Vor genau fünfzehn Jahren, im Januar 2002, spielte das Norsk Barokkorkester unter Rolf Lislevand in Oslo den Zyklus Lachrimae von John Dowland ein, dazu sechs Lieder zusammen mit der Mezzosopranistin Randi Stene. Dowlands Pavanen sind kunstvollste und weltberühmte Beispiele hochemotionaler, melancholischer Instrumentalmusik. Entstanden sind die Stücke wahrscheinlich zu Anfang des 17. Jahrhunderts während Dowlands Zeit am dänischen Königshof unter Christian IV. Dem Norsk Barokkorkester war fraglos bewusst, welche Maßstäbe Dowland hinsichtlich der Faktur wie des Ausdrucksgehaltes mit Lachrimae gesetzt hat. Ebenso dürften dem Ensemble andere Einspielungen namhafter Ensembles bekannt gewesen sein. Gleichwohl oder gerade deswegen ist den norwegischen Musikern eine mitreißende, aufwühlende Interpretation gelungen. Die Aufnahme ist ein einziges Plädoyer der Leidenschaft, technisch herausragend und dabei von atemberaubender Regel- und Zügellosigkeit der Gestaltung. Eine im besten Sinne unbeherrschte Aufnahme, wie sie nur jemand zustande bringt, der mit den Abgründen, Maßlosigkeiten, Verzweiflungen und Seelenqualen der Liebe bestens vertraut ist. Kein Wunder, dass die CD nur noch schwer zu bekommen ist. Wer die Gelegenheit hat, sollte sie unbedingt nutzen.