ideen. Das hat mir damals ziemlich imponiert, ich muss also sehr jung gewesen sein. Fest steht, dass er kommt, der Herbst, diesmal schnell und humorlos. Von 30 auf 13 °C binnen zwei Tagen. Es wird einstweilen Regen, Sturm und andere Arten von Verdruss geben, wie zum Beispiel die undankbare und ungestillte Sehnsucht nach Mahlzeiten im Freien. Wir fahren ans Meer, schon allein aus Trotz. Wir kaufen Regenjacken, Wollsocken und trinken Pharisäer. Danach sehen wir weiter.
20. September 2018
Vor ein paar Tagen hatte am Stadttheater Gießen Mala Vita Premiere, eine frühe veristische Oper von Umberto Giordano, der dieses kleine Juwel noch vor seinem Meisterwerk Andrea Chénier komponierte. Die Aufführung des Stücks war damals ein Skandal und unterlag der Zensur, umso mehr lohnt sich heute seine Wiederentdeckung. Die Gießener, bekannt für ihre intermittierende Indolenz hinsichtlich Inszenierung und Dramaturgie, fügen in die Handlung Madrigale und Responsorien von Carlo Gesualdo ein. Wie kritisch man einen solchen Eingriff auch beurteilen mag – die ersten Kritiken fielen positiv aus. Bis zum November zeigt das Haus noch fünf Vorstellungen dieser selten gespielten Oper, die einen Besuch allemal wert ist. Egal, mit welchen Mätzchen die Regie diesmal aufwartet.
16. September 2018

Du bist erst erwachsen, wenn du Oliven magst.
Derya Coban
15. September 2018
Von einem Apfelbaum kann man nicht erwarten, dass er Aprikosen trägt, heißt es sprichwörtlich. Warum nur ist es immer wieder das ZDF, das in seinen politischen Magazinen Beweise für den Wahrheitsgehalt dieser Volksweisheit liefert? Erwarte journalistische Unabhängigkeit, argumentative Redlichkeit und diskursive Seriosität, gehe nicht über Los … nein, schaue nicht das ZDF! Was sich sogenannte Experten, Beobachter und Analysten hier regelmäßig an selbstgefälliger Überheblichkeit, Anmaßung und parteipolitischer Einseitigkeit erlauben, spottet jeder Beschreibung. Die nimmermüden Diskreditierungen linksliberaler Positionen, mehr oder weniger offensichtlich, bewerkstelligt mittels semantischer Verkürzungen, bewusster Fehlinterpretationen, unvollständiger Zitate und vielem mehr, bedeuten für jeden politisch interessierten Zuschauer eine grobe Form intellektueller Selbstkasteiung. Was früher Gerhard Löwenthal besorgte, erledigt heute Bettina Schausten mit sardonischem Lächeln im sogenannten Zweiten, mit dem man angeblich besser sieht. Kaufen wir einfach unsere Aprikosen woanders.
13. September 2018

“Durchlässige Sackgasse” – ein schönes Bild, und vor allem so einfach übertragbar auf viele Bereiche des Lebens. Nach dem Motto “Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her” kann die durchlässige Sackgasse Mut machen, Zuversicht geben oder Trost spenden. Hilfe zu bekommen in auswegloser Lage – wer von uns wüsste das nicht zu schätzen? Doch löst nicht die durchlässige Sackgasse auch Besorgnis aus in der Weise, dass die Gewieften, Trickreichen und Aalglatten immer einen Ausweg finden! Die Großen lässt man laufen … Ist die durchlässige Sackgasse also ein alltagstaugliches, praxiserprobtes Oxymoron, ein gut funktionierendes, real erlebbares Phantasma? Die Hofnarren lassen grüßen, geht es doch wenigstens in der Sackgasse, der durchlässigen wohlverstanden, immer weiter.
10. September 2018
Wer den Ton in Dur angibt, dem wird, früher oder später, in Dur geantwortet.
Johann Gottfried von Herder (1744 – 1803)
8. September 2018

Zurück von einer kurzen Reise nach Halle (Saale). Mir gefällt die Stadt sehr, und dass zurzeit im Zentrum viel gebaut wird, was für Anwohner, Touristen, Geschäfte, Verkehr etc. unterschiedlichste Beeinträchtigungen mit sich bringt, ändert daran nichts. Halle muss sich seit einer Ewigkeit gegen Leipzig behaupten, das deutlich größer ist und in mancherlei Hinsicht als bedeutender gilt. Angeblich ist das den Leipzigern anzumerken. Wie auch immer, bestätigt und selbst erlebt ist jedenfalls ihr Erstaunen darüber, dass auch Händel schöne Musik geschrieben hat, wenn sie sich während des Bachfestes einmal herablassen, etwas vom Konkurrenten aus Halle anzuhören.
Es war mein dritter Besuch in dieser sympathischen Stadt und wohl kaum der letzte, steht doch der nächste Termin sozusagen vor der Tür: Die Wiederaufnahme von Händels Berenice, einer hochgelobten Produktion aus der letzten Spielzeit. Am Samstag, 20. Oktober ist das Stück im Opernhaus wieder zu sehen. Und dann, in der neuen Saison, nochmal Händel: Julius Cäsar in Ägypten, genau so, in deutsch. Für die musikalische Leitung ist Michael Hofstetter verantwortlich, für die Inszenierung Kultregisseur Peter Konwitschny. Das verspricht Zündstoff, und so überrascht die Ankündigung des Opernhauses nicht, man habe es sich “zur Aufgabe gemacht, die charakterlich vielschichtigen Figuren auszuleuchten und dem Publikum diese schrägen Typen in all ihrer archaischen Sinnlichkeit und modernen Frechheit, in ihrem wahnwitzigen Egoismus und ihrer schier grenzenlosen Leidensfähigkeit nahezubringen.” Schmunzeln darf man über den Tippfehler auf der Homepage: “In deutscher Spprache”, als wäre es ein ironischer Kommentar des Webmasters, dem sich die Verwerfung des Italienischen zugunsten des vergleichsweise unsanglichen Deutschen nicht erschließt. In der Tat würde man die Gründe für die Entscheidung, das Stück in der Übersetzung aufzuführen, gern erfahren. Am 31. Mai 2019, dem Tag der Premiere, sind wir vermutlich schlauer.
5. September 2018
Die Staatsoper Unter den Linden hat in diesem und im nächsten Monat insgesamt fünf Vorstellungen von Webers Freischütz im Programm. Die Verlockung ist groß, wenigstens eine davon anzuschauen. Marc Minkowski, einer der renommiertesten Dirigenten für das Musiktheater, hat die musikalische Leitung – das allein wäre Grund genug für einen Opernbesuch. Minkowski, ursprünglich Barockspezialist, wird sicher ein sehr eigenes Klangideal verfolgen, worauf man durchaus neugierig sein darf. Darüber hinaus lassen die Berliner das Stück ohne Pause spielen, was die Aufführung dramatisch dichter, stringenter und letztlich packender machen dürfte. Und es singen u. a. Anna Prohaska, Peter Sonn und Falk Struckmann – alles weitere Gründe für eine kleine Opernreise. Und Berlin selbst ist ja schon Grund genug …
3. September 2018

Noch bis zum 13. September zeigt die Beside The Wave Gallery (Falmouth, Cornwall) unter dem Titel “Out of the Mist” Bilder von Alan Stratford. Die beeindruckenden Exponate zeigen ausschließlich cornische Küsten- und Meeresimpressionen. Wer halbwegs in der Nähe ist, geht einfach hin. Wer weiter weg ist, bucht Flieger oder Fähre.
2. September 2018
Erotik verhält sich zur Sexualität wie Gewinn zu Verlust.
Karl Kraus (1874 – 1936)
Mit dieser hübschen Sentenz wirbt Zweitausendeins jetzt für seine Aktion mit 25 % Sonderrabatt auf Erotik-DVDs im Onlineversand (solange der Vorrat reicht und nur bis einschließlich 03.09.2018). Unter den ausgewählten Titeln sind neben cineastischen Bagatellen auch sehr sehenswerte Filme, darunter “Belle de Jour”, “Dieses obskure Objekt der Begierde”, “Romance”, “Jung und schön” und einige andere. Unanständig sieht anders aus, meint Zweitausendeins und hat natürlich vollkommen recht.
30. August 2018
Wettermäßig wird es heute durchwachsen, heißt es in den Nachrichten von hr-info. Wettermäßig, aha. Launemäßig hat das keinen Enfluss, wir kommen trotzdem duschmäßig in Gang und frühstücken müslimäßig. Staumäßig kommen wir gut durch den Verkehr, arbeitsmäßig ist alles wie immer. Freizeitmäßig freuen wir uns auf den Feierabend und halten uns vielleicht, wenn es himmelmäßig klappen sollte, sogar biergartenmäßig im Freien auf. Irgendwann gehen wir müdemäßig zu Bett. Lingua quo vadis?
29. August 2018
Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski hat sich Gedanken über den Fortbestand der Bayreuther Festspiele gemacht, da nach seiner Beobachtung ein jüngeres Publikum so gut wie nicht angesprochen wird. “Grauköpfe prägen das Erscheinungsbild”, stellt er fest. “Bayreuth droht, Nischenmarkt für Minderheiten zu werden.” Eine Oper müsste live am Handy mitverfolgt werden können, meint Opaschowski, so seien die jungen Leute heute gepolt. Und über das “elitäre Gehabe”, wo die Tickets mehrere Hundert Euro kosten und ein kleines Wasser fünf, sei die Zeit hinweg gegangen. “Die Hoch- und Promikultur muss vom Sockel gestoßen werden”, fordert der Zukunftsexperte, “in Bayreuth fehlt die Brücke zur Breitenkultur. Man muss neu über diese Kulturveranstaltung nachdenken, ohne dass es zu einer McDonaldisierung der Kultur kommt.”
27. August 2018
“Warum ist die Kuh grün, und warum fliegt das Pferd in den Himmel”, fragten die Genossen. “Was hat das mit Marx und Lenin zu tun?”
An diese Fragen erinnert sich Marc Chagall (1887 – 1985) in seinen schriftlich festgehaltenen Eindrücken der ersten Lebensabschnitte bis 1922. Wenn wir für einen Moment die letzte Frage beiseite lassen, wenn wir also nicht darüber sinnieren wollen, was Politik von Kunst erwartet oder verlangt, bleibt für Kunst- und Kulturpädagogen immer noch ein beinahe nicht zu bestellendes Feld übrig. Es will aufwändig beackert werden, gegen Wahrnehmungs-, Gewohnheits- und Fantasieblockaden, damit vielleicht auf ihm eines Tages ein paar Früchte geerntet werden können. Es ist ein unsicherer Wechsel auf die Zukunft, und nicht selten hat er mehr mit Glauben zu tun als mit Verstehen oder Empfinden. Warum ist die Kuh grün, und warum fliegt das Pferd in den Himmel? Damit du darüber nachdenkst, mein Kind, und damit dir vielleicht noch weitere Fragen kommen.
“Gott, die Perspektive, die Farbe, die Bibel, Form und Linien, Traditionen und das, was man ‚das Menschliche‘ nennt – Liebe, Geborgenheit, Familie, Schule, Erziehung, […] all das ist aus den Fugen gegangen. Vielleicht war auch ich mitunter von Zweifeln besessen, und dann malte ich eine umgestülpte Welt, ich trennte die Köpfe meiner Figuren ab, zerlegte sie in Stücke und ließ sie irgendwo im Raum meiner Bilder schweben.“
24. August 2018
22. August 2018
“Die Wahrheit ist nicht die Wahrheit”, antwortete Rudy Giuliani, Anwalt von Donald Trump, in einem Fernseh-interview auf die Frage, warum sein Mandant nicht einfach die Wahrheit sagen könne. Hätte Giuliani gesagt, dass die Wahrheit mehr ist als die Summe der Fakten, würden wir es vielleicht verstehen, denn wir wissen ja auch, dass ein gutes Essen mehr ist als das Zusammenfügen von Zutaten, oder dass Musik mehr ist als die Summe der Töne. “Die Wirklichkeit sieht anders aus als die Realität”, befand einst Helmut Kohl. Und Pontius Pilatus, ebenfalls ein erfolgreicher Politiker, stellte seinerzeit die Frage: “Was ist Wahrheit?” Now, Mr. Giuliani, politics and philosophy are not for everyone.
19. August 2018
Dieser Hinweis im Schaufenster eines Geschäftes in der Wetzlarer Altstadt erinnert mich an den Film König der Fischer, in dem Robin Williams mehrfach sagt “Finde heraus, wer du bist, und versuche es zu sein”. Hier weiß jemand, dass er ist, und zwar bis 16.00 Uhr. Über die Zeit danach wird keine Auskunft gegeben – wie klug!
17. August 2018
Ab September/Oktober beginnen in der Wetzlarer Musikschule wieder neue Kurse in der Musikalischen Erwachsenenbildung. Anmeldungen per E-Mail, Fax oder direkt im Sekretariat der Musikschule (Schillerplatz 8, 35578 Wetzlar, Tel. 06441-42669).
montags, 19.30 – 21.00 Uhr
Ballettmusik
Beginn: 3. September 2018
Der Kurs gibt einen musikgeschichtlichen Überblick über die Entstehung von Ballettmusiken im heutigen Sinn. Besprochen werden Werke unterschiedlicher Epochen, von den französischen Barockopern über literarische Ballette bis hin zu abendfüllenden Musiken aus Romantik, Impressionismus und früher Neuzeit. Die Teilnehmenden lernen Werke berühmter Komponisten kennen wie Lully, Adam, Delibes, Tschaikowsky, de Falla, Prokofjew und Strawinsky. Mit zahlreichen Beispielen von DVD, CD und live am Klavier.
dienstags, 10.30 – 12.00 Uhr
Musica Sacra
Beginn: 4. September 2018
Eine musikalische Reise durch die Epochen Renaissance, Barock, Klassik, Romantik und Moderne mit geistlichen Werken unterschiedlicher Besetzungen. Die Teilnehmenden erfahren dabei Wissenswertes über Oratorien, Passionen, Requien, Kantaten, Motetten und andere musikalische Gattungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der eingehenden Betrachtung des Wort-Ton-Verhältnisses, unterschiedlicher Techniken und musikalischer Ausdrucksmittel der jeweiligen Epoche. Mit zahlreichen Beispielen von DVD, CD und live am Klavier.
mittwochs, 19.30 – 21.00 Uhr
Die Oper im 20. Jahrhundert
Beginn: 5. September 2018
Die Oper ist ein Kaleidoskop menschlicher Leidenschaften, komisch wie tragisch, meistens auf Liebe und Tod. Zum Inhalt des Kurses gehören Erläuterungen zu musikdramatischen Konzeptionen, zum Verhältnis von Text und Musik, Erklärungen und Hörhilfen zum Einsatz stilistischer und musikalischer Mittel sowie der Vergleich von Inszenierungen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen Opern von Korngold, Berg, Bartók, Poulenc, Hindemith, Schreker, Krenek und Henze. Der Besuch einer Opernvorstellung – das Werk wird zuvor besprochen – ist optionaler Bestandteil des Kurses.
donnerstags, 10.30 – 12.00 Uhr
Wiener Klassik
Beginn: 6. September 2018
Der Kurs beschäftigt sich mit den Hauptwerken von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven. Besprochen werden Opern, Sinfonien, Kammermusiken und diverse geistliche Kompositionen. Im Zentrum der Betrachtung stehen die verschiedenen Stilmerkmale der Epoche insgesamt, dazu die individuellen Unterschiede bei der Wahl der musikalischen Ausdrucksmittel aller drei Komponisten.
donnerstags, 18.00 – 19.30 Uhr
Wann darf ich klatschen? – Grundwissen Musik
Beginn: 18. Oktober 2018
Zum Inhalt gehören die gebräuchlichsten musiktheoretischen Grundbegriffe, die wichtigsten musikalischen Epochen und ihre berühmtesten Komponisten, Aufbau und Struktur einzelner Kompositionen, musikalische Stilmittel, Satztechniken und eine Übersicht über musikalische Formen und Gattungen. Darüber hinaus streift der Kurs Aspekte des aktuellen Musiklebens. Außer Neugier und Interesse sind keine weiteren Voraussetzungen nötig.
