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2015

20. Dezember 2015

20. Dezember 2015

„Eine beschwingte Partitur mit optimistischem Grundton. Originell und mit vielen Aha-Effekten …“, schreibt die Frankfurter Rundschau, und die Welt am Sonntag befindet: “Schlaflosigkeit und Burn-out sind die neuen Volkskrankheiten. Der Psychologe Stephan Grünewald empfiehlt ein altbewährtes Hausmittel gegen die Erschöpfung: Nehmen Sie Ihre Träume ernst!“ Wasser auf meine Mühle! Die Rede ist von Grünewalds Buch Die erschöpfte Gesellschaft (Herder 2015, ISBN 978-3451067006). Mein Last Minute-Tipp für Weihnachten, zum Verschenken oder – besser – zum Selberlesen!

Frohe Festtage! Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich im alten Jahr begleitet haben – Veranstalter, Kursteilnehmende, Konzertbesucher, Redakteure, Organisatoren, Helferinnen und Helfer und alle übrigen! Auf dass wir uns auch im kommenden Jahr wieder zu den unterschiedlichsten Themen und Anlässen hören, sehen oder voneinander lesen werden. Ich freue mich sehr darauf! Auf ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2016!

Ihr und Euer
Thomas Sander

19. Dezember 2015

19. Dezember 2015

Wetzlarer Neue Zeitung, 18. Dezember 2015

In Wetzlar wird improvisiert
Premiere – Am 21. Januar startet eine neue Konzertreihe von Musikschule und Stadt

Wetzlar. Das Kulturleben der Stadt wird um eine Attraktion reicher. Denn zum ersten Mal öffnen die “Wetzlarer Improvisationstage” am 21. Januar 2016 ihre Pforten. Bis zum 24. Januar steht dann musikalische Improvisation im Mittelpunkt, um aber Verbindungslinien unter anderem zu Tanz oder Musik zu ziehen. Veranstaltet wird das Festival von der Musikschule und dem Kulturamt, die diesmal als Dritten die Phantastische Bibliothek ins Boot holen. “Dieses Festival ist etwas ganz Neues”, freute sich Kulturamtsleiterin Kornelia Dietsch, die das Programm gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter und Chef der Musikschule Thomas Sander vorstellte.

Ein wenig sei die Idee zum Festival aus der Tradition der “Wetzlarer Gitarrentage” entstanden. Über viele Jahre habe man sie erfolgreich durchgeführt, um sie jetzt durch Neues zu ersetzen. “Die Gitarrentage waren so lange wunderbar, so lange sie für die Stadt ein Alleinstellungsmerkmal waren”, ergänzte Sander. Mittlerweile sei es jedoch nicht mehr so einfach, Künstler exklusiv zu bekommen. Da es zudem nun auch Gitarrentage an anderen Orten gibt, wurde ein neues Alleinstellungsmerkmal gesucht – und in den Improvisationstagen auch gefunden. Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe ist dabei immer die Musik, aber der dritte Partner und sein Beitrag sind nicht festgelegt. Diesmal ist dies die Phantastische Bibliothek, es kann beim nächsten Mal ein ganz anderer sein, etwa ein Fotograf.

Der Startschuss für die Erstauflage fällt am 21. Januar um 19.30 Uhr in der Musikschule. Unter dem Motto “nogonie” wird Fine Grafenhorst Tanz-Performance-Theater präsentieren. Natürlich zu improvisierter Musik. Weiter geht es am 22. Januar um 19.30 Uhr im Dom mit Thomas Lennartz’ Orgelimprovisation durch die Jahrhunderte unter dem Titel “Vorgelesen”. Die musikalische Darbietung des Professors für Improvisation und Liturgisches Orgelspiel sowie Leiters des Kirchenmusikalischen Instituts der Leipziger Hochschule für Musik und Theater wird durch Textvorträge ergänzt.

Am 23. Januar um 19.30 Uhr geht es in die Phantastische Bibliothek zu Jazz und Poesie mit Künstlern aus der Schweiz und Österreich. Konkret werden der Künstler-Poet Peter Assmann und das “Trio Mafare” eine so genannte “Fantastic Jazz-Lit-Impro” darbieten. Festivalabschluss ist dann am 24. Januar um 11 Uhr wieder in der Musikschule mit Gilda Razanis und Hans Wannings “About Aphrodite”. Zu erwarten sind musikalische Darbietungen mit Saxofon, Theremin, Piano und Electronics. Der Eintritt zu den Konzerten ist frei, eine Spende wird erbeten. (sh)

17. Dezember 2015

17. Dezember 2015

1993, drei Jahre vor ihrem Tod, entwarf Ruth Berghaus, die “Grande Dame des Regietheaters”, Carl Maria von Webers Freischütz für das Opernhaus Zürich. Über fast alle Produktionen von Ruth Berghaus wurde kontrovers diskutiert, und auch der Freischütz bildet keine Ausnahme. Oft, so heißt es in der DVD-Ausgabe von Zweitausendeins, hat sie mit ihrem Stil dem Naturalismus eine radikale Absage erteilt. Bildsprache, Signale, Gestik und visuelle Brüche waren ihr wichtiger als das Nacherzählen der Handlung. Der Live-Mitschnitt aus dem Zürcher Opernhaus von 1999 (Harnoncourt; Nielsen, Hartelius, Seiffert, Salminen, Polgár) dokumentiert das auf beeindruckende Weise.

Unbedingt vormerken: Matti Salminen singt im Frühjahr 2016 im Staatstheater Wiesbaden in der Neuinszenierung von Mussorgskys Boris Godunow die Titelpartie! Premiere ist am 25. März (Karfreitag).

14. Dezember 2015

Gestern, beim Benefiz-Weihnachtskonzert Wetzlarer Schulen, spielten vier Jugendliche der Goetheschule den “Weihnachtskanon” von Johann Pachelbel, in der Besetzung für drei Violinen und Klavier. Nun, eigentlich heißt das Stück schlicht “Kanon” und ist die wohl populärste Komposition Pachelbels. Dem Kanon folgt im Original eine Gigue, die jedoch gestern entfiel. Dem Rahmen der Veranstaltung entsprechend hieß also das Stück “Weihnachtskanon”, macht ja nichts. Doch wie klingt eigentlich Weihnachtsmusik? Was ist das überhaupt? 6/8-Takt, mezzopiano, Violinen? Letztere, sagen wir es mal so, können zum Generieren einer gewissen Empfindsamkeit hilfreich sein, und das ganz positiv, wie gestern. Streichinstrumente sind Emotionsträger. Der Himmel hängt voller Geigen – und eben nicht voller Klarinetten, Gitarren oder Marimbaphonen. Doch auch für die gibt es Weihnachtsmusik, von lieblich bis laut, von schön bis schräg. Und nebenbei, Geigen können auch ganz anders, siehe “Psycho”. Doch ein Hitchcock-Thriller ist kein Weihnachtsfilm, und der Nikolaus ist kein Osterhase, wie wir von Uli Hoeneß gelernt haben. Wie ich heute lese, muss Glühwein laut Gesetzgeber mindestens sieben Prozent Alkohol beinhalten. Da wird uns doch gleich warm ums Herz, ganz ohne Weihnachtsmusik.

12. Dezember 2015

12. Dezember 2015

Wozu das Künstlergeschwätz, die endlosen Gespräche über Kunst, die Auseinandersetzungen in den Künstlercafés bis zwei Uhr nachts, wo man den lieben Gott in der hohlen Hand zu halten meint?
Auf dem Wege, inmitten dieses flachen Landes, habe ich die Empfindung, als hätte ich niemals etwas verstanden, niemals etwas gesehen, als kennte ich nicht mehr davon wie der schwarze Käfer, der über die Straße läuft und sich im Staube abmüht.
Vor einigen Tagen habe ich bei dem Direktor einer Kunstzeitschrift gesessen.
“Was halten Sie von den modernen Kunstrichtungen? Ist die Rückkehr zum Neo-Naturalismus eine Gefahr?” fragte er mich.
Am Ende der Straße senkt sich das Tal, und auf dem anderen Abhang liegt die kleine Stadt Nesles: Schieferdächer, grüne und rote Vierecke scheinen den blauen Himmel zu berühren und in ihm aufzugehen.
“Ist der Neo-Naturalismus eine Gefahr?”
Ungleich lieber hätte ich die einfache Frage gehört: “Wie finden Sie mein Dienstmädchen?”

Ich habe erfahren, dass es Augenblicke gibt, wo die Worte Seligkeit, Glück, Eingebung, Schwärmerei nichts mehr ausdrücken. Ich erinnere mich an innerlichst bewegte Minuten, da ich mich außerhalb der Zeit befand. Wenn dann jemand seine Hand auf meine Schulter gelegt und gesprochen hätte: “Sag’ einen Wunsch, verlange, was du haben möchtest. Willst du reich sein? Willst du ein Schloss haben? Dienerschaft? Oder Mitglied der Ehrenlegion werden?” würde ich antworten: “Nein, nichts, es kommt, wie es kommt…”
Die Straße weiter hinauf, in der Nähe des kleinen Tümpels, liegt der Friedhof. Die Gitterpforte ist immer geöffnet, den ganzen Tag scheint die Sonne darauf. Eine einzelne Tanne ragt über die Mauer. Kein Lärm stört die Ruhe der Ebene. Im Winter fliegen die Raben vorbei und im Sommer junge Rebhühner… und so wiederholt es sich immer…
Dort ruht mein Vater. Wie einfach das ist, er hat gelebt.
Wenn er mich hören könnte und ich ihn fragte: “Wünschest du etwas?”, würde er mir antworten: “Nein, nichts… jeder zu seiner Zeit. Im Augenblick bist du an der Reihe… Liebe das Leben… liebe es um seiner selbst willen…”
Maurice de Vlaminck (1876 – 1958), “Gefahr voraus!” Aufzeichnungen eines Malers. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1930. Übersetzung von Jürgen Eggebrecht
Original: Tournant dangereux, souvenirs de ma vie

10. Dezember 2015

10. Dezember 2015

Plovdiv wird Kulturhauptstadt Europas 2019! Endlich! Das heißt, wir können uns jetzt drei Jahre lang darauf freuen und dann hinfahren. Nein, wir fahren vorher hin und schauen uns diese unglaubliche Stadt an und tauchen ein in eine wunderbare, andere, neue, alte Welt. Wie schön!

Das antike Theater aus dem 2. Jahrhundert, das von Kaiser Marc Aurel angelegt wurde und heute 3000 Zuschauern Platz bietet, wenn in den Monaten Mai, Juni und September klassisches Theater gespielt wird und viele Konzerte stattfinden.

8. Dezember 2015

Internet-Fundstück, aus einem Interview im Oktober 1996, veröffentlicht in RONDO 5/97.

RONDO: Sie haben mal geschrieben: “Wir steuern auf einen allgemeinen kulturellen Zusammenbruch zu” …
Harnoncourt: Das ist nicht zu übersehen. Aber es ist eigenartig, dass ein Pessimist wie ich, der überhaupt keinen Ausweg sieht, irgendeinen Funken hat, dass es doch nicht so ist. Aber das ist wahrscheinlich der menschliche Wahnsinn.
RONDO: … der einen überleben lässt …
Harnoncourt: Vielleicht.

7. Dezember 2015

7. Dezember 2015

Am Vorabend seines 86. Geburtstags, den er gestern feierte, hat Nikolaus Harnoncourt seinen Rückzug vom Dirigentenpult bekannt gegeben. “Meine körperlichen Kräfte gebieten eine Absage meiner weiteren Pläne”, schrieb er in einem Brief an sein Publikum. Alle noch anstehenden Termine sind abgesagt. Vor einem Jahr noch, in einem Interview mit der WELT, sagte er: “Jetzt werde ich dauernd für mein Lebenswerk lobgestrudelt. Furchtbar. Das klingt so abgeschlossen. Ich bin doch noch nicht fertig! Oder wollt ihr, dass ich alter Trottel aufhör’?”

Nun hört er auf, und wir können ihm nicht genug danken für alles, was er uns in Wort, Schrift und Ton geschenkt hat. Reich sind wir geworden durch ihn, haben die Musik besser verstanden, sie neu gehört, als “Klangrede” mit eigener Syntax, Grammatik, Rhetorik. Ich habe das Glück gehabt, ihn mit seinem Concentus Musicus Wien im dortigen Konzerthaus zu erleben, mit einem reinen Bach-Programm, im Herbst 1983. Schon vorher habe ich ihn sehr bewundert, das ist bis heute so geblieben. Für die Zukunft nur das Beste, Nikolaus Harnoncourt!

6. Dezember 2015

6. Dezember 2015

Tipp: Köln, Weihnachtsmärkte. Dom, Neumarkt (besonders schön!), Alter Markt, Heumarkt.
Schöne Verkaufshäuschen, großes kunstgewerbliches Angebot, vielseitige Gastronomie,
geschmackvolle Dekoration, keine nervtötende Musik. Sehr empfehlenswert!

3. Dezember 2015

3. Dezember 2015

Was übrigens meinen besonderen Unmut erregt, ist die Allgegenwart des Sports in der aktuellen Berichterstattung. Was passiert denn da? Da verkündet ein Leistungssportler, dass er gewinnen möchte und der Gegner nicht zu unterschätzen sei oder ähnliche Plattitüden. Sport ist natürlich nichts Schlimmes, wenn man ihn selbst betreibt, aber müssen wir uns das ständig als Objekt gesellschaftlicher Auseinandersetzung bieten lassen?
Christian Gerhaher

Buchtipp:
Christian Gerhaher
Halb Worte sind’s, halb Melodie. Gespräche mit Vera Baur
Henschel Verlag, Leipzig 2015
ISBN 978-3894879426
Gebunden, 176 Seiten, € 22,95

1. Dezember 2015

Ich finde, es gehört zum Leben dazu, dass es kompliziert ist und am Ende als Rechnung nicht aufgeht.
Christian Gerhaher

29. November 2015

Spectre, so wird allenthalben orakelt, könnte Daniel Craigs letztes Abenteuer als James Bond gewesen sein. Manche Beobachter meinen, die vier Filme mit Craig seien inhaltlich wie formal als Tetralogie zu verstehen, Spectre habe erkennbar den Schlusspunkt gesetzt. Andere glauben, Craig sei schlicht bondmüde, was für ein schönes Wort. Schon befasst sich die Filmwelt mit der Frage, ob nicht die Zeit reif ist für eine Frau in der Rolle von 007Jamie Bonda, vielleicht dunkelhäutig, oder alleinerziehend, oder lesbisch (Bonda-Boys welcome). Oder alles gleichzeitig. Vielleicht mit familiären Wurzeln in Ostdeutschland (zur Not ginge auch Bielefeld). Bei insgesamt nunmehr 58 Beischlafpartnern in 25 Filmen und der Lizenz zum Vö… äh, Töten wäre HIV-positiv noch eine Option. Das Büro leitet Manni Penner, ggf. mit Schwerbehinderung, der Gleichstellungsbeauftragte lässt grüßen. Frau Broccoli sollte sich beizeiten Gedanken machen, doch nicht zu viele. Manche Ideen zur cineastischen Abbildung gesellschaftlicher Wirklichkeiten zerstieben zuweilen schneller als 007 schießen kann.

26. November 2015

26. November 2015

Mir fällt gerade auf, dass ich in diesem Jahr nur auf ein halbes Dutzend Opernbesuche kommen werde. Doch immerhin, es waren Aufführungen in sechs verschiedenen Städten, mit sehr schönen Abenden: Mozarts Idomeneo in Essen, Donizettis Linda di Chamounix in Gießen, Cestis Orontea in Frankfurt, Puccinis La Bohème in Wien, Mozarts Schauspieldirektor in Berlin, Verdis La Traviata in Dortmund. Und das nächste Jahr beginnt mit einem Paukenschlag, gleich im Januar: Cavallis Xerse in Caen! Darauf freue ich mich sehr, vor allem auf Emmanuelle Haïm und Le Concert d’Astrée. Ich war zum letzten Mal vor vier Jahren in Frankreich (Paris, Tannhäuser in der Bastille), doch mein letzter Besuch in der Normandie liegt ewig zurück. Damals allerdings war ich nicht als Operntourist unterwegs, sondern schlicht als urlaubender Mittdreißiger, der sich für Cafés, Restaurants, Häfen und Strandpromenaden interessiert. Ich habe mir damals Deauville, Honfleur und Étretat angesehen, daran habe ich schöne Erinnerungen. Ein Abstecher nach Caen war auch dabei, nur für ein paar Stunden und ohne Theater, im wahrsten Sinne des Wortes. Das wird jetzt anders sein, wie schön!

24. November 2015

Heute Morgen las eine Sprecherin mit deutlich hörbarem Sigmatismus die Nachrichten auf hr-online. Webdefinitionen bestimmen das Lispeln als Form der Dyslalie. Diese gilt in der deutschen Sprache als – Achtung – “Sprechfehler”. Wohlgemerkt “Sprechfehler”, nicht “Sprachfehler”. Ich hatte von Anfang an den Verdacht, dass die Bezeichnung “Sprachfehler” wohl unziemlich ist. Angeblich lispeln manche Menschen nicht, wenn sie singen. Stimmt, ich zum Beispiel. Aber ich lispele auch sonst nicht. Naja, die Sprecherin, also die mit dem Sprechfehler, hätte ja die Nachrichten singen können. Aber vielleicht kann sie auch das nur fehlerhaft, wer will das wissen? Und wenn schon! Es gibt ja auch Leute, die für die Zeitung oder für den Videotext arbeiten und nicht fehlerfrei schreiben können. Da hilft dann auch Singen nicht. Wer nicht hören will, kann ja lesen? Oder singen? Falsches Sprechen, falsches Schreiben, falsches Singen – alles halb so wild heutzutage, alles irgendwie egal. Man kann eben aus einem Pisspott keine Mokkatasse machen. Wozu auch?

23. November 2015

Franz von Suppé, eigentlich Francesco Ezechiele Ermenegildo Cavaliere Suppé-Demelli (was ja viel schöner klingt!), verdankt seine Popularität hauptsächlich den Ouvertüren zu “Leichte Kavallerie” und “Dichter und Bauer”, zudem seiner Operette “Boccaccio”. Dass er insgesamt über 200 Bühnenwerke schrieb, ist nur wenig bekannt. Immerhin aber wird sein 1855 komponiertes Requiem in d-Moll gelegentlich aufgeführt. Ein bemerkenswertes Stück, das klingt, als ob Suppé hat sagen wollen “Hört mal her, das kann ich auch”, und in der Tat findet er hier zu einer ganz eigenen romantischen Tonsprache. Wie schön für uns, dass er ein paar Jahre zuvor Jura und Medizin zu den Akten gelegt hatte! Die frühen, persönlichen Begegnungen mit Rossini, Donizetti und Verdi hatten ihn sehr beeinflusst, der spätere Erfolg gab ihm die Bestätigung, mit der Wahl der Kapellmeisterei und des Komponierens richtig entschieden zu haben. Also – hin und wieder nicht nur “Dichter und Bauer” hören, sondern Franz von Suppé kennenlernen!

22. November 2015

22. November 2015

19. November 2015

Heute Abend werden wir uns im Kurs “Es gibt was auf die Ohren – Klassische (?) Musik im 20. Jahrhundert” mit den Streichquartetten von Peter Ruzicka beschäftigen. Ruzicka hat sehr viele Talente und ist in der Hauptsache Komponist, Dirigent und Intendant. In letzterer Eigenschaft leitete er von 2003 – 2006 die Salzburger Festspiele, mit herausragenden Produktionen, vor allem Mozarts “Titus” und “Don Giovanni” auf schier unfassbarem künstlerischen Niveau. Seine Streichquartette, um darauf zurückzukommen, haben stets etwas Suchendes und wirken häufig wie Ausdrucksexperimente auf neuem, unbekanntem Terrain. Die Produktion sämtlicher Quartette erstreckt sich über Jahrzehnte, und doch verbindet die einzelnen Stücke das Fragende, Erspürende, Explorierende. Über sein 5. Streichquartett “STURZ” (2004, also im 21. Jahrhundert komponiert!) schreibt er, dem Werk liegt die Vorstellung eines abwärts stürzenden Ausbruchs zu Grunde, der nach einem langen, tastenden Klangfeld im Zentrum des Stückes erreicht wird. Der Ausbruch hinterlässt ein instabiles klangliches Echo, das wie ein Klangschatten auf das zuvor Erklungene verweist. Auskomponierte Orientierungssuche, zeitlos und voller Zweifel. Sehr spannend, auch für Anfänger.

17. November 2015

17. November 2015

Am Ende haben wir wohl doch geglaubt, er sei unsterblich. Dass er älter wurde, gebrechlicher – das war augenfällig. Aber dass er eines Tages tatsächlich sterben könnte, war ein Gedanke, den wir nicht mehr zugelassen haben. So beginnt ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo seinen Artikel zum Tode von Helmut Schmidt, heute vor einer Woche. Und er findet für den Schluss seines Textes diese Worte: Helmut Schmidt ist tot, und wir, die ihn überlebt haben, müssen jetzt erwachsen werden. Ob wir es wollen oder nicht. 

Ein wenig helfen vielleicht die Mozart-Klavierkonzerte KV 242 und KV 365, die Helmut Schmidt 1981 zusammen mit Christoph Eschenbach, Justus Frantz und dem London Philharmonic Orchestra aufgenommen hat. Hören wir einfach zu!

