2014
22. Dezember 2014
Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen – die Träume, die wir spinnen, und die Sehnsüchte, die uns treiben. Damit wollen wir uns bescheiden.
Schlussworte aus “Die Feuerzangenbowle” von Heinrich Spoerl (1887 – 1955)
Frohe Festtage! Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich im alten Jahr begleitet haben – Veranstalter, Kursteilnehmende, Konzertbesucher, Organisatoren, Helferinnen und Helfer und alle übrigen! Auf dass wir uns auch im kommenden Jahr wieder zu den unterschiedlichsten Themen und Anlässen hören, sehen oder voneinander lesen werden. Ich freue mich sehr darauf! Auf ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2015!
Ihr und Euer
Thomas Sander
17. Dezember 2014

Zur besonderen liturgischen Gestalt des Advents gehören die berühmten O-Antiphonen. Es sind die sieben Magnificat-Antiphonen in der Woche vor Weihnachten (17.-23.12.), die mindestens auf das 7. Jahrhundert zurückgehen. Dem Messias werden im Alten Bund sieben Titel gegeben, unter denen er in den Antiphonen angerufen wird (O Weisheit, O Adonai, O Wurzel Jesse, O Schlüssel Davids, O Aufgang, O König der Völker, O Emmanuel). Dann schließt sich jeweils eine flehentliche Bitte um sein Kommen an.
Die innigste und ergreifendste Vertonung ist die von Marc-Antoine Charpentier. Während allerorten Händels Messias und Bachs Weihnachtsoratorium musiziert wird, hält man zumeist vergeblich nach einem Konzert Ausschau, in dem dieses Wunderwerk zur Aufführung kommt. Wirklich schade, denn es sind unmittelbar berührende, den Texten hochsensibel nachempfundene Motetten, klangschön und sinnlich. Die Referenz-Aufnahme ist bei harmonia mundi erschienen (musique d’abord), Les Antiennes “O” de L’avent mit Les Arts Florissants unter Leitung von William Christie.
16. Dezember 2014
“Parsifal ist eine Oper, die um sechs anfängt, und wenn man nach drei Stunden auf die Uhr schaut, ist es zwanzig nach sechs…” Wirklich? Ist es tatsächlich so? Das anonyme Zitat erinnert an einen Ausspruch von Edgar Degas: “In der Oper ist alles falsch: Das Licht, die Dekorationen, die Frisuren der Balletteusen, ihre Büsten und ihr Lächeln. Wahr sind nur die Wirkungen, die davon ausgehen.”
14. Dezember 2014
Die Musik schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußeren Sinnenwelt, die ihn umgibt und in der er alle bestimmten Gefühle zurückläßt, um sich einer unaussprechlichen Sehnsucht hinzugeben.
E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822)
12. Dezember 2014
Über das diesjährige Internationale Weihnachtssingen der Wetzlarer Partnerschaftsgesellschaften schreibt heute die “Wetzlarer Neue Zeitung”:
Weihnachten wird europäisch
Internationales Liedersingen in Sprachen der Partnerstädte und Partnervereine
Wetzlar. Seit über 20 Jahren laden die Partnerschaftsvereine der Stadt Wetzlar zum gemeinsamen Weihnachtsliedersingen in sechs Sprachen in den Konzertsaal der Musikschule ein.
In diesem Jahr war die Deutsch-Französische Gesellschaft Gastgeber, deren Vorsitzender Ingolf Hoefer einen großen Zufalls-Chor von 120 Sängern aus allen Partnerschaftsvereinen begrüßen konnte: von der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen, der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft, der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft, der Deutsch-Englischen Gesellschaft, dem Deutsch-Amerikanischen Club “Die Brücke”, von der Deutsch-Finnischen Gesellschaft Gießen-Wetzlar und von der Europa-Union Wetzlar.
Eingangs intonierte der musikalische Leiter des Weihnachtssingens, Musikschulchef Thomas Sander, die Europahymne, Beethovens “Freude schöner Götterfunken” mit dem Text von Friedrich Schiller – und der Besucherchor erhob sich als Hommage an Europa zur ersten Strophe. Hoefer dankte der Wetzlarer “Stadtregierung” für ihr Engagement beim ehrlichen Bemühen um das Zusammenwachsen Europas an der Seite der Partnerschaftsvereine. Und Partnerschaftsdezernent Karlheinz Kräuter bekundete seine Freude ob der Tatsache, dass Jahr für Jahr mehr Menschen am gemeinsamen Weihnachtssingen der Partnerschaftsvereine teilnehmen.
Und wer wollte, konnte in Sachen Fremdsprachen und damit angesichts eher unbekannten Weihnachtsliedergutes etwas lernen. Zudem leiteten Vertreter aller sieben Partnerschaftsvereine ihren landestypischen Liederbeitrag mit kurzen Informationen, Geschichten und Anekdoten ein. Dann erklangen die Lieder in Finnisch, Italienisch, Tschechisch, Französisch, Englisch und Deutsch, jeweils in ihren musikalischen Eigenarten erläutert von Pianist Thomas Sander, der es trotz sprachlicher Hürden schaffte, “den Chor zusammenzuhalten”. Weihnachtslieder in fünf Sprachen, das gibt es nur in der Gemeinschaft der Partnerschaftsvereine in Wetzlar und Umgebung.
Mit “O du fröhliche”, einem der bekanntesten deutschsprachigen Weihnachtslieder, klang das besondere Konzert in der Musikschule aus, bei dem die Zuhörer zugleich den Chor bilden. Anschließend folgte der gesellige Teil bei Glühwein und Leckereien aus den Partnerländern.
11. Dezember 2014
Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, und niemand wird bezweifeln, dass er seine Daseinsberechtigung hat, dann muss es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann. Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muss geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müsste geschehen; und wenn man ihm von irgend etwas erklärt, dass es so sei, dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein. So ließe sich der Möglichkeitssinn geradezu als die Fähigkeit definieren, alles, was ebenso gut sein könnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist.
Robert Musil (1880 – 1942)
Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
Christian Morgenstern (1871 – 1914)
10. Dezember 2014
Heute Abend “Musik und Politik”. Sir Simon Rattle erklärt uns per DVD, welchen Einfluss repressive Politik auf die musikalische Entwicklung der Komponisten Béla Bartók, Dmitri Schostakowitsch und Witold Lutosławski ausgeübt hat. Wir freuen uns auf die damals revolutionären, heute geradezu “klassischen” Klänge. Wir werden gespannt verfolgen, wie die drei Komponisten trotz des politischen Gegenwinds zu einer eigenständigen musikalischen Sprache von großer Eindringlichkeit und Kraft finden konnten. Für viele Ohren stellt diese Musik immer noch eine Herausforderung dar. Umso schöner, dass wir wieder Gelegenheit nehmen können unsere Hörgewohnheiten zu erweitern – unter Zuhilfenahme eines spannenden Exkurses in die Zeitgeschichte.
9. Dezember 2014

Seit mehr als drei Jahrzehnten kenne ich jetzt die “Fantasia on a Theme by Thomas Tallis” von Ralph Vaughn Williams (1872 – 1958). Es gibt Stücke, die verlieren nie ihren Reiz und überdauern alle persönlichen Höhen und Tiefen. Man hört das Stück, manchmal erst wieder nach langer Pause, und ist sofort berührt von der Musik, die man gut, sehr gut kennt. So geht es mir mit der Tallis-Fantasia – was sind das für melancholische, geheimnisvolle, ätherische Klänge! Wie eine große, sinnliche, suchende Betrachtung zieht diese Fantasie vorüber. Nachdenklich, versonnen, zuversichtlich. Kunst und Leben sind nichts Getrenntes, so hat es der große Pianist, Dirigent und Musikpädagoge Edwin Fischer einmal gesagt. Hier finden wir es bestätigt, und wie!
8. Dezember 2014
Dich
Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist
Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter
Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist
Erich Fried (1921 – 1988)
7. Dezember 2014

Schön war es wieder, das Internationale Weihnachtssingen der Wetzlarer Partnerschaftsgesellschaften und der Europa-Union – traditionell im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule, mit Advents- und Weihnachtsliedern in sieben Sprachen! Es ist jedes Jahr eine freundliche und entspannte Stimmung, ich darf die musikalische Leitung übernehmen, wir haben Freude an bekannten und unbekannten Melodien, an Gesprächen und Begegnungen und – nicht zu vergessen – an selbst hergestellten Leckereien aus den Ländern Europas, vom Shortbread über Marillentaler bis hin zu Punsch und Glühwein. Und, wie in fast jedem Jahr, kam das schönste Lied aus Frankreich: “Douce Merveille”, ein Noël strasbourgeois aus dem 17. Jahrhundert – eine ganz wunderbare, zarte Melodie im 6/8-Takt, in wiegender Bewegung, wie ein Liebeslied.
6. Dezember 2014
Wir beobachten die Zugvögel in ihrem ruhigen Flug. Sie fliegen zur Wärme des Südens, wenn sie in der Winterkälte nicht im Norden überleben können. Sie kommen zurück, wenn sie für den Nestbau wieder die Fruchtbarkeit des Nordens brauchen. Sie wissen, wo es gut für sie ist, die Natur hat es ihnen einprogrammiert. Ihr Instinkt sagt ihnen, wann und wohin sie fliegen müssen.
Wir Menschen haben diesen eindeutigen Instinkt nicht. Wir sind freier als die Vögel. Wir sind so frei, uns auch gegen das zu entscheiden, was gut für uns ist. Wir können Raubbau treiben an unserer Gesundheit, an unseren Kräften. Wir können blind bleiben für das, was wir für uns selber an Liebe, an Wärme, an Zeit brauchen, um dann auch wieder anderen Menschen etwas geben zu können. Zwar kann es schlimme Folgen haben, wenn wir nur an uns selbst denken, aber auch, wenn wir nie an uns selbst denken. Deswegen ist Einkehr, zuweilen auch Umkehr etwas ganz Ruhiges, Richtiges. Bremsen aus der vollen Fahrt, wenn man gar nicht mehr weiß, wohin die Reise geht. Sich darauf besinnen, wo man hingehört, wie die Zugvögel. Und sich bewusst machen, dass Gott uns die Liebe geschenkt hat, und dass er uns schon unser ganzes Leben hindurch begleitet, auch wenn wir es nicht gemerkt haben.
5. Dezember 2014

“Spectre” heißt also der neue Bond, der im Oktober 2015 in die deutschen Kinos kommen wird. Für Daniel Craig ist es sein viertes Bond-Abenteuer, der Vertrag für einen weiteren Film ist unterzeichnet. Wir lesen in den Zeitungen, dass Christoph Waltz den Bösewicht mimt, Naomi Harris wieder als Moneypenny zu sehen ist und Ralph Fiennes die Rolle des “M” von Judi Dench übernimmt. Léa Seydoux und Monica Bellucci sind die Bond-Girls, Sam Mendes führt Regie. Gedreht wird in London, Sölden/Österreich, Rom und Mexiko. Alles gut. Und wer schreibt die Musik?
3. Dezember 2014
Nenne dich nicht arm, wenn deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)
1. Dezember 2014
Nicht, was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)
28. November 2014
Im letzten Abendkurs haben wir uns mit Benjamin Brittens “Sinfonietta” beschäftigt, seinem kompositorischen Erstling. Auf www.kammermusikfuehrer.de findet sich folgende Erläuterung: “[…] Es war ein Werk jenes Genres, das aus sinfonischer Form und solistischer Besetzung eine neue Einheit zu formen versuchte – eine Synthese aus Sinfonik und Kammermusik. Der Archetypus dieser Gattung, Arnold Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1 aus dem Jahre 1906, hatte auch auf den jungen Britten einen nachhaltigen Einfluß ausgeübt, doch standen 1932, wie es Peter Evans formulierte, “noch andere Modelle für einen solchen Aufmarsch üppiger Solo-Klangfarben zur Verfügung, insbesondere Hindemiths Kammermusiken, op. 24 und op. 36, die einen kunstvollen kontrapunktischen Satz in mechanisierte, vom barocken Concerto entlehnte Strukturen verwandelten. Britten fand, bedingt durch seine Ausbildung bei Frank Bridge und seine Prägung durch die gesamte englische Tradition der Spätromantik, die flotte Gangart und barocke Symmetrie von Hindemiths Manier wenig attraktiv. Sein Ehrgeiz war es vielmehr, neue Ausdrucksmöglichkeiten in jener subtileren, wahrhaft symphonischen Thematik zu suchen, die sich statt mit eindeutigen Definitionen mit der Energie kleiner motivischer Einheiten beschäftigt… Es wird immer noch zu wenig erkannt, wie konsequent Britten auf die vereinheitlichende Kraft motivischer Ableitungen vertraute.” (Peter Evans, The Music of Benjamin Britten)
Das Stück, nur etwa eine Viertelstunde lang, hat uns alle durchaus beeindruckt. Die zitierte Erläuterung ist einem besseren Verständnis durchaus dienlich. Wir haben uns Britten bisher eher über sein Opernschaffen (vor allem durch eine Beschäftigung mit “Peter Grimes”) genähert. Im Nachhinein keine schlechte Wahl, denn so fiel der Zugang insgesamt doch leichter.
26. November 2014
Seit Karl-Heinz Köpcke in der Tagesschau das Fernsehpublikum nicht mit “Guten Abend, meine Damen und Herren” begrüßte, sondern eine ungewöhnliche Zäsur nach dem dritten Wort vornahm und somit “Guten Abend meine, Damen und Herren” sagte, haben wir uns an solcherart den Sprachfluss verunstaltende Eingriffe gewöhnt. Ein ähnliches Phänomen erleben wir immer wieder bei Politikern, die gerne erst nach dem Anfangswort des nachfolgenden Satzes atmen, um nicht unterbrochen zu werden. Ganz zu schweigen von Sportreportern, die sinnverfremdende Sprachgebilde konstruieren wie: “Die Schalker attackieren früh Schiedsrichter Weiner – bisher vorbildlich.” Jaja, der gute Mensch denkt an sich. Selbst zuletzt.
24. November 2014
Wochenende, Aalto-Theater Essen, “Jenůfa” von Leoš Janáček. Für Kenner und Liebhaber ist diese Musik längst kein Geheimtipp mehr, trotz mancher Schroffheiten und einer bisweilen eigenwilligen Melodik, die ihre Wurzeln in der tschechischen Volksmusik hat. Sehr beeindruckend ist die Wahl der jeweiligen Orchesterfarbe, die den Ausdruck der Sängerinnen und Sänger verständig unterfüttert, transparent und nie zu voluminös, auch nicht bei expressiven Ausbrüchen. Das Stück selbst bietet, wenn man so will, ein Happy-End am Ende einer Verkettung tragischer Umstände, mit der Botschaft, dass die Liebe alles Leid besiegt. Robert Carsen hat die Oper mit eindrücklichen Bildern inszeniert, eher knapp und mit beinahe kammermusikalischer Strenge. Beseelter, glücklicher Heimweg.