Teilnahmegebühr pro Kurs: € 35,00 monatlich
15. August 2018
Auf den heutigen Abendkurs freue ich mich besonders, denn mit Korngolds Oper Die tote Stadt steht eines der aufregendsten Stücke des 20. Jahrhunderts auf dem Programm. Ein packendes Psychogramm von Liebe, Leidenschaft und Trauer, ein Kaleidoskop menschlicher Sehnsüchte, Obsessionen und Schimären, mit glutvollen Orchesterklängen und betörenden Melodien. Ich hatte zu Anfang des Jahres das Glück, in der Dresdener Semperoper einer hochklassigen Aufführung dieses Meisterwerks beiwohnen zu dürfen. Die tote Stadt ist eine Oper, die nicht nur den Akteuren alles abverlangt – auf, unter, neben und hinter der Bühne. Auch denen vor der Bühne, will heißen: dem Publikum. Wer sich zurücklehnen und schöne Unterhaltung serviert bekommen möchte, sollte nicht Die tote Stadt wählen. Für leichte Genüsse gibt es andere Stücke.
12. August 2018
Unser Leben ist viel schwerer als das unserer Vorfahren, weil wir uns so viele Dinge anschaffen müssen, die uns das Leben erleichtern.
Gabriel Laub (1928 – 1998)
10. August 2018
Heute Morgen musste ich an Herbert Wehner (1906 – 1990) denken, der politische Widersacher aus dem rechtskonservativen Spektrum schon mal als “patentierte Christen” oder “Zwangsdemokraten” bezeichnete. In den Hörfunknachrichten lief ein Beitrag über Kindergeldzahlungen, die vermehrt ins Ausland gehen bzw. an Empfänger, deren Kinder im Ausland leben, vorrangig in Rumänien, Bulgarien, Tschechien und Polen. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung eines CDU-Politikers wiedergegeben, der eine Anpassung des Kindergeldes an die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Ländern gefordert hatte.
Herbert Wehner hätte vermutlich zunächst darauf erwidert, dass gegen Betrug in konkreten Fällen natürlich vorgegangen werden muss, z. B. wenn aufgrund von gefälschten Geburtsurkunden für Kinder gezahlt wird, die es gar nicht gibt. Doch dann hätte er wahrscheinlich seine oben zitierten Titulierungen bemüht und darauf hingewiesen, dass erstens die meisten ausländischen Arbeitnehmer/-innen in Deutschland sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigt sind und auch hier einzahlen, und dass zweitens die finanzielle Größenordnung der beschriebenen Leistungen gegenüber dem Gesamtaufkommen aller Kindergeldzahlungen verschwindend gering ist. Er hätte wohl weiter betont, dass der Verwaltungsaufwand enorm wäre, abgesehen davon, dass eine Regelung nach dem Prinzip “für Rumänen weniger, für Schweden mehr” gesetzgeberisch problematisch wäre. Und, last but not least, was ist mit den Rentnerinnen und Rentnern, die sich wegen ihrer geringen Bezüge ein Leben in Deutschland nicht mehr leisten können und nach Osteuropa oder Asien ausgewandert sind? Müssen diese Menschen – wo wir schon mal dabei sind – künftig Rentenkürzungen befürchten, da sie ja jetzt mit viel weniger Geld auskommen können? Auf welche Ideen kommt der Mensch? Ist es vielleicht doch die Hitze?
7. August 2018
Ethan Hunt ist immer noch in Topform, was er in Mission Impossible – Fallout, dem nunmehr sechsten Teil der Reihe, über 148 Minuten eindrucksvoll unter Beweis stellt. Das ist auch bitter nötig, denn wieder einmal ist die Welt in Gefahr, diesmal wegen gestohlenen Plutoniums, welches den Bösewichten unbedingt wieder abgenommen werden muss. Hitchcock prägte das Wort vom MacGuffin: Mehr oder weniger beliebige Objekte oder Personen dienen in einem Film dazu, die Handlung auszulösen oder voranzutreiben, sind dabei aber selbst von keinem besonderen Nutzen. Diesmal also Plutonium, uns soll’s recht sein. Gut gegen Böse, das reicht, und die Guten gewinnen. Inklusive sämtlicher Verfolgungsjagden, Schlägereien, Explosionen etc., die man irgendwie kennt, vielleicht nicht in dieser Länge und Perfektion.
Doch entscheidend für den Erfolg sind die Darsteller, die sozusagen zur Familie gehören, und die wir beinahe augenzwinkernd begrüßen möchten, sobald sie auf der Leinwand erscheinen. Zuallererst natürlich Tom Cruise, der auf die Sechzig zugeht und, wie es in einem Dialog heißt, immer noch “ganz der Alte” ist. Sodann der maskulin-attraktive Alec Baldwin als neuer IMF-Chef und selbstverständlich Cruises, nein Hunts langjährige Teamkollegen und Weggefährten, Benji Dunn (Simon Pegg) und Luther Stickell (Ving Rhames). Und natürlich der Hauptgrund für den ganzen Kinobesuch – die aphrodisische Rebecca Ferguson in der Rolle der Ilsa Faust! Leider kann man im Kino nicht auf Standbild schalten, da muss man schon warten, bis DVD oder Blu-ray auf den Markt kommen. Ein zusätzliches Schmankerl haben sich die Macher aber dann doch noch einfallen lassen: Michelle Monaghan (Julia, Hunts Ehefrau) ist wieder dabei und hat gegen die semi-erotische Beziehung ihres Mannes zu Ilsa nichts einzuwenden, schließlich ist sie selbst wieder liiert, jedenfalls sagt sie das. Und, zu Ethan: “Ich habe meinen Platz gefunden. Und du doch auch.” Herrlich, so alles zusammen. Für € 13,50 guckt man das glatt nochmal. In 3-D. Oder in Wetzlar.
5. August 2018
Kaffeehaus
Du hast Sorgen, sei es diese, sei es jene – – – ins Kaffeehaus!
Sie kann, aus irgendeinem, wenn auch noch so plausiblen Grunde, nicht zu dir kommen – – – ins Kaffeehaus!
Du hast zerrissene Stiefel – – – Kaffeehaus!
Du hast 400 Kronen Gehalt und gibst 500 aus – – – Kaffeehaus!
Du bist korrekt sparsam und gönnst Dir nichts – – – Kaffeehaus!
Du bist Beamter und wärst gern Arzt geworden – – – Kaffeehaus!
Du findest keine, die Dir passt – – – Kaffeehaus!
Du stehst innerlich vor dem Selbstmord – – – Kaffeehaus!
Du hasst und verachtest die Menschen und kannst sie dennoch nicht missen – – – Kaffeehaus!
Man kreditiert Dir nirgends mehr – – – Kaffeehaus!
Peter Altenberg, in “Vita Ipsa” (Berlin 1918)
3. August 2018
Wer zum Eintritt nicht Schlangestehen und anschließend über Leiber und Handtücher steigen mag, um dann vor dem Pool nochmals in der Warteschleife auszuharren, der sollte wenigstens mal zum Gucken hinfahren: Die in Alt-Treptow vor Anker liegende “schwimmende Badeanstalt”, Kultstätte in der Tradition alter Flussschwimmbäder, das Badeschiff. Mit Sandstrand, Beach-Bar etc. und vor allem einem fantastischen Panoramablick über die Spree, die Oberbaumbrücke und den Fernsehturm. Tagesticket 5,50 €, ermäßigt 3,00 €, Kinder ab 6 – 12 Jahre 2,00 €.
2. August 2018
Es bleibt heiß, und die Zahl der öffentlichen Bäder geht zurück. Immer mehr Kommunen können sich den Betrieb nicht mehr leisten. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 175 Schwimmbäder geschlossen, davon 62 Freibäder. So bilden sich vielerorts Vereine und Initiativen zur Erhaltung der Bäder, doch die Kosten für qualifiziertes Sicherheitspersonal, für die regelmäßige Wartung der Anlagen sowie für Energie bleiben dieselben. Für Hallenbäder gibt es öffentliche Fördertöpfe, für Freibäder nicht. Ein Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen wäre vonnöten, um die Gemeinden mit den Kosten nicht alleine zu lassen und somit Schließungen zu vermeiden. Denn Freibäder sind nicht allein Freizeitstätten, wo es unwiderstehlich nach Sonnencreme, Chlor und Pommes frites riecht, sondern sie sind soziale Treffpunkte, auch und gerade in Zeiten von immer weniger Jugendzentren. Darüber hinaus sind sie Orte für Sport und Kultur, nicht zuletzt für Schwimmunterricht, sportliche Betätigungen und Wettkämpfe. Der Betrieb von Freibädern müsste kommunale Pflichtaufgabe sein, mit entsprechender finanzieller Ausstattung! Apropos kommunale Pflichtaufgabe: Von Bibliotheken und Musikschulen sprechen wir heute mal nicht, obwohl die sogar ganzjährig geöffnet haben und nicht nur, wenn die Sonne scheint.
31. Juli 2018
Vor Beginn meiner dreiwöchigen Expedition in und durch Berlin hatte ich gedacht, ein paar Ausflüge zu machen, beispielsweise zum Wannsee, nach Köpenick oder auch nach Potsdam. Am Ende war ich weder hier noch da noch dort, sondern habe die meiste Zeit in Friedenau, Charlottenburg, Schöneberg, Kreuzberg und im Prenzlauer Berg verbracht. Auch Tagestouren in den Spandauer Forst, zum Schlachtensee und nach Treptow standen auf dem “Programm”, das eigentlich keines war und welches ich auch nicht wirklich hatte. Die Stadt auf mich zukommen lassen und einfach mal sehen, wohin sie mich führt – das war das Ziel. Eine Mischung aus Entdecken und Entspannen, aus Erkunden und Erholen. Und genauso war’s.
Ich war in zwei Theateraufführungen: Im weißen Rössl im Renaissancetheater – konsequent klamaukig und herrlich selbstironisch! Und – ein völliger Kontrast – Die Gezeichneten von Franz Schreker in der Komischen Oper, ein abgründiger Psychothriller zum Thema Sex and Crime in einer packenden Inszenierung von Skandalregisseur Calixto Bieito. Ich habe die Gräber von Giacomo Meyerbeer, Ferruccio Busoni, Marlene Dietrich und Helmut Newton besucht und war in zwei Museen, dem Deutschen Spionagemuseum und dem Deutschen Historischen Museum. Nach zehn Tagen hatte ich das Gefühl, die Schlagzahl reduzieren zu müssen. Berlin verführt leicht zu ständiger Aktivität, insofern waren dann Antiquariate und Cafés bevorzugte Ziele. So habe ich zehn (!) antiquarische Bücher gekauft und davon gleich drei gelesen. Der niederländische Autor Arnon Grünberg hat mich mit seinem Roman Der Mann, der nie krank war dabei besonders beeindruckt.
Ein Höhepunkt sämtlicher Entdeckungen war die Meierei (Prenzlauer Berg, Kollwitzstraße 42). Seit elf Jahren wird hier alpenländische Küche angeboten, und das in herausragender Qualität. Der warme Bio-Hirsebrei mit gekochtem Obst und Himbeersahne ist sensationell! Die Speisekarte enthält natürlich sehr viel mehr, wie z. B. Brot-, Käse-, Wurst- und Fleischgerichte, Suppen, Salate, Kuchen und verschiedene Kaffeespezialitäten. Sandra Hirsch und Hubert Roth führen mit ihrem sympathischen Team hier engagiert und kreativ eine kulinarische Top-Adresse. Dem Satz, wonach eine ausgewogene Diät aus einem Kuchen in jeder Hand besteht, glaubt man hier sofort. Chapeau!
So ergaben sich verschiedene Stationen, die ich mehrfach aufgesucht habe, sei es für einen Kaffee, ein kühles Bier oder ein Abendessen. Manche Adressen kannte ich schon, wie das Doldenmädel am Mehringdamm oder die Kastanie in Charlottenburg. Nach langen Spaziergängen im Lietzenseepark oder am Landwehrkanal (Paul-Lincke-Ufer) sitzt man hier besonders schön und genießt ein Pale Ale oder ein Berliner Kindl. Man kann auch ausgestreckt am Spreeufer liegen und vorbeifahrende Schiffe zählen. Muss man aber nicht.
Pause bis zum 29. Juli 2018
21. Juni 2018
So steht’s bei op-online: Wie in den vorausgegangenen Jahren lädt die Rumpenheimer Kantorei zu einer sommerlichen „Nacht der Musen“ in den Schlosspark Rumpenheim ein. Am kommenden Samstag (23. Juni) werden in der Schlosskirche ab 22 Uhr Lieder, Musik und Texte unter dem von den Beatles entlehnten Motto “All you need is love” zu Gehör gebracht. Das vielseitige Programm berücksichtigt verschiedene Genres, wie z. B. den Pop (All you need is love, Beatles), die Klassik (Hochzeitsmarsch, F. Mendelssohn-Bartholdy), das Volkslied (Du, du liegst mir im Herzen) und weitere Beiträge.
Die durch Teilnehmer der gerade zu Ende gegangenen 5. Rumpenheimer Singwoche ergänzte Rumpenheimer Kantorei hat hierzu verschiedene weitere Mitwirkende eingeladen, so z. B. die Pfarrerin und Sopranistin Amina Bruch-Cincar, den Kirchenchor St. Sebastian Dietesheim, die von Ulrike Fausel geleiteten Gustav-Adolf-Gospel-Singers und weitere hochwertige Überraschungsgäste. Moderiert wird der Abend von Harriet Lyre. Die musikalische Gesamtleitung hat Tobias Prautsch. Vor der Veranstaltung gibt es ab 21 Uhr kulinarische Köstlichkeiten im Schlosspark vor der Kirche, im Anschluss eine Feuershow.
Ich bin einer der “hochwertigen Überraschungsgäste” und spreche über die Entstehung des Finales zu Haydns Sinfonie Nr. 45 fis-Moll, der sogenannten Abschiedssinfonie, und die dazu überlieferten Anekdoten.
19. Juni 2018
Es gibt nicht viel Neues. Die Ferien nahen, das ist gut. Noch ein Klassenvorspiel morgen, bei dem ich Geigenschüler am Klavier begleite, dann die Kurse am Donnerstag, Freitag Büroarbeit. Am Samstagabend bin ich in Offenbach zu Gast bei der “Nacht der Musen” in der Evangelischen Kirche in der Schlossgartenstraße. Thema des Abends ist “All you need is love”, ich spreche über die Entstehung des Finales von Haydns Abschiedssinfonie. Beginn ist um 22.00 Uhr. Es gibt eine Menge Chormusik, auch Solistisches. Mein Beitrag, so ist es gewünscht, soll zum Nachdenken und Schmunzeln anregen. Mal sehen.