16. November 2015

“Trauernd am Lagerfeuer” überschreibt Lenz Jacobsen seinen Artikel auf ZEIT online über die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu den Terroranschlägen von Paris:  […] In den antiken Tragödien repräsentiert der Chor häufig eine politische Gemeinschaft und hat die Funktion, das Geschehen auf der Bühne zu interpretieren und mit Gefühl und Deutung zu begleiten. Diese Rolle übernehmen an diesem Abend auch ARD und ZDF: Sie sind der Fernsehchor zu diesem Terrordrama. Claus Kleber ist der bundesdeutsche Chorleiter.  […]

Das liest sich ganz süffig, zugegeben, und Herr Jacobsen mochte wohl auf diese Pointe nicht verzichten. Doch im antiken Drama gibt es keinen Chorleiter, und abgesehen davon gibt es Chöre im heutigen Sinne – also mehrere Singende pro Stimme im Gegensatz zu solistischer Besetzung – erst seit gut dreihundert Jahren, somit ist der Berufsstand des Chorleiters, so wie wir ihn heute verstehen, nicht älter. Selbst der singende Hofnarr, der ja kein Chorleiter ist, reicht historisch nicht weit genug zurück. Immerhin schützt ihn die Narrenfreiheit, was er mit manchen Fernsehmoderatoren und Journalisten gemein zu haben scheint.

13. November 2015

13. November 2015

Samstag, 14. November 2015, 20.00 Uhr
Große Orangerie im Schloss Charlottenburg, Berlin
W. A. Mozart, Der Schauspieldirektor
Kategorie A, freie Platzwahl
Große Vorfreude!

11. November 2015

11. November 2015

Vor ein paar Tagen habe ich den Thriller “Departed – Unter Feinden” gesehen (USA/Hongkong 2006, Regie Martin Scorsese). Der mehrfach oscarprämierte Film ist absolut sehenswert, vor allem wegen der psychologischen Zeichnung der Hauptdarsteller. Die Besetzung ist grandios: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Alec Baldwin, Vera Farmiga. Der Film hat mehrere herausragende Sequenzen, doch eine steht über allem: Die Szene, in der Leonardo DiCaprio und Vera Farmiga einander wortlos verführen, unterlegt mit der Live-Version von „Comfortably Numb“, gesungen von Van Morrison, Roger Waters und The Band (vom The-Wall-Konzert 1990 auf dem Potsdamer Platz, ursprünglich von Pink Floyd). Die besagte Szene dauert gut drei Minuten und ist damit nur etwa halb so lang wie der gesamte Song, der das Parfum des Zelebrierens, des Hymnischen trägt. Martin Scorsese hat über den Film gesagt, dass für ihn weniger die Handlung als vielmehr die Personen und deren Einstellung zum Leben im Vordergrund gestanden hätten. Zu Tränen gerührt sieht man den beiden zu und braucht keine Erklärungen mehr. The child is grown, the dream is gone.

Pause bis zum 10. November 2015

24. Oktober 2015

“Ich verabscheue die Musik als Weltanschauung und rate, die Musik um ihrer selbst willen zu lieben und nicht der Gefühle wegen, die sie im Hörer hervorruft.” Von Igor Strawinsky ist dieser Satz, und er fügte hinzu, viele Menschen gäben in die Musik etwas hinein, das diese von sich aus gar nicht enthält – und meinte damit keineswegs nur ein assoziatives, bildhaftes Hören. Ist aber das emotionale Verknüpfen, das individuelle Generieren von außermusikalischen Koordinaten nicht verständlich, ja schlechterdings nur menschlich? Musik wird doch deswegen nicht zum Vehikel, zum Werkzeug, nur weil die Liebe zu ihr sich nicht ausschließlich auf Rhythmus, Melodik, Harmonik und Klangfarbe bezieht! Die Musik ist mehr als die Summe der Töne, heißt es richtigerweise. Wir könnten auch sagen, die Liebe zur Musik erschöpft sich nicht im Bestaunen von Parametern. Die Liebe zur Musik geht über das analytische Durchdringen und Bewundern satztechnischer oder formaler Kunstfertigkeiten weit hinaus. Wie die Liebe überhaupt, die große zumal, mehr ist als ein Palimpsest nachvollziehbarer Leidenschaften – ein Mysterium, das sich dem Erklärbaren, dem wirklichen Verstehen letztlich entzieht.

22. Oktober 2015

Wenn wir uns der Vergangenheit nicht stellen, wird alles Leben aus der Lüge kommen.
Javier Marías

Seit zwanzig Jahren warte ich darauf, dass sich ein Librettist des Romans Mein Herz so weiß (Corazón tan blanco, Barcelona 1992) annimmt, ein Textbuch daraus macht und einen Komponisten findet, der die Musik zur Oper schreibt. Mein Herz so weiß ist ein herausragendes Meisterwerk, eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe – insofern ist der Wunsch, es möge eine Oper daraus entstehen können, wohl verständlich. Ein zentrales Thema des Romans ist die Sprache. Welche Wirkungen können Gedanken, innere Wünsche und Geheimnisse auslösen, wenn sie einmal ausgesprochen sind? Betrug und Wahrheit, Verbrechen und Sühne, Verzweiflung und Liebe – was, mein Herz (so weiß), verlangst du mehr? Das obige Zitat ist dem Klappentext des in diesem Jahr bei Fischer in Frankfurt erschienenen Buches So fängt das Schlimme an entnommen (Así empieza lo malo, Madrid 2014). Marías ist als Topograf seelischer Abgründe und Leidenschaften eine Ausnahmeerscheinung, eines Beweises hat es nach so vielen Jahren großer Romane nicht bedurft. Umso stärker und unvermittelter erzeugt seine Sprache gleich auf den ersten Seiten einen unwiderstehlichen Sog. Wir wissen, wie recht er hat und lesen trotzdem weiter. Wir müssen weiterlesen, auch wenn wir im Vorhinein wissen, dass wir Erschütterungen in unserem Leben nicht umgehen können, auch die größten nicht, und dass es keine Gerechtigkeit gibt. Ein Moralist und Pessimist sei er, meint Sigrid Löffler. Vielleicht stimmt das ja. Aber wir erkennen beim Lesen die Vexierbilder unseres eigenen Lebens! Auflösen allerdings müssen wir sie schon selber.

21. Oktober 2015

21. Oktober 2015

Wünsche sind nie klug. Das ist sogar das Beste an ihnen.
Charles Dickens (1812 – 1870)

19. Oktober 2015

“Die gefährlichste Weltanschauung ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben”, wusste schon Alexander von Humboldt . Was aufs Sehen oder Anschauen zutrifft, gilt ebenso gut für das Hören. Dass es manchen Zeitgenossen gefällt, sich zu allem und jedem zu äußern, ohne durch einschlägige Sachkenntnis vorbelastet zu sein – daran haben wir uns gewöhnt. Was aber, wenn jemand vor dreißig, vierzig, fünfzig Jahren mal ein Stück von Händel oder Haydn gehört hat, das Gehörte sterbenslangweilig fand und dieser Musik seither aus dem Weg gegangen ist? Wie wollen wir das Urteilsvermögen eines solchen Hörers bewerten? “Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?”, fragte Georg Christoph Lichtenberg. Wir können aber auch fragen: Wenn eine Musik langweilig klingt, liegt das allemal am Komponisten? Wenn unser fiktiver Hörer (in Wirklichkeit gibt es unzählige davon) heute dasselbe Stück hören würde, aufregend und berührend gespielt, vielleicht von Les Musiciens du Louvre oder von Le Concert d’Astrée – was würde er sagen? Vielleicht würde er erkennen, dass die Totgeglaubten ja leben – vor allem ihre Partituren! Vielleicht würde er sich an ein lange zurückliegendes, uninspiriertes Gefiedel erinnern und erstaunt feststellen: “Händel? Nie gehört.”

16. Oktober 2015

Dieses Unterscheiden zwischen einem Meisterwerk und einem nur interessanten Werk ist ein mitteleuropäisches Phänomen. Natürlich gibt es Meisterwerke, ohne Frage. Aber dieses Ranking, was ist die beste Bruckner-Sinfonie, das beste Bartók-Ballett… Viele Leute denken, das wichtigste Repertoire sei das, was Karajan dirigierte. Und was er nicht dirigiert hat, sei nicht wichtig. Sagen wir so: Das ist nicht der einzige Weg, die Dinge zu sehen.
Sir Simon Rattle

Ich bin weiß Gott nicht immer begeistert von Sir Simon, egal ob er dirigiert oder ein Interview gibt – aber hier hat er recht! Schönes Wochenende!

1. Wetzlarer Improvisationstage

1. Wetzlarer Improvisationstage

21. – 24. Januar 2016
Kooperation des Kulturamts der Stadt Wetzlar
und der Wetzlarer Musikschule e.V. mit
der Phantastischen Bibliothek Wetzlar
Künstlerische Leitung: Thomas Sander

Die 1. Wetzlarer Improvisationstage finden vom 21. – 24. Januar 2016 statt. Mit dem viertägigen Festival gehen das Kulturamt der Stadt Wetzlar und die Wetzlarer Musikschule neue Wege. Der Jahrhunderte alten Kunst der Improvisation wird damit ein neues Forum gegeben, bei dem die Musik im Mittelpunkt steht. Verknüpfungen und Querverbindungen zu anderen Sparten wie Literatur, Malerei, Fotografie, Tanz u. a. ermöglichen dabei neue Blickwinkel und Gestaltungspotentiale. Bei der Premiere der Improvisationstage ist die Phantastische Bibliothek Wetzlar Kooperationspartner. Renommierte Künstler aus dem In- und Ausland garantieren ein spannendes und facettenreiches Programm. Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei, eine improvisierte (!) Spende wird erbeten.

Do, 21. Januar 2016, 19.30 Uhr
Wetzlarer Musikschule
nogonie
Tanz-Musik-Video-Performance
Duo cri du coeur
Fine Kwiatkowski und Willehad Grafenhorst

Fr, 22. Januar 2016, 19.30 Uhr
Wetzlarer Dom
vorgelesen –
Orgelimprovisationen durch die Jahrhunderte
Prof. Thomas Lennartz, Orgel

Sa, 23. Januar 2016, 19.30 Uhr
Phantastische Bibliothek
Fantastic Jazz – Lit – Impro
Jazz & Poesie
Trio MAFARE und Peter Assmann

So, 24. Januar 2016, 11.00 Uhr
Wetzlarer Musikschule
About Aphrodite
Gilda Razani, saxophone/theremin
Hans Wanning, piano/electronics

13. Oktober 2015

13. Oktober 2015

Wie alt müssen wir werden, um Mozart zu lieben? Wie viele Jahre müssen ins Land gehen, wie viele Erlebnisse und Erinnerungen müssen wir verarbeitet haben, um das “Andante cantabile” der Jupitersinfonie, das “Qui tollis” der c-Moll Messe oder den Schluss des “Don Giovanni” annähernd verstehen zu können? Lieben, Bewundern, Wissen, Begreifen. Worüber reden wir? Liebt man mehr, wenn man versteht? Was lieben so viele Menschen an Mozarts Musik? Einen vermeintlich “galanten”, “leichten”, “verspielten”, “gefälligen” Tonfall? Sozusagen als “impression in residence”, gerne hartnäckig und möglichst untherapierbar? Sehen wir, was wir sehen wollen? Hören wir, was wir hören wollen? “Ich mach’ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.” Wirklich?? Dann sollte Mozart nicht dazugehören. Denn er zwingt uns, wie Nikolaus Harnoncourt sagt, “in seelische Abgründe zu schauen, und im nächsten Moment in den Himmel.” Das ist für manche einfach zuviel. Zuviel des Guten, ironischerweise.

11. Oktober 2015

11. Oktober 2015

Filmtipp: Sicario, ein US-amerikanischer Krimi über den Drogenhandel an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Das zweistündige Drama – Regie von Denis Villeneuve nach einem Drehbuch von Taylor Sheridan, Musik von Jóhann Jóhannsson – hatte bei den diesjährigen Film Festivals in Cannes und Toronto Premiere. In den Hauptrollen sind Emily Blunt, Benicio del Toro, Josh Brolin und Victor Garber zu sehen. Soweit die nüchterne Beschreibung. Anders ausgedrückt ist Sicario ein dicht inszenierter, knallharter und dunkel-brutaler Drogenthriller, der mit Bildern eines erbarmungslosen Höllentrips aufwartet. Warnung vor seelischer Ruhestörung! Die Eindrücke wirken lange nach, bis weit in die Nacht und länger! Nichts für zart Besaitete!

8. Oktober 2015

Ich sitze im Café und blättere im Stern Nr. 40 vom 24.09.2015. Unter “Top Ten” finde ich auf Platz 10 das neue Puccini-Album (CD und DVD) von Jonas Kaufmann. Über “Nessun dorma” lese ich: […] Kaufmann singt unerschrocken auf den Höhepunkt der Arie zu – auf jenes überlange, hohe zweigestrichene H, das einen umbringen kann. Kaufmanns Ton steht wie eine Eins. Er verstummt. Das Orchester spielt noch ungefähr 15 Sekunden weiter. Und in Kaufmanns Gesicht bebt und zuckt es. Er scheint fast zu explodieren vor Kraft. Das Stück endet. Tobender Applaus. Kaufmann lacht. Wie ein Mann. – “Niveaulimbo” würde mein Sohn zu dieser jounalistischen Leistung sagen und läge richtig.

6. Oktober 2015

6. Oktober 2015

Lisa Batiashvili hat gerade das Violinkonzert von Brahms mit der Staatskapelle Dresden eingespielt. Sie habe sich schon früh sehr in diese Musik verliebt, sagt sie. “Es ist für mich eine leidenschaftliche Musik. Als Kind braucht man zugegeben etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Doch wenn man das einmal getan hat, dann kommt man nicht mehr davon los. Brahms’ Musik ist so menschlich.” Auf den Hinweis, Pablo de Sarasate habe das Werk abgelehnt mit der Begründung, die einzige Melodie des Konzerts dürfe die Oboe spielen, antwortet Lisa Batiashvili lachend: “Was soll ich dazu sagen? Mein Mann ist Oboist!”

5. Oktober 2015

Letzte Nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum. Angeführt vom FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und zusammen mit ein paar mir unbekannten Helfern habe ich eine Bank ausgeraubt. So etwas hätte ich weder Kubicki noch mir selber zugetraut. Ich kann mich an eine eigene Maskierung nicht erinnern, doch Kubicki hat eine petrolfarbene Wollmütze mit Sehschlitzen über den Kopf gezogen, das weiß ich noch. Wir stehen hinter einem Kleintransporter, er reckt seinen tätowierten Unterarm in die Luft und gibt wortlos Anweisungen. Alles sehr entspannt. Im Gebäude sehe ich den Filialleiter. Mit hochgekrempelten Hemdsärmeln sitzt er auf einem Hocker, stimmt seine Gitarre und lässt uns gewähren. Dann werde ich wach. Wieso Kubicki? Wieso eine Bank überfallen? Wer ist der Filialleiter? Und warum spielt er ausgerechnet Gitarre? Da hätte es doch weiß Gott andere Optionen gegeben… Haarscharf am Albtraum vorbei, mit Wohlwollen. Beim nächsten Mal brechen wir in die Oper ein, am besten mit Harnoncourt, Hampson und Schäfer. Wir kidnappen Mozart, hauen mit ihm ab und kommen nicht zurück. Natürlich hinterlassen wir Spuren, wie immer. Schließlich wollen wir gesucht und gefunden werden.

3. Oktober 2015

3. Oktober 2015

Trotz meines hohen Alters schmeckt mir die französische Küche immer noch, esse ich immer noch Poulet mit Champignons, Beefsteak mit Kartoffeln, Rebhuhn mit Kohl und verwechsle weder Küche mit Apotheke, noch Land mit Sanatorium, Arbeit mit Produktion, Laster mit Liebe.
Maurice de Vlaminck

30. September 2015

30. September 2015

Ich bedaure jene, die das Elend nicht kannten, und ich bedaure auch jene, die sich nicht aus eigenen Mitteln daraus erheben konnten. Das Elend hinterläßt tiefe Spuren. Die Tränen des Liebeskummers vergißt man nicht; sie bewahren ihre Bitterkeit, an deren Geschmack sich der Mund erinnert. Wenn man gute Zähne hat und hungrig ist, schmeckt hartes Brot ausgezeichnet. Wer eine schöne Stimme hat, wird dem Elend zum Trotz singen.
Maurice de Vlaminck (1876 – 1958)

29. September 2015

Wir wollen nicht verzagen / in unsrer trüben Zeit,
die Kerze weitertragen / in schwarze Ewigkeit
und nimmermehr vergessen / des, der die Flamme speist
mit Kräften unermessen: ich weiß nicht, wie er heißt.
Gerhart Hauptmann (1862 – 1946)

27. September 2015

27. September 2015

Heute hat Freddy Quinn Geburtstag – herzlichen Glückwunsch! 84 Jahre ist der Sänger und Schauspieler nun alt und kann auf ein sehr bewegtes, ereignisreiches Leben zurückblicken. Als Sohn eines irischen Kaufmanns und einer österreichischen Journalistin wurde er 1931 geboren, wahrscheinlich in Österreich (Wien oder Niederfladnitz), vielleicht aber auch in Istrien (Pula) – sein Geburtsort steht nicht zweifelsfrei fest. Freddy Quinn wuchs in den USA, in Belgien, in Ungarn und in Österreich auf. Schon als Minderjähriger reiste er per Autostopp durch Südeuropa und Nordafrika. Er arbeitete für Zirkusunternehmen, spielte in Bars vor Fremdenlegionären Gitarre und sang Lieder über Sehnsucht und Heimweh, bevor in den 50er Jahren in Deutschland seine außergewöhnliche Karriere begann. Mit Titeln wie Heimweh, Die Gitarre und das Meer, La Paloma und Junge, komm bald wieder wurde Freddy Quinn zum ersten bundesdeutschen Schallplattenmillionär.

Obwohl ihm später größere Hits nicht mehr glückten, blieb er mit zahlreichen Tourneen, Gastspielen, Film- und Fernsehauftritten einem größeren, mit ihm älter gewordenen Publikum stets präsent. So trat er in den Musikshows Musik aus Studio B und Zum Blauen Bock auf, spielte in der Heinz-Erhardt-Hommage Noch ’ne Oper (1979) mit und übernahm kleinere Fernsehrollen, z. B.  in Großstadtrevier. Von 2009 an zog er sich zunehmend aus dem Rampenlicht zurück, trat nicht mehr auf und verzichtete auf Interviews. Freddy Quinn lebt in Hamburg.

25. September 2015

25. September 2015

Even if I don’t believe it’s true, I’ll send my heart on you.
Titelsong aus “Woran dein Herz hängt” (D 2009, Musik von Michael Klaukien und Andreas Lonardoni)

24. September 2015

24. September 2015

I don’t know. How much does Toscanini have?
Benny Goodman (1909 – 1986) vor einem Konzert in der Carnegie Hall 1938 auf die Frage, wie lang die Pause dauern soll

23. September 2015

23. September 2015

Nach allem, was wir wissen, hat Sergei Rachmaninow große Probleme damit gehabt, seine eigenen Werke auf “romantische” Weise zu spielen. Er war nicht nur Komponist, sondern – wie viele seiner Kollegen im 19. Jahrhundert – auch Virtuose. Die uns erhalten gebliebenen Tondokumente mit Interpretationen eigener Klaviermusik weisen einen merkwürdig sachlichen, nüchternen Tonfall auf. Die Tempi sind häufig absurd schnell, über weite Strecken klingt die Musik oberflächlich und gehetzt. Warum? Der mit Rachmaninoff befreundete Dirigent Eugene Ormandy erzählte einmal in einem Interview 1961: “He hated his own music and was usually unhappy about it when he performed or conducted it in public.” – Rachmaninows Musik sei “gefühlvolle Jauche”, hat Richard Strauss gesagt. Wenig schmeichelhaft! Empfand Rachmaninow das vielleicht ganz ähnlich? Und hat er deswegen auf dem Podium “dagegengesteuert”? Beim Hören des 2. Klavierkonzertes c-Moll op. 18 (1901) – es ist sein populärstes Stück – scheinen uns solche Gedanken ganz abwegig zu sein. Trotzdem ist Rachmaninows idiosynkratischer Umgang mit seinen eigenen Werken nicht zu leugnen. Die letzten Gründe dafür werden wir wohl nie erfahren.

20. September 2015

Könnte ich auf die berüchtigte einsame Insel nur ein einziges Klavierkonzert mitnehmen, würde ich ohne zu überlegen das von Schumann wählen. Ich weiß, dass Mozart, Chopin, Brahms und Tschaikowsky grandiose Solokonzerte geschrieben haben, ich weiß es wirklich, beruhigt euch! Trotzdem ist das Schumann-Konzert sozusagen “dasjenige welche”, und zwar wegen der “Bauchstelle” im dritten Satz. Die Stelle – eine Sequenz mit Vorhaltsbildungen, erst in Dur, dann in Moll, nach Dreiklangsbrechungen im Klavier – kommt zweimal vor, jeweils doppelt, also viermal insgesamt. Regelmäßig, wie auf Bestellung und verblüffend zuverlässig reagiert mein Bauch bei dieser Stelle. So, als würde der sehnlichst erwartete Anruf kommen oder als stünde die Angebetete plötzlich vor der Tür. Das Verrückte ist, dass es immer funktioniert, wirklich immer. Unter einer Voraussetzung: Es muss die Aufnahme mit Géza Anda und den Berliner Philharmonikern unter Rafael Kubelík sein (1964). Sonst klappt es nicht. Bei niemandem. Nicht bei Perahia, nicht bei Zimerman, nicht bei Brendel, nicht bei Argerich. Es klappt nur mit Géza Anda. Das ist einfach unverwechselbar und unvergleichlich! Bei den anderen ist es so, als würde man mit einer klugen, attraktiven und charmanten Frau zum Essen ausgehen und hinterher sagen, dass es ein schöner Abend war. Bei Géza Anda – um im Bild zu bleiben – haben die Götter den Tisch gedeckt, das Menu ist überwältigend. Und die Herzdame verspricht Genüsse jenseits der Kulinarik.

