Plácido Domingo soll einmal gesagt haben, die Partie des Don José in Bizets Oper Carmen sei seine Lieblingsrolle, da die Darstellung des Verlustes von Selbstachtung und Selbstwertgefühl des verzweifelten Liebhabers in keiner anderen Oper ähnlich eindrucksvoll sei. Vielleicht hat der gute Plácido das tatsächlich gesagt, es wäre durchaus nachvollziehbar. Doch Vorsicht, nach einer anderen Quelle soll er gesagt haben, er habe keine Lieblingsrolle: “Das ist, als fragte man die Eltern einer spanischen Großfamilie, welches ihr liebstes Kind ist. Man liebt sie alle. Aber die wichtigste Rolle ist immer die, die ich gerade singe. Ihr gehört meine ganze Kraft und Energie.”
Das hört sich ebenfalls gut an. Wahrscheinlich hat er sowohl das eine als auch das andere gesagt. Wer jahrzehntelang Interviews gibt, der sagt halt viel, und auch schon mal das Gegenteil. Wie auch immer, wir hören heute den ersten Akt der Carmen aus der legendären Aufführung der Wiener Staatsoper 1978 (R.: Zeffirelli; Domingo, Obraztsova, Buchanan; Kleiber). Eine Sternstunde der Oper! Der Schlussbeifall nahm die Länge der ganzen Oper an, glaubt man dem damaligen Kritiker der Süddeutschen Zeitung. Wahrscheinlich stimmt es, wie auch das Gegenteil.