Was hilft? Wegfahren, abschalten. Apropos: Ich bin zu sehr am Fußballsport interessiert, um gänzlich auf die WM zu verzichten. Doch während der Übertragungen schalte ich fast immer auf lautlos. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich einmal nach Rudi Michel und Rolf Kramer zurücksehnen würde. Selige Zeiten! Ich überlege, ob ich mir nicht alte Kommentare beschaffe und zu aktuellen Spielen laufen lasse. Ob wirklich ein Tor fällt oder nicht, sehe ich ja. Oder ich spiele nur die Geräusche einer Stadionkulisse ein, mit frei wählbaren Optionen, das geht vielleicht auch. Wenn ein Tor fällt, klicke ich auf “Jubel”.
Es gibt mittlere Reife, Hochschulreife und Urlaubsreife. Ich habe sechs Punkte beim Wissenstest des Tages auf ZEIT online (war heute nicht so schwer) und muss am Wochenende den Rasen mähen. Mein Salat mit Datteltomaten, schwarzen Oliven, Schafskäse und Garnelen (alles mit Olivenöl beträufeln und mit frisch gemahlenem Pfeffer servieren) bleibt auf dem Speiseplan. Und ich bin wieder auf dem Stepper, nach längerer Pause. “No sports” ist ganz witzig, aber ich bin nicht Churchill, gottseidank.
17. Juni 2018
Die für September vorgesehene Studienreise nach St. Petersburg wird auf April 2019 verschoben. Nachdem der Spielplan des Mariinski-Theaters nun veröffentlicht ist, zeigt dieser kein hinreichend attraktives Programm für September 2018, so dass wir uns zu einer Verschiebung entschlossen haben. Am 11. April 2019 läuft Eugen Onegin von Peter Tschaikowsky im Hauptsaal des Theaters. Wir bemühen uns um Karten und sind zuversichtlich, dass wir ein entsprechendes Kontingent reservieren können. Nähere Informationen zu den genauen Reisedaten, Preisen etc. gibt es ab Herbst 2018 hier oder im Sekretariat der Wetzlarer Musikschule.
15. Juni 2018
Bis zu diesem Tag hat noch niemand gesehen, dass die Zugvögel ihren Weg nehmen nach wärmeren Gegenden, die es gar nicht gäbe, oder dass sich die Flüsse ihren Lauf durch die Felsen und Ebenen bahnen und einem Meer entgegenströmen, das gar nicht vorhanden wäre. Gott hat gewiss keine Sehnsucht oder Hoffnung erschaffen, ohne auch die Wirklichkeit zur Hand zu haben, die als Erfüllung dazugehört.
Karen Blixen (1885 – 1962)
13. Juni 2018
Alles, was die Welt uns schenket,
Nimmt die Welt, wenn wir vergehn:
Liebe nur bleibt ewig stehn,
Lieb’ ist, die kein Sterben kränket,
Liebe bricht durch Grab und Tod,
Liebe tritt mit uns vor Gott.
Andreas Gryphius (1616 – 1664)
Lieber Günter, nach dem Tode wird es so sein wie vor der Geburt, hast du einmal gesagt. Ich hoffe trotzdem entgegen deiner Erwartung, dass wir uns eines Tages wiedersehen. Wo immer du jetzt bist: Gute Reise und danke für alles! Dein Thomas
11. Juni 2018
Warum nimmt jemand an einer Studienreise nach Leipzig mit einem Konzert im Gewandhaus teil? Will man gerne in Leipzig sein und geht bei der Gelegenheit auch ins Konzert, oder will man in erster Linie ins Gewandhaus und freut sich nebenher über eine attraktive Stadt? Das entscheidet wohl jeder selbst, Veranstalter sollten hier auf diverse Spielarten und Prioritäten vorbereitet sein. Auch dass ein Konzert der absoluten Spitzenklasse (Mitglieder des Gewandhausorchesters, Leitung Emmanuelle Haïm) eher beiläufig besucht und so gut wie kommentarlos konsumiert wird, ist nicht auszuschließen. Dass das gebuchte Hotel ein paar Kilometer außerhalb des Stadtzentrums liegt und somit nicht eingeplante Unbequemlichkeiten mit sich bringt, lässt sich da viel erschöpfender diskutieren. Und doch das Positive: Burschikose Stadtführerinnen punkten mit sächsischem Pseudowitz (kein Stadtteil!). Deren persönliche Abneigung gegen “moderne” Musik, die von Alban Berg zum Beispiel, wird ohne weiteres verziehen, schräge Musik ist ja auch schwierig. Am Ende der Reise steht ein Besuch im Händelhaus in Halle. Da dauert die Führung nur eine Stunde, das lässt sich aushalten. Eine schöne Studienreise, so alles in allem. Oder sagen wir besser Städtetour.
6. Juni 2018
Morgen geht es für vier Tage nach Leipzig. Ich leite eine Reise der Wetzlarer Musikschule mit Unterkunft im Hotel Tryp by Wyndham Leipzig North****, einer halbtägigen Stadtrundfahrt am 8. Juni, dem Besuch eines Konzertes im Gewandhaus mit Werken von Händel (Gewandhausorchester unter Leitung von Emmanuelle Haïm) am 9. Juni und einem Besuch im Händelhaus Halle mit Führung am 10. Juni. Einen Bericht gibt es hier am kommenden Montag.
5. Juni 2018
Es waren zwei sehr angenehme Tage in Metz, mit guten Gesprächen, schönen Cafés und Restaurants, Spaziergängen an der Mosel und einer sehr guten Aufführung in der Oper. Metz ist in vielerlei Hinsicht eine Reise wert – angefangen von der imposanten Kathedrale über Museen und Kulturstätten bis hin zu attraktiven Freizeitangeboten und ausgezeichneter Gastronomie.
Die Oper wurde 1732 erbaut und ist das älteste Theater Frankreichs, das noch in Funktion ist. Der Charme des historischen Gebäudes ist außerordentlich, der Besuch ein Erlebnis. Die Aufführung von Saint-Saëns’ Samson et Dalila ist vor allem musikalisch stark, die harmlose Inszenierung dagegen ist schnell vergessen, ebenso die etwas fantasielose und wenig aufregende Ausstattung. Das souveräne Dirigat von Jacques Mercier aber, die intensiven, glutvollen Orchesterklänge bleiben in Erinnerung. Mercier trifft den oratorisch-dramatischen Ton der Partitur jederzeit und führt die Bühnenakteure glänzend durch Arien, Ensembles und Chöre. Bravo!
Souvenirs und Mitbringsel sind diesmal lothringische Weine, Mirabellen-Konfitüre und individuell gefertigte Porzellanschalen in atemberaubendem nachtblau.
31. Mai 2018
Auf dem Weg nach Metz, wo ich in der dortigen Oper Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns erleben werde. Ich habe das Stück noch nie auf der Bühne gesehen, entsprechend gespannt bin ich.
Es ist eine etwas unruhige, aber auch schöne Zeit. Ich komme gerade aus Antwerpen, wo ich gerne länger geblieben wäre. Jetzt also Metz, wo es mir sicher ebenso gefallen wird, und in der nächsten Woche dann vier Tage Leipzig mit einem Konzert im Gewandhaus. Es folgen zwei Wochen Schule, dann beginnen die Ferien. Ich fahre nach Berlin, für herrliche drei Wochen. Natürlich geht auch da nichts ohne die Oper. Es warten Die Gezeichneten von Franz Schreker. Danach gehen die Opernhäuser endgültig in die Sommerpause, und ich auch.
29. Mai 2018
Zurück aus Antwerpen, wo ich in der Vlaamse Opera zusammen mit einem Freund eine schöne Aufführung von Mozarts La clemenza di Tito gesehen habe. Zwar ist die Inszenierung von Michael Hampe unauffällig und sehr artig, doch die Musik gleicht viele Belanglosigkeiten mühelos aus. Stefano Montanari ist allerdings ein Dirigent, an dem sich die Geister durchaus scheiden können. Schon sein Äußeres ist unkonventionell, ja provokant: Kahlgeschoren und beohrringt, Kapuzenshirt, Lederhose, Stiefel. Ebenso sportlich ist sein Tempo in der Ouvertüre, genau wie in manchen Arien und Chören. Nein, seien wir ehrlich: Die Tempi sind zuweilen abenteuerlich überzogen, so dass rhythmische Feinheiten nicht mehr wahrnehmbar sind. Das ist schade, denn der Maestro hat fraglos das Zeug zu sensiblem Musizieren, was er an anderen Stellen eindrucksvoll zeigt.
Lothar Odinius (Tito) ist leider kein Mozart-Sänger. Er hat ein paar schöne Passagen, ja, doch ihm fehlt die Leichtigkeit. Die Koloraturen sind unscharf, in der Höhe singt er mit zuviel Kompression. Ganz anders die Frauen: Agneta Eichenholz (Vitellia), Cecilia Molinari (Annio) und Anat Edri (Servilia) überzeugen mit Ausstrahlung und sängerischem Glanz. Anna Goryachova (Sesto) ist eine Mezzosopranistin der Sonderklasse. Ihre Stimme ist flexibel und trifft jeden Affekt, extrem ausdrucksstark und gestaltungssicher. Die Stimme erinnert ein wenig an die junge Teresa Berganza, ihre Bühnenpräsenz ist außerordentlich.
Im ersten Halbjahr 2019 singt Anna Goryachova in London (Tschaikowsky, Pique Dame), Berlin (Prokofjew, Die Verlobung im Kloster) und Zürich (Bellini, Norma). Schöne Stücke, schöne Städte. Schöne Pläne!
23. Mai 2018
Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke. Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.
Franz Kafka (1883 – 1924)
21. Mai 2018
Gut war’s, doch auch herausfordernd. So einfach ist das nämlich nicht, dass einem etwa zweieinhalb Stunden zwar moderne, aber doch gefällige Musik entgegen käme. Strawinsky schreibt nach wie vor nicht antizipierbar, was allerdings mit der Art der Handlung, der systematisch-chronologischen Schilderung eines sozialen und mentalen Abstiegs, korrespondiert. Die Musik ist zumeist deskriptiv, illustrierend. Sie ist im dritten Akt am stärksten, beim finalen Kartenspiel zwischen Rakewell und Shadow. Die Inszenierung von Paul Esterházy lässt die eigentliche Handlung hinter einem Gazevorhang spielen – nur zur Artikulation ihrer Affekte treten die einzelnen Darsteller hervor. Das ist plausibel, hält aber das Publikum auf Distanz, nicht nur visuell. Ein handwerklich und musikalisch gut gemachtes Stück, das mehr intellektuell als emotional anspricht, dargeboten von überzeugenden Solisten, dem präsenten Chor und einem klanglich ausgewogenen Orchester. Nur ein paar Dutzend Zuschauer hatten sich eingefunden – es lag vielleicht nicht nur am sommerlichen Wetter zu Pfingstsonntag. Der einführende Referent wusste schon vorher, dass man “unter sich” bleiben würde.
20. Mai 2018
Nach dem Mittagessen geht es nach Kassel ins Staatstheater. Strawinskys The Rake’s Progress ist die einzige abendfüllende Oper des Komponisten. Kurt Pahlen bezeichnet sie als “tonales” Werk beinahe ohne Dissonanzen, als “echte Gesangsoper” mit “Rückkehr zur Melodie”. Das mag durchaus richtig sein, doch Strawinsky ist ein Komponist, bei dem man sich nie zu sicher sein sollte – in mehrfacher Hinsicht. Seine Lust, Regeln zu brechen und Hörerwartungen zu enttäuschen, ist legendär. Als Meister der Parodie serviert er der Zuhörerschaft mit Vorliebe ein Menü von vermeintlicher Sicherheit, um dann mit eigenen Gewürzen und Zutaten aufzuwarten. So klingt manches in The Rake’s Progress auf den ersten Blick (auf das erste Hören!) rückwärts gewandt: Belcanto-Entlehnungen bei Rossini und Bellini, Verwendung des Cembalos wie bei Mozart, Da-capo-Arien wie zur Barockzeit. Doch Strawinsky schreibt keine reminiszente Musik zum Selbstzweck. Dadurch, dass er seine Arien und Chöre so klingen lässt, als seien sie Stilkopien von hoher technischer Fertigkeit, erweckt er den Eindruck, dass nicht Menschen, sondern Marionetten auf der Bühne stehen. C’est ça! Schließlich gerät unser Held, Tom Rakewell, immer mehr unter den Einfluss seines mephistophelischen Gegenübers Nick Shadow (!) und agiert zunehmend fremdbestimmt, bis zum Tod im Irrenhaus. Danach folgt die Demaskierung, ohne Perücken und falsche Bärte, gesungen von allen Beteiligten, der Transfer in unsere Zeit. Mal sehen, was das Staatstheater Kassel daraus macht.
19. Mai 2018
18. Mai 2018
Wen die Götter strafen, dem erfüllen sie seine Wünsche.
Aus der Beschreibung von Händels “Semele” in der Inszenierung von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin
17. Mai 2018
Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss ist so ziemlich das Anspruchsvollste, was wir im Opernkurs bisher gehört und gesehen haben. An dem Stück ist so ziemlich alles schwer: Handlung, Text, Musik. Eine Erzählung von Liebe, Schuld, Erkenntnis und Erlösung, dazu eine harmonisch zuweilen tollkühne, die Grenzen der Tonalität überschreitende Musik. Jeder Laie, der sich dem aussetzt, muss geradezu opernhafte Prüfungen über sich ergehen lassen. Das Schöne ist, dass dieses unbekannte Terrain gleichzeitig fordert und beschenkt. Es ist dabei nicht nötig, orchestrale Klangmixturen oder harmonische Verwegenheiten mit musikalischem Fachvokabular beschreiben zu können. Das Entscheidende sind unsere Antennen, unsere inneren Seismographen, die uns Wünsche und Hoff-
nungen, Intrigen und Verzweiflungen, Abgründe und Sehnsüchte wahrnehmen lassen. Es ist schön, wenn man weiß oder gar hört, dass auf den B-Dur-Sekundakkord mit Sext- und Nonenvorhalt die Obermediante, die Tonikaparallele oder sonst was folgt. Für das, worauf es wirklich ankommt, ist es ganz unwichtig. Wir kennen auch nicht jedes Geheimnis des Kochs, wenn uns sein Essen schmeckt.
15. Mai 2018
13. Mai 2018
In den Medien kursiert eine neue Geschichte von FDP-Chef Christian Lindner, und zwar die Ausländer-Bäcker-Brötchen-Angst-Geschichte. Hintergrund ist eine von Lindner auf dem FDP-Parteitag vorgetragene Beobachtung, die er wohlgemerkt nicht selbst gemacht hat, sondern einem Bekannten zuschreibt. Danach, so Lindner, bestellt sich einer beim Bäcker “mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen” und die Leute in der Schlange wissen nicht, “ob das der hoch qualifizierte Entwickler Künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer”. Diese Unsicherheit, findet Lindner, kann Angst auslösen.
An dieser Geschichte sind mehrere Sachen unklar. Macht sich jemand Gedanken um das Vorstrafenregister der Kunden nur, wenn diese in gebrochenem Deutsch bestellen? Wie wirkt sich der Grad sprachlicher Eloquenz auf das Vorstrafenregister aus? Was ist mit der Angst der in der Schlange stehenden Einheimischen nicht nur in Bäckereien, also wenn z. B. jemand im Baumarkt “mit gebrochenem Deutsch” eine Axt oder Kettensäge kauft? Und wenn ich beim Bäcker in Berlin oder Bayern “Brötchen” kaufen will und für meine Sprache belächelt werde, sind die Einheimischen dann nur amüsiert oder haben die schon Angst?