16. September 2015

16. September 2015

Vor ein paar Tagen ist Arvo Pärt 80 Jahre alt geworden. In zahlreichen Musikzeitschriften, auf Kulturseiten und in Feuilletons waren zu diesem Anlass erfreulich verständige Artikel über den estnischen Komponisten zu lesen. Viele Beiträge beschäftigten sich mit dem, was die Gesellschaft zur Verleihung des Internationalen Brückepreises in zwei Sätzen auf den Punkt gebracht hat: “Sein Schaffen genießt so große Akzeptanz wie bei keinem anderen Komponisten der zeitgenössischen Musik. Sein Werk macht das menschliche Grundbedürfnis nach einer Verbindung von Ästhetik, Ethik und Spiritualität, die in unserer überwiegend säkularisierten Gesellschaft so oft der Politik und der Ökonomie untergeordnet werden, deutlich und erlebbar.”

Ästhetik, Ethik und Spiritualität – das sind die Schlüssel zum Verständnis erstens von Pärts Musik, zweitens der Wertschätzung, die seinem Œuvre entgegengebracht wird. Noch kürzlich war eine Kursteilnehmerin tief beeindruckt vom Cantus in memoriam Benjamin Britten, einem Werk für Glocke und Streichorchester (1977/1980). Sie erkundigte sich per E-Mail genauestens über den Komponisten und den Titel des Werkes, da sie die CD unbedingt kaufen und wieder hören wollte. Viele Menschen erleben Pärts Musik als Ausdruck einer archaischen, tief sitzenden Sehnsucht nach Trost und Sanftmut, nach Verständnis und Liebe. Die Musik hat zuweilen etwas Therapeutisches und kann mit ihrer meditativen Ruhe und Stille, auch durch Schmerz und Trauer, Begleiterin sein in Phasen oder auf einzelnen Wegen unseres Lebens. Dabei geht es nicht um Stilmittel, Techniken oder Strukturen, sondern um Erfahrung und Erkenntnis, also um uns selbst.

14. September 2015

14. September 2015

Gut zwanzig Jahre ist es her, dass die Schauspielerin Sunnyi Melles in einer Talkshow der ARD zum Thema Verliebtsein sagte: “Man wird so furchtbar unehrgeizig.” Amüsiert war sie, leise, verletzlich, schalkhaft, verliebt eben. Das ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Und wie wahr ist dieser Satz! “Man wird so furchtbar unehrgeizig.” Kein Grund, sich Sorgen zu machen, im Gegenteil. Erst wenn Ambitionen und Ideen sich zurückmelden, wenn neue Pläne und ihre Ausführungen Gestalt annehmen – dann wird es ernst. Geschweige denn, wenn wir wieder geregelt essen, trinken und nachts durchschlafen, mit den bekannten Träumen. Wenn wir wieder das “heute-journal” gucken, Heizölpreise vergleichen, samstags Rasen mähen und im Internet den nächsten Urlaub buchen, nach eingehendem holidaycheck selbstverständlich. Dann sollten wir vielleicht anfangen darüber nachzudenken, ob etwas nicht stimmt.

13. September 2015

Gewiss, der Freischütz ist ein unvergleichliches Kunstwerk, aber er ist keine Große Oper. Auf einer geräumigen Bühne, im riesigen Zuschauersaal verliert das Werk, einem Genrebild vergleichbar, das in einer Kunstausstellung zu hoch aufgehängt wurde. Und doch ist es auch keine Opéra comique, obwohl in der Originalgestalt die Musikstücke von gesprochenen Szenen unterbrochen wurden. Der Freischütz ist die Große Oper für eine Kleinstadt – in seiner von Grund auf germanischen Mentalität hat er sich in jedem anderen Land nur schwer akklimatisieren können.
Camille Saint-Saëns (1835 – 1921)

Das Zitat ist einem Aufsatz entnommen, den Saint-Saëns für L’Estafette am 10. Juli 1876 schrieb. An anderer Stelle lässt er einen anonymen Operndirektor auf ironische Art sagen, dem Freischütz mangele es an Klarheit und Spannung, obendrein fehle es an schönen Stoffen, an Samt und Seide, vor allem aber sei die Szene in der Wolfsschlucht kein bisschen lustig, man müsse daher ein Ballett einfügen. Es gebe da bloß Windesrauschen, Donnergrollen und das Knirschen der vom Sturm gerüttelten Tannen… Kein bisschen lustig. “Germanisch-depressiv” hat das eine Kabarettistin kürzlich genannt. Vielleicht ist da ja was dran, so insgesamt. Aber am Freischütz wollen wir es nicht ernsthaft festmachen, oder?

10. September 2015

10. September 2015

Na, das ist doch mal was! Schnell anmelden, in einem Monat geht’s los!
Hier noch ein paar Musiktipps für den perfekten Urlaub:

Jean-Philippe Rameau, Le rappel des oiseaux
Robert Schumann, Vogel als Prophet
Ottorino Respighi, Gli uccelli
Igor Strawinsky, Le chant du rossignol
Charlie Parker, Bird of Paradise
Ludwig Hirsch, Komm großer schwarzer Vogel
Hans Hartz, Die weißen Tauben sind müde

9. September 2015

Mehr als drei Jahrzehnte lang währte das Interviewprojekt des ungarischen Musikredakteurs und -publizisten Bálint András Varga: Er stellte bedeutenden Komponisten jeweils dieselben drei Fragen. Das Ergebnis liegt jetzt in deutscher Ausgabe auf 320 Seiten vor – Drei Fragen an 73 Komponisten, conbrio-Verlag, Hardcover, € 29,90. “Eine unerlässliche Lektüre für alle, denen die Musik unserer Zeit am Herzen liegt”, so Sir Simon Rattle. Also rasch auf den Wunschzettel damit, Weihnachten kommt manchmal schneller als einem lieb ist!

7. September 2015

Der Kunstlehrer zeigt ein Bild und fragt die Schüler: “Was wird hier dargestellt, ein Sonnenaufgang oder ein Sonnenuntergang?” Darauf Marie: “Ein Sonnenuntergang. Kein Künstler steht so früh auf.”

Warum heißt es wohl “Götterdämmerung”, könnten wir uns fragen… War Wagner etwa Langschläfer? Auch das noch? Nach allem, was wir schon wissen, würde uns das allerdings nicht mehr schrecken. Laut Nietzsche war Wagner “das unhöflichste Genie der Welt”, und – da wir Urteile von Philosophen in besonderer Weise schätzen, nicht wahr, Günter? – Peter Sloterdijk meinte kürzlich, “Wagner gebührt ein Vorzugsplatz unter denen, die man nicht persönlich gekannt haben möchte.”

Bei der Gelegenheit, bitte unbedingt lesen: Peter Sloterdijk, “Bayreuther Assoziationen, ZEIT online vom 25. August 2015 – ein herrlicher Text, süffig, sprachverliebt, souverän. Interessiert sich jemand für Inhalte?

6. September 2015

6. September 2015

Checkpoint Bravo war ein von den Amerikanern genutzter alliierter Kontrollpunkt am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden-Drewitz. Seit dem 15. Oktober 1969 befand er sich auf der neu gebauten Verlängerung der AVUS (A115) entlang der Transitstrecke zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin. Die heute unter Denkmalschutz stehenden Abfertigungsgebäude, das Brückenhaus (Zollstelle), die Tankstellen und die Raststätte wurden zwischen 1968 und 1972 errichtet.

Die knallrote Pop-Art Raststätte ist wohl das markanteste Gebäude am Grenzübergang, entworfen von Architekt Rainer G. Rümmler, der auch viele der Berliner U-Bahnhöfe zur damaligen Zeit baute. Modern, ambitioniert und mit einem Anflug von Verwegenheit konzipiert, hatte sie dennoch an diesem Standort keine Chance und wurde kaum genutzt. Wer in die Bundesrepublik wollte, hatte meist gerade erst gefrühstückt, wer von dort kam und die Durchfahrt durchs DDR-Niemandsland geschafft hatte, wollte einfach nur schnell nach Hause. Nur neun Monate nach der Eröffnung wurde die Raststätte wegen Publikumsmangel wieder geschlossen.

4. September 2015

4. September 2015

Wie wird heute Musik gehört? Verändern die digitalen Medien das Musikhören grundlegend? Kann man das Musikhören erlernen? Welche neuen Trends des Musikhörens gibt es im Konzertbetrieb? Wie nachhaltig sind diese? Welche Impulse ergeben sich daraus wiederum für den Musikunterricht und die Musikvermittlung? Wie funktioniert barrierefreies Musikhören?

Im Nikolaisaal Potsdam sind am 13. und 14. November 2015 Musikliebhaber und Fachpublikum eingeladen, gemeinsam mit Wissenschaftlern, Konzertveranstaltern und Musikvermittlern diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Ein Wochenende zur Zukunft des Musikhörens – ich bin dabei!

2. September 2015

Ein Papierschiff segelt erst schnell davon, dann sinkt es. Man weiß schon vorher, dass so ein Schiffchen sinken wird, aber man faltet es trotzdem, steckt einen Zweig als Mast hindurch, befestigt ein Segel aus Papier daran und setzt es vorsichtig aufs Wasser. “Schau mal, wie schön es segelt”, sagt man zu seinem Kind, während man schon weiß, dass das Kind gleich weinen wird, wenn das Schiffchen untergeht. Man weiß Dinge, die man lieber nicht ausspricht. Auch sich selbst gegenüber nicht. Und wenn das Papierschiff gesunken ist, faltet man ein neues.
aus: Toine Heijmans, Irrfahrt

1. September 2015

Der Fußballspieler Kevin De Bruyne wechselt für 80 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg zu Manchester City. Für etwa diese Summe, so schreibt der Journalist Armin Lehmann auf WDR 2 Klartext, wurde vor einigen Jahren der Borussia-Park in Mönchengladbach gebaut. Edmund Stoiber, ehemaliger bayerischer Ministerpräsident und Mitglied des Aufsichtsrates beim FC Bayern München, schätzt die gesamte Größenordnung des Deals inklusive Gehalt und Prämien gar auf 150 Millionen Euro und ergänzt: “Das ist die halbe Allianz-Arena.”

Armin Lehmann nennt das “Irrsinn” und findet, “der Fußball ist mittlerweile in finanzielle Dimensionen vorgestoßen, die ihn auf Sicht zerstören werden. […] Wenn ein Spieler schon teurer ist als das Stadion, in dem er spielt, dann läuft etwas gewaltig schief in den Arenen dieser Welt.” Es ist zu befürchten, dass wir erst am Anfang einer verheerenden Entwicklung stehen, und es ist nicht abzusehen, welche Deformationen diese der “schönsten Nebensache der Welt” zufügen wird.

Nun wird ein talentierter oder technisch versierter Kicker zuweilen auch “Ballkünstler” oder “Fußball-Rastelli” genannt. Ist das vor dem Hintergrund der beschriebenen Auswüchse wirklich angemessen? Mit dem aufzubringenden Geld, das im Konzertbetrieb für die Verpflichtung beispielsweise einer Hilary Hahn oder eines Jonas Kaufmann nötig ist, kann man jedenfalls keine Philharmonie bauen, auch kein Opernhaus! Herr De Bruyne ist Fußballer, kein Künstler. Wäre er es, müsste er im Übrigen wohl mit weniger als den geschätzten 20 Millionen pro anno auskommen (Fragen zur Versicherungspflicht beantwortet die Künstlersozialkasse). Doch mit Kunst haben De Bruyne und ähnlich hofierte Vereinswechsler wenig zu tun. Und eines Enrico Rastelli würdig ist dabei höchstens die Begabung ihrer Zahlenjongleure, vulgo Finanzberater.

31. August 2015

31. August 2015

Letzte Woche war ich in Leipzig. Es war mein erster Besuch in dieser Stadt, die bekanntlich seit geraumer Zeit einen immensen Zulauf erfährt und mittlerweile zur am schnellsten wachsenden Großstadt Deutschlands avanciert ist. Es gibt genügend gute Gründe, Leipzig zu besuchen, doch unsereins fährt in erster Linie der Kultur und Geschichte wegen dorthin. Und so schreibt sich das Besuchsprogramm beinahe von ganz allein: Thomaskirche, Bach-Museum, Nikolaikirche, Gewandhaus, Oper, Zeitgeschichtliches Forum, Altes und Neues Rathaus, Naschmarkt, Völkerschlachtdenkmal, Auerbachs Keller – die Liste der Sehenswürdigkeiten ließe sich verlängern. Mit am beeindruckensten war der Besuch des Mendelssohn-Hauses in der Goldschmidtstraße. Das Haus bietet die Möglichkeit, die letzte und einzige erhaltene Privatwohnung des Komponisten zu besichtigen. Still und mit nobler Zurückhaltung kommen mir diese großzügigen Räumlichkeiten entgegen. Ich bewundere originales Mobiliar, Noten, Briefe, Aquarelle. Geradezu ehrfürchtig gehe ich ins Arbeitszimmer, wo der “Elias” entstand, in die Küche, den Schlafraum, den Salon. Wer möchte, darf computeranimiert ein virtuelles Orchester dirigieren, ganz “richtig” mit Partitur und Taktstock. Schließlich, wie zufällig, finde ich an der Wand einen Ausspruch von Johannes Brahms: “Ich wollte meine sämtlichen Werke dafür hingeben, wenn mir ein Werk wie die Hebriden-Ouvertüre gelungen wäre.” Ausgerechnet er sagt so etwas! Ich verlasse das Haus bereichert, beglückt.

Pause bis zum 31. August 2015

Pause bis zum 31. August 2015

16. August 2015

16. August 2015

Gestern Abend, Kinopolis Gießen. Zusammen mit etwa 400 Besuchern (!) habe ich mir “Mission Impossible – Rogue Nation” mit Tom Cruise, Rebecca Ferguson, Sean Harris, Alec Baldwin u. a. angesehen. Der Film ist ein temporeicher und im besten Sinn unterhaltsamer Actionthriller und der mittlerweile fünfte Teil der äußerst erfolgreichen MI-Reihe. Eine über zweistündige Spionagestory mit zahreichen Täuschungen und doppelten Böden, Verfolgungsjagden, atemberaubenden Stunts und perfekt gesetzten Spannungshöhepunkten. Vor allem aber mit einer ordentlichen Portion Selbstironie, die in einer Sequenz aus der Wiener Staatsoper ihren Höhepunkt findet. “Turandot” wird gegeben, und wir sehen ein hingerissenes Publikum, das vom erbitterten Kampf, der gleichzeitig (und zeitgleich!) zwischen den Agenten hinter den Kulissen tobt, nichts weiß. Wir sehen beides, Agentenplot und Opernhandlung, und denken sofort an “James Bond – Ein Quantum Trost”, mit den genial verwobenen “Gut gegen Böse”-Szenen von Film und Oper, damals mit “Tosca” von der Seebühne in Bregenz. Nun also wieder Puccini, wieder mit ausgeklügelten Bühnenmaschinerien, wieder mit Agenten in aussichtsloser Lage, aber beneidenswerter körperlicher Verfassung. Diesmal müssen die Bösen allerdings den Moment für den tödlichen Schuss in der Partitur finden – ja, können denn Killer Noten lesen?! Herrlich! Und schließlich “Nessun dorma”, der Schlager schlechthin. Wir hören in der beschriebenen Szene das Original, dann in mehreren Sequenzen bearbeitete, verfremdete, aber gut erkennbare Zitate. Besonders wirkungsvoll ist dieser Kunstgriff am Schluss, wenn Cruise und Ferguson sich trennen, und sie sagt: “Du weißt, wo du mich findest.” Das sagt Turandot in der Oper zwar nicht, doch dafür singt sie von “amore”, das reicht.

14. August 2015

14. August 2015

Heute wird Wim Wenders 70 Jahre alt – von hier aus die herzlichsten Glückwünsche! Zum Frühstück habe ich auf hr-info (das Informationsradio des Hessischen Rundfunks, wirbt mit “wer es hört, hat mehr zu sagen”) ein Interview mit dem Schauspieler Rüdiger Vogler gehört, dessen Kinokarriere über zwei Jahrzehnte lang mit dem Namen von Wim Wenders eng verbunden war. Vogler erzählte zunächst über Wenders’ Ausnahmeblick für Motive und Bilder (“er ist auch ein hervorragender Fotograf”), danach über den mittlerweile historischen Wert einzelner Filme (vor allem Paris, Texas  und Der Himmel über Berlin), schließlich über Wenders’ Anliegen, stets das Innere seiner Protagonisten aufzuzeigen und die Beweggründe ihres Handelns verständlich zu machen. “Bei Wenders geht es darum: Wie sollen wir leben? Wie können wir leben, überhaupt?” Was für ein schöner Start in den Tag!

13. August 2015

13. August 2015

Ausverkauf. “Sale” heißt das heute, wenn Schnäppchen auf uns warten, wenn wir “richtig” sparen können. Wenn das mal keine Kunst ist, das “richtig” sparen! Warum? Weil wir doch sonst, wenn gerade nicht “Sale” angesagt ist, in allem so verschwenderisch sind? Was ist uns lieb und teuer, unbedingt und vorbehaltlos? Und zahlen wir noch in harter Währung, also in Liebe, Leidenschaft, Hingabe und Verantwortung? Was ist daraus geworden? Richtig, ein “Sparprogramm”! Sale! Wir sparen fast jeden Tag an uns, an unseren Gefühlen, an unseren Wünschen und Sehnsüchten. Wir sind “mit weniger” zufrieden, und es fehlt nicht viel bis “ohne”. Widersetzen wir uns dem! Wir müssen nicht sparen, sondern uns “verausgaben”. Und nicht mit bis zu 50% weniger, sondern mit bis zu 100% mehr – das wär’s!

11. August 2015

11. August 2015

Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.
Seneca (4 v. Chr. – 65)

Seneca, Marmor-Büste. Anonym, 17. Jahrhundert.
Museo del Prado, Madrid.

9. August 2015

Ich habe alte Dinge mit neuem Blick betrachtet, mehr nicht.
Claude Debussy

Kleine Brötchen backen, wenn du mal große gebacken hast, ist nicht so leicht.
Michael Kessler als Stefan Effenberg in “Kessler ist…” (ZDFneo)

Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.
Konfuzius

Wenn auch alle drei Sätze aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen stammen, gesprochen oder geschrieben vor dem Hintergrund ganz individueller Erfahrungen und Empfindungen, so haben sie doch etwas gemeinsam. Sie handeln von schwierigen Aufgaben, deren Anspruch und Schwere, von Mut und Bereitschaft, sich den Herausforderungen bestimmter Lebenssituationen zu stellen. Wann ist es Zeit für einen neuen Blick auf vermeintlich Bekanntes, Vertrautes? Wann wird uns abverlangt innezuhalten, eine Pause zu machen, ja einen Schritt zurück zu gehen? Was, wenn wir erkennen, dass wir dem Glück nachjagen, uns aber dabei die Puste ausgeht und wir nur immer erschöpfter werden? Was, wenn uns Hören und Sehen buchstäblich vergangen ist? Und wenn bisherige Erfahrungen und Rezepte nicht weiterhelfen? Dann ist die Zeit für Veränderung gekommen, für Ruhe und Langsamkeit, für Stille, für Besinnung und Reife. Nehmen und geben wir uns diese Zeit!

8. August 2015

8. August 2015

Gestern habe ich Freiluftschach gespielt, mit großem Vergnügen, in der Wetzlarer Fußgängerzone. Nach gutem Beginn habe ich irgendwann den Faden verloren und musste aufgeben. Danach erfuhr ich von meinem Gegner, dass er Experte in klassischer Feldtheorie der Physik ist und sich mit Skalarpotentialen, Divergenzoperatoren etc. beschäftigt. Du meine Güte! Mir hätten gestern etwas bessere Kenntnisse in schachspezifischer Spielfeldtheorie schon weitergeholfen. Doch am Ende sah ich mich ganz unerwartet einer Dame gegenüber (was mich außerhalb des Schachfelds eher selten erschreckt) und gab die Partie in aussichtsloser Stellung verloren. “Schach ist das schnellste Spiel der Welt, weil man in jeder Sekunde Tausende von Gedanken ordnen muss”, hat Albert Einstein gesagt. Der kannte sich bestimmt auch in Feldtheorie aus.

5. August 2015

“In Kooperation mit Mozart” heißt das Gesprächskonzert, das für den 18. Februar 2016 mit der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar verabredet ist. Ich werde versuchen, diesen vielleicht größten Komponisten der Musikgeschichte mit Texten, Bildern und Klangbeispielen zu porträtieren. Ihn, über den Nikolaus Harnoncourt sagt, dass wir nicht mit ihm fertig werden. Er selber, Harnoncourt, versucht es seit über acht Jahrzehnten. Ich habe zwei Stunden, und ich freue mich sehr darauf!

4. August 2015

4. August 2015

“Wenn die Männer klüger wären, würden sie nicht versuchen, die Frauen zu dominieren.” So steht es geschrieben, nachzulesen in der Sammlung Tausendundeine Nacht. Sheherazade erzählt darin u. a. das Märchen der Prinzessin Turandot, die nur den Mann heiratet, der ihr intellektuell ebenbürtig ist und sich imstande zeigt, unter Einsatz seines Lebens ihre schwierigen Rätsel zu lösen. Eine anspruchsvolle, fordernde, selbstbewusste Frau. Allerdings – das wollen wir bei aller Grausamkeit ihrer Spielregeln doch konzedieren – lässt sie den Vorteil, seinen Namen zu kennen, ungenutzt. Immerhin hätte sie dieses Wissen von der Verpflichtung zur Eheschließung entbunden, sie hätte den Namen nur aussprechen müssen…. Ein kluger Prinz, dieser Kalaf – er gibt der Angebeteten alle Trümpfe in die Hand, und wir werden Zeugen des Erfolgs dieser Strategie. Hat sie das erkannt, von Anfang an? Gehört das zum Spiel dazu, hat sie deswegen kapituliert? Geht das Spiel weiter? Oder hat hier schlicht die Liebe gesiegt, nicht mehr und nicht weniger? Das wäre schön. Geradezu wie im Märchen.