20. November 2014
Heute Morgen im Opernkurs “Der Rosenkavalier”. Endlich, möchte man sagen, haben wir dieses Wunderwerk begonnen zu durchleuchten, im letzten Drittel des Kurses. Das Stück hat mehrere große, über das Musikalische weit hinausgehende Themen. Zeit, Glück, Vergänglichkeit. Liebe, Bestimmung, Erkenntnis. “Mit leichter Hand geben und nehmen zu lernen” sei das Thema, hat eine der großen Operndiven einmal gesagt, bis hin zu der Frage, wie das musikalisch wie darstellerisch, aber insbesondere für einen selbst zu leisten ist. Wie schwer tun sich so viele schon mit dem “geben und nehmen”, und wie soll das gehen, “mit leichter Hand”? Humor und Leichtigkeit sollen Pate stehen, auch Melancholie und Wehmut, wenn es denn sein muss. Die Musik von Richard Strauss, diesem Klangzauberer, hält so wunderbar die Balance zwischen Schwere und Leichtigkeit! Und der Text von Hugo von Hofmannsthal! Hier wusste jemand, worüber er schreibt, mit tiefem Verständnis für die Liebe und für diejenigen, die ihr anheimfallen. “So hat halt Gott die Welt geschaffen, und anders hat er’s halt nicht können machen!” (Marschallin, 3. Akt)
18. November 2014
Großen Eindruck hat gestern im Abendkurs die 8. Sinfonie c-Moll op. 65 von Dmitri Schostakowitsch gemacht. Wir haben die im Jahr 2011 entstandene Aufnahme mit dem Royal Concertgebouw Orchestra unter Leitung von Andris Nelsons gesehen und gehört, in voller Länge. “Schwere Kost” sei diese Musik, so ein Kommentar, aber doch auch sehr beeindruckend. Im Textheft findet sich zum vierten Satz der Hinweis, dieser sei “in der barocken Form der Passacaglia eine Trauerklage, einem Requiem gleich”. In der Tat geht dieser Satz wohl am meisten unter die Haut, bei allen Ausbrüchen und ihrer eruptiven Dynamik in den übrigen Sätzen. Und natürlich dirigiert Andris Nelsons hier grandios – sehr klar, kraftvoll und entschlossen, gleichzeitig feinnervig und sensibel, ganz wunderbar. Ein fordernder, anstrengender, schöner Abend!
14. November 2014
Gestern, letzter Kursabend in Friedrichsdorf, Musik des 20. Jahrhunderts, letztes Stück Hans Werner Henze 7. Sinfonie, dritter Satz. Ich packe meine CDs und DVDs zusammen. Was wir im nächsten Kurs machen, fragt eine Teilnehmerin. Oper, antworte ich. Woraufhin sie ein Zitronengesicht aufsetzt und sagt: “Also wissen Sie – Musik ja, Oper nein.”
10. November 2014
Apropos Richard Strauss, allerdings in anderem Zusammenhang. Bei der Vorstellung von Rachmaninows zweitem Klavierkonzert musste natürlich das Wort von der “gefühlvollen Jauche” fallen, das Strauss zur Musik des Russen einfiel. Das ist nun mehr als nur diskreditierend, und für den künstlerisch verständnisvollen und toleranten Strauss auch eher untypisch. Hatte doch Rachmaninow eigentlich nur den emotionalen und pathetischen Kompositionsstil Tschaikowskys ins 20. Jahrhundert getragen! Die DVD mit Abbado und Grimaud zeigt im Übrigen, dass die Musik mehr bietet als nur triviale Melodien ohne Tiefgang. Hier ist, wenn man so will, die russische Seele vertreten, eher im Sinne der “Gruppe der Fünf” mit Mussorgsky, Borodin, Balakirew, Rimsky-Korsakow und Cui. Allerdings – das ist wohl wahr, und es hätte die fünf auch gestört – mit sehr populärem Einschlag und dem Sinn für Wirkung. So what?!
7. November 2014

Gestern Abend habe ich die CD wieder dabei gehabt und geradezu ehrfürchtig in den Player gelegt, wie immer. Dann Track 3 gewählt und zusammen mit den Kursteilnehmern erlebt, was große Kunst ist: “Beim Schlafengehen” aus Vier letzte Lieder von Richard Strauss, mit Jessye Norman und dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur (Philips, DDD, 1982). Komposition und Interpretation sind hier auf Augenhöhe, die Qualität der Gestaltung ist nach wie vor unerreicht, immer noch, nach über dreißig Jahren. In einem musikalisch-künstlerisch ambitionierten Haushalt muss diese CD im Regal stehen, habe ich gesagt und damit nur wenig übertrieben. Bei jpc ist die CD gerade im Angebot, für lächerliche € 7,99. Am besten kauft man gleich mehrere Exemplare, zum Verschenken. Es spielt bei einem Kulturgut dieser Klasse auch keine Rolle, ob die Beschenkten die Musik wirklich mögen.
5. November 2014
Das gestern eingestellte Gedicht “Kunst und Liebe” von Richard Dehmel findet sich in der Ausgabe des S. Fischer Verlags Berlin von 1916 unter dem Titel “Eröffnung”. Ganze Textzeilen sind geändert, die Interpunktion weicht ab. Insgesamt ist der Tonfall ähnlich, doch nicht identisch.
Eröffnung
Jetzt sing ich dir das letzte Liebeslied.
Ich fühls bei jedem unsrer trauten Spiele,
daß mich ein Geist in seinen Dienst beschied,
der Geist der alten und der neuen Ziele.
Der duldet nicht in seinem weiten Bann
die allzu häuslich eingeengten Klänge;
und manchmal wandelt eine Pein mich an,
als ob ich fehl von unsern Freuden sänge.
Denn Meine Sprache ist für Alle da.
Doch was wir kaum in Seufzern uns gestehen,
was rein in Blicken zwischen uns geschah,
ist eine Sprache, die nur wir verstehen.
4. November 2014
Kunst und Liebe
Jetzt sing’ ich dir das letzte Liebeslied.
Ein Brausen füllt mein Ohr wie Sturmesklage,
seit mich in seinen Priesterdienst beschied
der Geist der alten und der neuen Tage.
Der duldet nicht in seines Tempels Bann
die sinnberückend leichtgeschürzten Klänge;
und wehrend wandelt eine Scheu mich an,
daß fürder ich von unsrer Liebe sänge.
Denn meine Sprache ist für alle da!
Doch was wir so von Aug’ zu Auge sehen,
was so in Seufzern zwischen uns geschah,
ist eine Sprache, die nur wir verstehen.
Richard Dehmel (1863 – 1920)
30. Oktober 2014
Stiller Gang
Der Abend graut; Herbstfeuer brennen.
Über den Stoppeln geht der Rauch entzwei.
Kaum ist mein Weg noch zu erkennen.
Bald kommt die Nacht; ich muß mich trennen.
Ein Käfer surrt an meinem Ohr vorbei.
Vorbei.
Richard Dehmel (1863 – 1920)
29. Oktober 2014
Heute, buchstäblich zum Frühstück, bin ich in weltberühmte Filmmusik geraten: Es lief das Harry-Lime-Thema aus dem Film “Der dritte Mann”, die Musik von Anton Karas (1906 – 1985), dem österreichischen Komponisten und Zitherspieler, der mit dieser Komposition einen Welterfolg landete. Keinem seiner übrigen Stücke war auch nur annähernd ein vergleichbarer Erfolg beschieden. Dieses Schicksal teilt er mit anderen Größen der Musikgeschichte, man denke an Max Bruch. Dessen Violinkonzert ist bis heute Favoritstück vieler Konzertbesucher, er selbst hat seine Zeitgenossen verzweifelt und vergeblich von der Qualität seiner restlichen Kompositionen zu überzeugen versucht. Oder wie fühlt sich jemand wie Ernst Nikolaus von Reznicek, der eine ganze Oper schreibt (“Donna Diana”), von der aber nur die Ouvertüre überlebt? Wohl ähnlich wie ein Sternekoch, dessen berühmtes Amuse Gueule zwar dankbar angenommen wird, aber dessen nachfolgendes Menu keine Wertschätzung findet! Bestellen wir und schmeckt uns nur, was wir kennen? Lassen wir uns durch ein oft gespieltes Einzelstück, und sei es noch so meisterlich, nicht unser Gehör verstellen? Müssten wir nicht viel neugieriger sein, viel mehr stöbern, viel mehr kennenlernen? Könnte es nicht sein, dass wir dabei etwas Neues entdecken, etwas Ungewohntes, etwas Überraschendes, von dem wir bislang weder wussten, dass es das gibt, noch dass wir es mögen?
26. Oktober 2014
“Man muss selbst keine Sau gewesen sein, um die Qualität eines Schnitzels beurteilen zu können.” Dieser Satz fiel im Deutschen Sportfernsehen während eines Gesprächs über die Fußballereignisse vom Wochenende. Die Frage, ob Spieler oder Trainer sich in einer bestimmten Situation so oder so hätten verhalten müssen, erinnert mich an die immerwährende Diskussion über ausübende Musiker und Rezensenten. Muss ein Kritiker wirklich selbst ein Instrument gespielt haben, um zur Leistung eines Orchesters oder seines Dirigenten eine qualifizierte Meinung entwickeln zu können? Und wenn ja, muss er das Instrument auch im Orchester gespielt haben? Was ist mit Instrumenten, die im Orchester keine Rolle spielen, wie Klavier oder Gitarre? Wer gilt als Experte? Wer ist Kenner, wer Liebhaber? Welche Voraussetzungen müssen dazu erfüllt sein? Wie so oft, ruinieren auch hier ein paar schwarze Schafe den Ruf einer ganzen Zunft. Nur so konnte Oskar Werner sagen: “Es gibt zwei Arten von Kritikern. Die einen können mich am …, und die anderen dürfen nicht einmal das.”
23. Oktober 2014
Viele gehen durch die Gassen, und nur wenige schauen zu den Sternen hinauf.
Oscar Wilde
Haben wir die Sterne allerdings einmal gesehen, so wissen wir um sie und wollen sie immer wieder anschauen. Mit dem so veränderten Blick sehen dann übrigens auch die Gassen anders aus.
21. Oktober 2014
Hier der Bericht der Gießener Zeitung vom 15.10.2014 über den Vortrag über die Italienische Oper auf Einladung der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V. am 10.10.2014
Keine Scheu mehr vor der italienischen Oper: Wetzlarer Musikschulleiter Thomas Sander führte das Publikum über drei Jahrhunderte Operngeschichte mit Kompetenz und Humor
„Nach unserem Festakt zum 30. Jubiläum des Vereins konnten wir zum zweiten Mal dieses Jahr eine Veranstaltung im schönen historischen Saal der Musikschule Wetzlar organisieren“, freute sich die 1. Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V., Rita Schneider-Cartocci, am Freitagabend, 10. Oktober 2014, bei ihrer Begrüßung der über 50 Gäste, die bereits im Foyer mit einem Glas Prosecco und italienischen Grissini willkommen geheißen wurden. Schneider-Cartocci bedankte sich beim Musikschulleiter Thomas Sander, der einen informativen und gleichzeitig amüsanten Vortrag „für Anfänger/innen“ über die italienische Oper halten würde.
Mit seiner kurzweiligen Präsentation führte Sander das Publikum in rund zwei Stunden durch drei Jahrhunderte italienische Oper, von den Anfängen in Florenz im Jahr 1600 innerhalb der Adligengruppe „Florentiner Camerata“ bis zu den großen Komponisten des XIX. und XX. Jahrhunderts. Mit Kompetenz und Humor erklärte der Musikschulleiter, wie die Gattung der Oper sich entwickelt hat und wie die Einstellung des Publikums sich geändert hat. Während die ersten Zuschauer sich mit den griechischen Dramen geistig auseinandersetzen wollten, sucht das moderne Publikum Entspannung und Ablenkung vom Alltag im Theaterbesuch.
Und einen schönen Abend hatten auch die Besucher der Veranstaltung, die Musikbeispiele und Szenen aus berühmten Opern aus verschiedenen Epochen auf CD hörten und auf DVD schauten. Sander führte jedes Stück mit Anekdoten, Handlungen und verständlichen musikwissenschaftlichen Erklärungen ein, damit auch die unerfahrensten Zuhörer sich der Oper annähern konnten. Das Publikum konnte am Ende des Musikvortrags einen Überblick über die Gattung der Oper vom monodischen Singen der Barockzeit bis zu den Arien, Rezitativen und Ohrwürmern der moderneren Opern gewinnen.
Die Gäste haben beispielsweise mit der Toccata von Monteverdis „Orfeo“, dem turbulenten Finale des 1. Aktes von „Il barbiere di Siviglia“ Rossinis, den virtuosen Spielen mit der menschlichen Stimmen in Donizettis „Lucia di Lammermoor“, dem Anfang von „La Traviata“ mit dem berühmten Trinklied „Libiamo ne’ lieti calici“ und zum Schluss dem Finale der „Tosca“ Puccinis eine Kostprobe der Oper genossen und sind auf eine vollständige Aufführung neugierig geworden. Auch die Anwesenden, die noch nie in der Oper waren, werden hochwahrscheinlich in der nächsten Saison ohne Scheu vor dieser schwierigen Gattung ein Theater betreten.
Die 1. Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V., Rita Schneider-Cartocci, bedankt sich bei Musikschulleiter Thomas Sander. Foto: Riva/DIG
Pause bis zum 20. Oktober 2014
14. Oktober 2014
Die Höhe der Gunst des Glücks wird oft durch die Kürze ihrer Dauer aufgewogen: denn das Glück wird es müde, einen so lange auf den Schultern zu tragen.
Baltasar Gracián (1601 – 1658), Handorakel und Kunst der Weltklugheit
13. Oktober 2014
Es war ein schöner Abend am letzten Freitag, an dem ich für die Deutsch-Italienische Gesellschaft Mittelhessen e.V. gut zwei Stunden lang über die Italienische Oper gesprochen habe. Mit DVD- und CD-Beispielen aus Werken von Monteverdi, Cavalli, Bononcini, Rossini, Donizetti, Verdi und Puccini konnte das natürlich nur ein kleiner Einblick sein. Für Erstaunen und Heiterkeit sorgen immer wieder die Querverweise auf andere Disziplinen, Gattungen oder Zeiten. Das berühmte Tosca-Zitat im James Bond-Film “Ein Quantum Trost” zum Beispiel. Oder, weniger launig, die Frage nach den Motiven menschlichen Handelns überhaupt, mit unzähligen Beispielen aus Opernwerken sämtlicher Epochen. Warum handeln die Menschen so, wie sie handeln? Warum? Die Oper gibt es seit gut 400 Jahren. Die Frage sehr viel länger, von Anbeginn, seit es Menschen gibt.
10. Oktober 2014
Mit der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar e.V. ist für den 19. März 2015 um 19.00 Uhr eine Veranstaltung zum Thema “Musik in Österreich – Klassik und Romantik” verabredet. In einem Vortrag im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule werde ich mich den bedeutendsten Komponisten Österreichs in der Zeit der Klassik und Romantik widmen. Ich werde ausgewählte Werke von Haydn, Mozart, Schubert und Bruckner – aber auch der „zugereisten“ Beethoven und Brahms – mit Beispielen von CD, DVD und live am Klavier vorstellen. Für die Zuhörenden gibt es zudem Informationen über biografische Hintergründe und zeitgeschichtliche Zusammenhänge. Wie immer sind für die Teilnahme keine besonderen Voraussetzungen nötig, Neugier und Interesse genügen.
