Ein Freund der Familie hat einmal gesagt, die schönste Mozart-Oper sei die, aus welcher man gerade kommt. So ähnlich geht es mir mit Francesco Cavallis La Calisto. Ich war siebzehn, als ich das Stück zum ersten Mal gehört habe, und seitdem hat mich diese Oper nicht mehr losgelassen. Es war damals wie ein Schock, wie eine Bluttransfusion, wie ein Überfall auf Seele und Gemüt. Immer, wenn ich seitdem La Calisto höre, ist es für mich die schönste Musik, die jemals geschrieben wurde. Erst nach ein paar Tagen Karenzzeit haben Rameau und Mozart wieder eine Chance.

Renè Jacobs, dessen Einspielung wir heute hören werden, bescheinigt La Calisto eine unübertroffene Vollkommenheit in der venezianischen Oper zwischen 1638 und 1660 (“musikdramatisch gesehen die interessanteste Zeit”). Das Libretto sei, so Jacobs, “in seiner Qualität den Operntexten vergleichbar, die Da Ponte für Mozart schrieb” und fragt rhetorisch, in welcher Oper vor Mozart die Personen derart genau charakterisiert werden. Heute Abend im Kurs also La Calisto – “Un strano misto d’allegro e tristo”, wie Jacobs sagt. Und, wie ich hinzufüge, con musica meravigliosa.