2. August 2015

Die Ehe, so stellte Gottfried Benn fest, sei “eine Institution zur Lähmung des Geschlechtstriebs”. Nach langen gemeinsamen Jahren erstirbt offenbar die Lust auf das bis zum letzten Leberfleck erkundete Terrain des anderen Körpers. Dieses Phänomen trägt den Namen “Coolidge-Effekt”. Er beruht auf einer hübschen Anekdote. Calvin Coolidge, in den zwanziger Jahren Präsident der Vereinigten Staaten, besuchte mit seiner Frau eine Farm. Grace Coolidge sah einen Hahn beim Besteigen einer Henne, und man erklärte ihr, dass das Tier sich den Spaß bis zu zwölfmal am Tag gönne. “Sagen Sie das meinem Mann”, bat Frau Coolidge. Die Botschaft wurde ausgerichtet, prompt erkundigte sich der Präsident, ob der Hahn immer dieselbe Henne besteige. Nein, lautete die Antwort. Coolidge: “Sagen Sie das meiner Frau.”

18 Uhr, 29°. Wir essen einen Salat mit gebratenen Hähnchenfiletstreifen (!), Weizenreis, Gurken, Tomaten, Staudensellerie, Lauchzwiebeln, Feta, Ingwer und Knoblauch. Dazu trinken wir gekühlten Weißwein und hören Händel, “Ode for St. Cecilia’s Day”.

1. August 2015

Mozartkugeln selbst gemacht

200 g Nougat (Nuss-Nougat-Masse)
200 g Marzipan-Rohmasse
2 EL Kirschwasser
10 g Pistazien, fein gehackt
125 g Puderzucker, gesiebt
100 g Kuvertüre

Zubereitung:
Die kalte Nuss-Nougat-Masse in Würfel (ca. 1 x 1 x 1 cm) schneiden, zu Kugeln formen, kalt stellen. Marzipan-Rohmasse geschmeidig rühren, Kirschwasser und feingehackte Pistazien hinzufügen. Puderzucker unterkneten. Marzipanmasse zu einer etwa 2 cm dicken Rolle formen. In so viele Stücke schneiden, wie Kugeln vorhanden sind. Die Marzipanstücke auf einer mit Puderzucker bestäubten Tischplatte flach auseinander drücken. Die Nougatkugeln darauf legen. Die Marzipanmasse zusammenschlagen, an den Rändern gut andrücken, zu Kugeln formen. In Kuvertüre tauchen.

Die Kugeln schmecken super, mindestens so gut wie die gekauften. Gehen natürlich direkt auf die Hüften, aber was soll’s. Mozart, Musik, süß – das liegt allerdings schwer im Magen. So wie Wagner-Weia-Waga-Wellen (Stockfisch mit Kapern, Knoblauch und Crème fraîche). Wagalaweia! Auweia! Sapperlot und Donnerknispel! Da hilft nur ein Bahrscher Bitter. Oder zwei.

31. Juli 2015

31. Juli 2015

Verliebte sind Liebende im Neugeborenenzustand, so hilflos in der Liebe, wie das kleine Kind, das lebt, ohne das Geringste vom Leben zu wissen. Alles Alltägliche ist ihnen neu. Jede Kleinigkeit kann zum Symbol werden. Nichts steht im Weg. Die ganze Welt scheint zugeschnitten auf die Schwebe der Verliebten: auf ihre Schwebe des Glücks mit dem Anderen, den sie kaum mehr als Anderen erleben, eher als Verlängerung ihrer selbst. Sie schwärmen von der Liebe, aber lieben nicht. Verliebte und Liebende trennen Welten, aber wer weiß das schon immer? […] Dem hellen Schwärmen folgen die ewigen Sekunden der Lust, Tage, die zu Nächten werden, Nächte, die zu Tagen werden, während hinter dem Rücken schon langsam ein Alltag der Liebe einsetzt. Für die wenigsten bleibt es dabei, auf die meisten kommen noch zwei Akte zu: Trennung und Einsamkeit.
Bodo Kirchhoff im Vorwort zum Lesebuch “Niemandstage der Verliebtheit”

Nicht-Musiker finden während der letzten “zwei Akte” Trost bei Bach, Mozart oder Debussy, jedenfalls wird es so erzählt. Ich selber habe das Hören dieser Musik in entsprechenden Situationen oder Phasen nie als hilfreich empfunden. Wenn “Herz und Mund und Tat und Leben” zur Ruhe kommen sollen, sich sammeln müssen, um neue Kraft und Zuversicht zu gewinnen, dann helfen lange Spaziergänge und eine anständige Gastronomie. Liebe geht durch den Magen, so heißt es. Doch auch den Zurückgelassenen, durch Liebesmühen Geschwächten und Entliebten sei dies anempfohlen: geht raus, genießt die Natur, die frische Luft – und esst was Gescheites.

29. Juli 2015

Apropos: Orson Welles wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Die ZEIT hat vor ein paar Wochen aus diesem Anlass ein Interview mit Senta Berger geführt, die darin u. a. von ihrem ersten Zusammentreffen erzählt: Ich wurde abgeholt von seinem persönlichen Assistenten, Peter Bogdanovich. Und dann fuhren wir downtown. Wir fuhren da lange, lange an all diesen aufgegebenen Vierteln vorbei, die früher einmal das Zentrum von Los Angeles waren. Dann kamen wir zu einem alten Theater: roter Plüsch, staubig, mehr oder weniger in einem Hinterhof. Und dann trat Orson Welles aus dem Bühneneingang hinaus. Dieses dröhnende Lachen habe ich noch im Ohr. Es folgte eine feste Umarmung. Er nahm mir gleich alle Angst und machte Späße mit meinem Namen. Senta gab’s ja im Englischen gar nicht. Da war ich dann “Santa Baby” für ihn. […] Er hat immer geschrieben, hat immer Ideen gehabt, hat diese Ideen immer allen erzählt. Und während er sie erzählte, hat er auch schon so ein bisschen das Interesse daran verloren. Er war ein großer Märchenerzähler. Wie er “Moby Dick” erzählt, nur wie er es erzählt! Wenn Sie das hören, wissen Sie schon, was ich meine mit dem Geschichtenerzählen. Wenn es ein Beruf gewesen wäre, und er hätte davon leben können, dann wäre es seine Berufung gewesen.” – Von Orson Welles sind im Übrigen ein paar schöne Zitate überliefert, darunter dieses: “Liebe ist ein Zeitwort, ein Verhältniswort, ein Zahlwort oder ein Umstandswort – je nachdem.”

25. Juli 2015

25. Juli 2015

Heute zeigte mir mein Sohn das nachstehende Foto von Orson Welles und meinte, wir, Welles und ich, sähen uns ähnlich. Nach meinem Verständnis heißt das übersetzt “Papa, du musst was tun”. Die Sommerferien – sie haben gerade begonnen – sollten sich für entsprechende Veränderungen wohl eignen. Von Gemeinsamkeiten hinsichtlich des künstlerischen Genies sprach mein Sohn übrigens nicht. Doch ich will da keine Absicht unterstellen. Wem von uns unterlaufen nicht zuweilen kleine Nachlässigkeiten…?

22. Juli 2015

Gestern Abend in Friedrichsdorf, Einführung zum Kurs “Es gibt was auf die Ohren! – Klassische (?) Musik im 20. Jahrundert” (Beginn 10. September). Wir hören und sehen Maurice Ravels “La Valse”. Das Ende des eleganten Wiener Kaiserhof-Flairs, eine Walzer-Apotheose der brachial-gewalttätigen Art,  ein Zertrümmern musikalischer Walzerseligkeit – bizarr, fratzenhaft, verzerrt. Zudem eine hörbare Vorahnung des kommenden Ersten Weltkriegs, der drohenden Zerstörung, mit einem Finale von Gewalt und Chaos. “Überall macht er die schönsten Melodien”, sagt der Dirigent Stéphane Denève, “aber mit einer Begleitung, die manchmal klingt wie eine schlechte Verdauung […] Diese Klänge in Klarinetten, Cello und Kontrabass! Es klingt wie Erbrochenes, wirklich furchtbar.” Eine Hörerin meint, “einem Herzkranken sollte man das nicht vorspielen. Aber Sie hatten uns ja vorgewarnt.” Ich finde, ehrlich gesagt, Herzkranke sollten sich von ganz anderen Stücken fernhalten. Dowland, Monteverdi, Mozart, Strauss – die Liste ließe sich fortsetzen. Aber dazu später mehr.

20. Juli 2015

Zum selben Thema schreibt heute die Wetzlarer Neue Zeitung:

Von Lothar Rühl

Musikschule geht auf die Straße
Aktionstag: Konzerte an vielen Stellen in der Stadt bringen Wetzlar zum Klingen

WETZLAR Zum Tag der offenen Tür hat die Wetzlarer Musikschule erstmals nicht darauf gewartet, dass die Besucher zu ihr kommen. Hunderte Musikschüler und ihre Lehrer sind stattdessen auf die Straßen gegangen. Sie begegneten den Wetzlarern in der Fußgängerzone, im Forum und auf dem Schillerplatz. Und Musikschulleiter Thomas Sander und sein Team konnten zufrieden sein mit dem Verlauf des ersten Aktionstages.

Viele Kontakte entstanden, als die Musikschüler in öffentlichen Konzerten ihren Leistungsstand präsentierten. Nach Angaben von Sander hat die Wetzlarer Musikschule derzeit 1400 Schüler, die von 36 Lehrkräfte unterrichtet werden. In den Räumen am Schillerplatz können Interessenten alle gängigen Instrumente erlernen, derzeit 24 verschiedene. Darunter sind auch Exoten wie Alphorn, Didgeridoo und Mundharmonika. Neben der Grundstufe gibt es die Fachbereiche Blasinstrumente, Tasteninstrumente, Zupfinstrumente und Streichinstrumente. Dazu kommen die Fachbereiche Rockwerkstatt, Gesang und Tanz sowie die musikalische Erwachsenenbildung mit Chorprojekten, Opernreisen, Hörkursen und Musikgeschichte.

Eröffnet wurde der Aktionstag unter dem Motto “Musik bewegt dich” mit einem musikalischen Umzug der Grundstufenkinder. Sie kamen mit Eltern und Geschwistern und zogen mit bunten Luftballons vom Schillerplatz zum Domplatz und zurück. Immer wieder stoppte der Umzug von rund 150 Teilnehmern, um ein Lied anzustimmen. Auf die Melodie von “Ein Vogel wollte Hochzeit machen” erklang der Werbesong “Auf dem Schillerplatz, da ist was los, da feiert die Musikschule ganz groß”. Auf einer eigens errichteten Bühne vor der Musikschule traten Gruppen der Musikschule nonstop auf. Darunter war auch die Big Band “Tuxedo Drive”, die mir ihrem Swing die Passanten und Besucher der Biergärten unterhielt.

Auch im Forum nutzte die Musikschule die Bühne am Brunnen. Die Fachbereiche Tasten und Streicher sowie die Rock-Werkstatt fanden ihr Publikum unter den Kunden des Einkaufszentrums. Am Eisenmarkt war das Bläserensemble zu hören. Weitere Veranstaltungsorte waren die Gaststätte Harlekin und die Untere Stadtkirche, wo sich der Fachbereich Zupfinstrumente mit vier Konzerten dem Publikum zeigte. In der Musikschule konnten Kinder und Erwachsene am Schnupperunterricht teilnehmen. Hier gab es auch eine Notenbörse, ein Infostand und Kaffee und Kuchen sowie kalte Getränke. Das sonnige Wetter sorgte dafür, dass die Musikschüler ideale Bedingungen vorfanden, um für ihr Hobby zu werben.

19. Juli 2015

19. Juli 2015

16. Juli 2015

Es gibt nicht so viele Komponisten, deren Werke wir – bezogen auf unsere Stimmung oder Seelenlage – immer hören können. Oder sagen wir besser fast immer, denn unausweichlich kommen wir alle zuweilen in Situationen, in denen wir bewusst aufs Musikhören verzichten. Von diesen Momenten abgesehen, ist die Bandbreite der Wahlmöglichkeiten ziemlich groß: Von Bachs Orchestersuiten über Mozarts Sinfonien bis hin zu Klaviermusik von Debussy trifft vieles unsere alltägliche Gemütsverfassung relativ passgenau und konvenient. Mit Berlioz, Wagner und Schostakowitsch tun wir uns schon schwerer. Hier müssen wir auf einen geeigneten Tag warten, auf eine bestimmte Stunde. Und wie selten erst sind wir frei für Gesualdo, Wolf oder Hartmann! Sollten wir uns nicht häufiger aufmachen und das Entlegene, das Unbekannte entdecken? Wie neugierig sind wir noch, und wie offen? In dieser Woche haben wir in den Kursen Ravels “Daphnis und Chloe”, Chopins 1. Klavierkonzert, Glucks “Iphigenie auf Tauris”, Mendelssohns Violinkonzert und seine 3. Sinfonie gehört. Auch das alles, um auf den Anfang zurückzukommen, können wir nicht “immer” hören. Aber vielleicht häufiger als bisher. Weil wir gelernt haben und immer wieder die Erfahrung machen, dass vieles auf und zu uns passt, von dem wir bislang bestenfalls eine vage, unbestimmte Ahnung hatten, wenn überhaupt. So vieles wartet auf uns….

14. Juli 2015

14. Juli 2015

Über das Abschlusskonzert des diesjährigen Chorprojekts schreibt heute die Wetzlarer Neue Zeitung:

Madrigale erfreuen die Zuhörer
Gelungenes Konzert in der Musikschule

Wetzlar. “Madrigale und höfische Lieder” waren das Thema des Chorprojekts der Wetzlarer Musikschule, das von Schulleiter Thomas Sander geleitet wurde. Am Samstagabend fand das Abschlusskonzert im Konzertsaal statt. In seiner Rolle als Moderator freute er sich über die gute Resonanz – trotz der brütenden Hitze. “Leider musste das angekündigte Klarinettenensemble absagen, weil zu viele Mitglieder wegen Klassenfahrten und ähnlichen Gründen abwesend sind”, bedauerte der engagierte Musiker.

Der mehr als 30-stimmige Chor stellt sein hohes Niveau unter Beweis

Das erste Werk “Im kühlen Maien” (Hans Leo Hassler) konnte trotzdem doppelchörig vorgetragen werden – dank des Blechbläserensembles. Schon hier wurde das hohe Niveau des mehr als 30-stimmigen Chors deutlich, in dem einige bekannte Gesichter aus Wetzlarer Chören zu finden waren. Als weitere Mitstreiterin war die Mezzo-Sopranistin Annette Meisner gekommen, die auch mit Erkältung eindrucksvoll Werke von John Dowland und Georg Friedrich Händel intonierte. Sehr lebendig und mit viel Gefühl gelangen die Liebeslieder des Renaissancekomponisten Dowland zu einem echten Ohrenschmaus: Von Sander am Klavier begleitet, erklangen “A Shepard in a Shade” und “Come again, sweet love doth now invite!” Ebenso beeindruckend waren Georg Friedrich Händels “Verdi prati” (Alcina) und “Silent Worship” (Tolomeo).

Der Chor hatte bekannte wie eingängige Stücke einstudiert und zeigte sich bestens aufgelegt. Romantische Dinge standen auch hier im Mittelpunkt, wie die “Drei schönen Dinge fein” von Daniel Friderici oder Hasslers “Tanzen und Springen” oder Heinrich Alberts “Du mein einzig Licht”. “Musica die ganz lieblich Kunst” (Johannes Jeep), Standardrepertoire vieler Chöre mit langer Tradition, durfte natürlich nicht fehlen. Mit viel Spaß und “Lirilirum” wurde Johann Scheins “Ihr Brüder, lieben Brüder mein” vorgetragen. Als besonderes Highlight präsentierte Sander “Innsbruck, ich muss Dich lassen” (Heinrich Isaac), das vom Reimschema als dreihebiger Jambus und auch von der Melodie mit relativ geringem Tonumfang etwas Besonderes ist. “Der wehmütige Charakter entsteht vor allem durch die Zeilenschlüsse im Seufzermotiv und die häufige Berührung der Terz”, erläuterte Sander. Das Publikum zeigte sich begeistert von dem sehr passend gewählten Liedgut und sparte nicht mit Applaus.

Text und Foto: Heike Pöllmitz

13. Juli 2015

13. Juli 2015

In letzter Zeit, es fällt mir selbst auf, habe ich in meinen Kursen viele Einspielungen mit Daniel Barenboim verwendet. Dieser außergewöhnliche und mit zahllosen Preisen und Auszeichnungen dekorierte Musiker ist, wer wüsste das nicht, seit Jahrzehnten auf allen renommierten Bühnen der Welt zu Hause, als Dirigent wie als Pianist. Kürzlich sagte mir ein Kollege, es sei ihm ein Rätsel, wie dieser Mann bei den unzähligen Verpflichtungen auf derart hohem Niveau Klavier spielen kann. Woher nimmt er die Zeit zum Üben? Er dirigiert und spielt, unterrichtet, leitet Projekte, engagiert sich in der Politik und vieles mehr. Umso erstaunlicher ist, was wir hören und sehen: Die Klavierkonzerte von Mozart, Beethoven, Chopin, Brahms, Tschaikowsky und anderen, dazu die vielen Sinfoniekonzerte, nicht nur zu Silvester und Neujahr, mit den großen Orchestern der Welt, dazu die Ramallah-Konzerte, die Aufführungen mit dem Orchester des West-Östlichen Divans und und und… 72 Jahre ist Barenboim nun alt, und es sieht nach allem aus, nur nicht nach Ruhestand. Wie schön.

11. Juli 2015

11. Juli 2015

Heute feiert der große schwedisch-amerikanische Dirigent Herbert Blomstedt seinen 88. Geburtstag. Wir gratulieren auf das Herzlichste! Nachfolgend ein Auszug aus dem Buch Der Taktstock – Dirigenten erzählen von ihrem Instrument von Eckhard Roelcke (Paul Zsolnay Verlag, Wien 2000). Sympathisch und überzeugend erzählt Herbert Blomstedt über sein Verständnis des Dirigenten, dessen Funktion und Aufgabe, und nicht zuletzt über die Bedingungen für das Entstehen von schöner Musik.

Der Taktstock als Machtsymbol ist nicht mehr aktuell. Der Dirigent ist kein Halbgott. Das war er vielleicht vor hundert Jahren. Oder er wurde als Halbgott angesehen. Er war unfehlbar und wurde immer angestaunt. Kollegen, die diesen Typus noch verkörpern, werden immer seltener und immer lächerlicher. Ich sehe ab und zu Fotos von Kollegen, wie sie den Taktstock fast wie eine Waffe, wie einen Dolch halten. Der Taktstock als Symbol von Macht und Kraft: Das ist mir äußerst zuwider! Die meisten Kollegen verwenden den Taktstock aus praktischen Gründen und nicht als Machtsymbol. Der heutige Dirigent muss, um wirklich erstklassige Ergebnisse zu erzielen, mit seinen Musikern kooperieren und das beste aus ihnen herauslocken. Das tut man bestimmt nicht mit Drohungen oder mit “Taktschlägereien”. Der Dirigent ist vor allem ein Diener der Musiker. Der Dirigent sollte keine eitle Erscheinung sein. Das hasse ich. Das hat nichts mit Musik zu tun oder sehr wenig. Man ist Diener der Musik und Diener seiner Musiker. Wir lieben doch alle die Musik. Nur wenn wir ein gemeinsames Liebesverhältnis zur Musik haben, kommt wirklich etwas Schönes heraus.

8. Juli 2015

8. Juli 2015

“Man geht kaum zu weit, wenn man diese Gluck-Tragödie als das vollendetste Werk unter seinen »Reformopern« bezeichnet: Seit der Pariser Uraufführung am 18. Mai 1779 hat sie ihren Siegeszug fortgeführt. Der Grund hierfür liegt vor allem in der nach Glaubhaftigkeit und emotionaler Wahrhaftigkeit strebenden Operndramaturgie, die auf alles Dekorative und Effektheischende verzichtet. Iphigenie auf Tauris ist antikes Drama pur, angereichert mit einer unglaublich berührenden Musik.”

Mit diesen Worten warb das Staatstheater Kassel Ende 2014 für seine Aufführungen von Glucks prominentester Oper nach Orpheus und Eurydike. Letzte Chance am 24. Juli – wenn es irgendwie geht: hinfahren und erleben!

7. Juli 2015

Mit den Werken von Frédéric Chopin habe ich mich bisher insgesamt eher selten beschäftigt. Er hat nicht ein einziges Stück für eine Besetzung ohne Klavier geschrieben, damit ist das gesamte Œuvre doch eher schmal. Keine Sinfonie, kein Streichquartett, keine Oper, nicht ein einziges Vokalwerk. Abgesehen davon, ich gebe es gerne zu, war mir schon während des Studiums seine Klaviermusik technisch zu anspruchsvoll. Mit meinen kleinen Händen habe ich lieber andere Stücke gespielt – Bach, nicht zu Schweres von Schumann und Brahms, Hindemith. Das war technisch zu schaffen, und es lag mir einfach mehr – so ist es bis heute. Heute im Kurs werden wir nun Chopins Klavierkonzerte hören – schöne Musik, keine Frage. Manch einem wird sogar das Herz aufgehen.

5. Juli 2015

5. Juli 2015

Eigentlich wollte ich ab heute wieder schreiben. Aber es ist zu heiß, ich bitte um Verständnis – noch ein paar Tage Geduld! Danke!

Pause bis zum 4. Juli 2015

24. Juni 2015

24. Juni 2015

Helmuth Lohner ist tot. Der Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor ist in der Nacht zum Dienstag nach schwerer Krankheit im Alter von 82 Jahren gestorben. Lohner galt als einer der profiliertesten Charakterdarsteller seiner Generation. Sein Tod bedeute einen großen Verlust für das deutschsprachige Theater und großen Schmerz für alle, die ihn kennen und ihm nahestanden, sagte der Direktor des Wiener Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttinger. Dieses Theater war praktisch Lohners Hausbühne. Dort war er nicht nur Schauspieler, sondern von 1997 bis 2006 auch künstlerischer Direktor.