7. Oktober 2014

Die Studienreise “Auf den Spuren der Beatles” ist jetzt terminiert. Ab dem 19. April 2015 geht es für eine Woche nach London und Liverpool, mit zusätzlichen Aufenthalten in Cambridge, York und Colchester. Nähere Informationen (Reiseverlauf, Preise, Zusatzoptionen etc.) sind über das Sekretariat der Wetzlarer Musikschule zu bekommen.
6. Oktober 2014
Ein junger Komponist muss genauso streng erzogen werden, wie wir als junge Leute erzogen wurden. Damit er nur herausbringt, wovon er denkt: Das ist das Beste, was ich geben kann. Denn es muss ja nun mal gemessen werden mit den Werten, die wir haben! Man darf nicht vernachlässigen, Maßstäbe zu setzen! Vieles von dem, was als Neue Musik gehandelt wird, ist weder neu noch ist es Musik!
Grete von Zieritz (1899 – 2001)
2. Oktober 2014

Nach längerer Pause habe ich mal wieder die Nr. 5 der Bachianas Brasileiras von Heitor Villa-Lobos gehört. Die Vokalise ist ungeheuer einprägsam, sie brennt sich beim ersten Hören gewissermaßen auf die geistige Festplatte, löschen ist schwierig. Auf www.kammermusikfuehrer.de ist das Besondere dieser Musik sehr zutreffend erläutert:
“In den Bachianas Brasileiras hat Villa-Lobos seiner Verehrung für die Musik Johann Sebastian Bachs Ausdruck verliehen. Die Bachischen Züge der neun Werke werden jedoch “brasilianisiert”, indem sie sich mit Elementen der Volksmusik Brasiliens verbinden. Dem Komponisten war die Folklore seiner Heimat nicht nur durch sein Musizieren mit den Choros, den Straßenbands in Rio, vertraut, sondern auch aufgrund ausführlicher Studien im brasilianischen Urwald. Angeblich soll er dabei Kannibalen in die Hände gefallen sein, die ihn nur deshalb verschonten, weil er so schöne Musik machen konnte. Im Paris der Zwanziger Jahre kamen solch abenteuerliche Geschichten aus dem Urwald besonders gut an, und mit ihrer Hilfe und dank der exotischen Küche seiner Heimat gelang es Villa-Lobos, seine “brasilianischen Soiréen” zur Sensation der Pariser High Society zu machen. Dabei gab er neben abenteuerlichen Geschichten von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt auch die originalen Melodien seiner Heimat zum Besten.
Diese Melodien Brasiliens mit den Formen Bachs zu verbinden, war für Villa-Lobos mehr als ein kapriziöser Einfall, in dem sich persönliche Vorlieben widerspiegelten. Er hatte zwischen beiden Musikstilen, so weit sie auch geographisch wie historisch auseinanderliegen mochten, strukturelle Gemeinsamkeiten entdeckt. Diese Erkenntnisse hatte er gleichsam im “Modellversuch” bei den Straßenmusikern Brasiliens erprobt und festgestellt, dass für sie die Musik Bachs eine ganz natürliche, unkomplizierte Angelegenheit war.
Diese Affinitäten brachten ihn 1930, nach seiner Rückkehr aus Paris, auf die Idee, Bach und Brasilien gemeinsam einen Zyklus zu widmen. Die Nr. 5 dieser Reihe ist die berühmteste, denn sie weist neben den vier Cellostimmen (wahlweise zu verdoppeln) einen Sopran auf. Dieser mischt sich gleich zu Beginn des Adagios mit einer langen Vokalise ins Geschehen, derweil die Celli eine Art freier Passacaglia im Fünfvierteltakt spielen. Herrliche, “Bachische” Vorhaltsdissonanzen bestimmen diesen Teil des ersten Satzes. Erst im schnelleren Mittelteil geht der Sopran zur Rezitation des ersten Gedichts von Ruth Corêa über, das vom Glanz des Mondes in der Nacht und der “Saudade” erzählt, dem unverwechselbaren portugiesischen Wort für Sehnsucht. Am Ende kehren die sehnsüchtigen Vorhalte des Beginns zurück, während der Sopran ins Summen übergeht.”
1. Oktober 2014
Gestern Abend lief die Wiederholung einer “Tatort”-Folge des BR von 2007. Am Ende sagt die ausländische Putzhilfe, die ihren Arbeitgeber in den See seines eigenen Anwesens gestoßen hatte: “Hat großen Teich und kann nicht schwimmen. So ist Deutschland.” Der Satz entbehrt nicht einer gewissen Komik und hat durchaus Analogien. Zum Beispiel “Hat großen Flügel und kann nicht Klavier spielen.” Oder, vielleicht verbreiteter: “Ist gesund, sieht gut aus und hat Geld, aber kann nicht leben.”
29. September 2014
In den letzten Tagen habe ich einer Reihe von konfessionell gebundenen Akademien und Weiterbildungsforen meine Vorschläge für das kommende Jahr zukommen lassen. Insbesondere Vorträge zu Händels “Messias”, Requiem-Vertonungen mit Beispielen von Mozart, Brahms und Verdi sowie ein Vergleich von Kompositionen mit Hohelied-Texten von Renaissance bis Moderne stehen im Mittelpunkt. Interesse gefunden haben ebenso Vorträge und Seminare über Bachs Matthäus-Passion und die großen Messen von Mozart, Schubert und Bruckner. Der Vortrag über Haydns “Schöpfung” findet in Wetzlar im Juni 2015 statt, weitere Termine – auch zu den genannten anderen Themen – werden wie immer im Kalender aktualisiert.
26. September 2014
Die erste Konzeption ist immer die natürlichste und beste. Der Verstand irrt, das Gefühl nicht.
Robert Schumann (1810 – 1856)
23. September 2014
In der nächsten Woche beginnt ein Chorprojekt, das ich mit Sängerinnen und Sängern in Wetzlar-Naunheim durchführen werde. Nachdem nun etwa zehn weltliche Chorprojekte hinter uns liegen, alle über die Wetzlarer Musikschule organisiert und dort aufgeführt, wollen wir uns nun in einem freien Projekt der geistlichen Musik widmen. Auf dem Programm steht unter anderem die Kantate “Also hat Gott die Welt geliebet” für fünfstimmigen Chor und Instrumente von Johann Rosenmüller (1617? – 1684). Es ist wahrscheinlich das Stück, das ich auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde. Ein Stück Leben, gewissermaßen eine musikalische Dauerbegleitung. Ich habe das Stück mit fünfzehn Jahren kennen gelernt, auf einer Freizeit in Altenberg in NRW. Vollkommen unerwartet durfte ich damals das Cembalo spielen. Die Leitung hatte Prof. Martin Kemper, der mich am Klavier improvisieren gehört hatte und spontan fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei der Rosenmüller-Kantate Continuo zu spielen. Er traute mir das einfach zu! So saß ich da, fünfzehnjährig, begeistert, aufgeregt, stolz, völlig gefangen und berauscht von den Klängen dieser Musik. Es war Liebe auf den ersten Blick, nein auf das erste Hören, und diese Liebe ist bis heute geblieben. Ich habe das Stück dann in den achtziger Jahren mit dem Hertener Kammerchor einmal aufgeführt, ein zweites Projekt einige Jahre später kam nicht zustande. Jetzt ist es wieder soweit, manchmal brauchen die Dinge ihre Zeit. Es ist eine Art musikalisches “nach Hause kommen”, anders als jemals und doch so vertraut.
21. September 2014
Morgen werden wir uns im Abendkurs mit Mahler beschäftigen. In der letzten Stunde haben wir die 1. Sinfonie komplett gehört, die sich zum Einstieg ja ganz gut eignet. Jetzt wollen wir einzelne Sätze kennen lernen, z. B. den sechsten Satz aus der 3. Sinfonie und den vierten aus der 5. Sinfonie, das berühmte “Adagietto”. Das Stück kennen viele aus dem Film “Tod in Venedig” (I 1971, Regie Luchino Visconti). Prisma Online schrieb damals, mit dem Film habe der italienische Regisseur ein “herausragendes Drama” geschaffen, “das mit beeindruckenden Bildern eine Atmosphäre von dekadenter Todessehnsucht schafft”. Wir wollen morgen herausfinden, warum ausgerechnet Mahlers Musik so klingt, als sei sie für den Film eigens komponiert worden. Sehnsucht kommt von sehnen und suchen. Es gibt nicht viele Komponisten der Musikgeschichte, die dafür eine eigene Sprache in der Weise entwickelt haben wie Mahler – mit eigenem Vokabular, eigener Grammatik, eigener Rhetorik. Große Vorfreude!
17. September 2014
“Ich halte viel von Beethoven, vor allem von seinen Gedichten”, soll Ringo Starr einmal gesagt haben. Wer weiß, vielleicht ist das Zitat wirklich belegt. Humor, Ironie? Mag sein. Wir können uns nicht recht vorstellen, dass Ringo das wirklich gesagt hat. Aber möglich wäre es. So wie er sich eines Tages entscheiden musste, was er werden will – Musiker oder Schlagzeuger.
14. September 2014
Der englische Musikwissenschaftler Winton Dean schreibt in seinem Buch über Georges Bizet, dass der Grund für die einzigartige Stellung der Oper Carmen im “phänomenalen Gleichgewicht zwischen Bizets Musikalität und dramatischer Begabung” liegt und dass er mit seinem Geschick “den Leidenschaften seiner Figuren in unübertrefflicher Weise Ausdruck” verliehen habe. Im Schlusssatz des Carmen-Kapitels spricht Dean dann von einem “der größten musikdramatischen Werke aller Zeiten”. Wie schön, dass wir im Dezember nach München fahren und in der Bayerischen Staatsoper diese menschlichen Leidenschaften hautnah erleben werden!
11. September 2014
1945 drehte Alfred Hitchcock den Psychothriller “Spellbound”, mit Ingrid Bergman und Gregory Peck in den Hauptrollen. An dem Film ist viel Besonderes, zum Beispiel sind die unter der Federführung von Salvador Dalí entstandenen Traumsequenzen grandios. Auch die Filmmusik von Miklós Rózsa ist überragend, der Komponist wurde dafür mit einem “Oscar” ausgezeichnet. Am beeindruckendsten indes ist das filmische Liebespaar selbst, das, allen Widrigkeiten trotzend, dem Titel seinen Sinn gibt: “Spellbound” – hingerissen, fasziniert, verzaubert. Die auf diese Weise bereits im Titel ausgegebene Botschaft ist ein besonderer Geniestreich. Der deutsche Filmtitel ist zwar weniger elegant, doch im Wortsinne bezwingend, so als dulde er keine Widerrede: “Ich kämpfe um dich” – erfolgreich, wie wir wissen.
9. September 2014
Bei der zuweilen besonderen Originalität von Gewinnspielfragen im deutschen Fernsehen wäre durchaus vorstellbar, dass bei der Frage “Was ist Lohengrin?” als vorgegebene Antworten a) eine Oper von Richard Wagner und b) ein Schokoriegel zur Auswahl stünden. Nun, richtig wären überraschenderweise a) und b), denn die Oper ist Namensgeber eines in Norwegen sehr bekannten Schokoriegels. Der Riegel gehört zu den am längsten vertriebenen Süßwaren Norwegens und wurde 2009 zu einem nationalen Kulturgut erklärt. Die Schokolade wurde den Besuchern der norwegischen Premiere am 7. Dezember 1911 erstmals angeboten und bis 1914 ausschließlich am Nationaltheater verkauft (Quelle: wikipedia). Dabei ist doch Lohengrin gar nicht süß, möchte man meinen. Mozart – der mit den gleichnamigen Kugeln – ja auch nicht…
8. September 2014
Rolando Villazón hat ein Buch geschrieben, “Kunststücke”. Hier positioniert er sich – nach bisher beeindruckender Karriere als Sänger – auch als ernst zu nehmender Schriftsteller, schreibt sinngemäß “Die Zeit”. Gerade ist eine neue CD mit Mozart-Arien erschienen, und doch, so wird uns mitgeteilt, arbeitet hier ein ausgewiesener Könner an etwas Neuem, an etwas, das er ebenso kann. Das ist dann wohl ein bisschen anders als in Ortheils “Die Erfindung des Lebens”, wo das neue Großartige nach dem alten Großartigen kommt, gewissermaßen aus Notwehr. Über Villazóns Gemütslage als Ausgangspunkt für seine “Kunststücke” wissen wir nichts oder nur wenig. Wir können über seine Motive lange rätseln oder es bleiben lassen. Ebenso können wir die “Kunststücke” lesen oder auch nicht. Was er uns mit seinem Gesang bisher geschenkt hat – mit Verdi, Mozart und Händel (!) – ist so über alle Maßen reich, da braucht es eigentlich nichts darüber hinaus.
6. September 2014
In den achtziger Jahren habe ich im Wiener Konzerthaus eine Aufführung der Bach-Kantate “Wier müssen durch viel Trübsal” BWV 146 erlebt, mit dem Concentus Musicus Wien und dem Arnold-Schönberg-Chor unter der Gesamtleitung von Nikolaus Harnoncourt. Johann Sebastian Bach komponierte die Kantate in Leipzig für den dritten Sonntag nach Ostern, “Jubilate”. Die Aufführung war eine der schönsten, die ich je im Konzertsaal erlebt habe. Ich erinnere mich, dass auch die erste Orchestersuite in C-Dur gespielt wurde. Mit kommt diese Aufführung jetzt wieder in den Sinn, nach dreißig Jahren. Schon merkwürdig, was die Erinnerung uns bisweilen beschert.
3. September 2014
Nachmittags, im Café. Ich bestelle eine heiße Schokolade und sehe auf dem Tresen die Werbung “Cappuccino. Verliebt und aufgeschäumt.” Passt das, verliebt und aufgeschäumt? Schäumt man nicht eher vor Wut? Was ist überhaupt “aufgeschäumt”? Ein Meer, ja, das kann zuweilen aufgeschäumt sein. Vom Sturm, so richtig mit Wellen, Wogen, Gischt und so weiter. Aber ein Cappuccino, im Becher? Denken wir an die Musik für Dallmayr – sofort erinnern wir uns an diese einschmeichelnde Klaviermusik, an die sanften, dahingleitenden Akkorde. Für Tchibo, Onko oder Darboven wurde kaum anders komponiert. Wer will sich denn auch über “aufgeschäumte”, tobende Klangkaskaden an Risiken wie Magenschleimhautreizung, Übelkeit, Schlafstörungen, Extrasystolen etc. erinnert fühlen? Mal abgesehen davon, dass – Italien als Ursprungsland muss hier als Vorbild gelten – kein vernünftiger Mensch nach 12 Uhr mittags noch Cappuccino trinkt. Sowohl Verliebte als auch die souverän über ihre Sinne Verfügenden sollten dann selbstbewusst ein anderes Getränk wählen, am besten nicht aufgeschäumt.
