Morgen wollen wir im Vormittagskurs den Einstieg in das sinfonische Werk von Anton Bruckner finden. Das wird ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen, denn immerhin haben wir es mit insgesamt zehn Sinfonien zu tun, die eine zum Teil sehr weit entwickelte Klangsprache aufweisen. Es ist gut möglich, dass sich eine Diskussion entspinnen wird zum Thema Wirkung, zu Größe und Umfang, anders verstanden als Schwere und Monumentalität. Wir werden darauf zu sprechen kommen, welche Bedeutung der Nationalsozialismus Bruckners Musik zuteil werden lässt, insbesondere für propagandistische Zwecke. Und schließlich: Wer ist dieser Mann, der seine 7. Sinfonie König Ludwig II., die 8. Sinfonie Kaiser Franz Joseph und seine 9. Sinfonie dem lieben Gott widmet? Der sein Leben lang schriftliche, erfolglose Heiratsanträge verfasst, vorzugsweise an junge Frauen um die 20? Für die Betrachtung seines Œuvres ist das nicht unerheblich. Vielleicht hat in der Tat eine explosive Mischung aus militantem Katholizismus und sexueller Unterzuckerung das Entstehen dieser massiven, gewaltigen Klangflächen begünstigt, wer weiß. Jedenfalls geht eine eigenartige Wirkung von Bruckners Musik aus, und nur die wenigsten lässt sie kalt, so oder so.