Lohner wirkte in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit, sein ganze Liebe jedoch galt dem Theater. Die Kritiker lobten ihn als facettenreichen, disziplinierten und hochsensiblen Darsteller und “Menschengestalter”. Er feierte Erfolge in den großen Häusern wie in München, Berlin, Düsseldorf und Zürich. In den 80er Jahren band er sich als Schauspieler fest an das Wiener Burgtheater. Neben dem tiefernsten Fach konnte der Opernbegeisterte, im Alltag ein eher leiser Mensch, mit seiner komödiantischen Ader die Zuschauer zum Lachen bringen. Ab den 90er Jahren inszenierte Helmuth Lohner als Regisseur auch Opern und Operetten. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählten u. a. die Kainz-Medaille, der Johann-Nestroy-Ring und der Titel Österreichischer Kammerschauspieler. (Quelle: carz/dpa)

Gerhard Stadelmaier schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über vieles, was mit Helmuth Lohner unvergessen bleiben wird, und erinnert sich an eine sehr berührende Szene: “Als Stephan von Sala in Thomas Langhoffs Salzburger Inszenierung von Schnitzlers „Der einsame Weg“ (1987) stand er still und staunend und unendlich traurig vor dem, was das Leben und eventuell die Liebe von einem Menschen fordern könnten: nichts als Hingabe – bis in den Tod.”

21. Juni 2015

21. Juni 2015

Gestern habe ich anlässlich eines Geburtstages wieder ein Exemplar meines Lieblingsbuches verschenkt, ich weiß nicht zum wievielten Mal – “Ein letzter Sommer” von Steve Tesich. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bespricht einen “Roman voll übermütigem Witz, herzzerreißender Melancholie, Klugheit und Poesie”. Stefan Kellerer rezensiert einen “wunderbaren Roman, in dem jeder Satz auf erschütternde Art und Weise wahr und wahrhaftig ist, dass man gar nicht mehr aufhören kann und will mit dem Lesen”. Christine Westermann nennt das Buch ein “Meisterwerk” und schreibt: “Steve Tesich war ein begnadeter Drehbuchautor, ich vermute mal, dass er beim Schreiben immer schon ans Kino, an die Bilder gedacht hat. Und die projiziert er mühelos und mit großer Leichtigkeit in die Köpfe seiner Leser.” Elke Heidenreich fasst sich kurz: “Das ist ganz große Literatur.” Auf amazon gibt es über fünfzig Rezensionen, die meisten mit fünf (Höchstwertung) oder vier Sternen. Ich kenne das Buch erst seit 2010, ich habe es damals im Urlaub in einer Bücherkiste gefunden und geradezu verschlungen, tief beeindruckt und sehr bewegt. Es ist sozusagen mein Buch. So etwas verstörend Richtiges, so etwas verzweifelt Komisches habe ich weder zuvor noch danach je gelesen.

Steve Tesich wurde 1942 in Užice geboren und kam im Alter von vierzehn Jahren nach Indiana/USA. Er studierte russische Literatur an den Universitäten von Indiana und Columbia und promovierte 1967. Er schrieb zahlreiche Stücke und Drehbücher, u. a. das mit einem Oscar ausgezeichnete Drehbuch für den Film »Breaking Away« und für »Garp und wie er die Welt sah«. Bei Kein & Aber erschienen seine Romane »Ein letzter Sommer« (2005) und »Abspann« (2006). Steve Tesich starb 1996 im Alter von 53 Jahren.

19. Juni 2015

19. Juni 2015

Eine Frau macht niemals einen Mann zum Narren; sie sitzt bloß dabei und sieht zu, wie er sich selbst dazu macht.
Frank Sinatra (1915 – 1998)

“Frankie Boy” würde in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiern. Er wurde als Sohn italo-amerikanischer Eltern am 12.12.1915 in Hoboken, New Jersey geboren. Als Sänger, Schauspieler und Entertainer wurde er in einer beispiellosen Karriere zu einer der bekanntesten und angesehensten Persönlichkeiten der Musik- und Filmbranche im 20. Jahrhundert. Seine Alben mit Titeln wie Strangers in the Night, My Way und New York, New York machten ihn weltberühmt und wurden über 150 Millionen Mal verkauft. Er gewann den Oscar (für “Verdammt in alle Ewigkeit”) und mehrere Grammys, dazu unzählige weitere Film- und Musikpreise sowie hochrangige internationale Auszeichnungen. Zu seinen Filmpartnern gehörten Dean Martin, Sammy Davis jr., Edward G. Robinson, Tony Curtis, Doris Day, Shirley MacLaine, Grace Kelly und viele andere. Er arbeitete u. a. mit Regisseuren wie Otto Preminger, Mervyn LeRoy, Robert Aldrich und John Huston zusammen und führte in einigen Produktionen auch selbst Regie. Frank Sinatra starb am 14. Mai 1998 in Los Angeles.

17. Juni 2015

17. Juni 2015

Heute Abend erleben wir im Opernkurs Ingmar Bermans “Die Zauberflöte” (Trollflöjten, Schweden 1975). Der Kinofilm wurde zum 50-jährigen Jubiläum des Schwedischen Fernsehens realisiert und mehrfach hochrangig ausgezeichnet: 1975 erhielt Ingmar Berman den Sonderpreis der National Society of Film Critics (für den Beweis wie unterhaltsam Oper im Film sein kann), 1976 war das Werk die “Beste fremdsprachige TV-Produktion” bei den British Academy Television Awards. Außerdem war “Die Zauberflöte” 1976 sowohl für den César als auch den Golden Globe Award für die Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ nominiert. Auch bei der Oscarverleihung 1976 wurde er in der Kategorie “Bestes Kostümdesign” nominiert.

Hellmuth Karasek schrieb damals in “Der Spiegel” (11/1976): “Der Librettist Schikaneder, der Mozart eine Vorlage nach der damaligen Volkstheatermode des spätbarocken Wiener “Zauberspiels” lieferte, hat zwar, so meint man, verteufelt viel Humanität, aber um so weniger Opernlogik zu Papier gebracht. Zuerst zieht ein Prinz im Namen einer guten Fee zu einem bösen Geist, das Monstrum Sarastro wird dann plötzlich gütig-weise, die Königin der Nacht klirrend böse — was tut’s, dass man die Tochter nun nicht mehr für die Mutter, sondern von der Mutter befreit? – Diese Ungereimtheiten, die sich noch mit den in der Regel unerträglich albernen Papageno-Drolerien potenzieren, nimmt man wegen Mozart achselzuckend in Kauf — und behilft sich als Regisseur schlecht und recht mit Steifftierchen-Charme, treuherziger Märchennaivität (“Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …”) und einem bisschen Kulissendonner und Kulissenblitz. Oper ist, wenn man nicht gerade die Augen zumachen muss. – Es ist also immer leicht, Mozart auf Kosten Schikaneders zu rechtfertigen, mit sogenannten Einfällen über den Text hinwegzutäuschen. Doch Ingmar Bergman tut das genaue Gegenteil. – Schikaneder ist ihm nicht Vorwand für Mozart, sondern Musik und Geist, Spiel und Idee sind eine Einheit, die Bergman – und weniger pathetisch lässt sich das leider kaum sagen – als das schönste Vermächtnis einer verbrüdernden Humanität verwirklicht: die Oper als beglaubigte Utopie.”

Und Das Lexikon des Internationalen Films schwärmt: “Mozarts komödiantisches Schauspiel vom Kampf der Mächte des Lichts und der Finsternis, von himmlischer und irdischer Liebe in einer kongenialen Filmfassung von Ingmar Bergman. Obwohl als TV-Produktion konzipiert, kommt die auf große Wirkung angelegte Gestaltung erst im Kino voll zur Geltung. Bergman hat sich nicht damit begnügt, eine Bühnenaufführung abzufilmen, sondern benutzt die Kamera als schöpferisches Mittel und Mitspieler im Geschehen; die Geschichte, in der sich Naives und Mythisches mischen, wurde auf ein menschliches Maß reduziert und fürs heutige Publikum begreifbar gemacht. […] Ein optischer und musikalischer Genuß von seltener Ausgewogenheit und Schönheit.”

14. Juni 2015

Eurovision Song Contest statt royaler Tradition

Wer am Samstag die Hochzeit von Schwedenprinz Carl Philip und der Model-Yogalehrerin Sofia Hellqvist am Bildschirm verfolgt hat (Gott sei Dank, ohne dass ein Moderator alles kaputtgequatscht hätte), konnte seinen Ohren nicht trauen. Seinen Augen schon, denn außer den putzigen Marinemützen der royalen Herren, gab es viele prächtige Roben zu bestaunen, nebst dem passenden Geschmeide. Was aber das Brautpaar sich da an musikalischer Begleitung ausgesucht hatte, zeigt, dass beim drittgeborenen Prinzen wohl schon alles egal ist. Hier hat kein Protokollwächter und kein Hofprediger mehr korrigierend eingegriffen. Einzug in die Kirche zu den Klängen eines gälischen Popsongs. Dann – immerhin – ein Choral, der sich anhörte wie unser evangelisches “Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer”. Paul Gerhardts “Geh aus mein Herz und suche Freud” mit anderer Melodie (schwedisch halt), aber dann kam es: Rihanna und Coldplay-Songs, dargeboten von schwedischen Schlagersängern, die sich auf einer Bühne wähnten. Der Knaller dann am Ende: Auszug zu Gospelklängen, wobei der Sänger ein frenetisches “Everybody clap your hands!” in die Kirche brüllte, woraufhin die gekrönten Häupter pflichtschuldigst mitklatschten und mit dem Kopf wippten. Entweder waren sie einfach froh, sich nach der langen Trauung wieder bewegen zu können, oder sie hatten Angst, sonst eine schlechte Presse zu bekommen, à la “guck mal, wie steif die Margrete ist”. O tempora, o mores! Auf den Adel ist auch kein Verlass mehr, nicht mal in Geschmacksdingen. Was ich gewählt hätte? Kantate 147. Das ist schön, eingängig und – Bach.

Autorin: Kicherliese (Kreisleiche) – Danke für die Zuschrift!

12. Juni 2015

12. Juni 2015

“Ein Leben, in dem wir uns nicht selbst erforschen, ist es nicht wert, gelebt zu werden.” Dieser Satz von Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) wirft ein entscheidendes Licht darauf, wie wir unseren Erfahrungen ihre jeweiligen Bedeutungen geben. Wie wir etwas erleben, wie wir es bewerten, welchen Rang wir ihm verleihen – das alles hängt in hohem Maße davon ab, wie gut wir uns selber kennen. Was sind die Motive und Ursachen unseres Handelns, unserer Empfindungen, unserer Überzeugungen? Welche Erlebnisse prägen uns oder haben es in der Vergangenheit getan? Ja, wie gut kennen wir uns selbst? In welchen Situationen verfallen wir in bekannte Muster und Verhaltensweisen? Wie oft stehen wir uns dabei selbst im Weg? Und warum können wir nicht unseren Blickwinkel verändern, eine andere Sichtweise einnehmen? Wo sind sie – die Wege zum Glück? “Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden”, sagt der französische Schriftsteller Nicolas Chamfort (1740 – 1794). Also los! Fangen wir endlich an, uns selber zu begreifen – ohne Angst vor Abgründen und Gefahren! Wir Menschen sind darauf angelegt, tiefe und verlässliche Bindungen einzugehen und zu erfahren. Aber dabei muss nicht alles, was uns vertraut ist, auf ewig so bleiben – das kann es gar nicht! Der amerikanische Psychiater und Schriftsteller Irvin Yalom (Bild) sagt es so: “Ich habe viele Menschen bis zu ihrem Tod begleitet. Es war niemand dabei, der am Ende seines Lebens gesagt hat ‘Ach, hätte ich doch noch mehr gearbeitet’. Die meisten haben bedauert, dass sie nicht mehr und länger ihre Beziehungen gepflegt haben.”

11. Juni 2015

“Der Klaviervirtuose und Musikwissenschaftler hat nicht nur profundes Wissen über die Stücke, mit denen er sich auseinandergesetzt hat, sondern seine besonderen Entertainerqualitäten machen den Besuch seiner Vorträge zu einem lehrreichen und außergewöhnlich kurzweiligen und humorvollen Abend.” So schreibt es das Stadttheater Gießen in seinem Newsletter über Stefan Mickisch. Zum Abschluss des Strauss-Jubiläumsjahres spielt und erklärt Mickisch morgen Abend um 19.30 Uhr im Großen Haus Ausschnitte aus Der Rosenkavalier, Also sprach Zarathustra und Till Eulenspiegels lustige Streiche. “Wer Mickisch kennt, kommt, wer Mickisch nicht kennt, muss kommen!”, meint die Neue Zürcher Zeitung. Also, ich werde auf jeden Fall da sein.

9. Juni 2015

Heute Vormittag, Kurs “Sinfonien und Instrumentalkonzerte”, Beethovens Neunte. “Ode an die Freude”, “Seid umschlungen, Millionen”, “Europahymne”. Ehrfürchtiges Publikum. Und ich wage zu sagen, dass der Finalsatz Längen hat und manche Passagen an Kirmesmusik erinnern! Dieser ganze Abschnitt mit Marschmusik, Triangel und Tamtam – aufgesetztes Pathos und endlose Wiederholungen! Eine Zuhörerin sieht mich mit großen Augen an: “Sie sagen etwas gegen Beethoven!?” “Sogar gegen seine Neunte!” Ist das erlaubt? Naja, Wetzlar ist viel gewohnt als Goethe-Stadt. Darf man über den großen Dichter etwas Kritisches sagen? Wetzlar ist auch Optik-Stadt! Das macht es leichter. Mit Mikroskopen, Lupen und Okularen sieht (oder liest) man einfach besser. So halten wir unsere Sinne beisammen, uns könnte sonst Hören (wie Beethoven) und Sehen vergehen.

8. Juni 2015

Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.
Anton Bruckner (1824 – 1896)

5. Juni 2015

Sechzig Jahre ist es her, dass Harald Genzmer (1909 – 2007) die “Fünf Chorlieder nach mittelhochdeutschen Texten für 4-8stimmigen gemischten Chor a cappella” komponierte. Erst ein einziges Mal habe ich diese Stücke öffentlich aufgeführt, in den 80er Jahren in einem Konzert mit dem Hertener Kammerchor. Für das nächste Chorprojekt steht der Zyklus ganz oben auf meiner Wunschliste. Es ist eine kleine Sammlung von wirklich zauberhaften Liedern, eines schöner als das andere. Das emotionale Herzstück ist die Nr. 4, “Dû bist mîn”. Ein Stück in einem einzigartigen Tonfall – innig, zart, entrückt.

Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.
anonym, 12. Jahrhundert

3. Juni 2015

Eines Tages kam ich auf das Metronom und dessen Zweckmäßigkeit zu sprechen. “Wozu ein Metronom?” warf Herr Mendelssohn ein, “das ist ein recht überflüssiges Instrument. Ein Musiker, der bei dem Anblick eines Musikstückes nicht sofort dessen Zeitmaß errät, ist ein Stümper.” Ich hätte ihm erwidern können, dass es viele Stümper gibt; doch ich schwieg. Ich hatte damals fast noch gar nichts komponiert. Eines Tages wünschte er die Partitur der Ouvertüre zu “King Lear”, die ich schon in Nizza geschrieben hatte, zu sehen; er las sie zuerst aufmerksam und langsam durch, dann setzte er die Finger auf das Klavier, um sie zu spielen (was er mit unvergleichlichem Geschick tat), und sprach: “Geben Sie mir doch Ihr Tempo an.” “Wozu? Haben Sie mir nicht neulich gesagt, jeder Musiker, der beim Anblick des Stückes das Tempo nicht errät, sei ein Stümper?” Er wollte es sich nicht merken lassen, aber dieser Nachhieb oder vielmehr diese unerwarteten Kolbenstöße missfielen ihm sehr. Er benahm sich, sobald von Musik die Rede war, wie ein Stachelschwein; man wusste nicht, wo man ihn anfassen sollte, um sich nicht zu verletzen.
aus: Hector Berlioz, Erinnerungen – Beschreibung der Begegnung mit Felix Mendelssohn in Rom 1830/31

Wie schön, dieser letzte Satz! Ja, das gibt es in der Tat: Wir wissen nicht, wie wir jemanden anfassen sollen, weil wir uns verletzen werden, so oder so. “Er benimmt sich wie ein Stachelschwein” – herrlich! “Sie benimmt sich…” geht natürlich auch (und kommt genauso vor). Nebenbei bemerkt, hätten wir das Mendelssohn gar nicht zugetraut, diesem “Mozart der Romantik”, wie Schumann sich ausdrückte. Aber Vorsicht, Stachelschweine sind sensibel! Alle Schweine sind das (dass Stachelschweine Nagetiere sind, soll jetzt keine Rolle spielen). Besonders empfindsam zu sein wäre also eine echte Sauerei…

1. Juni 2015

1. Juni 2015

“Was die Liebe für die Seele ist”, sagte Rossini einmal, “ist der Appetit für den Leib. Der Magen ist der Kapellmeister, der das große Orchester unserer Leidenschaften dirigiert. Essen, Lieben, Singen, Verdauen sind die vier Akte der komischen Oper, die wir das Leben nennen.”

Es heißt, Rossini habe in seinem Leben dreimal geweint: einmal, als sein “Barbier von Sevilla” ausgepfiffen wurde, ein zweites Mal, als er eine Arie seines Landsmanns Carafa hörte, und schließlich, als ihm auf einer Bootsfahrt ein getrüffelter Truthahn ins Wasser fiel.

Einst saß er mit dem erwähnten Carafa zu Tisch. Sie kamen auf Wagner zu sprechen, den Rossini nicht leiden konnte – zu gegensätzlich waren ihre Temperamente -, den der Freund dagegen glühend verteidigte. Ein prachtvoller Stör mit Kapernsauce wurde aufgetragen. Rossini füllte Carafas Teller mit viel Sauce und nichts anderem. “Du hast vergessen, mir Fisch zu geben”, warf ihm Carafa vor. “Ich habe es nicht vergessen, ich habe dich nur nach deinem Geschmack bedient. Viel Sauce, kein Fisch – das ist Wagner.”

aus: Cédric Dumont, Allegro con gusto – Rezepte und Geschichten von komponierenden Feinschmeckern, kochenden Kapellmeistern und verwöhnten Primadonnen

29. Mai 2015

“Die Berliner Philharmoniker gelten als extrem selbstbewusst, ja notorisch arrogant. Die Arbeit mit ihnen, soll Rattle einmal gesagt haben, sei, als habe man irren Sex mit jemandem, den man partout nicht leiden könne.” So stand es zu lesen, vor knapp drei Wochen in der Zeit, noch bevor das Orchester entschied, sich in der Frage der Nachfolge Rattles zunächst nicht festzulegen. Immerhin, sofern das Zitat authentisch ist, wissen wir nun, dass der Maestro gewagte Vergleiche nicht scheut. Und das Spitzenensemble darf sich kapabel wähnen, seinem natürlichen Feind, dem Dirigenten, Delirien außergewöhnlichen Zuschnitts zu bescheren. “Irrer Sex mit jemandem, den man partout nicht leiden kann”… das regt die Fantasie an, nicht wahr? Und wem von uns fiele dazu nichts ein?

27. Mai 2015

“Ich bin dafür, jetzt erstmal mit der Relation im Dorf zu bleiben.”
Uwe Seeler

Ja, das finden wir auch. Irgendwann ist es mal gut. Wir könnten zwar “alles nochmal Paroli passieren lassen”, wie Horst Hrubesch meinte. Aber “man soll nicht alles so hochsterilisieren” (Bruno Labbadia). Damit ist alles gesagt.

26. Mai 2015

Heute fiel mir ein Leserbrief in die Hände, der vor Jahren in der Brigitte erschien. Geschrieben hat ihn Stephanie Neurath aus Fürth. Ich habe den Beitrag damals kopiert und bis heute aufbewahrt. Ein schöner Text – süffig, verspielt, charmant, ironisch. Im Nachgang zum gestrigen Eintrag passt er obendrein – und geht dabei weit über spezifische Lehr- und Lerninhalte des Unterrichtsfachs Musik hinaus.

“Wahrscheinlich gibt es nicht viele Berufe, an welche die Gesellschaft so widersprüchliche Ansprüche stellt wie an unseren: Gerecht soll er sein, der Lehrer, und zugleich menschlich und nachsichtig, straff soll er führen, doch taktvoll auf jedes Kind eingehen, Begabungen wecken, pädagogische Defizite ausgleichen, auf jeden Fall den Lehrplan einhalten, wobei hoch begabte Schüler gleichermaßen zu berücksichtigen sind wie begriffsstutzige. Mit einem Wort: Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nacht und Nebel durch unwegsames Gelände in nord-südliche Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.”

25. Mai 2015

“Der Takt regelt die Betonungen in der Musik.” Wie oft, wenn wir in Kursen oder im Unterricht Begriffe wie Takt, Rhythmus, Tempo etc. behandeln, ist dieser Satz schon gefallen! An dieser Stelle spreche ich dann gerne über “Hänschen klein”, um zu zeigen, dass dieses Lied leider fast immer volltaktig statt auftaktig abgedruckt wird. Also singen wir bedenkenlos “Hänschen klein ging allein” statt “Hänschen klein ging allein“. Es ist aber völlig nebensächlich, dass der kleine Junge Hans heißt und ging – er könnte auch Franz, Karl oder Max heißen und gefahren oder geschwommen sein! Entscheidend ist, dass er klein ist und sich allein auf den Weg gemacht hat! Also müssten diese Worte betont sein und somit am Taktanfang stehen. – Letzte Woche, Helmholtz-Gymnasium Frankfurt am Main, Musikunterricht in Klasse 7. Rhetorische Frage in der naiven Erwartung, dass alle Arme nach oben gehen: Wer kennt “Hänschen klein?” Fünf Meldungen bei 25 Schülerinnen und Schülern. Sieh an. “Unterschiedlichkeit und Vielfalt bringen auch die Herkunft der Schülerinnen und Schüler aus allen Schichten der Bevölkerung mit sich, ihre verschiedenen Nationalitäten und religiösen Zugehörigkeiten.” Dieser Satz steht auf der website der Schule. Alles gut. Solange man im Musikunterricht den Begriff Takt nicht am Beispiel von “Hänschen klein” erläutern will.