1. September 2014
In einem der kroatischen Strandcafés, das ich während meines Urlaubs gelegentlich besucht habe, lief in schöner Regelmäßigkeit eines der populärsten Stücke dieses Sommers, “All of Me” von John Legend. Diese hübsche, gefühlvolle Ballade spricht die Sinne an – Sehnsucht, Melancholie und Zärtlichkeit mischen sich zu feinen, sensiblen Klängen. Jenseits sängerischer Aspekte habe ich mich immer gefragt, was denn das Besondere ist, das über das “gut und schön” Hinausgehende. Nach mehrmaligem Hören dann die Erkenntnis, wenig spektakulär: Schon Johann Sebastian Bach hat seine Choräle so geschrieben, ja alle barocken Meister haben diese harmonischen Zutaten gekannt und in ihrem Kompositionsalltag verwendet. Simple Hauptdreiklänge, wenig Parallelen, bisweilen ein Vorhalt mit entsprechender Auflösung, dezent und unaufdringlich – fertig. “All of Me” oder “Back to the Roots”. Schön zu wissen, dass Jahrhunderte alte Rezepte nach wie vor Verwendung finden, zumal in anderen, neuen Sparten.
Pause bis zum 1. September 2014
28. Juli 2014
Heute Abend “Eine Alpensinfonie” von Richard Strauss. Dazu ein Auszug aus www.klassikakzente.de:
Er war 14 Jahre alt, als er sich auf eine Bergtour begab. Spät in der Nacht brach er auf. Dann wanderte er langsam in den Morgen hinein und erlebte mit großer Intensität die Schwelle zwischen Nacht und Tag: wie es langsam heller wurde und der junge Tag sich ihm in prächtigen Bildern der Berge darbot. Doch mit einem Schlag wurden ihm auch die Gefahren und Gewalten der Natur bewusst. Richard Strauss verlief sich heillos und geriet in ein schweres Gewitter. Nach einigem verzweifelten Suchen fand er aber Zuflucht in einer Berghütte.
Was macht ein musikalisch begabter Jugendlicher nach einem solchen Erlebnis? Er setzt sich ans Klavier und zeichnet die Geschichte nach. Erlebnisverarbeitung in pubertärer Manier, naiv und konkret, ohne symbolische Ambition. “Eine riesige Tonmalerei”, wie er es später kritisch ausdrücken wird, ein “Schmarren”. Das Erlebte drang in die Musik. Es wollte ausgedrückt werden.
Aber die Töne des Klaviers bekamen die Natur nicht zu fassen. Sie brachten etwas anderes zum Ausdruck. Wer die Natur erlebt, erlebt nicht allein ihre Farben, ihre Töne, ihren Rhythmus und ihre Proportionen, sondern zuallererst sich selbst, den Nachhall, den die Natur in seinem Inneren erzeugt. Und dieser Nachhall kann in Musik verwandelt werden. Er schafft die Verbindung zur Natur, die in der Musik später kaum ein anderer so symbolgetreu herzustellen wusste wie Richard Strauss.
25. Juli 2014

“Kunst ist eine Form von Krankheit”, soll Giacomo Puccini gesagt haben. Gut möglich, dass er dabei an seine Mimì, Tosca oder Turandot gedacht hat. Oder an Rodolfo, Cavaradossi und Kalaf. Wegen Fieber, Schlaflosigkeit, beschleunigtem Puls und so weiter. So gesehen ist auch die Liebe eine Form von Krankheit, bisweilen kaum mit Erfolg zu therapieren. Herzrasen kann man eben nicht mähen.
23. Juli 2014
“Leben ist, was wir daraus machen”, hat Henry Miller (1891 – 1980) einmal gesagt, und die Wahrheit liegt oft am Rande, nicht in der Mitte, so meinte er weiter. Ist es so? Am erstaunlichsten ist wohl, dass das Unwahrscheinliche, das, worüber wir sagen, es sei “nicht zu fassen”, das im Wortsinne Fantastische, uns auf grandiose Weise zeigt, was das Leben ist, was es über das hinaus ist, was wir zu kennen glauben. Wir, die wir bisher dachten, doch so klug, so belesen, so erfahren zu sein! Wer oder was beflügelt uns, was befähigt uns zu diesem Leben, wenn nicht Fantasie, Herzensweite, Leidenschaft, Vertrauen, Liebe? Leben ist, was wir daraus machen, ganz richtig. Andiam, incominciate!
……
Mit der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V. ist für Freitag, 10. Oktober um 19.30 Uhr (Wetzlarer Musikschule, Konzertsaal) ein Vortrag mit dem Thema “Einführung in die italienische Oper” verabredet. Eine Zeitreise von den Anfängen der Florentiner Camerata über Monteverdi und Cavalli, mit Beispielen aus der Zeit des Belcanto mit Rossini, Donizetti und Bellini, über die beiden Großen, Verdi und Puccini, bis hin zu Nono und Henze. Welch ein Parcours! Molto lieto!
21. Juli 2014
Heute war “La Belle Époque” in der Post – Lieder von Reynaldo Hahn, gesungen von Susan Graham, am Klavier begleitet von Roger Vignoles. In den Rezensionen heißt es, diese Musik trage dazu bei, “dass man sich besser fühlt, erholt, getröstet, irgendwie erhaben – und auf schönstmögliche Weise unterhalten.” An anderer Stelle sagt jemand, es seien “Salon-Lieder – nicht mehr, aber auch nicht weniger”, und in Maßen genossen machten diese Lieder “schlicht und einfach glücklich”. Das ist durchaus nicht übertrieben. Der Kompositionsschüler von Jules Massenet und Kommilitone von Maurice Ravel hatte die Gabe, kaum Sagbares in filigrane, fein gesponnene Klänge zu hüllen. Pastellfarben grundiert, mit zarten Pinselstrichen und dezent-floralem Parfum entstehen sensible Klangbilder – traumverloren, erstaunt, verliebt. Unbedingt anhören!
18. Juli 2014
„Der Wein ist deshalb so gefährlich, weil er nicht die Wahrheit ans Tageslicht bringt, sondern gerade ihr Gegenteil: Er enthüllt die vergangenen, vergessenen und erledigten Geschichten der Menschen, und nur bedingt ihren gegenwärtigen Willen. Er bringt willkürlich all die flüchtigen Gedanken ans Licht, mit denen man vor längerer oder kürzerer Zeit gespielt und die man wieder vergessen hat. Er spottet der Absicht, irgendetwas zu streichen, er liest alles aus dem menschlichen Herzen, was trotz der Streichung immer noch lesbar geblieben ist. (…) Kurz, unsere ganze vergangene Schicksalsgeschichte bleibt für immer irgendwie lesbar, und der Wein liest alles laut vor und schreit es in die Welt hinaus, ohne sich um die Korrekturen zu kümmern, die das Leben später hinzugefügt hat.“
Italo Svevo, Zeno Cosini
Verhält es sich nicht mit der Musik ebenso? Bringen nicht Klänge und Melodien, die wir vor vielen Jahren kennen gelernt, gesungen und gespielt haben, Erinnerungen zurück, ganz nah und unmittelbar? Wie oft sagen wir “als wäre es gestern gewesen”, wo doch Jahre ins Land gegangen sind, in denen wir uns und unser Leben neu geordnet haben, vielleicht mehrfach! Die Musik kennt eben auch keine “Korrekturen”, sie bleibt immer bei sich und macht die “Streichungen” im Herzen lesbar, sichtbar, hörbar – wie schön!
16. Juli 2014

“Pli selon Pli” ist noch immer das Opus magnum des weise gewordenen Bilderstürmers Pierre Boulez. Er, der beständig an seinen Werken feilt, sich selten mit einer Version zufrieden gibt, ließ sich über dreißig Jahre Zeit, um “Pli selon Pli” zu vollenden. Im Grunde liegt das Werk seit 1962 vollständig vor, doch beschäftigte es Boulez bis 1989, dem Jahr der letzten Revision und endgültigen Fertigstellung.
Thomas Schulz in “Rondo”, Mai 2002
Ich selber komme immer wieder auf dieses Werk zurück, nicht nur in Kursveranstaltungen. Ein Kosmos von klanglichem Reichtum, von Unvorhergesehenem und Unvorhersehbarem, mit unzähligen Möglichkeiten! Dreißig Jahre bis zur “endgültigen Fertigstellung”, so lesen und lernen wir. Sonderlich erstaunt sind wir darüber nicht.
15. Juli 2014

Der tschechische Komponist Leoš Janáček (1854 – 1928) studierte in seiner mährischen Heimat die “Sprachmelodie” seiner Landsleute, zudem zeichnete er in Noten möglichst exakt den Gesang der Vögel und andere Naturlaute auf. Rolf Sudbrack berichtet über ein Interview mit Janáček kurz vor dessen Tod: „Für ihn habe die Musik, sagte Janáček, so wie sie aus den Instrumenten klänge, wenig Wahrheit. Aber wenn er dem Klang eines redenden Menschen lausche, höre er am Tonfall, was in ihm stecke, ob er lüge, ob er erregt sei. Die Sprachmelodie sei ein Fensterchen in die Seele des Menschen.“ In seinem 2. Streichquartett, den “Intimen Briefen”, hat Janáček diese Sprachmelodie wunderbar verarbeitet, gewissermaßen als musikalische Camouflage. Hier spricht jemand, dem vor Herzensfülle der Mund überläuft. Und der uns ein melodisches Hörbuch schenkt, verspielt, souverän, frei.
13. Juli 2014
“If you care about something you have to protect it – If you’re lucky enough to find a way of life you love, you have to find the courage to live it.”
John Irving, A Prayer for Owen Meany
10. Juli 2014
“Im Herzen sind wir alle noch Romantiker”, hat Leonard Bernstein einmal gesagt. Was ist romantisch? Gefühlsbetont, fantasievoll, beseelt, empfindsam, feinsinnig? Wie auch immer, es gilt, die Sprache des Herzens zu hören und sie zu verstehen! Vielleicht haben wir unsere Herzensrufe lange Zeit überhört. Oder wir haben sie gehört und nicht verstanden, wie eine fremde, uns unbekannte Sprache. Vielleicht haben wir sie aber auch sehr gut verstanden (weil ja die Sprache so furchtbar schwierig gar nicht ist), und es fehlte uns nur an Zutrauen, Offenheit, Mut, Beherztheit (!) oder Courage.
Wie sich in der Musik die wesentlichen Dinge im piano vollziehen, so ereignet sich das Lebenswichtige zumeist in Momenten der Einkehr, des Innehaltens, der Stille. Dann, nur dann können wir verstehen, erkennen, begreifen. Das Herz ist uns immer etwas voraus, es weiß so vieles früher als wir selbst. Und es erzählt uns gerne davon! Wir müssen nur bereit sein zu hören, dann ist alles möglich: Leben, Liebe, Glück.
8. Juli 2014
Am Freitag der nächsten Woche findet das Abschlusskonzert des diesjährigen Chorprojektes in der Wetzlarer Musikschule statt. Auf dem Programm stehen Chorsätze von Armin Knab, Gustav Jenner und Johannes Brahms, dazu gibt es acht Lieder von Armin Knab. Die Sopranistin Kira Petry wird diese wunderbaren Stücke singen, ich werde sie am Klavier begleiten. Allein das Goethe-Lied “Bleibe bei mir” (Es-Dur!) – ich habe selten ein Lied aufgeführt, das mich beim Hören, beim Proben, beim Spielen so bewegt hat wie dieses. Knab schreibt hier äußerst kunstvolle, ungewöhnliche Akkordfolgen von glutvoller Intensität und Ausdruckskraft. Alles ist hier außergewöhnlich, und die letzten zwei Zeilen sind einfach unbeschreiblich.
Bleibe, bleibe bei mir,
holder Fremdling, süße Liebe,
holde, süße Liebe,
und verlasse die Seele nicht!
Ach, wie anders, wie schön
lebt der Himmel, lebt die Erde,
ach, wie fühl ich, wie fühl ich
dieses Leben zum ersten Mal!
6. Juli 2014
Gestern hat die Mannschaft der Niederlande bei der Fußball-WM das Halbfinale erreicht. Das ist schön, hören wir doch so noch zwei weitere Male die Nationalhyme “Wilhelmus van Nassouwe” (Komponist unbekannt). Die Hymne, für meinen Geschmack von allen die melodisch schönste, hat etwas sehr Besonderes: Sie klingt würdevoll und royal, ist aber nie zu pompös oder gar lärmig, übrigens auch dann nicht, wenn sie ausschließlich von Blechbläsern gespielt wird. Und noch etwas, für Kenner: Die Hymne enthält Taktwechsel. Sie beginnt geradtaktig, mit zwei verkürzten Halbschlüssen, um dann im letzten Teil in den ¾-Takt zu wechseln. Das Schöne daran ist, dass man erst mit einer gewissen Verspätung wahrnimmt, auf welche Weise Takt und Rhythmus hier ineinander greifen. Der Rhythmus besteht dabei weitgehend aus Vierteln und Achteln, mit nur wenigen, aber gezielt auf die Taktschwerpunkte gesetzten Halben. Das gibt dem melodischen Fluss eine große Ruhe, insbesondere durch den Einsatz von “großen” Dreiertakten, sogenannten Hemiolen. Die Entscheidung darüber, ob die Niederlande Fußball-Weltmeister werden, fällt erst in ein paar Tagen. Die Hymne indes hat den Titel schon jetzt allemal verdient.
3. Juli 2014
Da war sie wieder, die Erkenntnis, dass Oper nichts Künstliches, Fremdes, Entlegenes, Unwirkliches ist – nein, sie hat unmittelbar und auf sehr berührende Weise mit uns und unserem Leben zu tun! Nach Ausschnitten aus “La Traviata” und “Rigoletto” sitzen Kursteilnehmer/-innen sprachlos da, beeindruckt, bewegt. Natürlich wegen Netrebko und Villazón, wegen Deckers Inszenierung, wegen Rizzis Tempi, wegen Verdi sowieso. Wir wissen, es ist große Kunst, und wir genießen sie. Aber das ist nicht das Eigentliche, das Wesentliche. Wir spüren mit unvermuteter Intensität, dass hier unsere ureigenen Fragen gestellt werden. Das, was uns bewegt, was uns umtreibt. Etwas, dem wir uns stellen müssen, das uns zu Positionierung, nein, zu Haltung zwingt. Was ist unser Credo? Und in welchem Leben wollen wir ihm folgen, wenn nicht in diesem? Wir könnten, wenn wir denn wollten, ganz andere Saiten aufziehen! Und die, welche da jetzt so wundersam klingen und unsere Herzen erfüllen, diese ehedem verschüttet und verstimmt geglaubten Saiten, sie weisen uns den Weg.
1. Juli 2014
Auf www.glamour.de habe ich ein paar sehr schöne Filmzitate gefunden, manche sind ganz wunderbar. Bei einigen von ihnen ist es nicht einmal nötig, die entsprechende Szene zu kennen.