11. Mai 2018
Die Niederländerin Connie Palmen hat ein Buch geschrieben mit dem Titel Die Sünde der Frau. Über Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles und Patricia Highsmith. Im Fahrwasser aktueller Debatten stellt die Autorin darin eine Reihe von provozierenden Behauptungen (das ist in Ordnung) und wahrheitswidrigen, um nicht zu sagen alternativen Fakten auf (das ist nicht in Ordnung). Eine der Thesen lautet, dass Frauen zerstört werden, wenn sie sich gesellschaftlichen Konventionen verweigern. Und dann: “Niemand konnte Marilyn Monroe von Marilyn Monroe befreien, und deshalb tat sie es selbst.” Diesen Unsinn wollte ich so nicht stehen lassen und habe, obendrein verärgert über die begeisterte Besprechung von Eva Biringer, auf ZEIT ONLINE einen Kommentar veröffentlicht. Dafür habe ich von anderen Leserinnen und Lesern zehn positive Rückmeldungen erhalten. Nachfolgend der Text meines Kommentars.
Marilyn Monroe hatte sich kurz vor ihrem Tod mit Joe DiMaggio, ihrem zweiten Ehemann, wieder ausgesöhnt und Pläne für ein neues, ruhiges Familienleben außerhalb des Filmgeschäftes. Ihr Tod war nach allem, was wir aus seriösen Quellen wissen, weder Selbstmord noch Mord, sondern ein tragischer Unfall, bestenfalls fahrlässige Tötung durch ihren Psychiater. Die hier publikumswirksam verschmolzenen, zum Teil aberwitzigen Thesen des Buches wie auch die hymnische Begeisterung der Rezensentin sind fehl am Platz. Aber reißerische, unhaltbare Behauptungen aufzustellen, sie dazu mit feministischen Anliegen zu verquicken und politisch zu instrumentalisieren, ist natürlich einträglicher als das Studium entsprechender Untersuchungen, Interviews, Biografien, Dokumentationen etc. Das ist BILD-Zeitung für Intellektuelle, mehr nicht.
Pause bis zum 10. Mai 2018
29. April 2018
27. April 2018
Gestern Abend, Konzertführer Klassik, Teil 2. Es stehen drei Werke auf dem Programm, und alle sorgen für reichlich Gesprächsstoff. Den Anfang macht Pacific 231 von Arthur Honegger und die Frage, ob es sich um programmatische oder – wie von Honegger bezeugt – absolute, mathematisch orientierte Musik handelt. Die Lokomotive ist das eine, jeder hat sie vor seinem geistigen Auge, die Fahrt inklusive. Doch die Frage, was ist Tempo, was ist Metrum, was ist Geschwindigkeit, welche Funktion hat der Rhythmus, das ist das andere. “Wenn Sie nicht vorher gesagt hätten, dass wir eine Eisenbahnfahrt hören, hätte ich das nicht erkannt.”
Danach La Mer von Claude Debussy. “Hier ist viel mehr Wind und Meer als vorher Eisenbahn” lautet ein Kommentar, obwohl das Stück gar kein Meeresrauschen enthält. Debussy bildet den Charakter des Meeres ab, nicht das Meer selbst. Und, wie er einem Zeitgenossen schrieb, entstand das Stück aus Erinnerungen an das Meer, also ohne es real vor Augen zu haben: “Meiner Ansicht nach ist das mehr wert als eine Wirklichkeit, deren Zauber die Fantasie gewöhnlich zu stark belastet.”
Schließlich Tallis. Einstrahlungen für großes Orchester von Peter Ruzicka. Sofort die Frage nach der Schönheit. Da fehlt ja die Harmonie! Was ist daran Kunst? Erste Hilfe kann ich mit einem Blick auf andere Sparten und Gattungen leisten. Wir haben alle ein gutes Buch im Schrank stehen, das nach 1920 geschrieben wurde. Wir haben alle ein Bild an der Wand hängen (oder mögen eins), das nach 1920 gemalt wurde. Wir kennen alle ein Bauwerk, das uns beeindruckt und welches nach 1920 geschaffen wurde. Es ist allein von daher gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet in der Musik nach 1920 nichts Gescheites mehr komponiert worden sein soll! Und was soll das heißen, “es ist nicht schön”? Nur weil Dur und Moll fehlen, und weil es keine tradierten Melodie- und Harmoniemuster gibt, handelt es sich deswegen nicht um dekadente Tonkleckserei! Um das zu verstehen, brauchen wir aber keinen Acht-Wochen-Crashkurs, sondern eine mindestens zweijährige Grundausbildung, ähnlich wie in der Musikalischen Früherziehung. Gut, dass wir mal drüber geredet haben.
25. April 2018
Eigentlich geht das nicht – einen Film empfehlen, ohne ihn selbst gesehen zu haben. Und doch lege ich allen am Kino, an Romy Schneider und an einer Hommage an eine der größten Filmikonen Interessierten nachdrücklich ans Herz, 3 Tage in Quiberon anzusehen. Ich selbst sehe den Film erst Anfang Mai, doch allein das Interview mit Marie Bäumer in der FAZ ist derart fulminant, dass jeder einen Kinobesuch in diesem Fall als verpflichtend begreifen sollte.
Bäumer erzählt darin, dass sie sich “ein wenig durch die Sprache angenähert” habe und beschreibt “diese unnachahmliche bourgeoise Wiener Melodie, die Romy Schneider im Französischen wie im Deutschen hatte.” Sie, Bäumer, habe Interviews angeguckt und konnte dort etwas über Schneiders Atmung, ihre Nervosität, ihre ganz bestimmte Attitüde erfahren. Romy Schneider habe “zum Beispiel eine eher männliche Art zu rauchen” gehabt, sie habe “sich immer die Lippen geleckt oder Dinge wiederholt”. Und dann, voller Bewunderung: “Romy Schneider war die physischste Schauspielerin im Kino, die mir untergekommen ist. Sie hatte eine phänomenale Fähigkeit, von null auf zweihundert in eine Spannung und Entspannung zu gehen, was sie sehr sinnlich gemacht hat.“
23. April 2018
Wetzlarer Neue Zeitung, 22. April 2018
Foto: Franz Ewert
Schubert, der Träumer, Genie ohne Erfolg
VORTRAG Thomas Sander berichtet bei der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft vom Schaffen des Komponisten
Wetzlar. Bereits mit 31 gestorben, hat Komponist Franz Schubert ein vielfältiges Werk hinterlassen. Wer Franz Schubert war, hat Thomas Sander, Leiter der Musikschule Wetzlar, Gästen der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft (DÖG) gezeigt. Es ist eine besondere Gabe von Thomas Sander seinem Publikum locker und lehrreich musikalische Sachverhalte näherzubringen. Und natürlich die dazugehörenden Personen. Gut eine Stunde lang reisten mehr als 80 Liebhaber klassischer Musik, darunter Mitglieder, Freunde und Gäste der DÖG Wetzlar mit Sander in die Zeit Schuberts zurück.
Sander, der nach eigenem Bekunden vor 50 Jahren sein erstes Schubertstück, unvergessen ein Ländler in a-Moll, auf dem Klavier spielte, gewährte Einblicke in das unstete und unruhige Leben Schuberts. In seinem Vortrag arbeitete er die Charakteristika des enormen musikalischen Schaffens eines begnadeten Künstlers heraus, der aber zeitlebens nicht von seiner Musik habe leben können. Viele hätten Schuberts musikalisches Talent erkannt, niemand aber habe es vermarktet oder dem Genie zumindest zur Seite gestanden. Zwei eindrucksvolle Konzertmitschnitte ergänzten Sanders Ausführungen zu einem gelungenen Ganzen des Schubert-Abends im Konzertsaal der Musikschule Wetzlar.
Franz Peter Schubert – geboren und gestorben bei Wien – war das 13. von 16 Kindern, von denen nur vier das Erwachsenenalter erreichten. Er war ein unauffälliger, jedoch sehr musikalischer Schüler, der im Alter von elf Jahren in den kaiserlichen Hofchor aufgenommen wird. 1797 wird er geboren – Mozart war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre tot und Joseph Haydn auf der Höhe seines Schaffens – und wächst in einer Zeit heran, die von großartiger Musik ebenso geprägt ist wie von politischen Umwälzungen wie dem Wiener Kongress.
„Schubert, der Träumer, das Genie ohne Erfolg“ hat ein „gigantisches Werk“ hinterlassen, so Thomas Sander. Er hat sehr viel für Klavier komponiert, ohne aber – wie Mozart oder Schumann – selbst ein Konzertpianist gewesen zu sein. Er hat 15 Bühnenwerke komponiert, Opern, Sinfonien, Messen, geistliche und weltliche Werke, fand aber zu keiner Zeit irgendwo eine feste Anstellung. Und natürlich schrieb er neben alledem über 600 Lieder, die „kleine musikalische Form“, für die Franz Schubert weltbekannt ist. Werke voller Wohlklang und Gefälligkeit, fast immer aber mit leiser Trauer und Melancholie. Er war laut Sander „ein Meister musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten mit phänomenalen Gaben“.
In seinem kurzen Leben – Schubert starb 1828 mit nur 31 Jahren – hat er „wie besessen komponiert“, insgesamt 30 000 Stunden, wie man ausgerechnet habe. Und gleichzeitig war Schubert ein melancholischer Mensch. Ein Mann mit vielen Frauenbekanntschaften, aber keiner einzigen festen Bindung, mit reichlich Alkoholkonsum und schweren Krankheiten. Mit 25 Jahren litt er an Syphilis, gestorben ist er an Typhus, ein Jahr nach Beethoven. Schuberts Leben war laut Sander „begleitet von unaufhörlichem Zerfall an Gesundheit, Hoffnung und Erwartung“, ein kurzes Leben, das der Nachwelt aber ein „gigantisches Oeuvre“ hinterlassen hat. (ew)
22. April 2018
20. April 2018
“Ich möchte alle Fragen der Welt in dieser schönen totalen Kunstform, der Oper, durchspielen, um dabei Vorschläge zu machen für das Zusammenleben der Menschen“ , hat Harry Kupfer, einer der bedeutendsten deutschen Opernregisseure, einmal gesagt. In der kommenden Spielzeit inszeniert der 82-jährige Kupfer Händels Poros an der Komischen Oper Berlin, an der er zuletzt vor über fünfzehn Jahren gewirkt hat. Wir dürfen gespannt sein, welche Vorschläge für das menschliche Zusammenleben der Regiestar diesmal parat hat. Das Stück jedenfalls lässt größtmöglichen Raum für Liebe und Leidenschaft, für Verstellung und Verführung. Sollte Kupfer sich treu bleiben, wovon wir ausgehen dürfen, wird er auch diesmal das Handeln der Beteiligten in einen historisch-politischen Zusammenhang stellen, Überraschungen inklusive. Premiere ist am 16. März 2019.
19. April 2018
“Hauptsache Finale” – so der Kommentar von Frankfurts Trainer Kovac gestern Abend nach Spielschluss auf Schalke. Seine Eintracht hatte 1:0 gewonnen – glücklich und mit tatkräftiger Mithilfe des Schiedsrichters, der ein reguläres Tor der Schalker in der Nachspielzeit nicht anerkannt hatte. Kovac hatte nicht die Größe zu sagen, dass die Partie in die Verlängerung hätte gehen müssen, in der sich die Schalker – zu dem Zeitpunkt mit einem Spieler mehr auf dem Feld – vermutlich durchgesetzt hätten. Aber das ist Spekulation, zugegeben.
Die Schalker sind gestern um den verdienten Erfolg betrogen worden, wenn auch kaum vorsätzlich. Trainer Tedesco hat der Eintracht gratuliert, freilich ohne die Fehlentscheidung nachvollziehen zu können. Das ist sportlich fair und vorbildhaft. “Hauptsache Finale” nimmt sich dagegen ziemlich armselig aus, auch wenn man als Betrachter die blauweiße Brille längst abgesetzt hat.
18. April 2018
17. April 2018
Es gibt viele kluge Pflegetipps für die Freundschaft, als wäre sie eine Zimmerpflanze oder ein Aquarium. Ist sie aber nicht. Eine Freundschaft, die ich als Pflegefall betrachte, ist keine Freundschaft mehr. […] Freundschaft ist ein nördlicherer Breitengrad der Liebe. Mit der Liebe teilt sie die Eigenschaft, dass wir sie uns nicht aussuchen können. Nicht wir haben die Wahl, die Freundschaft wählt uns. Sie ereignet sich. Wir merken schon, wenn sie sich eingestellt hat. Und wir spüren irgendwann, wenn sie vorbei ist. Sie beendet sich selbst. Den Beteiligten bleibt nur noch, sich das einzugestehen.
Arno Frank
15. April 2018
Mit den Worten “Ein Handwerksmeister ist nicht weniger wert als ein Herzchirurg” fordert der Generalsekretär des Branchenverbandes ZDH, Holger Schwannecke, mehr Wertschätzung für das Handwerk ein.
Da können wir Künstler uns anschließen. Auch wir würden gern mehr Wertschätzung erfahren. Auch wir haben was gelernt. Die meisten von uns haben sogar studiert. Wir können wirklich was. Und wir sind pünktlich.
14. April 2018

12. April 2018
Für die meisten Kursteilnehmenden war Elektra von Richard Strauss gestern nicht nur ungewohnt, sondern darüber hinaus fordernd und anstrengend. Die harten Dissonanzen, die gewaltigen Klangmassive im forte und fortissimo sowie natürlich die Handlung selbst, die drastische Sprache Hofmannsthals – das alles ist kein entspannendes Vergnügungstheater, sondern verlangt die Bereitschaft zu einer konzentrierten Hörarbeit. Wir hatten Salome, dann Rosenkavalier, es folgt Die Frau ohne Schatten. Wir befinden uns mitten in einem der anspruchsvollsten Abschnitte der Operngeschichte überhaupt. Fast hätte ich gestern gesagt, dass wir ja nicht zum Spaß hier sind.
Elektra, wie das allermeiste von Strauss, ist schwer für das Orchester, schwer für die Sängerinnen und Sänger, schwer für den Dirigenten, schwer für die Regie. Warum also soll es nicht auch schwer fürs Publikum sein? Passen wir auf, dass uns der natürliche Umgang mit Anspruch und Niveau nicht abhanden kommt! Wenn wir uns erholen wollen, schauen wir Zar und Zimmermann oder backen Zitronenkuchen.
10. April 2018
Normalerweise reicht es aus, einmal am Tag Nachrichten zu sehen oder zu hören. Trotzdem beginnen nicht wenige ihren Tag mit dem Frühstücksfernsehen, schauen am Arbeitsplatz während der Mittagspause am PC nach den neuesten Meldungen, zwischendurch am Handy, hören bei der Heimfahrt Nachrichten im Auto, lesen Videotext, gucken abends “Tagesschau”, “heute-journal” oder sonstwas.