22. Mai 2015

„Die Villa steht leer?“ fragte ich. Der alte Mann legte den Rechen zur Seite und zeigte auf die großen Erkerfenster. „Sie haben acht Monate hier gewohnt, dann waren sie plötzlich fort.“
Er seufzte. „Einige Möbel sind noch da. Die Küche, ein rotes Ledersofa,  noch ein paar andere Sachen.“
Ich schaute auf die bewachsene Fassade. Blauregen und Geißblatt blühten, der Duft war betörend.
„Una bella coppia“, sagte er. „Es war immer schön, wenn er am Flügel saß und spielte. Bach, Mendelssohn, Puccini… Naturalmente. Manchmal hat sie dazu gesungen.“
Er sah auf die Olivenbäume und legte ein paar Gartengeräte auf einen alten Holztisch.
„Eines Tages werden sie zurückkommen“, sagte er.
„Meinen Sie wirklich?“
Er lächelte. „Ma di certo! Il meglio viene ultima.“
aus:
Ric Hesekiel und Andreas H. Most (Hrsg.), Jahrestag

Pause bis zum 22. Mai 2015

8. Mai 2015

In seinem Oratorium “Die Schöpfung” hat Joseph Haydn die biblische Schöpfungsgeschichte auf geniale Weise in Töne gesetzt. Mit diesem Werk schuf der Komponist einen der bedeutendsten Beiträge zur Gattung des Oratoriums. Gemäß der Genesis schildert Haydn den Schöpfungsakt und stellt das Lob Gottes in den Mittelpunkt. Mit dem Amt für Katholische Religionspädagogik Wetzlar/Lahn-Dill-Eder ist ein Vortrag über dieses großartige Werk für den Juni des kommenden Jahres verabredet (siehe Blog vom 31. März). Der Titel steht jetzt fest: “Chaos, Licht, Mensch – Haydns Schöpfung”. Ich werde u. a. die zum Einsatz gebrachten stilistischen und musikalischen Mittel aufzeigen und erklären, welche Aussagekraft die so geschaffenen Klangbilder dadurch erhalten. Ein im Wortsinne wunderbares Thema!

7. Mai 2015

Silberhorn, das Magazin von nmz und jazzzeitung, veröffentlicht in seiner diesjährigen Sommerausgabe ein Interview mit Joachim Reiber. Der Germanist, Historiker und Essayist spricht u. a. über sein Buch “Duett zu dritt – Komponisten im Beziehungsdreieck” (Kremayr & Scheriau Verlag, Wien 2014) und verweist am Schluss auf glühende Liebesbriefe des österreichischen Komponisten Gottfried von Einem (1918 – 1996), die dieser seiner Nichte schrieb. Nicht um eine Dreiecksbeziehung sei es dabei gegangen, “aber doch um eine Geschichte, die ganz stark spüren lässt, welchen Antrieb die Sehnsucht nach der (unerreichbaren) Geliebten für die Kunst geben kann. […] Es gibt, selbstverständlich, vergleichbare zeitgenössische Fälle – und die wird es geben, solange Menschen sich liebend verstricken.”

5. Mai 2015

Die Neue Westfälische schreibt begeistert über Händels Oper “Xerxes” am Bielefelder Theater: “Es ist einer dieser beglückenden Opernabende, bei denen alles stimmt”, so heißt es, “einer, der gut unterhält, intellektuell anregt und emotional bewegt.” Es folgen Elogen auf die ausführenden Musiker, das Bühnenbild, die Regie. Und dann das Schönste: “Die Sänger dürfen in ihren Arien die emotionalen Landschaften ihrer Figuren ausloten. Grandios etwa, wenn Xerxes von seinem entflammten Herzen singt und sich dabei ein Feuer per Videoprojektion durch zwei gestaffelt im Bühnenraum stehende Rahmen frisst.” Das entflammte Herz, das Feuer der Leidenschaft bringt den Türrahmen, an den Xerxes sich lehnt, zum Brennen – was für ein Bild!

4. Mai 2015

4. Mai 2015

Über den Abend “Musik in Österreich – Klassik und Romantik” schreibt jetzt der Wetzlar Kurier in seiner Mai-Ausgabe:

Bei der DÖG: Thomas Sander stellte “Musik in Österreich” vor

(wf). Mit der Musik in und aus Österreich von der Klassik bis zur Romantik beschäftigte sich Thomas Sander, Leiter der Musikschule Wetzlar, in einer inhaltsreichen und kurzweiligen zweistündigen Darstellung im Konzertsaal der Musikschule am Schillerplatz. Eingeladen zu diesem Exkurs der etwas anderen Art hatte die Deutsch-Österreichische Gesellschaft Wetzlar. Thomas Sander verstand es, dem Publikum anhand seiner fundierten und faktenreichen Kenntnisse des jeweiligen Werkes, der Zeitumstände und der Biografien der großen Komponisten mit ihren vielen unbekannten Details und Zusammenhängen lebhaft und lebendig zu Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozert, Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Franz Schubert einen nicht alltäglichen Zugang zu verschaffen.

Dabei bediente sich Sander nicht nur eigenhändig und gewohnt sicher des Flügels im Konzertsaal, sondern brachte zur Erläuterung versteckter Details wie “großer Linien” zahlreiche Konzertausschnitte anhand ausgesuchter, hochwertiger CDs und DVDs zu Gehör, stets versehen mit interessanten Anmerkungen zu Stilmitteln, überraschenden musikalischen Wendungen und Motivation an den richtigen Stellen, die den Zuhörern zahlreiche neue Einblicke und “Aha-Erlebnisse” bescherten.

“Ein exzellenter Überblick, der Lust auf mehr macht”, stellte Hans-Jürgen Irmer, Präsident der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar, bilanzierend fest. Deshalb werde die DÖG im nächsten Jahr eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Mozart anbieten, in der es um Leben und Werk dieses großen Komponisten geht.

Irmer bedankte sich namens der beiden DÖG-Vizepräsidenten Ingeborg Koster und Martin Dietz sowie des beeindruckten Publikums bei Thomas Sander für den sehr gelungenen Abend und überreichte ein Weinpräsent aus der Steiermark, in der auch Wetzlars Partnerstadt Schladming “zu Hause” ist.

3. Mai 2015

Am 8. Mai 2015 jährt sich zum siebzigsten Mal das offizielle Ende des 2. Weltkrieges. Aus diesem Anlass lädt der Förderverein Schlosskirche Braunfels am Freitag, den 8. Mai um 19 Uhr alle Interessierten herzlich zu einer ökumenischen Gedenkandacht in die Braunfelser Schlosskirche ein. Nach einem Orgelvorspiel und der Begrüßung durch Kurt Söhngen, den Vorsitzenden des Fördervereins, wird der Zeitzeuge Ferdinand Betzenberger aus der Braunfelser Chronik lesen. Eine Orgel-Improvisation und ein Dankgebet beschließen die Gedenkstunde, die gemeinsam von der evangelischen und der katholischen Kirche sowie dem Haus Höhenblick gestaltet wird.

Über die Anfrage, ob ich bei der Veranstaltung die Orgel spielen würde, habe ich mich sehr gefreut und spontan zugesagt. Im “früheren Leben” war ich zwanzig Jahre lang neben Studium und Beruf in der Kirchenmusik aktiv, und auch heute noch übernehme ich gelegentlich Vertretungsdienste. Besondere Freude macht mir dabei das Improvisieren, dafür hatte ich schon immer ein Faible. Umso schöner, dass dazu in dem genannten würdigen Rahmen wieder Gelegenheit besteht.

1. Mai 2015

1. Mai 2015

Zum ersten Mal habe ich das Bild vor Jahren in Bochum gesehen, im Behandlungszimmer meines damaligen Zahnarztes Dr. Wolf Brockhausen. Er erläutert das Bild auf seiner website und schreibt über die entscheidende Bedeutung des Schrittes, alles um sich herum als Ausdruck und Ergebnis seiner eigenen Bewertung zu sehen und nicht als scheinbar unabänderliche “Tatsache”. “Alles eine Sache der Perspektive”, könnte man sagen. Und der Bereitschaft, bisherige Positionen und Einstellungen zu überprüfen und somit Veränderungen möglich zu machen. Ich gebe den erläuternden Text nachfolgend leicht gekürzt wieder.

Stellen wir uns vor, wir schauen entlang der Wand voll auf das Fragezeichen. Aus diesem Blickwinkel ist der Schatten des Fragezeichens auf der Wand, der einem Ausrufezeichen gleicht, nicht sichtbar. Setzen wir nun das Fragezeichen als Symbol für “Ich weiß nicht weiter”, “Ich verstehe das nicht”, “Ich kann das nicht”, kurz gesagt als Ausdruck einer problematischen Situation, dann schaue ich auf dieses Problem, solange ich meinen Standort an der Wand nicht verändere. Bewege ich mich jedoch, verlasse ich also meine alte Position, meinen alten, bisherigen Blickwinkel an der Wand, meinen alten Standort und bewege mich um das Fragezeichen einen Viertelkreis herum, dann schaue auf die Schmalseite des Fragezeichens. Und dann verwandelt es sich in das, was sein Schattenbild darstellt: ein Ausrufezeichen. Und damit wird, nur durch ein Verlassen der alten Position und der Einnahme eines neuen Blickwinkels, aus dem “Problem” (= Fragezeichen) die Antwort, die Problemlösung (= Ausrufezeichen).

Das ganze Geheimnis, in Zukunft ein stressarmes und zufriedenes, wenn nicht gar glückliches Leben zu führen, liegt also darin, unsere alten Standpunkte zu den Dingen oder Umständen aufzugeben, die wir bisher innehatten. Das Problem bestand also letztlich darin, dass wir unseren Standpunkt für gegeben, für unabänderlich halten, und damit in unserer Einschätzung einer Situation … NICHT in der Situation selbst. Denn das Fragezeichen ist nur ein Fragezeichen, wenn wir es aus einem bestimmten Blickwinkel betrachten. UNSER STANDPUNKT zur Situation ist das Problem, ein “Problem an sich” gibt es nicht. Glückliche, gelassene Menschen haben also das Kunststück gelernt, Betrachtungswinkel aktiv zu ändern.

30. April 2015

Schaut in euer Herz und ihr werdet erfahren, dass in euch etwas lebt, das kein Feuer verbrennen und kein Meer ertränken kann.
Uesugi Kenshin (1530 – 1578)

29. April 2015

29. April 2015

Das Magazin der Dresdner Musikfestspiele, die in diesem Jahr vom 13. Mai bis zum 7. Juni stattfinden, enthält u. a. einen lesenswerten Artikel mit dem Titel “Kaltes Feuer”. Darin geht es um die “Nordlichter” Grieg und Sibelius, ihre jeweiligen Aufenthalte in Italien und deren Auswirkungen auf das kompositorische Schaffen. Grieg, der seine Grundausbildung in Deutschland erhalten hatte, konnte in Italien seine “Begriffswelt” erweitern, so erfahren wir, vor allem sei seine Begegnung mit Franz Liszt in Rom bedeutsam gewesen. Auch Sibelius hatte offene Ohren für den Rat eines Freundes: “Spätherbst und Winter verbringen Sie in Italien, dem Land, in dem man cantabile, Maß und Harmonie, Plastik und Liniensymmetrie lernt, wo alles schön ist – auch das Hässliche. Sie erinnern sich wohl, welche Bedeutung Italien für Tschaikowskys Entwicklung hatte und für Richard Strauss.” Sibelius’ Eindrücke, die er gleichfalls in Rom gewann, hätten dann zu “seltsamen Gedanken über das Wesen der Musik” geführt, so lesen wir weiter, und die musikalischen Skizzen, die in Italien entstanden, bildeten schließlich den Ausgangspunkt seiner 2. Sinfonie. Gegen Ende des Artikels dann ein mit Distanz zitierter, gleichwohl trockener Ausspruch von Claude Debussy: “Ist Ihnen schon aufgefallen, wie unerträglich die Nordländer werden, wenn sie Südländer sein wollen?”

27. April 2015

Gestern Abend, nach einem gelungenen Konzert zum Abschluss des letzten Chorprojektes, kam mir auf dem Heimweg ein Interview mit dem Dirigenten Kent Nagano in den Sinn. Kürzlich beklagte er in einem Gespräch mit spiegel-online gewisse Formen der heutigen Konzertpraxis und kritisierte Konsum und Ablenkung: “Heute gibt es Konzerte, während derer man Cocktails trinken kann, dazu gibt es Video-Einspielungen, das Licht bleibt an, damit man die Programme lesen kann; alles in der Hoffnung, dass die Konzerte unterhaltsamer werden. […] Wir leben in einer Zeit des Konsums. Alles wird konsumiert: Wein, Musik, das Fernsehen. Gleichzeitig wird alles kompakter, kürzer. Aber dadurch wird uns die Erfahrung von Komplexität und Vielschichtigkeit genommen. Und plötzlich verstehen wir die Welt nicht mehr. Dabei wissen wir alle aus eigener Erfahrung: Wenn es keine Ablenkung gibt, öffnet sich unsere Aufnahmebereitschaft für ein Gedicht, für ein Musikwerk, für Literatur. Natürlich war Unterhaltung immer ein Bestandteil klassischer Musik. Aber da ist eben noch unendlich viel mehr.” Ganz richtig, da ist eben noch unendlich viel mehr.

25. April 2015

25. April 2015

“Wir haben auf Kosten der Sterblichen gelacht”, singt Thespis in Jean-Philippe Rameaus “Platée”. In einem Liebeslied auf Bacchus nach durchfeierter Nacht preist er, der Begründer der griechischen Tragödie, zudem Schauspieler und Theaterleiter, die Wahrheit, Freiheit und Aufrichtigkeit, die der Gott des Weines und des Rausches ihm hat zuteil werden lassen. Müde und schlaftrunken, den Blick auf unzählige Becher und Pokale gerichtet, erinnert er sich an Musik und Tanz, an Spiel und Verführung, an Sinnenfreuden und Genuss. Ungeplant erscheint Amor und besteht darauf, beim Erfinden eines neuen Schauspiels Pate zu stehen: “Wie kann ein Spiel ohne die Inspiration der Liebe sein?” Da wir zu den Sterblichen zählen, dürfen wir auf unsere Kosten getrost mitlachen. Auch wenn wir während durchfeierter Nächte zuweilen empfinden, wir gehörten nicht dazu.

Thespis, Bronzeskulptur
Villa dei Papiri, Herculaneum. Archäologisches Nationalmuseum, Neapel.

24. April 2015

Im Rahmen der Europäischen Kulturwoche, die in Gütersloh jährlich vom dortigen Integrationsbeauftragten und verschiedenen Kooperationspartnern, u. a. der VHS, geplant und organisiert wird, zeigt das Polnische Generalkonsulat in der Volkshochschule eine Ausstellung zu zeitgenössischer polnischer Kultur. Die Ausstellung ist im Haus der VHS vom 27.9. bis zum 4.10.2015 zu sehen. In diesem Rahmen halte ich am Donnerstag, 1. Oktober um 19.00 Uhr einen Vortrag über Musik in Polen mit dem besonderen Fokus auf Komponisten des 20. Jahrhunderts, u. a. Lutosławski, Górecki und Penderecki. Ich freue mich sehr darauf – schon jetzt lade ich alle daran Interessierten herzlich ein!

Die langjährige Kooperation mit der VHS Gütersloh findet darüber hinaus auch 2016 ihre Fortsetzung. Für den Kulturführerschein ebenso wie für die Senioren-Uni gehen wir am 10. und 11. Februar ein spannendes Thema an: “Es gibt was auf die Ohren!” – Klassische (?) Musik im 20. Jahrhundert.

23. April 2015

23. April 2015

Köln, Innenstadt “Am Hof”, Nähe Dom und Hohe Straße

Liegt nicht das Problem des Straßenmusizierens unter anderem darin, dass sich manch eine(r) bemüßigt fühlt, etwas Tonales zum Besten zu geben, dies mit Rücksicht auf sensiblere Ohren aber besser lassen sollte? “Kunst kommt von wollen: Wer will, der kann auch, und nicht Talent, sondern der Entschluss macht den Künstler und seine Kunst”, sagt der Konzeptkünstler Timm Ulrichs (“Betreten der Ausstellung verboten!”). Ist das so? Wollen wir uns wirklich darauf verständigen? Selbstverwirklichung versus Lärmbelästigung!? Zwar können wir unsere Augen schließen und somit Sichtbares für uns unsichtbar machen, wenn wir wollen. Aber wir können nicht unsere Ohren verschließen! Da wäre man zuweilen in Fußgängerzonen gerne Eisbär, Flusspferd oder Maulwurf, ist denen doch diese Fähigkeit gegeben. Beneidenswert, gelegentlich.

21. April 2015

Die “Geistliche Abendmusik”, die im Februar krankheitsbedingt ausfallen musste, erklingt am kommenden Sonntag in der Evangelischen Kirche Wetzlar-Naunheim. Zentrales Werk ist die Kantate “Also hat Gott die Welt geliebet” für gemischten Chor und Streicher von Johann Rosenmüller. Daneben kommen die Sätze “Danket dem Herren” von Leonhard Lechner, “Nun lasst uns Gott dem Herren” von Joachim von Burck sowie das berühmte “Jesus bleibet meine Freude” aus der Kantate BWV 147 von Johann Sebastian Bach zur Aufführung. Ergänzt wird das Programm durch die Orgelpartita “Was Gott tut, das ist wohlgetan” von Johann Pachelbel. Beginn ist um 19.00 Uhr, der Eintritt ist frei. Herzliche Einladung!

19. April 2015

19. April 2015

“Mit La Bohème ist Puccini die wahrscheinlich bewegendste und zarteste Liebesgeschichte der Opernliteratur gelungen. Eingebettet in die herrlichsten Melodien lässt die Geschichte der armen Mimì und ihres Rodolfo niemanden im Publikum ungerührt.” So schreibt es die Wiener Staatsoper auf ihrer website, ganz zu Recht  – und wir fahren hin und schauen uns das an! Vom 5. – 8. November geht die Studienreise der Wetzlarer Musikschule in diesem Herbst also nach Wien (nähere Informationen unter Termine). Hier haben mehr berühmte Komponisten gelebt als in irgendeiner anderen Stadt. Musik liegt hier förmlich in der Luft, nicht nur die “klassische”. Dazu natürlich die zahlreichen Theater, Museen, Plätze, Boutiquen, Antiquariate, Cafés und vieles mehr…. Große Vorfreude!

18. April 2015

In Kooperation mit mehreren Volkshochschulen, Musikschulen und anderen Bildungseinrichtungen werden Opern- und Konzertreisen stattfinden, sobald dies in gewohnter Weise wieder möglich ist. Einzelheiten werden rechtzeitig bekanntgegeben.

17. April 2015

17. April 2015

Die Briefe an die “Unsterbliche Geliebte” sind ein bis heute nicht gelöstes Rätsel der Beethovenforschung. Nach Ludwigs Beerdigung fand man im Nachlass unter anderem eine beträchtliche Summe Bankaktien und ein Testament, in dem Beethoven alles seiner “Unsterblichen Geliebten” hinterließ. Leider war kein Name genannt! Zahlreiche Musikwissenschaftler haben sich seither mit der Frage befasst, wer denn nun gemeint gewesen sein könnte – und bis heute haben wir darüber nicht endgültig Aufschluss erhalten. Gleichwohl ist es beinahe spannender zu sehen, in welch seelisch-geistigem Ausnahmezustand Beethoven gewesen sein muss, als er die besagten Briefe schrieb. Wohl oder wehe dem, so sind wir geneigt zu sagen, der zu solchen Empfindungen fähig ist….