Wie ein einziger Tag
„Ich kann ziemlich witzig sein, wenn du willst. Nachdenklich, klug, abergläubisch, tapfer, vielleicht ein guter Tänzer… Ich kann sein, was du willst. Sag mir, was ich sein soll und ich bin es für dich.” (Duke)
Real Love
„Ich bin nichts Besonderes. Er ist nichts Besonderes. Zusammen sind wir was.” (Caroline)
Die fabelhafte Welt der Amélie
„Ohne dich wären die Gefühle von heute nur die leere Hülle der Gefühle von damals.” (Zitat des Schriftstellers Hipolito)
Vanilla Sky
„Eines Tages wirst du wissen, was wahre Liebe ist. Es ist das Saure und das Süße. Das Saure kenne ich, deshalb weiß ich das Süße zu schätzen.” (Brian)
Harry und Sally
„Wenn man begriffen hat, dass man den Rest des Lebens zusammen verbringen will, dann will man, dass der Rest des Lebens so schnell wie möglich beginnt.” (Harry zu Sally)
Sweet Home Alabama
„Warum willst du mich heiraten?” „Damit ich dich küssen kann, wann ich will!” (Jake zu Melanie)
Stadt der Engel
„Wenn ich gefragt werde, was mir am besten gefallen hat, dann sage ich, das warst du.” (Seth zu Maggie)
30. Juni 2014
“Es war immer und in allen Vorstellungen ein Rausch sondergleichen“, erinnert sich Brigitte Fassbaender. „Kein Abend, an dem mir nicht das Herz in die Magengrube gerutscht ist.“ Abende, die zum Größten gehören, was sich an der Bayerischen Staatsoper je ereignet hat: Dirigierte dort Carlos Kleiber seinen geliebten „Rosenkavalier“, herrschte Ausnahmezustand. Beschreiben konnte man das schon bald nicht mehr. Nur genießen. Und hoffen, dass es nie vorbeigeht.
merkur-online, 28.11.2008
Was heißt das, “dass es nie vorbeigeht”? Es heißt, dass wir seither nicht mehr dieselben sind, dass wir es nie mehr anders hören und spüren wollen, dass, wie es bei Rilke heißt, “alles, was uns anrührt, dich und mich”, uns zusammen nimmt “wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.”
29. Juni 2014
Don Giovanni als ergrauter, müder und desillusionierter Alt-Womanizer mit Gehhilfe (nicht Gehilfe, aber das auch noch!) – die Oper in Frankfurt am Main hat sich getraut, den Fokus auf die Titelfigur der Mozartoper einmal ganz anders, nämlich in der beschriebenen Weise auszurichten. Das ist für sich genommen in Ordnung – indes hochproblematisch, denn es hat erhebliche Auswirkungen auf den Ausdrucksgehalt der Musik! Muss der erfahrene Charmeur und Verführer jetzt wirklich “Là ci darem la mano” und später “Deh vieni alla finestra” derart spröde, sachlich, ohne jeden Schmelz, ohne jedes Anzeichen von Verliebtheit intonieren? Muss er, der zu emotionalen Ausbrüchen nur noch fähig ist, wenn ihn sein Zynismus überkommt, wirklich “lust”los singen? Das mag seitens der Regie alles in sich schlüssig sein – “er kann eben nicht mehr wie früher, er will vielleicht gar nicht, er ist halt verbraucht” oder so ähnlich – es lässt jedoch die Dimension der Mozartschen Musik, die ja gerade das Unsagbare, das Textlose, das Eigentliche so meisterhaft und wunderbar transportiert, völlig außen vor – und das geht nicht! Don Giovanni mag als alter Haudegen herz- und seelenlos daherkommen, who cares? Aber die Musik und das, was letztlich über allem steht, ist im Wortsinne bezwingend und wird es immer sein. Das allerdings wäre ein schöner Ansatz gewesen: Liebe schlägt Alter.
26. Juni 2014

“Bis die Tachonadel knickt”
Gespräch mit der Schauspielerin Bibiana Beglau
aus: Der Spiegel 23/2014
(…) Den Stillstand verachtet auch die Schauspielerin Beglau. “Wir leben in einer zwangsberuhigten Gesellschaft”, behauptet sie. “Ständig reden alle von Wellness und wollen an ihren Kräften sparen.” Fast jeder strebe nach Entspannung. “Wozu denn? Die Menschen in unserem Land sind so schrecklich entspannt, dass sie mit vierzig ein Burn-out haben! Da frage ich: Was haben die denn eigentlich verbrannt?” Überall werde davon geredet, bloß den Ball flach zu halten, sich zu schonen, mal lockerzulassen. “Und trotzdem erwischt uns das Burn-out! Wie wenig haben wir denn zu verbrennen, wo wir doch die ganze Zeit an uns gespart haben?” (…) “Ich will keine Unterhaltung, ich will die große, schwere Kunst”, sagt sie. “Es ist nicht zu viel verlangt, sich jedes Mal fundamental einzulassen und sich kopfüber reinzustürzen in ein Stück, statt auf Nummer sicher zu gehen.”
Danke, Bibiana Beglau! Das musste mal raus, und zwar genau so.
24. Juni 2014
“Sollen wir schon reingehen, oder magst noch schauen?”, sagt ein älterer Herr zu seiner Begleiterin. “A bissl können wir schon noch schauen”, lautet die Antwort. Immerhin wollen all die ausgesuchten Garderoben auch gesehen werde. Die Operngänger ziehen sich angemessen an – oder zumindest so, wie sie es für angemessen halten.
München ist wahrscheinlich die einzige Stadt, in der man in der Oper dasselbe tragen kann wie auf der Wiesn. Das Festtagsdirndl ist besonders bei Frauen um die 50 beliebt. “Das Publikum zieht sich wieder besser an als früher, zu Jonas-Zeiten”, urteilt Frau Knappik, “man sieht kaum noch Jeans.” Stattdessen: “Junge Mädchen in kürzesten Röcken und höchsten Stilettos, für mich eine Freude, das zu sehen.”
Überhaupt, die jungen Menschen. Der Großteil der Besucher ist definitiv im Rentenalter, aber ein paar junge gibt es doch, die dafür verantwortlich sind, dass das Durchschnittsalter noch bei flotten 57 liegt. Die jungen Operngänger sehen entweder aus wie gut erzogene Töchter und Söhne oder wie Musikstudenten – aber nie wie beides gleichzeitig. (…)
Im Parkett sitzen Menschen, die für eine Opernkarte so viel Geld ausgeben wie andere für eine Woche All-inclusive-Urlaub in Bulgarien, wobei es zwischen diesen beiden Gruppen keine nennenswerte Schnittmenge geben dürfte. Auf den unbequemen altrosa Klappsesseln geht, solange das Licht anbleibt, das Schauen weiter. “Des is ja wieder a Who-is-who hier”, kommentiert eine Dame, nachdem sie von Reihe neun aus einem Bekannten in Reihe sechs gewinkt hat.
Den besten Blick aufs Publikum in seiner ganzen Masse und Pracht hat man von den Rängen aus. Hier sitzen diejenigen, die weniger aufs Gesehenwerden geben (denn man sieht sie unter den niedrigen Decken auch kaum) und dafür umso mehr auf die Musik. Sie geben sich beinahe ganz dem Hören hin – manchmal notgedrungen, denn besonders von der Seite sieht man von der Bühne gerade mal ein Eckchen. (…)
Die ersten Augenblicke nach dem Öffnen des Vorhangs sind die spannendsten, sie können viele Überraschungen hervorbringen. “Der singt ja Italienisch!”, wundert sich ein Mann im Trachtenjanker laut beim ersten Auftritt in “Aida”. Nun entscheidet sich, ob man den Abend mögen wird oder nicht. Große Teile des Publikums sehen das nämlich allein an Kostümen und Bühnenbild. Als bei der “Entführung aus dem Serail” Statisten mit Fußballschals um den Hals die Bühne betreten: deutlich hörbares Murren. Als sich die Eunuchen erst das Hemd, dann die Hose ausziehen: beinahe ungehaltenes Raunen. “Na, nicht schon wieder Nackerte”, fürchtet sich eine Frau. Erleichterung, als die Unterhosen anbleiben.
In der Pause wird bei Verlassen des Saals diskutiert: “So langsam kommt’s ja.” “Ich find’s schön, so modern” oder “So eine wunderbare Inszenierung, so konventionell!” Das Publikum drängt in die hübsch altmodischen “Erfrischungsräume”. Im WC-Vorraum mit der blauen Seidentapete drängeln sich vor Spiegeln Damen, die sich nachschminken, zupfen, richten und pudern, die Herren stehen derweil am Büfett an und kaufen, je nach Großzügigkeit, Sekt (5 Euro) oder Champagner (13,50 Euro), Tatarschnitten, Sachertorte oder “Operntoast” (Käse-Schinken).
An Frau Knappiks Stand steht ein Mann um die 60, mit Hut und Fliege, auf der Oberlippe ein sorgsam gestutztes Menjou-Bärtchen und kauft Netrebko-Postkarten, für die “Daheimgebliebenen”, sagt er. “Ich habe heute Mittag den ICE aus Köln genommen, dann war ich im Dürnbräu essen, gleich gibt’s hier noch was Schönes vom Käfer, nach der Vorstellung noch einen Absacker und dann mit dem ICE um 3.20 Uhr zurück. Das mach ich immer so.” Dann säuselt er rheinisch hinterher: “Die Operfans, die sind genauso jeck wie die Fußballfans.” (…)
Nach dem Applaudieren setzt sich das Münchner Publikum ins Taxi, die Tram, den Reisebus nach Bad Feilnbach oder Traunstein, manchmal auch aufs Radl, die Tiefgarage spuckt BMW, Porsches und Audis aus. Ein paar Getreue harren vor dem Bühneneingang aus, warten, oft bis zu einer Stunde, auf die Solisten, auf La Gruberova, die Netrebko oder den Kaufmann, um ein Autogramm zu kriegen oder Blumen zu überreichen.
Am unteren Ende der Treppenstufen des Nationaltheaters sitzt, wie fast nach jeder Vorstellung, ein Obdachloser. In der Mütze vor ihm liegen eine Euromünze und ein 50-Centstück. Verdient er was, am Münchner Opernpublikum? “Viel geben sie nicht”, sagt er und zeigt beim Lächeln seine Zahnlücken. “Aber ich bin da niemandem böse. Kleinvieh macht auch Mist.”
aus: www.sueddeutsche.de, 22.06.2011
22. Juni 2014
Vor ein paar Jahren wurde der Verein “Karanjorro – Bildung und nachhaltige Entwicklung in der senegalesischen Savanne” gegründet. Ich helfe seither mit, für die Kinder in M’bour (südlich von Dakar) bessere Bildungschancen zu schaffen. Der Verein hat seit seiner Gründung durch zahlreiche Aktivitäten ein beachtliches Spendenaufkommen generiert. So wurden ein Brunnen gebaut, Unterrichtsräume und Toiletten errichtet, Tische, Stühle und Lehrmaterial angeschafft und über die staatlichen Behörden Lehrkräfte verpflichtet. Mittlerweile wird vor Ort Unterricht für über dreißig Kinder vorgehalten, in der Mehrzahl Mädchen.
Für den 28. September 2014 um 17.00 Uhr ist nun ein Benefizkonzert geplant, der Erlös soll die Arbeit von “Karanjorro” weiter unterstützen. Im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule werden dann Märchen für Groß und Klein erzählt, dazu spiele ich Improvisationen am Klavier. Märchenhaft, versteht sich. Herzliche Einladung!
19. Juni 2014
Kunst heißt, nicht wissen, dass die Welt schon ist, und eine machen. Nicht zerstören, was man vorfindet, sondern einfach nichts Fertiges finden. Lauter Möglichkeiten. Lauter Wünsche. Und pötzlich Erfüllung sein, Sommer sein, Sonne haben.
Künstler sein heißt: nicht rechnen und zählen; reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht ohne die Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch. Aber er kommt nur zu den Geduldigen.
Die Menschen sind so furchtbar weit voneinander; und die, welche einander lieb haben, sind oft am weitesten… Es kommt darauf an, dass man einmal im Leben einen heiligen Frühling hat, der einem so viel Licht und Glanz in die Brust senkt, dass es ausreicht, alle ferneren Tage damit zu vergolden.
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)
18. Juni 2014
Celibidache probt Bruckners Neunte – mit den Münchner Philharmonikern, 1991 – und sagt, Musik sei nicht “interpretierbar”, eine Strecke von Plön nach Eutin könne man auch nicht interpretieren, sondern nur “erleben, erfahren”. Für einen Dirigenten, so sagt er weiter, gibt es auf diesem Weg der Erfahrung unzählige “Neins”: “Zu schnell, zu langsam, zu laut, zu spät… ” Er macht eine Kunstpause und fügt hinzu: “Und Ja: nur ein einziges.” Dann erzählt er, dass er am Abend vor Konzerten immer die Partitur nimmt, sie liest und dabei all sein bisheriges, angehäuftes Wissen verbannt, um frei zu sein für das Erleben, für das Erfahren. – Der Pianist Edwin Fischer hat einmal gesagt, “Kunst und Leben sind nichts Getrenntes, sondern eine Einheit.” Noch Fragen?
15. Juni 2014
Nur in der Vorstellungskraft des Menschen findet jede Wahrheit einen wirkungsvollen und unbestreitbaren Fortbestand. Phantasie, nicht Erfindung, schafft in der Kunst wie im Leben das ganz Besondere.
Joseph Conrad (1857 – 1924)
13. Juni 2014
Vor etwa zehn Jahren habe ich an der Wetzlarer Musikschule damit begonnen, im Bereich der musikalischen Erwachsenenbildung regelmäßige Angebote zu etablieren, insbesondere außerhalb des Instrumentalunterrichtes. Im Laufe der Jahre ist für musikalisch Interessierte eine breite Palette mit vielen Möglichkeiten des Teilnehmens entstanden, das Spektrum reicht von Vorträgen und Kursen zu Themen der Musikgeschichte über Chorprojekte bis hin zu Opern- und Konzertreisen.
Die Musikschule lädt jetzt zu einem kostenlosen Informationsabend am Donnerstag, 26. Juni um 19.30 Uhr in den Konzertsaal am Schillerplatz ein. Ich werde einen Einblick in laufende und kommende Kursangebote geben mit Ausschnitten von CD, DVD und live am Klavier. Bis zu den Sommerferien besteht dann kostenlos und unverbindlich Gelegenheit, in einzelne Veranstaltungen hinein zu schnuppern. Herzliche Einladung!
11. Juni 2014
Heute vor 150 Jahren wurde Richard Strauss geboren. Das Feuilleton und die Fachpresse, die Musik- und Kulturzeitschriften sind nicht gerade zurückhaltend mit Würdigungen und Lobgesängen auf diesen großen Komponisten, zu Recht. Hier und da allerdings finden sich auch die hinlänglich bekannten, kritischen Kommentare zu seiner kulturpolitischen Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus. Den Vogel schießt die Neue Musikzeitung ab, in der Albrecht Dümling sich zu der Aussage versteigt, Strauss habe “Politik und Geschichte (…) nur unter dem Aspekt des persönlichen Nutzens” betrachtet, und zu dem Urteil kommt: “Dass der einstige Avantgardist seit dem Rosenkavalier kaum noch musikgeschichtlich wegweisende Werke geschaffen hatte, hat er selbst nicht mehr wahrgenommen.”
Umso wohltuender ist ein Interview mit Christian Thielemann, das die Wetzlarer Neue Zeitung heute abdruckt (dpa). Hier wird der Maestro zitiert mit Sätzen wie: “Vor allem sein Spätwerk birgt noch so manchen Schatz. Dieses gilt ja gemeinhin als spröde, ist es aber nicht: Man muss nur genauer hinhören.” Und schließlich: “Das ist wie bei Wagner und Mozart. Strauss’ Musik berührt die Menschen auch heute noch unmittelbar. Und sie hat nichts von ihrer Aktualität verloren.”