Nachrichten immerzu, unaufhörlich, “Seite wurde aktualisiert”. Wir sollen dazu voten und liken, am Gewinnspiel teilnehmen. Wir sehen die Wills, Illners und Maischbergers in endlosen Palaverrunden, sehen Zusammenschnitte, Statistiken, Straßenumfragen. Wir hören Experten, Beobachter und auf inutiles Infotainment spezialisierte Sachverständige. Wir erleben Berichterstatter vor Ort, für die “eine Bewertung noch zu früh” kommt, vor dem Weißen Haus, auf dem Roten Platz, gerne von der Frankfurter Börse. Der Euro wird leicht schwächer notiert, der Dax hat sich zum Abend hin erholt. “Anja, was bedeutet das jetzt?” “Wenn es soweit ist, werden wir es wissen.” Das Wetter wird besser, im Südwesten, vielleicht. Danke, Sven. Wir sind morgen wieder für Sie da.
Ein Traum. Der Bildschirm wird schwarz. Eilmeldung, von Erich Kästner: “Denkt an das fünfte Gebot – schlagt eure Zeit nicht tot!”
8. April 2018
Auch ein Liebeslied
Dies also ist der Liebe Kern:
zuerst ist sie ein Hauch und sacht
einsames Waldhorn von den Horizonten fern
der Unterleib ist bisher nicht erwacht.
Welch ein Genuss sich an der Hand zu halten
und in die feuchten Augen sich zu sinken
doch weicht die Seele bald Naturgewalten
wer “Röslein” dachte denkt jetzt “Schinken”.
Was man auf Händen trug nun liegt es drunter
der Hauch wird Sturm Tornado heißer Wind
trotz der geschlossnen Augen bleibt man munter
man kämpft und weiß nicht wer gewinnt.
Es scheint ein Kampf fürs ganze Leben
jedoch der klare Morgen bringt die Kühle her.
Erloschen der Vulkan. Vorbei der Erde Beben.
Das Waldhorn stumm. Die Horizonte leer.
Günter Kunert (* 1929)
7. April 2018
Die Dreigroschenoper verlangt singende Schauspieler, keine Sänger. Diesem Postulat wird das D’haus ebenso gerecht wie dem Anspruch der Berücksichtigung regionaler und tagesaktueller Bezüge. Im Ergebnis zeigt das Düsseldorfer Ensemble eine moderne, fantasievolle Parabel über Liebe, Macht, Betrug und Selbstbetrug, die über drei Stunden lang ironisch reflektiert und dabei glänzend unterhält. Es ist Platz für Kalauer (“es geschieht brechtzeitig”, “mit der Brechtstange”) und Parodie (herrlich: Trapattoni und “Was erlauben Breckte!?”) – die Pointen sitzen, das Tempo passt. Die Songs sind bissig, involvierend und zum Glück nicht “schön” gesungen. Eine laute, farbintensive, ja lustvolle Inszenierung (Regie: Andreas Kriegenburg) ohne falsche Vor- und Rücksichten, mit guter Musik (Musikalische Leitung: Franz Leander Klee). Ein Erlebnis!
5. April 2018
29. März 2018
Karfreitag: Geröstete Süßkartoffel-Suppe (für 4 Personen)
ca. 6oo g Süßkartoffeln
1 Möhre
2 große Chilischoten
3-4 EL Erdnussöl
1 Prise Zimt
½ TL Kurkuma
Meersalz
1 kleine rote Zwiebel
1 kleines Stück frischer Ingwer
ca. 1 l Gemüsebrühe
200 ml Orangensaft
Saft von 1 Limette
Sojasoße
Salz und frisch gemahlener Pfeffer
Für das Topping:
100 g Ziegenweichkäse
ca. 50 g geschälte Walnüsse
1 Prise Cayenne-Pfeffer
Salz und Pfeffer
1. Backofen auf 200 Grad vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen. Süßkartoffeln waschen und in Spalten schneiden, Möhre schälen und der Länge nach halbieren, Chili entkernen und in Ringe schneiden. In einer Schüssel mit 2-3 Esslöffeln Öl, Zimt, Kurkuma und Meersalz vermengen. Alles auf dem Backblech verteilen und auf mittlerer Schiene ca. 20 – 25 Minuten knusprig backen.
2. Währenddessen Ingwer und Zwiebel schälen und grob schneiden. Für das Topping Ziegenweichkäse und fein gehackte Walnüsse in einer Schüssel gut miteinander verrühren. Mit Cayennepfeffer, Salz und Pfeffer abschmecken. Bis zum Servieren beiseite stellen.
3. Backblech aus dem Ofen nehmen, das Gemüse leicht auskühlen lassen. Chilischoten entfernen. Dann 1 Esslöffel Öl in einem großen Topf erhitzen, Zwiebeln und Ingwer darin anbraten. Süßkartoffeln und Möhren zugeben und kräftig umrühren. Gemüsebrühe und Orangensaft zugeben, kurz aufkochen lassen, dann die Hitze reduzieren und die Suppe ca. 5 Minuten köcheln lassen. Anschließend alles fein pürieren.
4. Ist die Suppe zu dick, etwas mehr Gemüsebrühe zugeben. Zum Schluss den Limettensaft unterrühren und mit Sojasoße, Salz und Pfeffer abschmecken. In tiefen Tellern oder Schalen servieren, mit ein wenig Topping garnieren.
Ostern: Kein Lamm
Ein frohes Osterfest – nach den Feiertagen geht es weiter!
28. März 2018
Seit ein paar Wochen fällt mir ein Plakat auf, mit dem für ein “Osterkonzert” am Karfreitag geworben wird. Über den Titel in Zusammenhang mit dem Termin bin ich etwas irritiert. Das Plakat gibt keinen Aufschluss darüber, ob Passionsmusik zur Aufführung kommen wird oder Musik zur Auferstehung Christi, im Sinne des höchsten Festes im Kirchenjahr. So oder so habe ich ein Gefühl des Widersinnigen. Denn entweder ist der Titel falsch gewählt oder der Tag des Konzertes.
Das erinnert mich an eine geradezu legendäre Osterpredigt eines mir persönlich bekannten katholischen Pfarrers. In der voll besetzten Kirche freute er sich über den großen Besucherzuspruch, erklärte aber anschließend, dass Ostern ohne Karfreitag nicht denkbar sei. Vor der Auferstehung und dem ewigen Leben stehe das Kreuz, das gehöre zusammen, so sagte er sinngemäß und schloss mit dem Satz: “Wer am Karfreitag nicht hier war, kann sofort wieder nach Hause gehen.” Es braucht nicht viel Fantasie, um sich das Unverständnis, ja die Empörung vorzustellen, die diese Worte damals ausgelöst haben. Da geht man schon mal in die Kirche, will das “Hallelujah” von Händel hören und “Das Grab ist leer” singen, und dann sowas …
Also was wird bei einem “Osterkonzert am Karfreitag” gespielt? Für alle etwas? Ist es ein Konzert mit Pause, bei dem man nach dem ersten Teil zwar gehen, nicht aber erst zum zweiten Teil kommen kann? Hunde und zu spät Kommende müssen leider draußen bleiben? Vielleicht werden ja auch Ausschnitte aus Das schwarze Schaf mit Pater Brown gespielt. “Gottes Wege sind unergründlich, aber sie führen immer zum Ziel. Hübsch hässlich ham’ses hier.”
26. März 2018
Berlin bietet einfach so viele Möglichkeiten, dass hier jeder leben kann wie er will. Ich kann hier am Wasser wohnen oder in eher dörflichen Strukturen, ich kann in einer Plattenbausiedlung wohnen oder in einem großbürgerlichen Umfeld wie in Charlottenburg. Das macht Berlin schon mal einzigartig. Außerdem gibt es hier ein unglaubliches Kulturangebot, ein großes gastronomisches Angebot, Berlin ist eine wahnsinnig lebendige Stadt.
Ulrike C. Tscharre, Schauspielerin
Quelle: https://www.svz.de/12846286 ©2018
25. März 2018
Gestern zeigte das WDR-Fernsehen eine Straßenumfrage zum Thema “Uhr umstellen auf Sommerzeit”. Erstaunlich viele Passanten waren nicht sicher, ob die Uhren nun vor oder zurück gestellt werden. Die Eselsbrücke, wonach wir im Frühjahr die Gartenmöbel vor die Tür stellen, um sie im Winter wieder zurück ins Haus zu holen, war für einige der Befragten neu. Auch der Merksatz “Zeitumstellung funktioniert wie das Thermometer – im Frühjahr Plus und im Winter Minus” war nicht allen bekannt. Immerhin konnten fast alle die Frage “Was färben, suchen und essen wir zu Ostern?” korrekt beantworten – “Eier” ist richtig. Im privaten wie öffentlich-rechtlichen Verblödungsquiz wären dafür mindestens 500 Euro fällig gewesen. Wir sind egg-cited, würde das Ampelmännchen sagen. Mannomann.
23. März 2018
Ausstellung “Von Monet bis Kandinsky. Visions Alive”
Alte Münze • Molkenmarkt 2 • 10179 Berlin
verlängert bis zum 30. Juni 2018
täglich von 10 – 20 Uhr
Bei der Ausstellung werden Werke von 16 Künstlern der Klassischen Moderne in einer Kombination aus animierter Video-Projektion zu ausgewählter Musik präsentiert. Die multimediale Bilderschau zeigt Werke von Vincent van Gogh, Edvard Munch, Claude Monet, Edgar Degas, Paul Gauguin, Henri Rousseau, Henri de Toulouse-Lautrec, Paul Signac, Amedeo Modigliani, Piet Mondrian, Pierre-Auguste Renoir, Juan Gris, Paul Klee, Gustav Klimt, Wassily Kandinsky und Kasimir Malewitsch.
In 16 kurzen Filmen werden die Hauptwerke jedes Meisters auf 7-Meter-hohe Flächen projiziert, die in den Räumen der Alten Münze in unterschiedlichen Winkeln angeordnet sind. Die Endlosschleife von insgesamt 63 Minuten ist ein eigenständiges und ganzheitliches Kunstwerk, das den Besucher in die jeweilige Welt des Künstlers eintauchen lässt. Die Projektionen blenden ineinander über, bewegen sich im Rhythmus der sie begleitenden Musik und ziehen den Besucher in einen Strudel aus Farben, Licht und Sound. Insgesamt wurden für die Ausstellung in Berlin etwa 1.500 Arbeiten aus mehr als 20 Museen aus der ganzen Welt digital bearbeitet.
Wegen des anhaltend hohen Besucherinteresses wurde die Ausstellung bis zum 30. Juni 2018 verlängert. Unbedingt ansehen!
22. März 2018

Am 24. Januar 1920 stirbt Amedeo Modigliani 35-jährig nach exzessivem Leben an den Folgen seiner Tuberkuloseerkrankung und des Alkohols. Einen Tag später stürzt sich die 21-jährige, im achten Monat schwangere Jeanne Hébuterne, Modiglianis Verlobte, aus einem Fenster im fünften Stock, ihr ungeborenes Kind stirbt mit ihr. Die zwei Jahre zuvor geborene Tochter Jeanne wird von Modiglianis Schwester in Florenz adoptiert.
Modigliani, Musterbeispiel des Bohèmien und bekannt für seine Ausschweifungen, war ein paar Jahre zuvor in Hébuternes Leben getreten und hatte es sozusagen übernommen. Nach allem, was wir wissen, geschah der Selbstmord nicht aus Angst vor einem ungewissen Leben gemeinsam mit ihren Kindern, etwa in Erwartung von finanzieller Not oder sozialer Ächtung. Vielmehr weigerte sich Jeanne Hébuterne, eine kluge und begabte junge Frau, ihr Leben ohne Modigliani fortzusetzen. Sie stellte den Toten über ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder, so wie sie es in der Zeit ihrer relativ kurzen Beziehung immer getan hatte.
21. März 2018
20. März 2018
Der prachtvolle Zauber des Barocktheaters auf der Bühne der Komischen Oper Berlin: In der umjubelten Inszenierung des norwegischen Theatermagiers Stefan Herheim und unter der musikalischen Leitung von Barockspezialist Konrad Junghänel wird Händels Oper Xerxes zu einem Fest für Augen, Ohren und Sinne.
Mit diesem Text wirbt die Komische Oper Berlin auf ihrer Homepage für ihre Produktion der späten Händel-Oper. Mit opulenter Ausstattung, dazu voller Witz und Charme und zudem musikalisch auf hohem Niveau wird dann alles Versprochene auch gehalten, und wie! Dieser Xerxes wird lange in Erinnerung bleiben. Ich war in manchen Szenen sehr berührt, habe aber in anderen Momenten auch herzlich gelacht – im Textheft ist von einer barocken Muppet Show die Rede, und das ist absolut zutreffend. Herheim will mit seiner Inszenierung nicht unsere Zeit der Händel-Oper überstülpen, sondern umgekehrt die barocke Lust, das Dionysische der Barockoper in die jetzige Zeit tragen. Eine Kulisse für “ein Spiel von Spielern, die sich im Laufe des Abends leidenschaftlich erschöpfen.” Dafür lieben wir sie, sagt er, denn sie füllen unsere eigene Leere. Das gelingt fulminant, denn erfüllter kann man nach über drei Stunden Oper nicht sein.
15. März 2018
14. März 2018
Gestern gerate ich durch Zufall in den Schluss der ARD-Sendung “Quizduell”, die von Jörg Pilawa moderiert wird. Der Schauspieler Jörn Schlönvoigt muss im Finale ein paar Fragen beantworten, was unerwartet spektakulär verläuft. Auf die Frage, welcher Monat am 32. Tag des Jahres beginnt, antwortet Schlönvoigt “April” und meint anschließend, 4 sei die höchste Primzahl zwischen 10 und 20. Die Frage, in welchem Bundesland die meisten deutschen Großstädte zu finden sind, lässt Schlönvoigt unbeantwortet. Schließlich tippt er bei der Frage, welches auf Zypern neben griechisch die zweite Landessprache ist, auf französisch. Dann ist das Spiel vorbei. Als Erklärung für seine überschaubaren Kenntnisse gibt Schlönvoigt an, er sei eben Schauspieler.
Satire on. Schlönvoigt mit Freundin im Theater, kurz vor Vorstellungsbeginn. Sie: “Gleich kommt wieder der lange Prolog.” Er: “Hoffentlich setzt er sich nicht genau vor uns.” Satire off.
13. März 2018
Nachdem wir letzte Woche im Montagskurs Szymanowskis vierte Sinfonie und Lutosławskis Konzert für Orchester gehört haben, sagt gestern eine Teilnehmerin, dass ihr der letzte Satz des Lutosławski-Konzertes doch arg zugesetzt habe, sie deshalb mit gemischten Gefühlen wieder erschienen sei, und was wir denn nun heute hören würden. Da Angriff die beste Verteidigung ist, zögere ich mit der Antwort keine Sekunde: Hartmann und Henze.
Es folgen die fünfte Sinfonie von Karl Amadeus Hartmann und das Orchesterstück “Appassionatamente” von Hans Werner Henze. Und, kaum zu glauben: Positive Resonanz auf Hartmann und zwar zurückhaltende, aber nicht ablehnende Reaktionen auf Henze. Ein großer Fortschritt! Nächste Woche wollen wir Hartmanns achte Sinfonie hören und ein paar Szenen aus Henzes “Boulevard Solitude” anschauen.
Noch sind wir nicht bei Ligeti, Stockhausen und Boulez. Doch mittlerweile sieht die Zuhörerschaft auch dieser Musik tapfer entgegen. Eine Teilnehmerin sagt gar über Peter Ruzicka, Dirigent des Henze-Stücks und selbst Komponist: “Den kenne ich. Seine Musik ist toll!” Na also. Und ich ermutige die Gruppe, gegenüber Freunden, Nachbarn etc. selbstbewusst damit umzugehen und in Gesprächen etwas über den Kurs zu erzählen. Wer kommt schon abends nach Hause und hat zuvor anderthalb Stunden Hartmann und Henze gehört?