… schon im Bette drängen sich die Ideen zu dir meine Unsterbliche Geliebte, hier und da freudig, dann wieder traurig. Vom Schicksaale abwartend, ob es unß erhört – leben kann ich entweder nur gantz mit dir oder gar nicht, ja ich habe beschlossen in der Ferne so lange herum zu irren, bis ich in deine Arme fliegen kann, und mich ganz heimathlich bei dir nennen kann, meine Seele von dir umgeben ins Reich der Geister schicken kann – ja leider muß es sejn – du wirst dich fassen um so mehr, da du meine Treue gegen dich kennst, nie eine andre kann mein Herz besizen, nie – nie –

16. April 2015

Wir müssen nicht jede Emotion zu Ende fühlen und uns fragen, was sie zu bedeuten hat. Und eine Erklärung für sie gefunden zu haben, heißt nicht, dass man die richtige gefunden hat. Wir erklären uns selbst dieses und jenes, um Ruhe zu finden, nicht um die wahrhaftigen Ursachen zu verfolgen. Insgeheim wissen wir das; denn die Ausgangsfrage ist aussichtslos unlösbar und die Lebenszeit zu knapp. Um das Leben zu sehen, zu spüren, anzufassen und manchmal sogar zu pflücken, brauchen wir Pause von uns selbst und nicht immer mehr davon. Loslassen gilt nicht nur für Probleme, Menschen und die Vergangenheit. Loslassen gilt auch einem selbst.
aus: Herz im K♥pf Blog

Als Seelenverwandtschaft bezeichnet man eine Verbindung zwischen zwei Personen, die sich durch eine tiefe, als naturgegeben erscheinende Wesensähnlichkeit verbunden fühlen, was sich in Liebe, Kommunikation, Intimität, Sexualität oder Spiritualität äußern kann. Eine mythische und esoterische Erklärung der Seelenverwandtschaft ist das Konzept der Dualseelen, das von einer überzeitlichen (ewigen) Verbindung zweier Seelen ausgeht, die sich in der irdischen Verbundenheit der betreffenden Menschen zeige.
Quelle: wikipedia

13. April 2015

13. April 2015

12. April 2015

Überleben: Üb erleben!
Walter Ludin

10. April 2015

10. April 2015

Verabredungen um eine bestimmte Stunde waren ihm unbehaglich. Er drückte sich um sie, wo immer er konnte. […] Freunde, die ihn pünktlich wünschten, mussten zu allerlei Listen und kleinen Schwindeleien greifen. Die hübscheste Anekdote hat sich in Saint-Jean-de-Luz abgespielt, wahrscheinlich in den zwanziger Jahren. Die kleine baskische Stadt hat einen Kirchenchor von hohem Rang, die Schola Cantorum. Ihr Leiter, der Organist Charles Lebout, hatte Ravels drei Chöre a cappella einstudiert, “Nicolette”, “Trois beaux oiseaux du paradis” und “Ronde”. Er wollte sie dem Komponisten vorsingen lassen. Man verabredete sich für Mittwoch um drei. Ravel war die Fixierung auf eine bestimmte Stunde peinlich. Er sprach von allen möglichen Plänen für Mittwoch, von einem Ausflug, einer Pelotapartie, nur nicht von der Chorprobe. Er wohnte im Haus Gaudin, Rue Gambetta. Die Damen des Hauses redeten ihm gut zu, man könnte doch nicht Lebout mit der ganzen Schola Cantorum warten oder gar im Stich lassen. Ravel schwieg und rauchte eine Zigarette. Dann ging er zu seinem Morgenbad an den Strand. Die Kinder des Hauses hatten den Vorgang beobachtet. Sie machten einen Kriegsplan. Mittags kam Ravel heim, den Bademantel übergezogen, wie er es gern hatte. Er machte sich zurecht und ging in das benachbarte Restaurant, die Grotte Basque, um zu frühstücken. Als er zurückkam, war es fünf Minuten vor drei. Vor dem Haus stand ein Schubkarren, umringt von Kindern. Anne, die kleine Haustochter und Ravels Liebling, machte einen Knicks und sagte: “Monsieur Ravel, Ihre Wagen sind zur Abfahrt bereit. Welchen wünschen Sie heute?” Ravel lachte entzückt. “Den Rolls-Royce”, sagte er, ließ sich von den kleinen Freunden zum Schubkarren führen, nahm Platz und fuhr mit Lachen und Hallo vor dem Haus vor, wo der Chor auf ihn wartete. Er bereute es nicht, sondern fand die Wiedergabe der schweren Chorstücke so vollkommen, dass er nichts geändert wünschte. Sein Reich war ein Kinderreich, und wo immer der Alltag mit der kühnsten Fantasie verbunden war, fand er in Ravel jede Bereitwilligkeit zur Illusion.
aus: H.H. Stuckenschmidt, Maurice Ravel – Variationen über Person und Werk

8. April 2015

Türkische Wissenschaftler haben angeblich herausgefunden, dass Ratten unter Einfluss von Popmusik homosexuell werden. Hm. Wir könnten dazu mehrere Fragen stellen, z. B. was verstehen wir unter Popmusik? Oder unter homosexuell? Oder unter Ratten!? (Scherz). Stellen wir an uns selber vielleicht auch signifikante Verhaltensänderungen fest, wenn wir mal gerade nicht Bach, Schubert oder Debussy hören, sondern eben Popmusik? Und geht das bis hin zum Changieren sexueller Präferenzen? Heißt es “Pop”musik, weil wir dann popp…. Also bitte!! Und wie haben sich eigentlich die Ratten verhalten, die schon vor Beginn der Laborversuche homosexuell waren? Naja, vielleicht ist alles auch nur ein Missverständnis. Irgendjemand hat “homosexuell” verstanden, als vom homo sapiens die Rede war. Und die Wissenschaftler haben nur gelesen, geforscht und gerätselt. Ganz seriös, wie Kaffee-Satz-Lese-Ratten.

6. April 2015

6. April 2015

“I wanna be loved by you” – Marilyn. Das Kind in der Frau. Musiktheater von Titus Hoffmann, mit Sophie Berner und Andrea M. Pagani, mit Live-Band. Das Stadttheater Gießen zeigt die Revue in der laufenden Spielzeit als Wiederaufnahme, so auch am gestrigen Ostersonntag im vollbesetzten Großen Haus. “Dieser Blick hinter die Fassade der charismatischen Blondine Marilyn Monroe geschieht zwischen Tragik und Komik auf mehreren Ebenen, komplex und ungemein unterhaltsam”, befand Blickpunkt Musical nach der Premiere, und die örtliche Presse geizte nicht mit Superlativen. In der Tat ist das Kammerspiel von Sophie Berner und Andrea M. Pagani mehr als beeindruckend. Der Spagat zwischen dem “kleinen Mädchen” Norma Jean Baker und der glamourösen, scheinbar von keinerlei Selbstzweifeln geplagten “großen” Marilyn Monroe gelingt perfekt und fesselt das Publikum über zwei Stunden. Chapeau!

3. April 2015

Das gestern eingestellte Foto zeigt das “Rote Haus” bei Karlskrona in Schweden. Der Schnappschuss ist einmalig, ein fotografisch großer Moment, ein “big shot”. Ein Moment, auf den der Fotograf vielleicht lange gewartet hat. Und worauf, wenn nicht auf das Besondere, Einzigartige und Unverwechselbare warten wir? Und was tun wir, wenn wir es finden, wenn es uns findet? Goethe sagte einmal, “die schönsten Momente im Leben sind nicht die, in denen man atmet, sondern die, die einem den Atem rauben.” Aber wie finden wir uns zurecht im bisweilen mühsamen Alltag, wie betten wir unsere Sehnsüchte, Träume und “schönsten Momente” darin ein? Da fiel gestern im Kino, der Film spielt keine Rolle, ganz unerwartet dieser Satz: “Es kommt der Tag, da musst du dich entscheiden zwischen dem, was du brauchst, und dem, was du willst.”

2. April 2015

2. April 2015

Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Besondere festzuhalten.

31. März 2015

Eine zweitägige Studienreise führt uns im Juni nach Karlsruhe. Im Badischen Staatstheater können Opernbegeisterte am 13.06. die Premiere von “Iphigenie auf Tauris” erleben. Mit diesem erfolgreichen (und folgenreichen!) Stück hat Christoph Willibald Gluck die Gattung Oper revolutioniert. Es geht um eine neue Ästhetik, um die Wahrhaftigkeit der dargestellten Emotionen und Affekte. Die Musik wird in den Dienst des Dramas gestellt – Iphigenie und Orest sind Figuren „aus Fleisch und Blut“, die leben, leiden und sich gegen das Leid auflehnen, anstatt sich in edler klassizistischer Einfalt zu üben.

Die Studienreise beinhaltet wie immer einen Einführungsabend in der Wetzlarer Musikschule, Fahrt im 4* Reisebus, Unterbringung im 4* Hotel, Opernkarten der Kategorie I oder II (wahlweise) für die Vorstellung am 13.06. und eine dreistündige Stadtführung am Sonntag, 14.06. nach dem Frühstück. Preis auf Anfrage. Anmeldungen nimmt das Sekretariat der Wetzlarer Musikschule ab sofort entgegen.

29. März 2015

Inselmittag

Wir sind Fremde
von Insel
zu Insel.
Aber am Mittag, wenn uns das Meer
bis ins Bett steigt
und die Vergangenheit
wie Kielwasser
an unsern Fersen abläuft
und das tote Meerkraut am Strand
zu goldenen Bäumen wird,
dann hält uns kein Netz
der Erinnerung mehr,
wir gleiten
hinaus,
und die abgesteckten
Meerstraßen der Fischer
und die Tiefenkarten
gelten nicht
für uns.
Hilde Domin (1909 – 2006)

27. März 2015

27. März 2015

Eine meiner Lieblingsopern ist “L’incoronazione di Poppea” von Claudio Monteverdi. Es ist die erste Oper mit historischem Stoff, schon das allein macht sie zu etwas Besonderem. Darüber hinaus zeigt sich Monteverdi hier außerordentlich inspiriert und innovativ hinsichtlich der Dramaturgie und der psychologischen Zeichnung der Figuren. Niemand wirkt sonderlich sympathisch (vielleicht mit Ausnahme von Seneca), doch wir müssen allen Beteiligten sehr menschliche und nachvollziehbare Motive für ihr Handeln unterstellen. Liebe, Eifersucht, Machtgier, Rache, Intrige – die Oper enthält so ziemlich alles, was das Herz begehrt und versteht. Und natürlich ein überragendes Schlussduett, gleichermaßen berauschend wie intim, schlichtweg das Liebesduett der gesamten Opernliteratur. In dieser Woche haben wir im Opernkurs verschiedene Aufnahmen und Einspielungen miteinander verglichen, darunter die von Nikolaus Harnoncourt (Zürich 1977), Marc Minkowski (Aix-en-Provence 2006), Emmanuelle Haïm (Glyndebourne 2008 und Lille 2012) und Alessandro de Marchi (Oslo 2010). Die Bilder des Blutbades in der letztgenannten Fassung sind verstörend bis atemberaubend und unbedingt sehenswert. Wer indes lieber hört als sieht, der kommt an Sonya Yoncheva (Poppea) und Max Emmanuel Cencic (Nerone) nicht vorbei (Le Concert d’Astree, Emmanuelle Haïm; Lille 2012) – musikalisch und sängerisch absolut unwiderstehlich und auf allerhöchstem Niveau, mehr geht nicht.

25. März 2015

Wir machen Erfahrungen, die unser Leben verändern. Das passiert in jungen Jahren oder auch später. Wichtig ist, dass wir ihre Bedeutung erkennen und verstehen, für das tägliche Leben genauso wie für die Bühne. Ich sehe da keinen großen Unterschied, denn es ist letztlich doch ein und dasselbe.
Der amerikanische Tenor Sam Dash in einem Interview mit der Zeitschrift “Arts Classical Magazine”

23. März 2015

23. März 2015

20. März 2015

20. März 2015

Die insel-taschenbuch-Ausgabe von Abbé Prévosts “Manon Lescaut” (1731) enthält ein sehr lesenswertes Nachwort von Josef Heinzelmann (1936 – 2010). Der Autor – Dramaturg, Regisseur, Lektor, Opern- und Theaterkritiker, Rundfunkautor, Übersetzer, Bearbeiter fürs Musiktheater und Historiker – beschreibt die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der “Geschichte des Ritters Des Grieux und der Manon Lescaut”, in erster Linie aber das Besondere, das Außerordentliche der Handlung sowie der Romanfiguren selbst. Er führt uns das Bild der Manon vor Augen und zeigt “die Liebenswerte, […] die sich im Überschwang der Liebe nach dem Gold drängt, den Reichtum aber gern der Liebe wieder opfert, […] diese Gestalt aus Oxymora, dieses Wesen aus Rätseln, das so einfach denkt und handelt”, und beschreibt Des Grieux, dem es nicht gelingt, “seine weiterschwelende Liebe zu ersticken”, der “sein Unglück voraussieht, ohne die Kraft zu haben, es zu vermeiden.” Und weiter: “Die Unbedingtheit, mit der die beiden ihrem Geschick verfallen sind, hat Größe […]” Während es über den Roman heißt, seine Handlung sei entwicklungslos, so lernen wir im Anschluss die Manons von Auber, Massenet, Offenbach, Puccini und Henze kennen. Und “hätte Prévost die verschiedenen Porträts seiner Manon in zwei Jahrhunderten voraussehen können, wie wir sie Revue passieren ließen, er hätte sie alle für Abbilder der Einen, Unerklärbaren gehalten.”

18. März 2015

Morgen Abend findet mein Vortrag für die Deutsch-Österreichische Gesellschaft Wetzlar statt (19 Uhr, Musikschule am Schillerplatz, Konzertsaal). Ich stelle sechs Komponisten der Klassik und Romantik vor, einheimische wie “zugereiste”, biografisch wie musikalisch.

Von Haydn gibt es Ausschnitte aus der “Schöpfung” und den Sinfonien Nr. 45 (“Abschied”) und Nr. 94 (“mit dem Paukenschlag”), von Mozart die Ouvertüre zur “Zauberflöte” mit dem Vergleich einer szenischen Aufführung und der Filmfassung von Ingmar Bergman, von Beethoven den 2. Satz aus der 7. Sinfonie und den 2. Satz aus dem 5. Klavierkonzert. Eine Sequenz aus dem Film “Mit meinen heißen Tränen” gibt einen Einblick in die Lebensumstände von Franz Schubert, ergänzt durch den 1. Satz aus der Sinfonie h-Moll (“Unvollendete”) und das erste Stück des Liederzyklus “Winterreise”. Johannes Brahms ist vertreten mit einem Ausschnitt aus dem “Deutschen Requiem” und dem “Schicksalslied” für Chor und Orchester. Den Abschluss bilden der Finalsatz der 7. Sinfonie und das Adagio aus dem Streichquintett von Anton Bruckner.

17. März 2015

Auf n-tv online ist zu lesen, dass ein finnisches Forscherteam die Wirkung von klassischer Musik auf das Gehirn untersucht hat. Die Ergebnisse zeigten, so heißt es, dass durch das Hören klassischer Musik kognitive Fähigkeiten wie Lernen und Erinnern gesteigert werden. In diesem Zusammenhang wird im Artikel auf den Begriff vom “Mozart-Effekt” verwiesen, der seit 1993 die Runde macht. Dieser geht auf eine Forschungsarbeit der University of California zurück, deren Ergebnissen zufolge eine IQ-Steigerung durch klassische Musik möglich ist. Spätere Studien konnten einen derartigen Zusammenhang allerdings nicht belegen. Hierzulande hat sich zu der Frage, ob Musik schlau mache, schon vor Jahren Heiner Gembris, Professor für empirische und psychologische Musikpädagogik und Leiter des Instituts für Begabungsforschung in der Musik (IBFM) an der Universität Paderborn, bemerkenswert entspannt geäußert: “Ich weiß nicht, ob Musik schlau macht. Ich würde eher sagen: Wer schlau ist, macht Musik.“

15. März 2015

15. März 2015

Heute, an den Iden des März, an Julius Caesars Todestag, sollte man sich eigentlich Händels Oper “Giulio Cesare” (1724) zu Gemüte führen (wenn man nicht Shakespeares Drama oder Thornton Wilders Briefroman bevorzugt). Caesars Ermordung wird allerdings in der Oper nicht thematisiert, sondern stattdessen schildert das Stück über dreieinhalb Stunden seine Liebesaffäre mit Cleopatra, mit allem Drum und Dran. Letzteres gilt für die Musik ebenso wie für die Dramaturgie. Es ist die am aufwändigsten instrumentierte Oper Händels, prachtvoll und klangschön, mit grandiosen Arien und Chören. Vor allem aber zeigt sich Händel hier als Meister der psychologischen Zeichnung und der musikalisch-sinnlichen Charakterisierung. Höhepunkt ist die Szene im zweiten Akt, wenn Cleopatra als die Tugend selbst erscheint (ausgerechnet!) und wir der Verherrlichung der sexuellen Leidenschaft ohne Rücksicht auf bestehende Ehebande beiwohnen dürfen. Das damalige Publikum war hingerissen – wie Caesar von Cleopatra….

13. März 2015

23.30 Uhr. Komme gerade aus der Frankfurter Oper. Gesehen, nein – genossen und erlebt habe ich die Dernière von “L’Orontea”, der berühmtesten Oper von Antonio Cesti. Um es kurz zu machen, es ist schon spät: Ein barocker Klangzauber mit wunderbaren Stimmen und großartigen Instrumentalisten! Ein Fest für die Sinne, dargeboten mit großem Können, Stilkenntnis und Geschmack. Ein Erlebnis, fürwahr – sehr, sehr schön!

10. März 2015

10. März 2015

Vor einigen Tagen lief im Fernsehen “Das Ende einer Affäre” (The End of the Affair, USA/GB 1999), eine Liebesgeschichte – und mehr als das – mit Julianne Moore und Ralph Fiennes in den Hauptrollen. Das Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Roman von Graham Greene aus dem Jahr 1951.

Schon die ersten Kritiken sind begeistert und beschreiben den Film als “emotional anspruchsvoll” und “stilistisch geschlossen”. Neben der Filmmusik von Michael Nyman werden insbesondere die leidenschaftlichen Darstellungen von Julianne Moore und Ralph Fiennes gelobt. Richard von Busack macht in metro auf einen signifikanten Unterschied zwischen Buch und Film aufmerksam: “Fiennes and Moore conduct with physical passion this love affair which is described by Greene almost scientifically, like a doctor’s description of a fever.”

Was darüber hinaus lange nachklingt, im Wortsinne, ist die Musik. Michael Nyman (The Piano, Prospero’s Books, Monsieur Hire, The Cook, the Thief, His Wife & Her Lover u. a.) unterfüttert die elegischen Bilder mit sensibler Melancholie und bitterer Süße. “There are things I can experience only with you.”

7. März 2015

Wir wissen bis heute nicht genau, warum Franz Schubert seine Sinfonie in h-Moll, die Unvollendete, nicht fertiggestellt hat. Möglicherweise hatte er die Absicht oder auch die Hoffnung, das Werk vervollständigen zu können. Jedenfalls blieb er mit der Komposition stecken und resignierte mit fortschreitender Zeit. Er war sich über Anspruch und Niveau der beiden vollendeten, fertiggestellten Sätze im Klaren, und es war ihm unmöglich, eine unangemessene Fortsetzung auch nur zu erwägen. Peter Gülke beschreibt das sehr eindrücklich in seinem Buch Franz Schubert und seine Zeit (1991) und kommt zu der Schlussfolgerung: “So groß die Erfüllungen der beiden Sätze, so schwer wog das Scheitern des Ganzen; dieses Stück aufzugeben muss Schubert viel gekostet haben.” Noch die letzte von Schubert konzipierte Musik, so heißt es weiter, das Andante aus dem Fragment D 936A vom Oktober 1828, “versucht etwas von dem einzulösen, was er hier schuldig geblieben war”. Das Kapitel schließt mit einem Zitat aus Kein Ort. Nirgends (1979) von Christa Wolf: “Sie könne an eine simple Niederlage nicht glauben, sagt die Günderrode … Manche Kapitulation zeige doch nur die Größe des Widerstands an.”

6. März 2015

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
Hilde Domin (1909 – 2006)

Johannes Brahms, Klavierkonzert Nr. 1 op. 15 d-Moll, 2. Satz: Adagio

4. März 2015

Gestern Abend, zweite Probe des Chorprojektes mit Madrigalen und höfischer Musik, “Innsbruck, ich muss dich lassen” von Heinrich Isaac (um 1450 – 1517), eines der beeindruckendsten Abschieds- und Trauerlieder aller Zeiten. Heute lese ich bei wikipedia, die Strophenform aus sechs dreihebigen jambischen Zeilen mit dem Reimschema A–A (weiblich)–B (männlich)–C–C (weiblich)–B (männlich) sei für die damalige Zeit ungewöhnlich. Die Melodie, so heißt es weiter, habe einen relativ geringen Tonumfang, und “ihr wehmütiger Charakter entsteht vor allem durch die Zeilenschlüsse mit Seufzermotiv und die häufige Berührung der Terz.” Na schau an, der Isaac! Der wusste, wie’s geht – dreihebige jambische Zeilen mit ungewöhnlichem Reimschema, Seufzermotiv und Terzberührung….

3. März 2015

Im letzten Dezember habe ich an dieser Stelle den Start des neuen Bond-Films “Spectre” im kommenden Herbst erwähnt und am Ende die Frage gestellt, wer wohl die Musik dazu schreibt. Auf zeit-online ist jetzt ein kurzer Bericht erschienen, der sich ausschließlich mit dem Umstand befasst, dass Monica Bellucci als neues Bond-Girl 50 Jahre alt ist. Ein Diskussionsbeitrag wirft die Frage nach den Gesetzmäßigkeiten des Filmbetriebes auf und wird deutlich: “Bei den Bond-Frauen geht es nicht darum, wie alt sie sind, sondern darum, welche Oberweite sie haben. Und Monica B. sieht noch lecker genug aus, wie 30 und nicht wie 50. Eine Frau, die ‘alt’ aussieht, würde auch keine Bond-Film-Nebenrolle bekommen, selbst wenn sie nur 25 wäre. Die Frauen in Bond-Filmen müssen einfach nur die gewisse ‘Fuckability’ haben, das reicht.” Die Filmmusik schreibt übrigens Thomas Newman.

2. März 2015

Zum Start des Sommersemesters beginnen in dieser Woche neue Kurse und Vorträge. Den Auftakt machen heute Abend in der Reihe der “Meisterwerke” die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. Morgen und am Donnerstag folgen “Große Sinfonien und Instrumentalkonzerte” mit Werken von Mozart und Beethoven, am Mittwoch “Lass dich eropern!” mit einer musikalischen Reise von der Anfängen der Florentiner Camerata bis zum Musiktheater unserer Zeit. Die Kurse laufen bis zum Herbst, wahrscheinlich eher länger, damit wir wirklich Zeit haben, einzelne Werke genauer kennenzulernen. Und wie bisher, so stehen auch diesmal wieder gemeinsame Opern- und Konzertbesuche an. Ich freue mich sehr darauf – auf das neue, gemeinsame Entdecken und Erleben von großer Musik und ihren Interpretationen! So lassen wir uns wieder verführen, berühren, verstören, betören – und erfahren so viel Neues über die Musik und, wenn wir Glück haben, über uns selbst.

1. März 2015

1. März 2015

Karriere ist etwas Herrliches, aber man kann sich nicht in einer kalten Nacht an ihr wärmen.
Marilyn Monroe

27. Februar 2015

27. Februar 2015

Seit Tagen beschäftigt mich ein Stück, das so unverwechselbar, so apart und einzigartig klingt wie nur ganz wenige: Strawinskys letzte Ballett-Komposition Agon. Das Werk entstand über einen Zeitraum von drei Jahren (1954–1957) und hat eine Gesamtspielzeit von zwanzig Minuten. Die Klangsprache ist elegant, höfisch und zuweilen unterkühlt manieriert. Es kommen verschiedene Kompositionsverfahren zum Einsatz, modale und serielle Techniken sind auf einzigartige Weise miteinander vereint. Bei der Konstruktion seines Werkes stützte sich Strawinsky nachweislich auf ein französisches Tanzlehrbuch aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der formalen An­lage nach ist Agon zudem eine Suite, die ihr äußerliches Vorbild ebenfalls im 17. Jahrhundert findet.