9. Juni 2014
“Nichts wahrhaft Gutes war jemals einfach.” Dieser Satz aus Zwei an einem Tag von David Nicholls wird in der noch zu komponierenden Oper (Komponist Hans Osterdam) am Ende des zweiten Aktes von Emma Morley (Sopran) gesungen, ein einziges Mal, ohne Wiederholung, unisono, nur von Bläsern begleitet. Wie in Stein gemeißelt, für uns mahnende Erinnerung wie gleichermaßen Versprechen auf alles Kommende. Im englischsprachigen Raum wird die Stelle traditionell wiederholt, dann in der übersetzten Fassung, mit dem Text “The best is yet to come”. Es folgt der dritte und letzte Akt, und anders als bei Nicholls wird Emma nicht nur überleben, sondern zusammen mit Dexter (Tenor) die Zukunft erobern. Märchenhaftes Schlussduett in Es-Dur, im pianissimo verklingend, nur Streicher und Harfe, engelsgleich, englisch.
7. Juni 2014
Musik hat in ihrer Dringlichkeit, Klang zu werden, in ihrer Eile, an die Welt zu kommen, sich zu manifestieren, die Eigenart, Manifeste, die sie betreffen, immer wieder überflüssig zu machen: Der Weg, den sie einschlägt, ist niemals der erwartete, niemals der geforderte, niemals der vorgeschriebene.
Die Musik für das Theater muss ihre Hörer betören, verzaubern, verschrecken, beschwören, verführen, unterhalten, bei der Hand nehmen und in nächtliche Zaubergärten einlassen oder in gleißendes Tageslicht stoßen.
Hans Werner Henze (1926 – 2012)
Das beste Libretto indes schreibt zuweilen das Leben selbst. Und dann stehen wir da, unendlich erstaunt, bereit für nächtliche Zaubergärten wie für gleißendes Tageslicht, nicken stumm und lächeln über uns selbst, denn tief darinnen haben wir es ja schon immer gewusst.
6. Juni 2014

Hat denn nun endlich jeder den Film “Der König tanzt” (Le Roi danse, F/D/B 2000) gesehen? Vor vierzehn Jahren mittlerweile wurde dieses Kunstwerk geschaffen, das Aufstieg und Fall des Komponisten Jean-Baptiste Lully am Hofe des französischen Königs Ludwig XIV. erzählt. Drei César-Nominierungen erhielt der Film, darunter eine für Boris Terral für seine überragende Darstellung des Lully. Tchéky Karyo als Molière steht dem in nichts nach, dazu sind die Frauenrollen mit Cécile Bois als Lullys Ehefrau Madeleine und Claire Keim als Julie glänzend besetzt. Die Musik wurde von Musica Antiqua Köln unter Reinhard Goebel eingespielt. Was immer in Erinnerung bleiben wird, ist die Szene, in der Lully seinen König, der mit dem Tode ringt, gesund spielt. Wann je haben wir eine so zärtliche, berührende Musik gehört? Der film-dienst nannte “Der König tanzt” ein „opulent gefilmtes und eindringlich gespieltes Historiengemälde, in dem Bilder, Musik, Tanz, persönliche Schicksale und politische Hintergründe zu einer rauschhaften Choreografie verschmelzen, die die Sinne des Zuschauers gleichermaßen fesselt wie betört.“ Genauso ist es!
3. Juni 2014
Es war ein großes Wort: »Die Zeit und ich nehmen es mit zwei Andern auf.« Dies soll Philipp der Zweite gesagt haben. Das Glück selbst krönt das Warten durch die Größe des Lohns.
Baltasar Gracián (1601 – 1658), Handorakel und Kunst der Weltklugheit
1. Juni 2014
Bitte unbedingt wieder und wieder ansehen: “I am lost to the world”, die Dokumentation über Carlos Kleiber (DVD, 2011). Sein Charisma und seine Aura waren überwältigend, seine musikalische Inspiration und Gestaltungskraft “wie vom Himmel”, so einer der zahlreichen Zeitzeugen, die hier zu Wort kommen. Orchestermusiker, Intendanten, Regisseure, Sänger und weitere Weggefährten äußern sich eine Stunde lang zu Kleibers Probenarbeit und seinen Konzerten, dazu gibt es Ausschnitte aus diversen Aufführungen. Und die Erkenntnis, sofern wir es nicht schon wussten, dass er uns ein für allemal verdorben hat. Wir können vieles gar nicht mehr anders hören als genau so! Das Arbeiten mit ihm war indes nicht nur rauschhaftes Vergnügen. Man kann eben, so hören wir, “nicht jeden Tag Pralinen fressen.”
27. Mai 2014
Aus “La Gran Opera”, Gounod “Faust”: «Die Personen sind menschlich, manchmal sogar unangenehm menschlich. Sie haben edle Gefühle, aber auch Schwächen. Ihre Gefühle geraten in Konflikt mit ihrem Gewissen, ihren Überzeugungen und Wünschen. Und dieser Konflikt bringt sie sogar dazu, den gesellschaftlichen Konventionen zu trotzen…»
Aus “La Gran Opera”, Berlioz “Fausts Verdammnis”: «Die Musik – vielleicht jede, nicht nur die romantische – hat Gründe, die die Vernunft nicht kennt, oder wie Berlioz sagt: Die Musik macht, was sie will.»
25. Mai 2014
Das Stadttheater Gießen spielt zurzeit in deutscher Erstaufführung die Oper “Die Eroberung von Granada” (La conquista di Granata) von Emilio Arrieta. Ich selbst habe das Stück noch nie gehört oder gesehen, das wird sich ändern, denn das Theater verspricht Großes: “In seiner an musikalischen Einfällen überbordenden Partitur verbindet Emilio Arrieta italienische Melodik mit spanischer Rhythmik und Eleganz. Zunächst hatte der spanische Komponist in Italien eine Karriere als Kastrat eingeschlagen, bevor er als Günstling der Königin zum Hofkomponisten von Madrid ernannt wurde. Dort erfolgte 1850 die Uraufführung der Oper.” Gießen ist auf dem Gebiet des Musiktheaters seit Jahren sehr rührig, fantasievoll und durchaus mit Pioniergeist unterwegs, das zeigt die Wahl der Arrieta-Oper erneut. Vorfreude!
23. Mai 2014
Joe Cocker vor ein paar Tagen 70, Charles Aznavour gestern 90, im Herbst werden Leonard Cohen und Udo Jürgens 80. Wie lange schon begleiten sie uns! Wir sind mit ihnen groß geworden, haben sie verehrt, manche von ihnen bis heute. Wir haben die Musik nachgesungen, nachgespielt, kannten alle Texte, alle Posen. Prägen die Stars eigentlich mehr die Szene, oder prägt die Szene mehr die Stars? Wie verändert sich das “business” im Laufe so vieler Jahre, wie verändert man sich selbst? Was bleibt? “Find something you would die for and live for it.”
22. Mai 2014
Suche altes Landgut, Villa oder Kastell mit morbidem Charme und Olivenhain, vorzugsweise in Toskana, Umbrien oder Piemont zwecks Studienreise mit Musikseminaren, Konzertbesuchen, Spaziergängen, Gesprächen, Bruschetta und Zabaglione, Barolo und Espresso. Mindestens 25 Zimmer (Einzel und Doppel), Medienraum mit TV, DVD und CD, Klavier oder Flügel und allem sonstigen Komfort. Voraussichtlicher Aufenthalt eine Woche bis zehn Tage, bevorzugt im Herbst (alternativ Jahresabschlussreise mit Feier zu Puccinis Geburtstag). Bei Gefallen Kaufoption oder Schenkung erbeten.
20. Mai 2014
Am 5. Juni 2014 findet in Dortmund im Rahmen des „Führungsforum Musikschule“ unter der Leitung von Prof. Wolfhagen Sobirey die Fortbildungstagung „Musik- ein Leben lang!“ veranstaltet vom Verband deutscher Musikschulen in Kooperation mit kubia- Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter im Institut für Bildung und Kultur e.V. (IBK) statt.
An dieser Tagung werde ich teilnehmen und freue mich schon jetzt auf einen regen Austausch, in Sonderheit über die Arbeit der Erwachsenenakademie der Rheinischen Musikschule sowie zu den Themen “Musik- und Konzertvermittlung für ältere Menschen” und “Musik kennt kein Alter”. Ich bin sehr gespannt auf Erfahrungen mit unterschiedlichsten Kooperationspartnern, mit diversen konzertpädagogischen Angeboten, mit Exkursionen, Reisen und so vielem mehr. Sieben Stunden für alles, das ist nicht viel. Doch es geht um Austausch, um Ideen, und dafür lohnt es sich fast immer.
19. Mai 2014
Während der letzten Tage habe ich mehrfach das Brahms-Requiem gehört und gesehen (siehe Blog vom 12. Mai). Anlass genug, wieder das schöne Büchlein “Johannes Brahms. Werk und Persönlichkeit” von Hans Gal herauszusuchen. Erschienen als Fischer-Taschenbuch (leider vergriffen, aber über www.zvab.com noch zu bekommen), beleuchtet das Werk Leben, Umwelt und Schaffen des Komponisten sowie dessen Wesen und den Gehalt seiner Musik. Bestechend ist Gals Detailkenntnis, wohltuend ist darüber hinaus die kultivierte, distinguierte Sprache, wie immer bei Gal.
Hans Gal war österreichicher Komponist ungarisch-jüdischer Abstammung. Er wurde 1890 in Wien geboren und starb 1987 in Edinburgh. Seine musikalische Ausbildung erhielt er in Wien bei Eusebius Mandyczewski, einem engen Freund von Johannes Brahms. Gal wechselte 1929 als Direktor des Konservatoriums nach Mainz, musste aber 1933 Deutschland verlassen. Er ging zunächst zurück nach Wien und emigierte dann 1938 nach England. Ab 1945 unterrichte er Musiktheorie, Kontrapunkt und Komposition an der Universität Edinburgh. Er blieb den Rest seines Lebens auf der britischen Insel und schrieb vielbeachtete Bücher u. a. über Brahms, Wagner, Verdi und Schubert.
16. Mai 2014

Gestern im Opernkurs sprachen wir über Rossini, u. a. über die Ouvertüren zu seinen Opern, insbesondere über die zu “Wilhelm Tell”. Ich fragte, ob sich noch jemand an die ZDF-Unterhaltungssendung “Der goldene Schuss” aus den 1960er Jahren erinnern könne, damals ein Renner, mit Lou van Burg als Moderator, Spitzname “Mister Wunnebar”. “Ja, doch, natürlich, ich erinnere mich, die Kandidaten mussten mit einer Bildschirm-Armbrust (!) auf den Faden eines daran hängenden Säckchens zielen, in dem sich die zu gewinnenden Goldmünzen befanden. Deswegen das Thema aus Rossinis Opern-Ouvertüre, aus dem “Tell” mit der Armbrust, wie sinnig!” Schließlich bemerkte noch jemand, dass die Erkennungsmusik zu “Bonanza” mit dem Rossini-Tell-Thema verwandt sei. Ein Zufall vielleicht – jedenfalls für uns der Auftakt für nostalgische Erinnerungen an die Cartwrights, im Kopf das musikalische Hufgetrappel, die brennende Landkarte und Hop Sing, den chinesischen Koch. Was Rossini alles auslösen kann….
14. Mai 2014
Vor ein paar Tagen erhielt ich die nachfolgende Zuschrift einer Leserin. Vielen Dank für den schönen Text, den ich hier gerne wiedergebe!
Kennen Sie den Film über den berühmten Kastraten des 18. Jahrhunderts? Ja, natürlich ist das die Geschichte der furchtbaren Kastration, die das begnadete Sängerkind im dampfenden Badezuber überlebt, und die uns Zuschauer erschauern lässt. Aber hier geht es um mehr, nämlich um die Geschichte der Musik und des Empfindens. Im Film wird die bloße Virtuosität der endlosen, halsbrecherischen Koloraturen als schaler Abglanz des Schönen entlarvt. Denn diese Art zu singen und Musik zu hören hat sich mit dem aufgehenden Stern Georg Friedrich Händels überlebt. Dem Zuhörer stockt nun nicht mehr der Atem ob der ungeahnten Tonfolgen, bei denen der Absturz, der mögliche Makel über allem schwebt. Nein, es ist der schlichte Ausdruck, die Echtheit der (musikalischen) Empfindung, die die Zuhörer seitdem in ihren Bann gezogen haben. Was wäre die Oper ohne Händel? Pures höfisches Geklinge, eingeschränkt in ihren musikalischen Möglichkeiten und vor allem – in ihrer Wirkung. Ja, Farinelli hatte eine Stimme, die eine Oktave mehr Umfang hatte als andere. Aber das ist nicht alles. Was bleibt im Ohr – und im Herzen (denn das ist der direkteste Weg dorthin)? Diese Frage mag sich jeder beantworten, der die jungen amerikanischen Oktavwunder hört. Werden sie bleiben, im kollektiven Gedächtnis der Musikliebhaber, die Rihannas und Mariah Careys dieser Welt? Das wird sich zeigen, Whitney Houston und Tina Turner sicherlich, denn sie haben sich beim Singen die Seele aufgerissen – die eine mit tödlichem Ende, die andere als glückliche Soulrentnerin am Züri See). Was das mit Farinelli und Händel zu tun hat? Empfinden!
12. Mai 2014
Zum wiederholten Male haben wir heute Abend das Brahms-Requiem gehört und gesehen, erneut die Aufnahme aus München von 2007 mit den Münchner Philharmonikern unter Christian Thielemann, mit Christine Schäfer und Christian Gerhaher als Solisten. Und wieder konnten wir uns dieser außergewöhnlichen Intensität nicht entziehen, die Thielemann hier mit seinem spannungsreichen Dirigat erzeugt. Zugegeben, bisweilen wirkt sein Habitus eine Spur snobistisch, wie auch gelegentlich in anderen Aufnahmen. Doch wir müssen energisch der auf amazon immer noch eingestellten Rezension widersprechen, wonach Thielemann das “riesige Ensemble zu einer mitunter lähmenden Langsamkeit zwingt”, was schlicht nicht der Fall ist. Die Solisten sind absolut großartig, das Orchester entfaltet einen innigen, warmen und berührenden Klang. “Die Entdeckung der Langsamkeit” war ja durch Celibidache viele Jahre zuvor schon gegeben, dessen bedurfte es also nicht. Doch eine solche bezwingende Bestätigung der Liebe zu jedem Detail, jedem Motiv, jedem Bogen, jedem Ausdruck – das haben wir gefunden, ohne dass wir danach gesucht hätten, letzteres zumindest nicht bewusst.
11. Mai 2014
Die diesjährige Opernreise der Wetzlarer Musikschule geht mit großer Wahrscheinlichkeit nach München. Vorbehaltlich der Bestätigung des Kartenkontingentes werden wir Anfang November “Rigoletto” sehen. Sobald darüber Klarheit gegeben ist, wird der Termin im Kalender erscheinen.
Friedrichsdorf plant eine Opernfahrt nach Dresden für das kommende Frühjahr, bevorzugt im Anschluss an einen Opernkurs. Die zurzeit in Frage kommenden Stücke sind “Der Freischütz” und “Der fliegende Holländer”, ggf. könnte eine Studienreise über den Maifeiertag (im nächsten Jahr ein Freitag) stattfinden.
