In letzter Zeit, bedingt durch Corona, hört man Leute von “Entschleunigung” reden. Sie meinen damit, dass sie ihr Leben, ihren Tagesablauf oder was auch immer jetzt als verlangsamt empfinden. Das ist insofern interessant, als ihre Tage genauso lang, kurz, schmal oder breit sind wie vorher auch – der Tag hat nach wie vor 24 Stunden, und keine Uhr geht jetzt langsamer. Richtig ist allerdings ebenso, dass sich die Inhalte der Tage verändert haben, zumeist durch den Wegfall von Betriebsamkeiten. Viele der gewohnten Aktivitäten sind gegenwärtig nicht durchführbar, und an ihre Stelle tritt nichts anderes, jedenfalls kaum Geschäftiges, und dieser Leerraum erzeugt ein Gefühl von Verlangsamung. Um ein musikalisches Bild zu verwenden: Ein Stück, das hundert Takte hat und in gleichbleibendem Tempo zu spielen ist, wird nicht dadurch langsamer, dass statt vierhundert Viertelnoten jetzt hundert ganze Noten gespielt werden. Im zweiten Fall ensteht durch den veränderten Rhythmus das subjektive Gefühl von besagter Entschleunigung, das Tempo jedoch bleibt dasselbe. Von einem Ton bis zum nächsten vergeht in der zweiten Variante mehr Zeit, das ist alles.