12. März 2018
Ku’damm 56 ist ein dreiteiliger deutscher Fernsehfilm (2016, R.: Sven Bohse) und erzählt eine Familiengeschichte im Berlin der Nachkriegszeit, von jungen Frauen auf ihrem dornigen Weg in die Emanzipation, hin zu einer freien, selbstbestimmten Identität und Lebensgestaltung, gegen alles Spießige, Biedere und Verklemmte. Soziales, Geschichtliches und Politisches sind eingebettet in eine große Erzählung, die alle Untiefen zwischen Konvention und Rebellion auslotet. Erstarrtes, Überkommenes, Ersehntes, Ertrotztes. Heike Kunert von der ZEIT fand dafür den schönen Satz: “Auf den Straßen ist der Schutt verschwunden, in den Köpfen nicht.” Absolut sehenswert und mit einer großartigen Besetzung: Claudia Michelsen, Maria Ehrich, Emilia Schüle, Sonja Gerhardt, Trystan Pütter, Heino Ferch, Uwe Ochsenknecht, Markus Boysen und vielen anderen.
Nach dem großen Erfolg von Ku’damm 56 strahlt das ZDF in der kommenden Woche mit Ku’damm 59 nun die Fortsetzung aus. Der erste Teil läuft am 18. März, Teil 2 folgt am 19. März und der dritte Teil am 21. März jeweils um 20.15 Uhr. Im Anschluss an den ersten Teil zeigt das ZDF um 21.45 Uhr zudem Ku’damm 59 – Die Dokumentation. Nicht verpassen!
11. März 2018

In der Szene, in der Emma Morley endgültig klar wird, dass sie Dexter Mayhew innig und unverbrüchlich liebt, dass für sie ohne ihn nichts gut und nichts richtig ist, sie ihm nachläuft, ihn leidenschaftlich küsst und ihm ebenso verzweifelt wie voller Liebe droht, ihm das Herz aus dem Leibe zu reißen, wenn er sie jemals im Stich lassen oder sie hintergehen sollte, in dieser Szene, in der Dexter nur sagen kann, dass er das niemals tun würde, weil er Emma ebensosehr liebt, in dieser Szene verschwimmt kurioserweise jedes Mal das Bild.
10. März 2018
Die Angewohnheit von Sportberichterstattern, statt von “der ersten Halbzeit” oder “der zweiten Hälfte” nur noch von “Halbzeit eins” oder “Hälfte zwei” zu reden, scheint unausrottbar zu sein. Im Fernsehen, im Internet, in den Printmedien – vor ein paar Jahren hat diese Unsitte um sich gegriffen und schnelle Verbreitung gefunden. Zwar ist auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ein kontinuierlicher Niveauverlust hinsichtlich des sprachlichen Ausdrucksvermögens festzustellen, doch die eingangs beschriebene Unart gibt es fast ausschließlich im Sport. Keine Wegbeschreibung enthält die Empfehlung, an “Ampel eins” links abzubiegen. Niemand leistet “Hilfe eins”, und keine Frau erwartet ihr “Kind eins”. Nur die Fachleute vom Sport, welche “in Halbzeit eins” ein gutes Spiel gesehen haben, erinnern sich vermutlich an ihren ersten Kuss und das berühmte erste Mal an “Kuss eins” und “Mal eins”. Danach ist “Erst einmal” (!) wahrscheinlich das “Einmaleins”, aber jetzt ist Schluss.
9. März 2018
Heute würde Bobby Fischer (1943 – 2008), eines der größten Schachgenies aller Zeiten, 75 Jahre alt. 1972 wurde er Schachweltmeister, als er in Reykjavik das Finale gegen den damaligen Titelträger Boris Spassky gewann. Fischers Spiel war oft spektakulär und entwaffnend (welch schönes Wort im Zusammenhang mit Schach!). Im persönlichen Umgang zeigte sich Fischer oft verhaltensoriginell, unberechenbar und schwierig. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft zog er sich vom Turnierschach zurück. 1975 trat er gegen den sowjetischen Herausforderer Anatoli Karpow nicht an, woraufhin der Weltschachbund FIDE ihm den Weltmeistertitel aberkannte. Von Fischer sind ein paar hübsche Zitate überliefert. Eins lautet: “Ich rechne überhaupt nicht voraus. Ich gewinne auch so.”
8. März 2018
Wenn de Mensch dohn deit, watt he kann, denn kann he nich mehr dohn, as he deit.
plattdeutsche Redensart
7. März 2018
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Liebe in die offizielle Klassifikation der ernsthaften Erkrankungen eingetragen. Der Krankheits-Code lautet „F63.9″. Die Liebe wurde den psychischen Störungen zugeordnet, einhergehend mit „abnormen Gewohnheiten und Beeinträchtigungen der Impulskontrolle“. Zu den Symptomen zählen ständige Gedanken an einen anderen Menschen, Stimmungsschwankungen, Schlaf- und Appetitlosigkeit sowie allergische Reaktionen. Angaben zu Möglichkeiten der Behandlung machte die WHO nicht.
6. März 2018
Anlässlich des Internationalen Frauentags hat die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring, eine Änderung des Textes der Nationalhymne gefordert. Aus „Vaterland“ soll „Heimatland“, aus „brüderlich” nunmehr “couragiert” werden. Die Überlegung, ob dies ein in der Sache grundsätzlich vernünftiger Vorschlag ist, wollen wir hier nicht weiter verfolgen. Klar ist, dass er im konkreten Fall nur von einem Nichtmusiker bzw. einer Nichtmusikerin kommen kann.
Wir haben gelernt, dass in guten Übertragungen eines Textes in Musik starke, also betonte Silben auch auf starke musikalische Zeiten, also betonte Taktteile fallen. Die Hymne ist bei Haydn im 2/2-Takt notiert, in anderen Ausgaben im 4/4-Takt. Das auf seiner ersten Silbe betonte Wort “brüderlich” fällt in beiden Varianten auf den Beginn der zweiten Takthälfte, also auf eine betonte Zeit, was schlüssig und musikalisch richtig ist. Ändert man nun “brüderlich” in “couragiert”, würde das neue Wort eine falsche Betonung auf der ersten Silbe erhalten, wird es doch allgemein üblich auf der letzten, dritten Silbe betont. Will man entstellende rhythmische Änderungen am Melodieverlauf vermeiden, kann demnach “couragiert” nicht in Frage kommen. Es müsste vielmehr ein Wort sein, das ebenfalls dreisilbig ist, auf der ersten Silbe betont wird und halbwegs synonym zu “brüderlich” ist, also etwa “gleichgesinnt”, “freundschaftlich” oder “kumpelhaft”.
Wir müssen davon ausgehen, dass Frau Rose-Möhring sich über diese Zusammenhänge keine Gedanken gemacht hat. Ein Experte resp. eine Expertin für das Wort-Ton-Verhältnis in der Musik könnte da Abhilfe schaffen. Mit einer solchen Fachkraft könnte Frau Rose-Möhring dann zu einer textlichen Neufassung der Hymne streben, wie auch immer gemeinsam, mit Herz und Hand und Unterpfand.
5. März 2018
Es sei eine der populärsten Opern des 20. Jahrhunderts, meinte der die Einführung haltende Referent während seines Vortrages, wir würden das schon noch merken. Recht behielt er – selbst bei einer weniger gelungenen Inszenierung hätte die Kraft der Partitur von Poulencs Dialogues des Carmélites ihre beeindruckende Wirkung entfaltet. Doch die Gelsenkirchener hatten, von ein paar wenigen eher schwach besetzten Nebenrollen abgesehen, auf jedem Gebiet Erstklassiges zu bieten: Inszenierung und Bühnenbild (Ben Baur), Sängerinnen (vor allem Bele Kumberger, Almuth Herbst und Petra Schmidt – ja, auch Sänger, aber die haben und spielen in dieser Oper keine große Rolle), Orchester, musikalische Leitung (Rasmus Baumann). Nicht nur der Schluss, der in Opernführern oft und berechtigt als besonders unter die Haut gehend beschrieben wird, bleibt haften, sondern das gesamte Stück. Poulenc hat mit Dialogues des Carmélites ein Meisterwerk hinterlassen, dessen sich das Musiktheater im Revier in jeder Hinsicht kompetent und in beeindruckender Manier angenommen hat. Ein großer Abend!
4. März 2018
Einer der Biografen von Francis Poulenc fand, der Maestro sei eine Mischung aus Spitzbube und Mönch. Dieses Urteil ist verständlich, denn zum einen war Poulenc ein Meister geistreicher Persiflagen und eleganter Parodien, zum anderen komponierte er komplex angelegte, tief vergeistigte Kirchen- und Kammermusik. Zu den Werken, die ihm unvergänglichen Ruhm eintrugen, gehören vor allem das Konzert für Orgel, Streicher und Pauken, das Stabat Mater und zwei Bühnenstücke: Der Monolog La voix humaine und die abendfüllende Oper Dialogues des Carmélites. Letzteres Werk höre und sehe ich heute Abend im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. Die Presseberichte sind euphorisch und meine Erwartungen an ein besonderes Opernerlebnis daher groß.
2. März 2018
Wer nur das Wirkliche gelten lässt, an der Sehnsucht nach dem Unmöglichen keine Freude findet und nie eine Minute übrig hat, um sie an einen schönen Traum zu verschwenden, wie arm ist der.
aus: Ludwig Ganghofer (1855 – 1920), Das Schweigen im Walde
1. März 2018
Kürzlich erzählte mir eine Bekannte, dass sie in ihren Seminaren regelmäßig die Lektüre von Rosamunde Pilcher-Romanen und das Anschauen der entsprechenden Verfilmungen empfiehlt. Ich war darüber ziemlich erstaunt, doch dann folgte ihre Erklärung: “Da taucht der hinterhältige Halbbruder auf, die böse Cousine, der rachsüchtige Ex-Verlobte. Irgendwer, den man glücklicherweise vergessen hatte, ist plötzlich da und sorgt für große Probleme. Unversehens müssen sich alle ihrer Vergangenheit stellen. Erst streiten sie, beharren auf ihren Standpunkten, wollen alte Rechnungen begleichen. Es gibt Drohungen, Ultimaten, Verletzungen. Dann gehen sie in sich und können Fehler eingestehen. Am Ende vergeben sie einander. Sie können über ihren Schatten springen und Frieden schließen, endlich auch mit sich selbst. Im Grunde sind es Lehrstücke, und wir sollten uns ein Beispiel an ihnen nehmen.”
28. Februar 2018
Was stimmte mit ihrer eigenen Generation nicht? Warum waren sie nie zufrieden? Warum musste alles und jeder ständig gemessen, verglichen und bewertet werden? Was war das für eine ungelöste Rastlosigkeit, die sie immer weiter trieb, voran, zum nächsten Ziel? Diese Unfähigkeit, innezuhalten und sich über die bereits erreichten Ziele zu freuen, eine ruhelose Angst, es könnte ihnen etwas entgehen, sie hätten etwas verpasst, das vielleicht ein kleines bisschen besser gewesen wäre, sie ein klein wenig glücklicher hätte machen können. So viele Wahlmöglichkeiten, wie sollten sie das alles schaffen?
Die ältere Generation hatte dafür gekämpft, ihre Träume zu verwirklichen: Ausbildung, ein Zuhause, Kinder, und dann war das Ziel erreicht. Weder sie selbst noch ihre Umwelt hatten erwartet, dass sie viel mehr bräuchten. Niemand fand, sie wären nicht ambitioniert, wenn sie länger als ein paar Jahre an einem Arbeitsplatz blieben, im Gegenteil, Loyalität war ehrenhaft. Sie hatten die Fähigkeit besessen, sich hinzusetzen un mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Hatten hart gekämpft und dann die Erfolge genossen.
aus: Karin Alvtegen, Der Seitensprung
26. Februar 2018
Ich war Anfang zwanzig, als ich sie zum ersten und einzigen Mal traf. So wie wir uns in den Jahren zuvor Briefe geschrieben hatten, in englischer Sprache, weil weder ihr Deutsch noch mein Portugiesisch für eine halbwegs flüssige Kommunikation ausreichten, so wie in den Jahren zuvor also schrieben wir nun auf, was wir dachten und fühlten. Wir saßen einander gegenüber, schoben einen Collegeblock zwischen uns hin und her und warteten ungeduldig auf die nächsten Sätze. Ich war wie paralysiert, brachte zwischendurch mit kehligen Lauten ein paar unsinnige Halbsätze hervor, dann schrieben wir weiter. Fiebrig, hilflos. Über Stunden ging das so. An diesem Nachmittag und noch lange danach wäre ich ihr bis ans Ende der Welt gefolgt. Wir haben uns nie wiedergesehen. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Clara!
23. Februar 2018
Heute, an Händels Geburtstag, ist es eine besonders schöne Nachricht, dass unsere Konzertreise nach Leipzig im Juni auf jeden Fall stattfinden wird. Das Angebot wird sehr gut angenommen, wir haben nur noch zwei freie Plätze. Händel mit Emmanuelle Haïm im Gewandhaus ist ja auch wirklich was Besonderes.
Auch für die Studienreise nach St. Petersburg im September können wir optimistisch sein. Bis jetzt sind bereits 17 Anmeldungen eingegangen. Alles sehr schön.
21. Februar 2018
Schon lange frage ich mich, warum die Gebühren fürs Fernsehen nicht nach Nutzungsdauer gestaffelt sind. So ist es doch bei Gas, Strom, Wasser, Benzin und vielem anderen auch. Wer mehr verbraucht, zahlt auch mehr. Also wer viel guckt, zahlt viel. Es wäre eventuell darüber zu reden, ob zwei Stunden pro Tag gebührenfrei sind. Vier Stunden kosten dann mehr, sechs noch mehr und so weiter. Oder ob Fernsehen nachts grundsätzlich billiger ist, ob es eine Flatrate gibt etc., da sind verschiedene Tableaus denkbar. Schon der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hat seinerzeit einen fernsehfreien Tag in der Woche gefordert. Darauf basierend könnte man verschiedene Tarife zur Auswahl anbieten, z. B. die Drei-Tage-Woche-light (nur an drei Tagen in der Woche mit Zeitlimit), das Weekend-all-inclusive (also nur freitags bis sonntags, dafür unbegrenzt) oder Happy-Hour (nur zwischen 23.00 und 04.00 Uhr, dafür täglich und besonders günstig). Und natürlich ein ordentliches Bonusprogramm: Wer regelmäßig arte, phoenix und 3sat einschaltet, guckt gratis.