Eine Reise nach Liverpool – “Auf den Spuren der Beatles” – könnte ebenfalls im nächsten Jahr zustande kommen, entsprechende Kontaktaufnahmen und Vorgespräche klingen sehr vielversprechend. Vielleicht können zwei Tage London mit eingebaut werden, dann wäre das gesamte Reisepaket geradezu spektakulär.
5. Mai 2014
Gleich noch einmal Oscar Wilde: “Die entscheidende Entdeckung ist, dass das Lügen, das Erzählen von schönen, unwahren Dingen, das eigentliche Ziel der Kunst ist.” Und wo wir schon bei Aphorismen sind, hier noch ein bemerkenswerter Satz von Johann Jacob Mohr (1824 – 1886), gleichermaßen schön wie wahr: “Man muss den Großen, wenn man ihnen gegenübertritt, das Bücken nicht zu schwer machen.”
4. Mai 2014
Gestern Abend, es ist schon recht spät, schaue ich ins Fernsehen und erlebe den Schluss von “Deutschland sucht den Superstar”. Zwei Zitate fallen mir ein. Das erste ist von Dieter Bohlen, der gesagt hat: “Ich glaube, wenn Mozart heute noch leben würde, würde er sowas ähnliches machen wie ich.” Das zweite ist von Oscar Wilde: “Musiker haben immer nur den Wunsch, dass man absolut stumm ist, während man selbst nur den Wunsch hat absolut taub zu sein.”
30. April 2014
Einer meiner Lieblings-Bondfilme ist “Ein Quantum Trost” (im Original “A Quantum of Solace”), GB 2008. In dem Film ist sehr viel Besonderes. Mal abgesehen vom Charisma Daniel Craigs und der erotischen Ausstrahlung Olga Kurylenkos enthält der Film eine grandiose Sequenz, in der die Filmhandlung mit einer Szene aus der Oper “Tosca” von Puccini verwoben ist (Finale 1. Akt). Die Sequenz spielt in der Seebühne von Bregenz. Beide Handlungsstränge verlaufen parallel, Gut und Böse stehen sich jeweils gegenüber und liefern einander einen gnadenlosen Kampf. Was wirklich unter die Haut geht, ist die Einstellung, in der Craig seinen Widersachern in die Augen sieht, aus der Distanz, unmittelbar bevor er “die Bühne” verlässt. Dazu Puccinis Akkordfolge B-As-E, jeweils in Dur und schneidend scharf wie das Messer, mit dem Scarpia in der Oper getötet wird. Eine phänomenale filmische Leistung! Ich habe den Film und speziell diese Szene schon so viele Male gesehen, noch kürzlich im Urlaub zweimal im Original, und danach, zu Hause, gleich wieder. Manche Filme – auch manche Opern – könnte ich problemlos jede Woche sehen, dieser gehört dazu.
Daniel Craig als James Bond in “Ein Quantum Trost”,
Bühnenbild von “Tosca”, Seebühne Bregenz 2008
28. April 2014
Nach zwei herrlichen Urlaubswochen in Little Haven/Wales geht es heute Abend mit Beethovens 9. Sinfonie weiter. Wir hören und sehen eine Aufnahme von 2006 mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim. Programmatisch kehren wir also nach Deutschland zurück, nachdem wir während der letzten Wochen sinfonische Ausflüge nach Osteuropa, Skandinavien und Frankreich unternommen haben. Es werden dann große Sinfonien von Brahms, Bruckner und Mahler folgen, bevor wir uns in die Moderne wagen. Die Opernfreunde dürfen sich auf Italien freuen. Wir kehren noch einmal kurz zu den Werken Monteverdis zurück (wir hatten schon das berühmte Schlussduett aus “Poppea” in drei verschiedenen Inszenierungen gesehen und verglichen), springen dann zur Abteilung Rossini-Donizetti-Bellini und erleben dann die großen dramatischen Opern von Verdi und Puccini. Auch hier folgt ein Exkurs in die Moderne, auf jeden Fall mit Schostakowitschs “Lady Macbeth von Mzensk” und Bergs “Wozzeck”, worauf ich mich jetzt schon freue. Bis zum Sommer haben wir also viel vor – auf geht’s!
Pause bis zum 28. April 2014
10. April 2014
Zum Thema “Französische Oper” haben wir heute Musik von Boieldieu, Meyerbeer und Offenbach gehört. Es ist doch erstaunlich, wie sehr wir diese Musik zu kennen glauben, gerade bei Boieldieu war das wieder der Fall. Wir hören Anklänge an Weber und Rossini, nehmen Vertrautes wahr bis hin zur Vermutung, wir hätten das Stück früher schon einmal gehört. Und natürlich geht jedem bei “Kleinzach” das Herz auf, da müssen wir nicht bis zur Barcarole warten. Schon gar nicht, wenn, wie hier, Domingo singt.
7. April 2014
Für die Fahrt nach Stuttgart (etwa drei Stunden) habe ich überlegt, welche CDs in den Wechsler kommen sollen. Was kann man beim Autofahren hören, ohne dass zuviel verloren geht und ohne dass es langweilig wird? Natürlich den Soundtrack zu “Der König tanzt” mit der Musik von Lully, wie immer. Und, auch wie immer, “Officium” mit dem Hilliard Ensemble und Jan Garbarek. Und vielleicht diesmal Musik von Czechomore, das ist noch eine Idee. Für die Hinfahrt reicht das auf jeden Fall. Bruckners Siebte mit Klemperer ist noch im Wechsler, aber da besteht die Gefahr, dass ich Ausfahrten verpasse.
5. April 2014
Der Herbstkurs in Friedrichsdorf beginnt am 11. September, auf dem Programm steht ein Grundkurs für Klassik-Neulinge. An sechs Abenden, immer für zwei Zeitstunden, geht es querfeldein durch die “Klassik” – geistlich und weltlich, vokal und instrumental, klein und groß besetzt etc. Nach in den letzten Jahren thematisch eher spezialisierten Reihen jetzt also wieder ein Einsteiger-Kurs – wie schön!
2. April 2014
Vor ein paar Tagen fand ich beim Lesen einiger Einträge in Dieter Mulchs “Merkbuch” folgende Sätze:
Dass man mit Zurückhaltung und Bescheidenheit in unserem Kulturbetrieb nicht weit kommt, wissen wir alle, und man sollte daher diese Tugenden nicht übertreiben. Aber solchen Rat benötigen unsere erfolgreichen Showgeschäftsleute nicht. Ihr Selbstbewusstsein scheint unter keinerlei Zweifeln zu leiden. Gelegentlich hörte ich z.B. in einem Interview mit einem U-Musiker, wie er schulterklopfend von seinen Kollegen Bach oder Mozart redete und ihnen zubilligte, dass sie auch ganz schöne Musik gemacht hätten.
Die Sterne werden eben von der kleinsten Funzel verdunkelt, so lange die gerade mal brennt.
Danke, Dieter Mulch!
31. März 2014
Ein weiterer Termin für das nächste Jahr steht fest. Mit dem Amt für Katholische Religionspädagogik Wetzlar/Lahn-Dill-Eder ist für den 9. Juni 2015 eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema “Joseph Haydn – Die Schöpfung” verabredet. Die Veranstaltung, die in der Wetzlarer Musikschule stattfindet, wendet sich an Religionslehrkräfte, Musiklehrer/-innen und sonstige am Thema interessierte Pädagogen. Wir sind uns einig, dass wir noch einen süffigen Titel finden sollten, vielleicht “Die Schöpfung – (k)ein Haydn-Spaß” oder so ähnlich.
Portreath, Cornwall – Abendstimmung
28. März 2014
Für die Opernreise im Herbst prüfen wir jetzt auch Zürich, am 18. Oktober wird dort “Lohengrin” aufgeführt. Nach dem sensationellen “Tannhäuser” vor drei Jahren in Paris wäre das natürlich eine grandiose Wahl. Leider ist Zürich für Touristen eine der teuersten Städte Europas und rangiert auf Platz fünf hinter Oslo, Kopenhagen, London und Dublin. München ist natürlich immer noch eine Option, dann im November mit “Rigoletto” – für “Manon Lescaut” werden wir keine Premieren-Karten bekommen. Doch wir können weiß Gott nicht klagen, wenn wir zwischen Zürich mit “Lohengrin” und München mit “Rigoletto” die Wahl haben! Jetzt müssen wir sehen, wie es mit den Hotels und den Kartenkontingenten aussieht. Bald mehr.
26. März 2014
Für den kommenden November und März 2015 sind mit der VHS Gütersloh wieder Vorlesungen an der Senioren-Uni verabredet. Wir werden uns mit der Gattung Oper beschäftigen, diesmal in zwei Teilen. Im März schließt sich darüber hinaus ein Kurzvortrag für den dortigen Rotary-Club an zum Thema “Klassische Musik in der Werbung”. Wahrscheinlich kommt auch ein neuer Kulturführerschein zustande. Dort werde ich wieder den Baustein Musik übernehmen und über das 20. Jahrhundert sprechen, von der Spätromantik angefangen über die Zwölftonmusik und die frühe Moderne bis hin zur Avantgarde. Schöne Pläne!
24. März 2014
Ab Mai gibt es ein neues Angebot für Anfänger: “Klassik verstehen” heißt der Kurs, den ich dienstags am späten Nachmittag anbieten werde. Zunächst geht es bis zu den Sommerferien darum, überhaupt einmal zu erfahren, aus welch reichem Fundus wir schöpfen können, wenn wir uns mit der sogenannten “Klassik” beschäftigen. Also werden wir Ausschnitte aus Sinfonien, Sonaten, Motetten, Kantaten, Liederzyklen, Oratorien, Opern und Kammermusiken hören und sehen – dann können wir entscheiden, wie es weitergeht. Vielleicht mit einem Grundkurs, auch mit Musiktheorie, oder mit “Meisterwerken”, vielleicht auch nur mit Opern, mal sehen. Mit den Gesellschaften hier vor Ort wären auch gemeinsame Programme möglich, die auf Länder zugeschnitten sind. Also ein Semester über Musik in Frankreich, England oder Italien, mit Einblicken in die Musik von der Renaissance bis zur Avantgarde. Und dann ein Abschluss mit einer Reise oder einem Konzert. Oder einem schönen Essen, mit entsprechender Tafelmusik natürlich.
20. März 2014
Die nächste Opernreise, die ich für die Wetzlarer Musikschule betreue, geht sehr wahrscheinlich nach München in die Bayerische Staatsoper. Es hängt von der jeweiligen Verfügbarkeit der Karten ab, ob wir im Oktober oder November “Titus”, “Rigoletto” oder “Manon Lescaut” (Premiere) sehen werden. Wäre toll, wenn es mit Puccini klappen würde!
19. März 2014
Kürzlich schrieb ich über eine begeisterte Chorsängerin, die von Knabs “Wir pflügen und wir streuen” geschwärmt hatte. Gestern erneut, diesmal mit der Bitte, ich möge doch die Klavierzwischenspiele aufnehmen, vervielfältigen und im Chor verteilen. “Diese Musik ist wirklich der Hammer!”, so sagte sie wörtlich. Abgesehen davon, dass ich selber das auch so sehe, kann Arbeit schöner nicht sein – bei solch einer Resonanz!
17. März 2014
Vor ein paar Tagen bin ich bei “Last Night” hängen geblieben (USA/F 2010), einem stillen, nachdenklichen und ehrlichen Beziehungsdrama mit Keira Knightley, Eva Mendes und Sam Worthington. Stimmige, sehr wahre Dialoge, dazu viel Ungesagtes, mit Ahnungen, Ängsten und Sehnsüchten in schönen, zuweilen beeindruckenden Bildern. Und eine wunderbar empfundene, fragile Musik von Clint Mansell – wer nicht sehen will, muss hören!
15. März 2014
Großes Erstaunen bei der Antwort auf die Frage, welches die weltweit am häufigsten gespielte Oper ist – “Carmen” von Georges Bizet! Gute Chancen wurden auch der “Zauberflöte”, “Tosca” und “Aida” eingeräumt, aber es ist tatsächlich “Carmen”. Eigentlich ist das gar nicht so überraschend, denn die Oper enthält einprägsame Melodien, zum Teil mit Gassenhauer-Charakter, große Chorszenen, lyrische wie dramatische Arien, Liebesszenen und -duette, eine klassische Eifersuchtshandlung – also so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Und das Ganze in der Zeffirelli-Inszenierung von 1978 aus der Wiener Staatsoper, mit Carlos Kleiber am Pult! Eine Jahrhundert-Aufführung! Kleiber dirigiert, so ist zu lesen, alles aus der Partitur heraus, unter anderem mit “mediterraner Lässigkeit” – welch ein schöner Ausdruck! Aber es stimmt, schon gleich die ersten Bilder nehmen uns mit auf eine unwiderstehliche Reise, betören und fesseln uns, so dass wir uns nicht entziehen können und das auch gar nicht wollen.
12. März 2014
“Klingt sehr modern”, sagte eine Sängerin, nachdem sie den Titel “Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten” gelesen hatte (Brahms, Liebeslieder op. 52 Nr. 11). Warum auch sollte romantische Musik bzw. sollten die dort verarbeiteten Texte nicht modern oder auf unsere Zeit passend sein? Das hieße ja, dass wir romantische Musik zwar mögen oder gar lieben, die Texte aber für unwichtig, belanglos, nichtssagend oder sonstwas halten. Das Gegenteil ist richtig! Die Sprache der Brahms-Liebeslieder mag vielleicht romantisch und “old-fashioned” sein, aber der Inhalt ist zeitlos, also aktuell – und romantisch! Etwas anderes ist die Frage, was “romantisch sein” heutzutage bedeutet. Das erinnert mich an einen Bekannten, der zu seiner Frau sagte: “Schatz, wir machen uns einen schönen Abend – du fährst zu deiner Mutter, und ich gucke Champions League.” Das ist sicher wenig romantisch, aber vielleicht auch ganz schön.
10. März 2014
In dieser Woche wollen wir uns mit der 3. Sinfonie c-Moll op. 78 von Camille Saint-Saëns befassen, der sogenannten “Orgelsinfonie”. Schon lange warte ich auf eine Aufnahme, die musikalisch an die Einspielung des Orchestre de la Suisse Romande unter Ernest Ansermet heranreicht – ich kenne keine, aber das ist auch schwierig! Andere Aufnahmen sind sicher gut und mehr als vorzeigbar, aber eben nicht “so”! Ansermets Interpretation ist einfach grandios, absolut bezwingend. Schade auch, dass es keine DVD gibt, die dieses Stück dokumentiert, nicht einmal auf dem französischen Markt. Es ist wirklich eine “große” Sinfonie, in jeder Hinsicht, um so bedauerlicher ist es, dass keine DVD erhältlich ist. Also verzichten wir auf das Sehen und hören gut zu.
5. März 2014
Nochmal Chor. Gestern nach der Probe kam eine Sängerin, die schon eine ganze Reihe von Projekten mitgemacht hat, auf mich zu und sagte, das Stück “Wir pflügen und wir streuen” von Armin Knab hätte ja so eine wunderbare Melodie, sie wüsste gar nicht, ob sie so etwas Schönes überhaupt je gesungen hätte. Allein dafür hat sich das ganze Projekt jetzt schon gelohnt.
