Bei der Vorbereitung zur Besprechung des 2. Streichquartetts (“Intime Briefe”) von Leoš Janáček finde ich bei kammermusikfuehrer.de die Einschätzung, es handle sich um “ein Werk, das an Intensität und Leidenschaft kaum ein Gegenstück in der Kammermusik hat, obwohl es von einem 74-jährigen Komponisten in seinem letzten Lebensjahr geschrieben wurde.” Als Quelle wird J. Vogel angegeben. Für Herrn oder Frau Vogel ist der leidenschaftliche Mittsiebziger offenbar ein Oxymoron, wie sonst ist das “obwohl” zu verstehen? Irgendwann lassen doch Intensität und Leidenschaft nach, so ab der Rente vielleicht. Und muss man denn wirklich noch mit vierundsiebzig grandios verliebte Kammermusik schreiben? Und das obendrein für eine 36-jährige, du liebe Zeit! Manche Sachen macht man einfach ab einem gewissen Alter nicht mehr, zum Beispiel Riesenrad fahren, nächtens im Strandkorb Champagner trinken oder eben “intime Briefe” schreiben. Nach Tucholsky liebt der Beamte seine Frau immer dienstags. Vielleicht auch noch mit vierundsiebzig, wer weiß. Aber nur in Schaltjahren, wegen der Intensität und Leidenschaft.