20. Februar 2018
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat sein neues Buch veröffentlicht: “Die große Gereiztheit – Wege aus der kollektiven Erregung”. Sorgfältige Beobachtungen und detaillierte Analysen verschmelzen darin zu einer ernüchternden Bestandsaufnahme unserer Medienwelt, deren Regeln und Mechanismen Pörksen schonungslos offenlegt. “Wir sind auf dem Weg zur Empörungsdemokratie”, sagt er und ergänzt: “Wir sehen Gedanken- und Bewusstseinsströme in neuartiger Direktheit, Bestialisches, Banales, Relevantes, Irrelevantes. Diese Dauerkonfrontation mit dem Unterschiedlichsten löst eine Stimmung der Gereiztheit aus.” Pörksen beschreibt die permanente Verfügbarkeit von Information – eben auch die mit ungewisser Herkunft – und kommt zu dem Ergebnis, dass “Gerüchte und Falschnachrichten leichter verfangen” und durch immer mehr Information eine erfolgreiche Desinformation wahrscheinlicher wird. Pörksen verwendet Begriffe wie Skandalisierung, Entzauberungsmittel, Verzwergung, Grenzüberschreitung. “Wir haben ein Ausmaß an überbelichteten Verhältnissen”, stellt er fest und fordert “Prinzipien des guten Journalismus – arbeite wahrheitsorientiert, prüfe erst, publiziere später, sei skeptisch, versuche der Verführung durch Ideologien zu entgehen, benutze mehrere Quellen, unterscheide klar zwischen Werbung und Berichterstattung, skandalisiere nur, was tatsächlich relevant ist.” Leseempfehlung!
Pörksen, Bernhard: Die große Gereiztheit – Wege aus der kollektiven Erregung. München: Hanser, 2018.
18. Februar 2018
Termine bis zum Sommer. Mitfahrgelegenheit auf Anfrage.
04.03. Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier, Dialogues des Carmélites (Poulenc)
18.03. Berlin, Komische Oper, Xerxes (Händel)
03.04. Düsseldorf, Schauspielhaus, Dreigroschenoper (Weill)
15.04. Essen, Aalto-Theater, Salome (Strauss)
25.05. Antwerpen, Opera Vlaanderen, Titus (Mozart)
14.07. Berlin, Staatsoper Unter den Linden, L’incoronazione di Poppea (Monteverdi)
17. Februar 2018
Risotto schmeckt auch ohne Reis.
Rainald Grebe
16. Februar 2018
Zwar ist mir nach jahrelanger Praxis klar, dass die DVD ein Musikstück weitaus instruktiver transportieren kann die CD, oder einfacher gesagt: Die DVD kann das Hörverständnis in viel höherem Maße begünstigen als die CD. Ich spiele also im Kurs “Kulturführerschein” an der VHS Gütersloh eine CD mit Arnold Schönbergs Bläserquintett op. 26, da es eine DVD mit diesem Stück nicht gibt. Wir hören den ersten Satz, und das Verständnis für die Musik – von Gefallen soll gar nicht die Rede sein – hält sich in Grenzen. Das bin ich gewohnt.
Dann allerdings ereignet sich Erstaunliches. Ich lege eine DVD mit moderner Kammermusik polnischer Komponisten ein, und wir hören das Streichquartett Nr. 1 von Krzysztof Penderecki, das gegenüber dem Schönbergschen Bläserquintett deutlich modernere und komplexere Stück. Die DVD zeigt die vier Ausführenden, die bis auf den Cellisten alle im Stehen spielen, wie sie die Noten von einem über Beamer projizierten Laufband ablesen, so dass die Zuhörer den notierten Verlauf des Stückes mitlesen können. Die Klangerzeugung bietet so ziemlich alles, was das Zeug hat, den Laien zu verschrecken: Traditionelle Streichertechniken (arco, pizzicato, con sordino, sul ponticello, col legno, col legno battuta, senza vibrato) werden ebenso verwendet wie mehrere vom Komponisten entwickelte Techniken: Glissandi auf Trillern, sehr schnelles nicht-rhythmisches Tremolo, unbegrenzte höchstmögliche Tonlagen, Spiel zwischen Steg und Saitenhalter, Spiel auf dem Saitenhalter, Streichen der Saiten mit Handflächen, mikrotonale Intervalle und vieles mehr. Kommentar: Das war ja aufregend, richtig spannend! Na sieh mal an! Allein eine CD hätte eine solch positive Resonanz nicht hervorgerufen, das Sehen macht den Unterschied! Also im Zweifel fürs Hörtraining lieber das schwierigere Stück wählen, aber dafür mit Bildern.
12. Februar 2018
In Nordrhein-Westfalen wird das Schulfach Wirtschaft eingeführt. FDP-Bildungsministerin Yvonne Gebauer sagte in einem Interview mit ZEIT online, dass es um “volkswirtschaftliche Zusammenhänge und die Grundzüge unserer Wirtschaftsordnung” gehen soll, es stünden aber auch “lebenspraktische Dinge im Vertragsrecht im Fokus, zum Beispiel, was beim Abschluss eines Handyvertrages zu beachten ist oder was Zinsen sind.” Auf den Hinweis, dass es in NRW bereits Fächer wie Politik und Wirtschaft an Gymnasien oder das Fach Arbeitslehre/Wirtschaft an Gesamtschulen gibt, sagte Gebauer, dies reiche nicht mehr aus. “Wir werden den Stundenanteil von Politik und Wirtschaft aufstocken – um wie viel genau, das steht noch nicht fest. Aber andere Inhalte wie Politik werden nicht reduziert, sondern das Fach wird um mehr ökonomische Inhalte erweitert.”
Abgesehen davon, dass die vorgeblich so wichtigen Inhalte auch in den Fächern Mathematik, Geschichte, Gesellschaftslehre und Sozialkunde vermittelt werden können (und werden!), wünschte man sich den gleichen Eifer, der jetzt bei der Frühökonomisierung unserer Jugend an den Tag gelegt wird, auch bei der Reduktion der Defizitstunden in den Fächern Musik, Kunst und Sport.
10. Februar 2018
Manche verbergen sich vor der Wahrheit wie vor einem Gläubiger, den man nicht bezahlen kann.
Bettina von Arnim (1785 – 1859)
23.00 Uhr. Opernbesuch wegen der schlechten Witterungsverhältnisse verschoben. Stattdessen wieder “Lie with Me” angesehen. Hühnersuppe, Aspirin plus C und Zimt-Nelken-Tee für den Körper, “Lie with Me” für die Seele.
8. Februar 2018
In diesem Zusammenhang entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Niccolò Paganini seine Variationen über das Lied vom Hut mit den drei Ecken unter dem Titel “Carnevale di Venezia” veröffentlicht hat. Auch während der tollen Tage ist es ein Unterschied, ob jemand den Hut auf hat oder die Narrenkappe. Aber in der zugefrorenen Hölle ist das egal. Da hilft nur warm anziehen.
7. Februar 2018
Der Schulz, der hat kein Rückgrat,
kein Rückgrat hat der Schulz.
Und hätte er ein Rückgrat,
dann wär’ es nicht der Schulz.
5. Februar 2018
Francis Poulencs Oper “Dialogues des Carmélites” behandelt die Ereignisse im Karmelitinnenkloster von Compiègne bis zur Hinrichtung der 16 Karmelitinnen durch die Guillotine am 17. Juli 1794 in Paris. Das Stück war schon bei der Uraufführung am 26. Januar 1957 (Teatro alla Scala Milano) ein Erfolg und gilt heute als eines der wichtigsten Werke des Musiktheaters des 20. Jahrhunderts. Die Oper wird regelmäßig inszeniert und aufgeführt, in dieser Spielzeit allein in Deutschland an vier Häusern.
Das Opernmagazin bescheinigt dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen “einen Opernabend der ganz besonderen Klasse” und lobt begeistert “eine Opernregie, wie man sie nicht alle Tage erlebt und Musiker, Solistinnen und Solisten von Rang.” Am kommenden Samstag bin ich live dabei.
3. Februar 2018
Mein “Konzertführer Klassik” hat am Donnerstag mit siebzehn Teilnehmenden begonnen, drei weitere kommen ab der nächsten Woche hinzu. Die meisten wollen sich einen Überblick über musikalische Epochen und deren Stilmerkmale verschaffen. Wir wissen natürlich, dass beinahe zwangsläufig auch andere Themen und Aspekte zur Sprache kommen werden. Immerhin, wir haben mit Bachs 1. Brandenburgischen Konzert (warum gibt es da keinen Dirigenten?), Mozarts 40. Sinfonie (Sonatenhauptsatzform und musikalische Periode – wer “Hänschen klein” sagt, muss auch “ging allein” sagen) und dem langsamen Satz aus Beethovens 5. Klavierkonzert (was genau macht diesen romantischen Tonfall aus, Beethoven gehört doch zur Klassik) gleich eine Menge unterschiedlicher Fragen behandelt. “Das war ganz toll”, zeigte sich eine Teilnehmerin nach der ersten Einheit begeistert. So eine Resonanz ist natürlich schön und spornt an. Ich fand’s aber auch selber gut, ehrlich gesagt.
2. Februar 2018

Recharged Black Pepper heißt jetzt Black Peppercorn! Körperwaschgel für IHN. Mit schwarzem Pfefferschoten-Öl (für den antioxidativen Schutz), wohlriechendem Koriander und herbem Basilikum. Wäscht rein, duftet und macht bereit für den Tag.
Soweit die Werbung. Black Peppercorn von Molton Brown ist tatsächlich etwas Besonderes, ich habe es heute beim Duschen benutzt. Macht bereit für den Tag! Was nur, wenn der Duft auf Frauen besonders anziehend oder verstörend wirkt? Das Eis der sexuellen Belästigung ist zurzeit sehr dünn, vielleicht wäre da eine duftneutrale Waschlotion weniger risikobehaftet. Alternative: Abends mit Black Peppercorn duschen und danach sofort ins Bett gehen, allein natürlich. Dann hat Mann den Duft ganz für sich und kann sexuell unbesorgt (Achtung, semantische Falle!) einschlafen. No problem.
31. Januar 2018
29. Januar 2018
Nach soviel Nachdenklichkeit, Stille und aktivem Zuhören zum Schluss etwas Heiteres: Der Hagener Pianist und Entertainer Udo Hartlmaier beendet die Improvisationstage mit einer launigen Matinee. Zu Beginn Musikgeschichte in zehn Minuten mit einem Potpourri aus berühmten Melodien von Bach bis Lehàr, dann ein bisschen Peter Kreuder, schließlich auf Zuruf Stilkopien über “Die Gedanken sind frei”. Hartlmaier fragt das Publikum nach Stimmungen und improvisiert über Gemütszustände. Heiterkeit, Melancholie, Ehekrach und – wieder auf Zuruf – Verliebtheit bis zur Silberhochzeit werden von Udo Hartlmaier virtuos in Klänge gehüllt, nicht ohne Selbstironie und mit parodistischem Unterton. Hier versteht jemand sein Handwerk – technisch wie musikalisch, kenntnisreich wie unterhaltsam. Das Programm endet mit einer großen Paraphrase über die schöne blaue Donau. Das Publikum will eine Zugabe, und Hartlmaier lässt sich nicht lange bitten. Er sagt “beim Abschied leise Servus”, es gibt halt ka’ Musi’ ewig.
28. Januar 2018
Der zweite Abend der Improvisationstage bot den 90 Zuhörern in der Unteren Stadtkirche eine gut anderthalbstündige Reise durch die Verzierungswelten von Renaissance- und Barockmusik. Mit “Il spirito della diminution” zeigten William Dongois (Zink), Matthias Siegel (Sackbut/Zink), Carsten Lohff (Cembalo) und Anne-Catherine Bucher (Orgel), wie aus knappen Vorgaben der Komponisten ausgeschmückte und spontan inspirierte Kunstwerke entstehen. William Dongois, seit vielen Jahren renommierter Experte und Instrumentalist in führenden Ensembles der Szene, moderierte kenntnisreich und führte erläuternd durch das Programm. Die Künstler dürfen nicht, nein sie müssen verzieren, ließ er das Publikum wissen, “denn man kann nicht immer das Gleiche spielen”. Das Quartett bescherte seinen Zuhörern ein seltenes Klang- und Unterweisungserlebnis auf musikalisch und technisch hohem Niveau. Derartige Einblicke in Theorie und Praxis der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts gibt es im Konzertleben nicht alle Tage. So gab es langen und dankbaren Beifall am Ende einer in mehrfacher Hinsicht besonderen Demonstration.
Gestern Abend dann das Trio Susanne Escher mit “Alles ist da, nichts bleibt”, einem Programm mit experimenteller Improvisation. Im erläuternden Text heißt es, der ganze Körper ist Instrument und Klang – Geräusch, Gebläse, Rhythmik, Bewegung, Licht. Schwingen, Verbinden, Verlieren, Wandeln. Ungewohnte Töne, erzeugt von Klarinette, Flöte, Saxofon, Posaune, Tuba, Percussion. Dazu Bilder von Pinsel und Beamer. Vermeintlich Vertrautes wirkt fremd, neu. Ein großes Spüren und Nachspüren. Viel Zustimmung, auch Nachdenklichkeit und Irritation. Kommentare von “sehr cool” bis “fühle mich verarscht”. Wunderbar!
26. Januar 2018
Mit ihrem eigens für die Wetzlarer Improvisationstage kreierten Stück “Fishing in the Falling Tide” haben Studierende der Bochumer Ruhr-Universität das Festival gestern in beeindruckender Manier eröffnet. Wie im Programmtext angekündigt, präsentierte das Ensemble in Form einer Szenencollage seine experimentelle Auseinanderstetzung mit der Frage nach Individualisierung. Das Konzept von Sina Geist und Amelie Werner, durch Geräusche, Laute und Sprechtexte, Audioeinspielungen und Live-Musik sowie durch Bewegung und Bilder klangliche und szenische Wechselwirkungen von Planung und Improvisation zu erzeugen, ging vollends auf.
Das Publikum zollte den Akteuren Respekt, Anerkennung und viel Beifall für ein “für Wetzlar mutiges Stück”, wie ein Besucher bemerkte. Der abschließenden Einladung, sich über das gerade erlebte Stück mit dem Ensemble auszutauschen, folgte ein Großteil der Zuschauer.
Das Stück ging zu Ende mit einem Auszug aus Bob Mooreheads “Paradox unserer Zeit”, das von vielen als passender Abschluss der Performance angesehen wurde:
Wir haben hohe Gebäude, aber eine niedrige Toleranz, breite Autobahnen, aber enge Ansichten. Wir verbrauchen mehr, aber haben weniger, machen mehr Einkäufe, aber haben weniger Freude. Wir haben größere Häuser, aber kleinere Familien, mehr Bequemlichkeit, aber weniger Zeit, mehr Ausbildung, aber weniger Vernunft, mehr Kenntnisse, aber weniger Hausverstand, mehr Experten, aber auch mehr Probleme, mehr Medizin, aber weniger Gesundheit. Wir rauchen zu stark, wir trinken zu viel, wir geben verantwortungslos viel aus, wir lachen zu wenig, fahren zu schnell, regen uns zu schnell auf, gehen zu spät schlafen, stehen zu müde auf; wir lesen zu wenig, sehen zu viel fern. Wir haben unseren Besitz vervielfacht, aber unsere Werte reduziert. Wir sprechen zu viel, wir lieben zu selten und wir hassen zu oft. Wir wissen, wie man seinen Lebensunterhalt verdient, aber nicht mehr, wie man lebt. Wir haben dem Leben Jahre hinzugefügt, aber nicht den Jahren Leben. Wir kommen zum Mond, aber nicht mehr an die Tür des Nachbarn. Wir haben den Weltraum erobert, aber nicht den Raum in uns. Wir haben die Luft gereinigt, aber die Seelen verschmutzt. Wir können Atome spalten, aber nicht unsere Vorurteile. Wir haben gelernt schnell zu sein, aber wir können nicht warten. Wir machen neue Computer, die mehr Informationen speichern und eine Unmenge Kopien produzieren, aber wir erleben weniger miteinander. Es ist die Zeit, wo moderne Technik einen Text wie diesen in Windeseile in die ganze Welt tragen kann, und wo wir die Wahl haben: das Leben zu ändern – oder diesen Text und seine Botschaft wieder zu vergessen.