3. März 2014
Die ersten Proben des neuen Chorprojektes verlaufen vielversprechend. Wir haben angefangen, zwei Sätze von Armin Knab einzustudieren und in der letzten Probe ein Stück aus den zwölf Quartetten von Gustav Jenner kennengelernt, “Richten will ich Tisch und Gastmahl” nach Worten von Ferdinand Gregorovius aus dem Toskanischen. Jenners Musik klingt wie die seines Lehrers Johannes Brahms, wir spüren Kraft, Glut, Sensibilität und Melancholie. Gleich der Anfang nimmt gefangen, sofort und unmittelbar, und lässt uns bis zum Schluss nicht mehr los. Es wird einem ja schon angst und bange, wenn man nur den Text liest und noch keinen einzigen Ton gehört hat. Mehr kann man nicht verlangen als Kassenpatient.
Richten will ich Tisch und Gastmahl,
laden die unselig lieben;
und mein Herz geb’ ich zu essen,
und zu trinken ihnen Tränen.
Seufzer, Klagen sind die Diener,
die Verliebten zu bedienen.
Und der Schenk soll schwarzer Tod sein;
weint ihr Steine, seufzt ihr Mauern!
Heil’ger Tod, das soll der Schenk sein.
Steine, seufzt und rufet: “Ach!” nur.
28. Februar 2014
Großen Eindruck hat diese Woche die “Symphonie fantastique” von Hector Berlioz auf die Kursteilnehmenden gemacht. Wir haben die Aufnahme der Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle von 1993 gehört und gesehen. Ohne Frage hat der gute Simon damals eine erstklassige Visitenkarte abgegeben, so dass man sich nach Abbados Weggang an ihn unbedingt erinnern musste. “Dieses Orchester gleicht einem Feuerofen”, hat er vor ein paar Jahren über “seine” Philharmoniker gesagt. Er hat, wie wir erleben durften, schon damals ordentlich Öl in diesen Feuerofen gegossen, so dass Berlioz seine lichterlohe Freude gehabt hätte. Wie schön auch, dass dieses Stück wieder in unser Bewusstsein zurückkehrt! Nächste Woche bleiben wir in Frankreich und hören Sinfonien von Bizet und Gounod, deren Sinfonik hierzulande leider oft zu kurz kommt.
25. Februar 2014
Am letzten Samstagabend bin ich kurz in “Wetten, dass” hineingeraten. Allerdings in einem eher angenehmen Moment, denn Udo Jürgens war zu Gast. Das ist jemand, den ich immer geschätzt habe. Jemand, der so ziemlich alles in der Showbranche erlebt hat, und der Gutes von Schlechtem zu unterscheiden weiß (und es auch immer gewusst hat). Jemand, der mit solidem Handwerk und anständiger Ausbildung griffige, in bestem Sinne populäre Melodien geschaffen und sich dabei – früher mehr als heute – um gute Texte bemüht hat, man denke nur an Walter Brandin. Es ist noch nicht lange her, da hat sich Udo Jürgens über die allgegenwärtigen Gesangswettbewerbe (kann man das so sagen?) wie “Deutschland sucht den Superstar” oder “The Voice of Germany” geäußert. Sein Kommentar war nicht sehr wohlmeinend. Vielleicht hat er sich dabei – mittlerweile fast achtzigjährig – an vergangene Zeiten erinnert. An Zeiten, zu denen er seine ersten Karriereschritte gemacht hat und zu denen vieles anders war als heute. Und nicht unbedingt schlechter.
23. Februar 2014
Die Gießener Zeitung hat einen schönen und recht umfangreichen Bericht über den Festakt zum 30-jährigen Bestehen der Deutsch-Italienischen Gesellschaft (DIG) Mittelhessen veröffentlicht. Ich hatte im Rahmen der Veranstaltung etwa 45 Minuten lang über die Anfänge der Oper gesprochen und den Komponisten Giacomo Puccini portraitiert. Im Passus, der sich mit diesem Teil der Matinee beschäftigt, heißt es:
Der Festakt begeisterte das Publikum mit dem Vortrag vom Leiter der Musikschule Thomas Sander, der die Geburt der Oper und den italienischen Komponisten Giacomo Puccini anhand von humorvollen Anekdoten, musikhistorischen Informationen und bekannten Musikbeispielebn wie “E lucevan le stelle” oder “Nessun dorma” am Klavier und in CDs präsentierte. Unterhaltsam und leidenschaftlich gelang es ihm, die Gäste in die Welt von drei der wichtigsten Werke Puccinis “Madama Butterfly”, “Tosca” und “Turandot” zu führen.
Das Foto wurde im Anschluss an die Veranstaltung aufgenommen und zeigt neben mir von links nach rechts Fabrizio Cartocci (2. Vorsitzender DIG), Wolfram Dette (OB Stadt Wetzlar), Cristina Di Giorgio (Leiterin Italienisches Kulturinstitut Frankfurt), Karlheinz Kräuter (Partnerschaftsdezernent Stadt Wetzlar), Rita Schneider-Cartocci (1. Vorsitzende DIG) und Hans-Jürgen Irmer (Landtagsabgeordneter).
19. Februar 2014
Heute ist der Geburtstag von Armin Knab (1881 – 1951). Nachdem wir gestern den Satz “Daß zwei sich herzlich lieben” (in der Fassung für gemischten Chor von Heinrich Poos) gesungen haben, sind heute eigentlich die Goethe-Lieder Pflicht, vielleicht noch einige andere dazu. “Die Sternseherin Lise” zum Beispiel, oder – noch betörender – “Schön Rohtraut” auf den berühmten Text von Mörike. Und die “Lindegger Ländler” natürlich, die Lieder nach Justinus Kerner, den “Engelsgruß”, das Vorspiel zum “Gesegneten Jahr” und und und…
18. Februar 2014

Die VHS Offenbach hat zwei Seminare für Juni und Juli bestätigt, zum einen den “Crash-Kurs Oper” und zum anderen den Grundkurs “Hörerlebnis Klassische Musik”. Näheres unter “Termine”.
Nachfolgend der Artikel aus der Wetzlarer Neuen Zeitung von heute. Leider ist dem Autor da etwas durcheinander geraten. Der “Dornröschenschlaf” im komponierenden England wird nicht etwa durch Purcell beendet, sondern setzt unmittelbar nach ihm ein. Erst Elgar schafft wieder Meisterwerke von internationalem Rang, es folgen Vaughn-Williams, Britten, Maconchy, Jenkins, Rutter und andere.
16. Februar 2014
Schon lange erlebe ich, dass die Vermittlung von Musik des 20. oder 21. Jahrhunderts immer mal wieder auf Vorbehalte oder Widerstände stößt, auch bei durchaus interessierten Laien. So geschehen am Freitag bei meinem Vortrag “Musik in England von 16oo bis heute”. Gegen Ende hatte ich den ersten Satz aus “Epyllion” von Elizabeth Maconchy vorgestellt, woraufhin sich eine Diskussion über Satztechniken, erweiterte Harmonik, Dissonanzbildungen etc. ergab, natürlich auch über Mögen und Nichtmögen. Ein Hörer, dem das Stück überhaupt nicht zusagte, sprach von einem “Irrweg”, der hier beschritten würde. Ich versuchte, wie in solchen Gesprächen eigentlich immer, auf historische Situationen zu verweisen, in denen ein Publikum zunächst auf das Heftigste protestiert hatte (Beethoven “Eroica”, Strawinsky “Sacre du printemps”), und sich die Stücke dennoch im Laufe der Zeit durchsetzen konnten. Es fehlt hier einfach an Verständnis, an Vermittlung, an Hörhilfen. Was wird in 100 Jahren sein? Werden die Werke der Moderne und der Avantgarde dann wie selbstverständlich gehört werden, vielleicht gar auf der Couch zur Entspannung, nach einem langen und anstrengenden Tag? Immerhin, zwei Teilnehmer kamen am Ende und zeigten sich an Maconchys Stück sehr interessiert. Für einen der beiden war “Epyllion” sogar eine Offenbarung, wie er sagte. Das hat mich wirklich gefreut.
13. Februar 2014
Heute Morgen kam in Zusammenhang mit Beethovens “Fidelio” ein interessantes Thema auf: Chöre – besonders Männerchöre! Dabei ging es nicht nur darum, wer erstklassige Männerchorsätze schreiben konnte wie z. B. Schubert, Bruckner oder Knab. Beinahe spannender war die Frage, ob Männer “anders” singen als Frauen (die Antwort ist “ja”). Jenseits aller stimmbildnerischen oder technischen Aspekte spielt das Thema “Emotionalität” dabei wohl eine erhebliche Rolle. Wie war das eigentlich früher, als Männer wie selbstverständlich jede Woche in Chören aktiv waren und Männergesangsvereine sich über Nachwuchs keine Gedanken zu machen brauchten? War damals der emotionale Zugang ein anderer? Was verstaubt nicht alles an erstklassigen Werken in Notenschränken! Nur sind diese Stücke oft schwer und anspruchsvoll, dazu reicht auch oft die Besetzung nicht aus. Und dann fusionieren die aussterbenden Chöre aus Angst vor dem Vereinstod, und aus Verzweiflung singen sie dann leichte Sachen auf englisch. Und die Partituren von Schubert & Co. werden nach und nach bei ebay eingestellt, als Dachbodenfund.
10. Februar 2014
Für den Sommer ist eine Zusammenarbeit mit der VHS Offenbach verabredet, voraussichtlich werden zwei Einzelveranstaltungen jeweils samstags angeboten. Zum einen wird es einen Einsteiger-Kurs für Klassikliebhaber geben, zum anderen einen Opernkurs zum Schnuppern, vielleicht als Appetitanreger für mehr. Vor ein paar Jahren war ich mal mit zwei Kursen in Offenbach, umso schöner, dass wir den Faden wieder aufnehmen.
8. Februar 2014
6. Februar 2014
Nochmal “Don Giovanni”. Heute Morgen haben wir das Finale des 2. Aktes gesehen und gehört, anschließend die letzte halbe Stunde von Chabrols “Biester” (La cérémonie, D/F 1995). Der Film bildet ja auf intrikate Weise die Beziehungsebenen der Oper ab, spielt mit Vorlagen und Symbolen und schockiert dann gleich zweimal. Zum einen durch das lange Zeit nicht vorhersehbare Ende, zum anderen durch die grandiose, zusätzliche Schlusspointe. Oper geht nicht besser, Film wohl auch nicht.
4. Februar 2014
Innerhalb kurzer Zeit haben wir jetzt in den Sinfonie-Kursen zweimal Tschaikowskys “Pathétique” gehört und gesehen, in einer Aufnahme von 1973 mit den Berliner Philharmonikern unter Karajan. Mal abgesehen davon, dass die Sinfonie ohnehin sehr berührende Passagen enthält, ist diese Aufnahme ungeheuer intensiv – mit Karajan und “seinem” Orchester in Bestform. “Aber warum hat er die Augen permanent geschlossen? Ist das nicht unhöflich, wenn man mit dem Orchester kommunizieren will?” Ja, warum – niemand dirigiert so, damals nicht und heute nicht. Was braucht ein Orchester, um so zu spielen? Und dann, nach Karajan, kommt Abbado und schaut die Musiker plötzlich an. Und der ausgestreckte kleine Finger bedeutet etwas ganz anderes….
1. Februar 2014
“Going to the opera, like getting drunk, is a sin that carries its own punishment with it.”
Hannah More (1745 – 1833)
Wie wahr. Vor allem, wenn man staunend und beinahe perplex den “Don Giovanni” von 2006 aus Salzburg gesehen hat. “Anstrengend”, sagte eine Kursteilnehmerin. Dem hätte Frau More wohl zugestimmt.
28. Januar 2014
Nach der “Rheinischen” von Schumann hatte ich letzte Woche vorgeschlagen, dass wir den Film “Frühlingssinfonie” anschauen könnten, was wir dann gestern auch gemacht haben. Der Film ist jetzt gut dreißig Jahre alt, viele im Kurs wussten gar nicht, dass der junge Grönemeyer da mitspielt – und das auch noch kann! Sowieso hatte Schamoni eine Starbesetzung: Nastassja Kinski, Bernhard Wicki, Edda Seippel, André Heller, Gidon Kremer, eben Grönemeyer und – absolut überragend – Rolf Hoppe! Er spielt einen unglaublichen Friedrich Wieck, das muss eigentlich jeder mal gesehen haben. Also los, leihen oder kaufen und angucken!
25. Januar 2014
Bernstein bei den Proben zu Mahlers 9. Sinfonie – wie oft habe ich diese DVD schon gesehen! In Friedrichsdorf gingen die Kommentare vor allem in die Richtung, wie sehr er am Detail gearbeitet hat. Von seiner hochintensiven und kraftraubenden, verzehrenden Art gar nicht zu reden. “Die Wiener Philharmoniker können doch alles, da muss doch ein Dirigent nur wenige Sätze sagen, wie er es gerne hätte – oder nicht?” Welche Aufklärung bietet da so ein Filmdokument! Vor allem Bernsteins persönliche Einführung in das Werk war wieder beeindruckend. Er, der beim Dirigieren von Mahler-Sinfonien zeitweilig das Gefühl hatte, er habe die Stücke selbst komponiert…
22. Januar 2014
In den letzten zwei Sitzungen von “Lass dich eropern!” haben wir uns mit Ingmar Bergmans “Zauberflöte” beschäftigt. Vor fast vierzig Jahren kam der Film in die deutschen Kinos, und auch heute noch ist er wunderbar, ein zeitloses Meisterwerk. Besonders interessant war die Diskussion der Kursteilnehmenden über die verschiedenen Perspektiven von Oper, Theater und Film bzw. Kino. Dass kein deutscher Text zu hören oder zu lesen war – die Oper ist in schwedischer Übersetzung produziert, wir haben die Fassung mit niederländischen Untertiteln gesehen – hat übrigens niemanden gestört, warum auch.
18. Januar 2014
Nach den Opernreisen der letzten Jahre spiele ich schon seit längerem mit dem Gedanken, mal was Neues auszuprobieren und eine Reise “Auf den Spuren der Beatles” nach Liverpool anzubieten. Immer wenn ich davon spreche, habe ich den Eindruck, dass viele Leute das sehr attraktiv finden. Also warum nicht? Wir könnten uns Penny Lane und Strawberry Field ansehen, The Art College, The Cavern und The Casbah Coffee Club besuchen oder andere “must have seen” Plätze, es gibt ja unzählige davon. Und vielleicht über London anreisen. Damit wäre man dann insgesamt etwa eine Woche auf Tour, das hätte doch was.
12. Januar 2014
Am 16. Februar 2014 feiert die Deutsch-Italienische Gesellschaft Mittelhessen e.V. ihr 30-jähriges Bestehen und hat mich eingeladen, im Rahmen des Festaktes einen Kurzvortrag über einen prominenten italienischen Komponisten zu halten. Ich habe gerne zugesagt und – nicht verwunderlich – Puccini gewählt. Es gab mal eine Zeit, da habe ich Puccini jeden Tag stundenlang gehört, vor allem “Turandot”, “Tosca” und “Der Mantel”. Was für eine Musik, und was für ein Typ! Ich freu’ mich drauf! Die Veranstaltung findet im Konzertsaal der Wetzlarer Musikschule statt – als Matinee, Beginn um 11.00 Uhr.