Agon erregte im Jahr 1957 in New York großes Aufsehen, das Stück wurde als revolutionär empfunden. Die Ballettkritikerin Arlene Croce von der Zeitschrift “New Yorker” meinte, sie habe nach der Aufführung des Agon eine ganze Woche nicht schlafen können.

Der choreografische Inhalt des Stückes ist ohne jede inhaltliche Vorgabe, die Komposition ohne jeden Gedanken an ein Bühnenbild oder eine Szenerie. Eine visuelle Ausführung soll ganz der Inter­pretation des Choreographen überlassen bleiben. Wie schön, wenn unsere Gedanken frei sind und wir dem Geschehen einen, nein unseren Sinn geben können….

26. Februar 2015

Oper am Vormittag: Boulevard Solitude von Hans Werner Henze (1952). Es handelt sich, so schreibt Klaus Ulrich Spiegel auf seiner website, um den “Manon-Stoff als desillusionierendes Großstadt-Drama”. Mag sein, dass in Henzes Werk die Romantik geschwunden ist, anders als in den Stücken von Puccini oder Massenet. Sicher ist, dass der Transfer in die Moderne nicht folgenlos bleibt – auf das im Original geschilderte, tragische Sterben Manons wird verzichtet. Im letzten Bild geht die Schöne als verurteilte Mörderin im Zuchthaus stumm an ihrem ehemaligen Liebhaber Des Grieux vorüber, so als hätte es niemals einen gemeinsamen Herzschlag gegeben. Sieben Bilder – mehr Darstellungen von Situationen und Figuren als typische Handlungsabfolge – in einer Mischform aus Gesang, Instrumentalmusik, Tanz und Pantomime, mit traditionellen Elementen der Oper wie Arien und Duetten, aber auch mit Einflüssen des Jazz und avantgardistischen Elementen. Ein im Wortsinne “starkes Stück”, auch heute noch, über sechzig Jahre nach seiner Uraufführung.

25. Februar 2015

Tony Curtis war sechsmal verheiratet. Seine erste Ehefrau war Janet Leigh, die Ehe dauerte von 1951 bis 1962. Später sagte er: “For a while, we were Hollywood’s golden couple. I was very dedicated and devoted to Janet, and on top of my trade, but in her eyes that goldenness started to wear off. I realized that whatever I was, I wasn’t enough for Janet. That hurt me a lot and broke my heart.”

*****

Und, passend zum Thema, der Filmtipp: “Tot Ziens” (Heddy Honigmann, NL 1995) – eine Huldigung an die leidenschaftliche Liebe in ihrer ganzen Dualität: mit ihrer Schönheit und ihren Auswüchsen, mit der Verletzbarkeit, die sie verursacht und der Energie, die sie stiftet, mit ihrem starrköpfigen Egoismus und ihrer bewegenden Großzügigkeit. Regisseurin Heddy Honigmann: “Es genügt, einmal im Leben verliebt gewesen zu sein – und wer war das noch nie? – um zu wissen, dass die Liebe ein zumindest ambivalentes Gefühl ist. Ich wollte über diese Zweideutigkeit, über diese fantastische und nie versiegende Energie der Liebenden einen realistischen Film machen. Sozusagen eine Nahaufnahme der Leidenschaft.”

23. Februar 2015

23. Februar 2015

Am Wochenende zeigte 3sat die zweiteilige Dokumentation “Hollywood Legenden” von Eckhart Schmidt aus dem Jahr 2004. Der deutsche Filmemacher und Autor lässt als ausgewiesener Spezialist und Kenner der amerikanischen Kinoszene zahlreiche Stars und Filmgrößen, eben “Legenden” zu Wort kommen, darunter Kim Novak, Tippi Hedren, Jane Russell, Mickey Rooney und Rock Hudson.

Besonders beindruckend und unerwartet bewegend sind die Erzählungen von Tony Curtis. Er erinnert sich an die Anfänge seiner Karriere, natürlich an die Dreharbeiten zu “Some like it hot” mit Marilyn Monroe und Billy Wilder, an Freunde und Weggefährten. Er spricht über Lernprozesse und Entwicklungen, über das Erarbeiten von Rollen und das Absorbieren von Charakteren. Und schließlich über das wirklich Große, das Unerwartete, “the miracle”. Er sieht nach dem Kriege als arbeitsloser Jungschauspieler die junge, begehrte Ann Blyth anlässlich einer Kinopremiere. Sie ist bildschön, glamourös, schaut ihn eine Minute lang an und verschwindet dann aus seinem Blickfeld. Sieben Monate später hat er in Los Angeles einen Vertrag, und sein Studio arrangiert ein Rendezvous mit Ann Blyth! Seine Augen leuchten, als er das erzählt, es ist über fünfzig Jahre her, und er, jetzt fast achtzigjährig, sagt sehr berührt “Isn’t that wonderful?”, so als passierte es in diesem Moment.

Tony Curtis und Ann Blyth wärend der Oscar-Nominierung im Februar 1956

Pause bis zum 22. Februar 2015

8. Februar 2015

8. Februar 2015

Andrea De Carlo geht in seinem Roman “Sie und Er” schon ziemlich zu Anfang der Frage nach, wer oder was eigentlich welche Saite in uns zum Schwingen bringt. Er gibt auch gleich die Antwort, indem er sagt, dass viele voneinander unterschiedliche Züge, Neigungen und Dispositionen in uns angelegt sind und von vielen Menschen, denen wir begegnen, zum Leben erweckt werden. Kurioserweise passiert dies am ehesten bei flüchtigen Begegnungen wie z. B. in der U-Bahn oder an der Supermarktkasse. Wir stellen uns für eine kleine Weile das Kaleidoskop der Möglichkeiten vor, das wir mit diesem oder jenem Menschen zusammen erleben könnten oder schon hätten erleben können. Dann ist dieser Mensch fort, und wir befassen uns wenig später mit einer nächsten, äußerlich und innerlich völlig anderen Person. Und wieder spüren wir verpasste Chancen, vertane Gelegenheiten, nicht genutzte Optionen. Es gibt sie nicht, diese eine, einzige Saite! Wir können, wie jedes taugliche Instrument, so oder so oder so klingen, immer in Abhängigkeit von anderen. Was hätte aus uns, aus unserem Leben werden können? Was wird noch daraus? Wer sind wir?

5. Februar 2015

5. Februar 2015

Wer sein Ziel erreicht hat, wer in der Ferne ganz oben, ganz unten angekommen ist, der muss erkennen, dass noch nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter ihm liegt, dass die Flucht zurück ins Vertraute länger und schmerzhafter werden kann als der Weg ins Ungewisse jemals war.
Christoph Ransmayr

4. Februar 2015

Ich finde, die heutige Form des Konzertes ist sehr überdenkenswürdig. Man müsste sich überlegen, wie man Konzerte besser macht. Man lässt die Leute mehr oder weniger ahnungslos kommen, zwingt sie, sich in Reihen hinzusetzen und zu warten. Dann kriegen sie was vorgespielt, sollen sich ruhig verhalten, und dann sollen sie an der richtigen Stelle klatschen und sollen bestimmte Gefühle haben …
Nikolaus Harnoncourt

3. Februar 2015

Die Oper in Frankfurt am Main spielt Orontea von Antonio Cesti!  Das ist nun wirklich etwas ganz ganz Besonderes, wie schön! Die homepage des Hauses beschreibt das Stück als “regelrechten Kassenschlager des 17. Jahrhunderts”, da es sich nach der Uraufführung dreißig Jahre lang auf den Spielplänen der Opernhäuser halten konnte. Es ist, so heißt es, die “populärste Oper Cestis” und “präsentiert eine karnevalistische und leicht freizügige Intrige, gespickt mit zahlreichen verschleierten Verführungsszenen. Geschmeidig komponierte Rezitative stehen im Wechsel mit evokatorischen Szenen, die Cesti ebenfalls in rezitativischer Form gestaltete. Gleichwohl finden sich berührende Arien – wie das berühmteste Schmuckstück, Oronteas große Arie »Intorno all’idol mio« – , die sich mit den packenden Dialogpassagen zusammen zu einem spannenden und vergnüglichen musikalischen Meisterwerk fügen.” Also – unbedingt anschauen!

2. Februar 2015

Liebe ist wie das Leben. Nicht immer leicht und nicht immer glücklich. Aber hören wir deshalb auf zu leben? Warum also aufhören zu lieben?
Unbekannt

28. Januar 2015

28. Januar 2015

Hier der ultimative Erlebnis-Tipp für Fans von Opern auf DVD: Lady Macbeth von Mzensk von Dmitri Schostakowitsch (opus arte, 2006) mit Eva-Maria Westbroek, Christopher Ventris und Vladimir Vaneev in den Hauptrollen, dem Chor der Nederlandse Opera und dem Royal Concertgebouw Orchestra unter Mariss Jansons. Ein bahnbrechendes Werk des Musiktheaters im 20. Jahrhundert, mit musikalischen wie darstellerischen Leistungen auf Weltklasse-Niveau, spektakulär und packend auf die Bühne gebracht. Regisseur Martin Kušej schreibt über seine Inszenierung im Textheft:

“… Das Interessante an dieser Oper ist, wie der gesamte Komplex von Eros und Sexualität durch Macht- und Abhängigkeitsgefüge unter Druck gerät, wodurch es zu einer besonderen Form der Machtlosigkeit, unterdrückten Aggression und kriminellen Energie kommt. Lady Macbeth ist keine romantische Geschichte über Liebe und Mord. Es ist eine Tragödie, die weder Mitleid noch Angst erweckt. Es gibt keine Katharsis. Die Figuren sind sowohl Täter als auch Opfer, denn gewalttätige Umstände führen zu gewalttätigen Reaktionen. Die Verfinsterung der Welt wird als unaufhaltbarer Prozess dargestellt, plötzliche Verzweiflungsausbrüche stehen für die Begierde nach Blut und Sex. Wir sehen Erotik, dargestellt durch ungehobelte Sprache und brutale Bilder, böse Intrigen, die animalische Kraft der Gefühle und den Teufelskreis der Isolation.”

26. Januar 2015

Heute lese ich, dass Peter Tschaikowsky am 9. Oktober 1886 in sein Tagebuch schrieb: “Ich spielte einige Kompositionen von diesem schrecklichen Brahms. Was für ein unbegabter Bastard!” Wie ist das möglich? Was hat ihm so den Blick verstellt? Warum sagt er über Bach “ich erblicke in ihm nicht ein großes Genie” und über Verdi, dieser habe “die ganze Welt mit seinen Leierkastenmelodien überflutet”? Und über Wagner: “Früher war man bemüht, die Leute durch die Musik zu erfreuen – heutzutage jedoch quält man sie.” Wir können darüber vielleicht schmunzeln, mäßig amüsiert. Ernst nehmen können wir es jedenfalls nicht. Verlegen wir uns also wieder darauf, Tschaikowsky zu hören statt zu lesen.

22. Januar 2015

22. Januar 2015

Im Nachgang zum gestrigen Eintrag hier noch ein weiterer Kommentar aus dem Diskussionsforum: “Pop ist nicht nur auf ein die Musik bezogenes Phänomen, sondern steht für einen Kulturbegriff überhaupt. Und da das mittlerweile eine Industrie geworden ist, die die Konsumwünsche der Menschen bedient, eine cash cow, werden auch immer weiter Hits produziert werden. Schon deswegen, weil es immer wieder Menschen gibt, die über irgendein Ausnahmetalent verfügen, eine super Stimme, eine virtuose Begabung, gepaart mit einem entsprechendem Bedarf nach Selbstdarstellung, erotischer Ausstrahlung oder was auch immer man zur Verfügung hat, um ein Produkt daraus zu machen. Und das ist es auch, worum es hier geht: Es geht nicht in erster Linie um Musik. Die Musik ist nur insoweit interessant, als sie der Inhalt einer Ware ist.”

Das also nehmen wir mit: Bei Pop geht es nicht in erster Linie um Musik. Beim Film auch nicht, möchten wir ergänzen, trotzdem gibt es erstklassige Filmmusik, die auch ohne Bilder bestehen kann. Und in der Oper? Geht es da in erster Linie um Musik? Oder ist nicht das, was wir sehen, mindestens gleichberechtigt? Wie wichtig ist der Text? Und wie verhält es sich mit dem “Bedarf nach Selbstdarstellung” und “erotischer Ausstrahlung” bei Sängern, Tänzern, Dirigenten? Wann und wo geht es wirklich in erster Linie um Musik?

21. Januar 2015

Auf zeit-online wird in einem Interview mit dem Musikwissenschaftler Volkmar Kramarz der Frage nachgegangen, warum Hits Hits werden und ob es tatsächlich so etwas wie eine Erfolgsrezeptur oder -formel dafür gibt. Das Thema soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Schon eher die Frage, ob Pophörer “zwar nicht dumm sind, aber dumme Musik hören”, wie jemand im Forum dazu schreibt und die Zustimmung eines weiteren Lesers findet: “Ich hätte auch das von Sloterdijk stammende Wort “Popmusikpisse” benutzen können.:) Ziehen Sie vom Pop einmal die Show ab (Kostümierung und Gezappel), drehen sie den Lautstärkeregler runter, fragen sie nach dem Verhältnis Text – Musik und schauen Sie, was übrigbleibt. Dürftige musikalische Substanz – und das war es auch schon. Wie sehr Pop differenziertes Hören erschwert, erlebe ich tagtäglich im Unterricht. Ich bleibe dabei: Es ist dumme Musik.” Ein anderer meint, “auch Bach hat Massenproduktion nach immer gleichem Muster gemacht, weil er damit sein täglich Brot verdient hat.” Hier lässt die Antwort nicht lange auf sich warten: “Bach aber konnte komponieren. Heute, würde ich mal unterstellen, kann ein Großteil der Popmusiker eben nicht komponieren, geschweige denn ein Instrument spielen, sondern lässt durch das klassisch wirtschaftliche Outsourcing andere für sich schreiben.”

19. Januar 2015

19. Januar 2015

Jack Vettriano (*1951), “Sweet bird of youth”. Drei Personen, zwei Männer und eine Frau, gehen zum Strand. Oder vom Strand weg? Das Gesicht der Frau ist von ihren Haaren verdeckt, der Blick nicht zu sehen. Die Männer wirken ruhig, entspannt, fast zu ernst. Das Ganze wirkt, wie fast immer bei Vettriano, wie eine Filmszene. Der Film erzählt eine Geschichte, die sich zuvor ereignet hat, und die sich fortsetzen wird. „Ich male, was mich bewegt”, sagt Vettriano über seine Bilder. “Diese Menschen, mit denen ich mich zu umgeben scheine, sind ein Haufen von Taugenichtsen… Aber ich liebe ebendiese Welt – eine Welt von Sex und Hedonismus. Ich liebe das, weil ich ein Geschichtenerzähler bin.” Welche Musik wollen wir dazu spielen? Bach, Schostakowitsch? Oder doch Gershwin?

18. Januar 2015

18. Januar 2015

Für ruhige Abende, abseits von geschäftiger Betriebsamkeit und der Unruhe des Tages, hier ein CD-Tipp, seit Jahren, seit Jahrzehnten erprobt, aber verbunden mit der Warnung vor tiefer Melancholie und Wehmut: Oskar Werner liest Gedichte von Mörike, Heine, Saint-Exupéry und Trakl. Der Größte von allen liest, nein zelebriert so wunderbare, so wahre, so berührende Texte, dass es manchmal weh tut. Aber so ist das mit dem Schmerz der Schönheit, das muss so sein, und das mit der Wahrheit wissen wir ja ohnehin. Ein Glas Rotwein dazu ist erlaubt, auch zwei, mehr nicht. Wir wollen doch das, was uns so trifft, ganz bewusst erleben.

16. Januar 2015

16. Januar 2015

Am Ende des ersten Teiles der DVD-Dokumentation “Musik im 20. Jahrhundert” (Zweitausendeins) steht ein Blick auf das Violinkonzert “Dem Andenken eines Engels” von Alban Berg. Zuvor wird deutlich, dass Arnold Schönberg als “Erfinder” der Dodekaphonie gewissermaßen aus Notwehr zum Revolutionär wurde, instruktive Ausschnitte aus “Verklärte Nacht” op. 4 und “Fünf Orchesterstücke” op. 16 zeigen das sehr schön. Alban Berg bildet nun in seinem Violinkonzert die Zwölftonreihe im Wechsel von gebrochenen Dur- und Moll-Akkorden, zudem mit einer viertönigen Ganztonreihe, die den Anfang des Bach-Chorals “Es ist genug” ergibt. Damit führt er sozusagen Altes und Neues zusammen, was, wie es in der Übersetzung heißt, eine “zeitlose” Musik zum Ergebnis hat. Der Ausdrucksstärke dieses Werks können wir uns nicht entziehen. Wir hören eine ergreifende, große Trauermusik und sind nach dem ruhig verklingenden Schluss bewegt, berührt, erfüllt.

14. Januar 2015

14. Januar 2015

Vor ein paar Tagen habe ich, nach langer Zeit, wieder das “Ständchen” (D 920) von Franz Schubert gehört. “Zögernd leise” für Sopran, Männerchor und Orchester auf den Text von Franz Grillparzer. Ich hatte schon fast vergessen, wie schön das ist! Schon als ich das Stück kennenlernte, als Abiturient, ich besaß eine Aufnahme mit Janet Baker, empfand ich bei der Stelle “Drum statt Worten und statt Gaben sollst du nun auch Ruhe haben” bzw. der harmonischen Wendung unmittelbar zuvor ein tiefes Gefühl der Rührung. Ich durfte dann Jahre später das “Ständchen” selbst im Konzert dirigieren (mit Elisabeth Werres, dem Polizeichor Essen und den Bergischen Symphonikern, damals noch im alten Essener Saalbau). Es ist eine so intime, hochsensible, beglückende Musik! Und wie schön ist das Wiederfinden!!

12. Januar 2015

12. Januar 2015

Gestern “Idomeneo” im Essener Aalto-Theater. Überzeugende Sängerinnen und Sänger, starker Chor,  gutes Orchester. Inszenierung, Ausstattung und Dramaturgie akzeptabel bis zufriedenstellend. Das Geknirsche beim Laufen über das unvollständig verlegte Laminat war ziemlich nervtötend, aber lassen wir das. Dreieinhalb Stunden (mit Pause) dauert das Stück, und zum ersten Mal habe ich bedauert, dass die Oper keinen Schlager, keinen Gassenhauer, keinen Ohrwurm enthält. Wir müssen uns hier nicht über die Qualität der Musik auslassen, es ist ein grandioses Werk mit prächtigen Chören, herrlicher Ballettmusik und virtuosen Anforderungen an Vokal- wie Instrumentalsolisten. Und trotzdem: Im Vergleich zu den “Da Ponte-Opern”, zur “Entführung”, zur “Zauberflöte” kann einem das Drama doch lang werden, so ganz ohne Mitsing-Impuls. Auch das starre Opera-seria-Korsett verstellt den Blick (und das Gehör) auf die großartige Musik. Nicht ohne Grund hat die Nachwelt die Oper lange verkannt, und “Idomeneo” war nur ein Geheimtipp unter Opernfreunden. Also: Wer “Mozart at his best” hören möchte, ist hier richtig. Wer mitsingen will (natürlich nur im Stillen, hoffentlich), der sucht sich ein anderes Stück.

10. Januar 2015

Das Abschlusskonzert des Naunheimer Chorprojektes mit geistlicher Musik der Barockzeit findet am Sonntag, 8. Februar um 17.00 Uhr in der Evangelischen Kirche in Wetzlar-Naunheim statt. In Form eines Gesprächskonzertes mit Erläuterungen kommt die Kantate “Also hat Gott die Welt geliebet” von Johann Rosenmüller als zentrales Werk zur Aufführung. Dazu gibt es a cappella Chorsätze von Burck, Lechner und Gumpelzhaimer. Komplettiert wird das Programm durch zwei Orgelwerke von Pachelbel und das berühmte “Jesus bleibet meine Freude” aus der Kantate BWV 147 von Johann Sebastian Bach.

9. Januar 2015

Nochmal Kirchhoff, immer noch Verlangen und Melancholie, eine Passage aus dem 45. Kapitel: … Tut mir sehr leid, aber ich will nichts mehr hören, das mich nicht aufwühlt vor Anteilnahme oder erröten lässt vor Erregung. Ich will nichts mehr hören, das mich nicht jung macht und mir zugleich sagt, dass ich sterblich bin. Ich will nichts mehr hören, das mich nicht eine Stunde lang mit dem Tod versöhnt oder abhält, aufs Klo zu gehen. Ich will nichts mehr hören, das ich nicht liebe und gegen die Inquisition verteidigen würde, wenn es sie noch gäbe. …

6. Januar 2015

Zurzeit lese ich “Verlangen und Melancholie” von Bodo Kirchhoff. Der Roman ist nach dem 2012 erschienenen Werk “Die Liebe in groben Zügen” ein Bestseller auf dem Gebiet der Belletristik, ein Wort im Übrigen, das der Erzähler im Verlaufe des Romans als zu selten verwendet ansieht. “Verlangen und Melancholie” enthält zu Beginn des siebzehnten Kapitels den folgenden Satz: “Die Erinnerungen an das Schöne, das lange zurückliegt, sie sind größer als man selbst, und ihre Übermacht kommt immer unerwartet, wie aus dem Hinterhalt.” Mal abgesehen davon, dass die Glücklichen unter uns den Wahrheitsgehalt dieser Aussage nur bestätigen können, so können wir dem Begriff des Hinterhalts auf neue, positive Weise begegnen. Wir haben keinen Grund, das Unerwartete zu fürchten. Wir dürfen uns den Unberechenbarkeiten getrost anvertrauen und sollten, wie ein norwegisches Sprichwort sagt, dem Glück die Chance geben, auch zu uns finden zu können.

Pause bis zum 5. Januar 2015

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