24. Januar 2018
Merkwürdigerweise gibt es in meinen Kursen, pauschal gesagt, eine gewisse Abneigung gegen sakrale Musik. Insgesamt kann ich mit Oratorien, Messen, Passionen und Kantaten kaum punkten. Vielleicht tun sich Atheisten, Agnostiker oder auch der Kirche gegenüber kritisch Denkende mit biblischen und geistlichen Texten schwer. Das mag sein, auch wenn in einem Hörkurs nicht theologische Aspekte, sondern andere Dinge im Vordergrund stehen. In Werken von Dufay, Bach, Mozart oder Verdi finden sich zuhauf meisterhafte Techniken, Textauslegungen und differenzierteste musikalische Ausdrucksmittel. Diese allerdings ändern sich mit den jeweiligen historischen Bedingungen! Warum schreibt Heinrich Schütz zu Anfang des 17. Jahrhunderts Musik für große Besetzungen, zumeist doppelchörig und für zahlreiche Instrumente, später aber fast nur noch für zwei Sopranstimmen und Basso continuo? Ja, richtig – der Dreißigjährige Krieg hatte die Männer dahingerafft, und es war schlicht niemand mehr da, der die vormals komponierte Musik hätte aufführen können. Also, es gäbe eine Menge zu lernen und spannende Zusammenhänge zu entdecken. Man muss nicht religiös sein, um sich für die Musica Sacra begeistern zu können. Wer nicht (mehr) an die große Liebe glaubt, kann notabene schmachtende Opernduette trotzdem toll finden.
23. Januar 2018

Unsere nächste Studienreise geht vom 7. – 10. Juni 2018 nach Leipzig. Bestandteile sind An- und Abreise im ****Reisebus, Unterkunft im Hotel TRYP by Wyndham Leipzig North****, Besuch eines Konzertes im Gewandhaus (Werke von G. F. Händel, Gewandhausorchester, Ltg. Emmanuelle Haïm) am 9. Juni, eine halbtägige Stadtrundfahrt (ca. 3 Stunden) am 8. Juni und ein Besuch im Händelhaus Halle mit Führung (ca. 1 Stunde) am 10. Juni. Preis 385 € im DZ, Einzelzimmerzuschlag 60 €. Anmeldungen online, weitere Informationen über das Sekretariat der Wetzlarer Musikschule (Tel. 06441-42669).
22. Januar 2018
In memoriam Paul Bocuse (1926 – 2018)
Mousse au chocolat
6 Eier
150 Gramm weißer Zucker
200 Gramm Schokolade (halbbitter)
125 Gramm weiche Butter
1 kleine Kaffeetasse sehr starker Mocca
1 Prise Salz
Die Eier trennen. Die Eidotter mit dem Zucker cremig schlagen (Wasserbad). Butter zusammen mit der Schokolade in einem Extratopf schmelzen. Die Butter-Schokomasse vorsichtig unter die Eigelb-Zuckermasse heben und den warmen Mocca (ca. 6 EL) unterrühren. Eiweiß zu Eischnee schlagen. Zunächst 3-4 EL Eischnee unter die Créme rühren, dann die Créme unter den restlichen Eischnee heben. Die fertige Mousse in Gläser, Schälchen oder in eine Glasschüssel füllen und für einige Stunden abgedeckt in den Kühlschrank stellen.
21. Januar 2018
Vor ein paar Tagen lief auf 3sat der 2005 in Kanada gedrehte Film Liebe mich! (Lie with me; Regie Clément Virgo), ein gleichermaßen sensibles wie freizügiges Werk über eine junge Frau, die nach zahllosen Sex-Abenteuern zum ersten Mal der Liebe begegnet und nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. Von vertrauten Unsicherheiten – wie kann man mit jemandem Sex haben, in den man verliebt ist? – handelt Liebe mich! ebenso wie von der Frage nach der Verantwortung für eigene Gefühle und die gegenüber einem anderen Menschen. Die Hauptdarsteller Lauren Lee Smith und Eric Balfour bieten eine bemerkenswerte Ausdruckspalette von sensibel-zerbrechlich bis selbstbewusst-offensiv und sind dabei absolut überzeugend. Ein Film für unverbesserliche romantische Schwärmer und für diejenigen, die sich auch weiterhin der Müdigkeit ihrer Seele nicht unterwerfen wollen. Die letzten Sätze, aus dem Off gesprochen, klingen lange nach: “Du musst warten, bis du ganz schutzlos bist. Und du musst mit jemandem warten, der ebenso entblößt ist wie du. Und dann musst du noch einen Moment länger warten.”
6. Wetzlarer Improvisationstage
20. Januar 2018

Tipp! 4. und letzte Woche, nur Sonntag, 21. Januar 2018, Filmkunsttheater Marburg (Atelier, Steinweg 4), 12.45 Uhr: L’Opera de Paris (F/CH 2017, Orig. m. UT). Eine von der Kritik hochgelobte Dokumentation über die Pariser Oper – wie funktioniert eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt, wo laufen die Fäden zusammen, und wer trifft die wichtigen Entscheidungen? Absolut sehenswert! Letzte Chance!
19. Januar 2018
Unabhängig von der Frage, ob eine neue GroKo nun zu befürworten ist oder nicht, tritt der gegenwärtige Juso-Bundesvorsitzende Kühnert einen interessanten Beweis an. Er zeigt nämlich, dass auch Menschen mit dem Vornamen Kevin zu überdurchschnittlichen intellektuellen Leistungen fähig sind. Noch 2009 hatte eine Studie der Universität Oldenburg belegt, dass in ganz Deutschland Pädagogen Vorurteile gegen Kinder mit Namen wie Justin, Marvin, Cedric, Mandy, Angelina, Chantal, Maurice und insbesondere Kevin hegen. Zu diesen Namen fielen den Lehrkräften am häufigsten die Attribute “verhaltensauffällig” und “leistungsschwach” ein. Vornamen wie Charlotte, Sophie, Hannah, Alexander oder Jakob verbanden sie dagegen mit Eigenschaften wie “leistungsstark” oder “freundlich”.
Kevin Kühnert ist Jahrgang 1989, das Ende seiner Schulzeit fällt also ungefähr mit dem Zeitpunkt zusammen, zu dem die Oldenburger ihre Studie vorgelegt haben, an der sich im Übrigen 2000 Grundschullehrkräfte beteiligt hatten. Kühnert wird zweifellos sein Abstraktionsvermögen ebenso wie sein rhetorisches Talent bereits während seiner Schulzeit unter Beweis gestellt haben. Also, auch ein Kevin kann’s (wenigstens einer, haha)! Über Regeln und ihre Ausnahmen sprechen wir ein andermal.
17. Januar 2018
Bodypositivity: US-Drogeriekette verbannt gephotoshoppte Models von ihren Produkten
ZEIT online, 17. Januar 2018
Na, das wird die supporteten Kunden aber sehr gesatisfighted (!) machen …
16. Januar 2018

Mit der Vermittlung von Musik des 20. Jahrhunderts bleibt es in meinen Kursen weiter schwierig. Gestern Abend stand die Sinfonie Mathis der Maler von Paul Hindemith auf dem Programm. Wie immer hatte ich ein Skript mit Erläuterungen vorbereitet. Wir sprachen über die Entwicklung der Tonalität, über neobarocke Formen in Hindemiths Werk, dazu ein wenig Rezeptionsgeschichte. Nach dem Hören der Sinfonie (über CD, eine Aufnahme auf DVD ist leider nicht erhältlich) folgte großes Schweigen. Auf Nachfrage die Antwort: “Dazu kann man nicht viel sagen.” Dann der Anfang zu Cardillac, etwa zehn Minuten. Immerhin der Kommentar “Das ist wohl schwer zu singen” und ein paar anerkennende Worte zum Bühnenbild. Über die Musik wieder nichts. Auf den Satz “Ist eben kein Mozart” habe ich zum Glück vergeblich gewartet.
Wieder zu Hause, habe ich einen Hindemith-Bildband genommen und Fotos angeschaut. Hindemith war so interessiert daran, Laien seine Musik nahezubringen! Ich würde wirklich gerne helfen, und es hat ja auch schon so manches Mal geklappt. Gestern nicht.
14. Januar 2018
Mariame Clément inszeniert Salome von Richard Strauss im Essener Aalto-Theater, für insgesamt neun Vorstellungen in dieser Spielzeit. Das Haus spricht auf seiner Homepage über die Oper von einem “faszinierenden Psychogramm über seelische Abgründe in einer Welt voller unterdrückter Leidenschaften, Hass und Einsamkeit” und beschreibt anschließend den Siegeszug des Stückes nach seiner Uraufführung im Jahr 1905 an der Dresdner Hofoper: “Zur österreichischen Erstaufführung in Graz kamen sogar Giacomo Puccini, Gustav und Alma Mahler, Arnold Schönberg, Alexander von Zemlinsky und Alban Berg, und auch Thomas Manns fiktiver deutscher Tonsetzer Adrian Leverkühn will dabei gewesen sein – niemand, der auf der Höhe der Zeit bleiben wollte, konnte sich Salome entgehen lassen. Die faszinierende und verstörende Geschichte von sinnlichem Begehren und unerbittlicher Rache wird von Strauss in einen rauschhaften und betörenden Orchesterklang gekleidet, der zugleich psychoanalytische Einblicke in die seelischen Abgründe aller Figuren zulässt.”
Als Bewunderer der Regiekunst von Mariame Clément bin ich natürlich sehr gespannt darauf, wie sie das Stück inszenieren wird. Üblicherweise sind ihre Arbeiten mutig und unkonventionell, ja frappierend, wie ich es im letzten Jahr in Dijon bei Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria und in Straßburg mit Cavallis La Calisto erlebt habe. Jetzt also Salome in Essen – wie schön! Premiere ist am 31. März.
13. Januar 2018
Mein Vorschlag, in den Kursen auch einmal die Geschichte der Operette zum Thema zu machen, ist bei den Teilnehmenden bisher auf wenig Begeisterung gestoßen. Vielleicht sind die Handlungen mit ihren Scheinkonflikten und Sentimentalitäten ein Grund dafür, wofür ich ein gewisses Verständnis habe. Dennoch: Johann Strauß zum Beispiel wurde für seine Musik von Kollegen wie Brahms, Wagner und Verdi in den höchsten Tönen gelobt. Auch der kompositorische Rang eines Jacques Offenbach ist unbestritten, wenngleich seine Oper “Les Contes d’Hoffmann” (Hoffmanns Erzählungen) bis heute mehr Bewunderung erntet als seine Operetten “Pariser Leben”, “Die schöne Helena” oder “Oprheus in der Unterwelt”. Selbst über die Berliner Größen Lincke, Gilbert und Kollo wird mit Respekt und aufrichtiger Anerkennung gesprochen. Es wäre insofern ganz folgerichtig, wenn wir uns demnächst in einem Kurs mit der Operette und ihren Zentren Paris, Wien und Berlin beschäftigen würden.
Wahrscheinlich ist mir dieses Thema durch den Kopf gegangen, als ich vorhin im Supermarkt war und ein paar Wiener gekauft habe, denn ich habe auch Berliner mitgenommen, zum Kaffee am Nachmittag. Nach Parisern habe ich nicht geschaut.
10. Januar 2018
Gestern haben wir im Kammermusikkurs das Klaviertrio von Maurice Ravel gehört. Nach den knapp dreißig Minuten meinte eine Teilnehmerin, sie habe das Hören als anstrengend empfunden. Das ginge ihr mit Musik des 20. Jahrhunderts oft so, ergänzte sie und erntete dafür beifälliges Nicken. Da war es also wieder, unser Dauerthema! Keine spontan erkennbaren Strukturen, viele Dissonanzen, man kann nichts nachsingen und so weiter. Daran wird sich allerdings nichts ändern, wenn das Hören auch nur gemäßigt moderner Musik – wir sprechen von Ravel und nicht etwa von Ruzicka – als kulante Pflichtübung abgeleistet wird, sozusagen als politisch korrektes Zugeständnis an eine Kunst, von der allenthalben behauptet wird, es sei eine solche. Wo ist die Lust aufs Unbekannte, auf Unentdecktes, auf Überraschungen? Muss eigentlich der Begriff der Anstrengung negativ besetzt sein? Was ist schlecht daran, wenn etwas anstrengend ist? Wir sollten uns einfach mehr abverlangen! Das hat Ravel im Übrigen auch getan – das Komponieren des Klaviertrios war anstrengend.
8. Januar 2018
Mit jeweils drei Tagen in Dresden und Berlin hätte es kaum einen besseren Start ins das neue Jahr geben können. Schon der Ausklang 2017 war mit zwei schönen Opernbesuchen in Duisburg und Dortmund gelungen, doch die voll besetzte Semperoper sorgte mit Korngolds Die tote Stadt am Tage nach Neujahr für einen Paukenschlag. Natürlich ist die Musik von entwaffnender Direktheit und bezwingendem Charme, doch selbstverständlich sind es die Themen von Vergänglichkeit, Abschied und Aufbruch, die zu Kontemplation und geistiger Versenkung auffordern. Ein besseres Stück hätte ich zu Anfang des Jahres nicht wählen können. Und das in einer so großartigen Qualität erleben zu dürfen, ist schon etwas sehr Besonderes und wird lange nachwirken!
In der aktuellen Karte des Raskolnikoff ist der schöne Text von Robert Gernhardt leider nicht mehr enthalten. Die freundliche Bedienung klärte mich darüber auf, dass es die neue Karte seit nunmehr vier Jahren gibt. Dann machte sie sich auf die Suche nach der alten Karte und fand tatsächlich noch ein Exemplar. Und da stand es, schwarz auf weiß:
Kommt, das gute Brot des Nordens
wolln wir stückchenweise braten
in dem guten Öl des Südens,
wie es schon die Väter taten.
Von dem guten Wein des Westens
trinken wir, dieweil wir essen,
um die liebe Not des Ostens
schlückchenweise zu vergessen.
Ein herrlicher Text! Das Essen war gut, wie damals. Entensülze mit Bratkartoffeln (rote und weiße Kartoffeln, mit Speck und Zwiebeln). Dazu ein Hausbier. Apropos: Natürlich war ich auch im Hopfenkult und habe gelernt, dass es der Citra-Hopfen ist, der dem Pale Ale seinen unverwechselbaren Geschmack gibt. Ich habe ein paar Flaschen zum Probieren mitgenommen.
Dann Berlin, mit Muße und ganz ohne Programm. Ausgesprochen wohltuend! Da ich mein Kulturprogramm gewissermaßen schon abgeleistet hatte, war Zeit zum Ausatmen. Also ein Besuch in der Kastanie (mein Lieblingslokal in Berlin), Bummeln durch die Bergmannstraße bis zum Mehringdamm, dort ein Bier im Dolden Mädel (unbedingt zu empfehlen, wenn man Bier mag), Abendessen in der Trattoria a’ Muntagnola (Fuggerstraße, Gerichte in der Tradition der Basilicata). Kein Konzert, keine Ausstellung. Keine Philharmonie, kein Museum. Es hätte gerne so weitergehen können, aber man kann nicht alles haben. Was ich in diesen paar Tagen hatte, war sehr viel. Und sehr schön. Frohes Neues Jahr!