Gestern habe ich im Gießener Kinopolis Roméo et Juliette von Charles Gounod gesehen, live aus der Metropolitan Opera. Es war mein erster Versuch, Oper im Kino zu erleben. Am Ende, nach gut drei Stunden, bin ich mit sehr zwiespältigen Gefühlen heimgefahren, was mit der Aufführung selbst nichts zu tun hat. Nebenbei: Diana Damrau war eine exzellente Juliette, Vittorio Grigolo ein mehr als überzeugender Roméo, Dirigent Gianandrea Noseda sorgte für differenzierte Orchesterklänge. Die Nebenrollen waren gut bis ordentlich besetzt, der Chor agierte präsent und sicher. Die Inszenierung ging keine Risiken ein, auch Ausstattung und Kostüme waren konventionell und ohne Verschreckungspotential.

Oper im Kino, live aus der Met. Für € 31,50 hat man einen schönen Platz, sitzt darauf auch bequem und sieht und hört gut. Letzteres allerdings nur, wenn die Tontechnik die Voraussetzungen dazu schafft. Mit viel Fantasie kann man sich vielleicht eine Weile lang einbilden, wirklich in der Met zu sein. Wenn das Bild wackelt oder ganz stehen bleibt, wie etwa zwanzig Minuten vor Schluss geschehen (da wechselten auch die Untertitel von deutsch zu englisch), wird es mit der Autosuggestion schon schwieriger. Dann kann man sich immer noch vergegenwärtigen, dass ein Großteil des Publikums fein angezogen ist, wie in der Oper eben. Es gibt vorher und während der Pause (gegen Vorbestellung!) Sekt, Wein oder sonstige Getränke. Man darf die Gläser sogar mit zum Platz nehmen, was in der Oper gottseidank nicht erlaubt ist. Wir sind im Kino, vergessen wir das nicht. Es ist größer als das heimische Wohnzimmer, und man ist unter Leuten, immerhin. Ansonsten ist es Oper im Kino, das so tut, als sei es die Oper. Das ist wie teure Tütensuppe oder Premium Wandtapete „Backstein“. Lassen wir’s dabei.