Wetzlarer Neue Zeitung, 28. Januar 2020

Weltpremiere bei den fünften “Wetzlarer Improvisationstagen”

70 Interessierte verfolgen das Zusammenspiel von Eva Zöllner (Akkordeon) und Anja Karina Petry (Kalligrafie)

Von Andreas E. Müller

WETZLAR – “Keine Ahnung, was hier gleich passieren wird”, sagte Thomas Sander, Leiter der Wetzlarer Musikschule als Ideengeber und Organisator der “Wetzlarer Improvisationstage” vor der Veranstaltung “Die Oktave oder ein Alphabet in Unordnung”. Die beiden Frauen sind sich vor einer Woche zum ersten Mal begegnet und haben ihr gemeinsames Programm speziell für diesen Abend entwickelt. So kamen die Besucher in den Genuss einer Weltpremiere. “Bei den Improvisationstagen wollen wir Musik in den Mittelpunkt stellen, aber mit anderen Künsten vernetzen”, sagte Sander. Das Publikum lud er ein, gerne aufzustehen und näher an das Geschehen zu kommen.

Zöllner Petry 2020

“Ihre Erwartungen an den Klang meines Akkordeons werden wahrscheinlich nicht erfüllt”, meinte Zöllner und machte die Gemeinsamkeiten von Klang und Bildern deutlich: “Es gibt Linien, Rhythmen, Flächen und Klangfarben”. Ihre Musik werde gleich mal im Vordergrund stehen, dann wieder in den Hintergrund treten, kündigte sie an. Im Foyer des Rathauses standen zwei Staffeleien, eine mit einer weißen, die andere mit einer schwarzen Leinwand. Petry zog feine Linien auf die weiße Leinwand. Zöllner veränderte dazu die Töne einer Oktave auf ihrem Akkordeon. Mit schwarzer Farbe schrieb oder besser malte Petry die Buchstaben des Alphabetes. Zöllner wählte dazu überwiegend tiefe Töne. Zu roten Verzierungen erklangen danach hohe Töne. Zöllner behielt Petry ständig im Auge, reagierte auf alles, was auf der Leinwand geschah.

Als das Bild fertig war, erzeugte sie Luftgeräusche mit ihrem Akkordeon. Dann wurde die Musik wilder und hektischer, Zöllner ließ die Knöpfe ihres Instrumentes klackern oder schabte mit ihren Fingernägeln über die Balgfalten. Aufmerksam verfolgten die Menschen, was geschah. Mit goldener Farbe malte Petry mehrmals den Buchstaben “m” auf die schwarze Leinwand. Zöllner folgte mit ihrem Akkordeon ihren Bewegungen. Petry arbeitete mit Pinseln, einer Farbrolle und kratzte auch mit einer Faltfeder Farbe in ihre Bilder. In ihrer Laudatio stellte Stadträtin Sigrid Kornmann (FDP) die beiden Künstlerinnen vor und zeigte sich begeistert von den Eindrücken. Die Kalligrafie sei entstanden, als der Buchdruck aufkam, um handschriftliche Aufzeichnungen künstlerischer zu gestalten, berichtete sie. Über das Gesehene und Gehörte sagte sie: “Das hier war mehr als Schönschrift, das war Kunst.”

Die Veranstaltung bei den Improvisationstagen war gleichzeitig die Vernissage der Kalligrafie-Ausstellung von Anja Karina Petry. Ihre Bilder sind während der Öffnungszeiten des Rathauses, Montag bis Mittwoch von 7.30 Uhr bis 16 Uhr, Donnerstag von 7.30 Uhr bis 17 Uhr und Freitag von 7.30 Uhr bis 13 Uhr zu sehen.